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Petulia

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04.03.2018
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Petulia

Warum Petulia an einem Mittwoch um Dreiviertel Zwölf auf einen Baum stieg, konnte niemand sagen. 'Vielleicht will sie wissen, wie die Welt von weiter oben ausschaut', mutmaßten die Eltern, '… oder ob sie von dort über die Dächer bis zum Meer sehen kann?' Aber was wussten Eltern schon? Jedenfalls nicht, warum Petulia auf den Baum gestiegen war, und erst recht nicht, warum sie nicht mehr herunterkam. Dabei war es so einfach, das zu wissen, wenn man Petulia war. Sie hatte nur einmal 'Ja' gezwinkert und zweimal 'Nein'. Damit war es ausgemacht. Soll ich auf den Baum klettern? Zwinker. Soll ich wieder runter? Zwinker zwinker. Tausenddreihundertsiebenundfünfzig Tage würde sie den Boden nicht mehr betreten, so viel stand fest. Als sie überlegte, was das ungefähr in Jahren bedeutete, wurde ihr schwindelig und Schwindel ist kein guter Zustand für ein Mädchen auf einem Baum.

Petulia hatte für jedes ihrer Jahre einen Finger. Jedes Jahr verdiente einen eigenen, denn immer, wenn sie den entsprechenden Finger ausstreckte, war das Jahr da, mit allem Wichtigen, das darin passiert war. Nur den kleinen Finger der rechten Hand, den zählte sie schneller als die anderen und und kniff dazu die Augen zusammen. Im Kleinen-Finger-Jahr war Oma Else gestorben.
Der rechte Daumen für die Zehn war erst vor wenigen Tagen dazugekommen. Ein Teil von ihr fühlte sich nun vollständig und vollständig war ein sehr gutes Gefühl. Ein anderer Teil fragte sich, was denn nächstes Jahr werden sollte, wenn sie einen elften Finger bräuchte? Sie dachte an ihre Zehen. Wenn sie mit den Zehen wackeln konnte, würden sie auch zum Zählen taugen. Aber wie sollte sie mit den Zehen zählen, wenn sie die ganze Zeit in Schuhen versteckt waren? Und was sollte sie tun, wenn jemand nächstes Jahr fragte, wie alt sie sei? Meistens taten das ja die Nachbarinnen, vor allem die tüdelige Zitschke. Sollte sie 'Einen Moment, Frau Zitschke!' sagen, erst den linken Schuh ausziehen, bevor sie antwortete, und das alles nur für die blöde Elf? Abgesehen davon war es eine blöde Idee, auf einem Baum den linken Schuh auszuziehen, damit er derjenigen, die gefragt hat, womöglich auf den Kopf fällt. Wobei, bei der Zitschke konnte das nicht mehr viel anrichten.

Natürlich hatte sie in der Schule schon weiter gezählt, im Kopf hinter geschlossenen Augen. Als die Lehrerin, Frau Bommel, 'Petulia' gerufen hatte, war sie bei tausenddreihundertsiebenundfünfzig gewesen und das hatte sie laut ausgesprochen, als Antwort auf eine Frage, die leider niemand gestellt hatte.
Alle hatten gelacht, nur die olle Frau Bommel nicht. Das lag aber wahrscheinlich eher daran, dass Petulia aus Versehen noch 'Frau Ollebommel' gesagt hatte. Seitdem war sie beim Rechnen von einer Zwei auf eine Vier gerutscht, wie Frau Bommel flugs in der nächsten Stunde kundtat. Ihre Nase hatte sie dabei gerümpft und ein wenig mehr Richtung Decke gehalten als sonst.
Trotzdem blieb tausenddreihundertsiebenundfünfzig Petulias ganz eigene Antwort auf ungestellte Fragen. Und sie wurde zu ihrer Lieblingszahl, auch wenn sie natürlich niemand kannte, der so viele Finger und Zehen hatte. Selbst einem Tausendfüßler fehlten ja noch dreihundertsiebenundfünfzig, vorausgesetzt, er hatte an jedem Beinchen nicht mehr als einen Zeh. Und es war gut, dass niemand so alt werden konnte, denn manchmal kam sie schon jetzt mit zehn Fingern durcheinander. Und wie mochte das erst sein, wenn man seine unzähligen Jahre ganz ohne Hilfestellung in die Reihe bringen musste?

Jedenfalls stieg Petulia bis in die Spitze der riesigen Kastanie und sah tatsächlich zum ersten Mal die Welt von ganz oben. Die beiden tiefen Teiche, die nach dem letzten Deichbruch vor langer Zeit geblieben waren, glitzerten im Sonnenlicht. Oma hatte erzählt, als sie selbst ein junges Mädchen gewesen war, hatte das Meer vor und hinter dem Haus große Strudel gedreht und dabei zwei riesige Kuhlen in die Erde gebohrt. Das Meer ging zurück, die Teiche blieben. Oma Else nannte sie die 'Augen des Meeres', der vor dem Haus hieß Karlchen, der dahinter Fiete. Seit sie das gesagt hatte, fühlte sich Petulia immer ein wenig beobachtet. Ein ganz klein wenig. Aber sie wusste, das Meer würde ihr nichts tun, weil es neben den Kühen schon die beiden Brüder von Oma geholt hatte und auch ein Meer musste schließlich wissen, wann es genug ist.

Der neue Deich war weit vor den Überresten des alten errichtet und auf dem grasigen Marschland dazwischen standen neue Kühe. Eine Allee hoher Bäume zog sich Richtung Dorf, nur der Kirchturm ragte über die Wipfel.
Als der Wind die Kronen auseinanderbog, sah sie die Kirchturmuhr. Dreiviertel Zwölf. Sie war also an einem Mittwoch um Dreiviertel Zwölf in die Kastanie gestiegen. Wer wusste schon, wozu es gut sein mochte, das zu wissen? Den Turmschlag hörte sie nur an manchen heißen Sommertagen, wenn auch der Westwind Urlaub machte – und auf dem Weg zur Schule.
Aber zur Schule würde sie ja nicht mehr gehen, auch nach den Sommerferien nicht, was den Vorteil hatte, dass sie in Ruhe weiter als tausenddreihundertsiebenundfünfzig zählen könnte, wenn sie das mal wollen sollte.
Hauptsache, sie würde den Neuen, den Hauke nicht mehr wiedersehen. Der Hauke war ein Blödian und dabei war er erst seit ein paar Wochen in der Klasse.
'Petusilia' hatte er sie am letzten Schultag vor den Ferien genannt und selbst ein grimmiges Doppelzwinkern hatte ihn nicht aufhalten können. In ihrem kleinen Finger zog es ein wenig, als er 'Petusilia' sagte. Vielleicht zog es im Finger, weil laut Mama die Oma den Namen für sie ausgesucht hatte und dabei hatte sie sicher nicht an Petersilie gedacht. Obwohl, wer wusste das bei Oma schon?
'Tausenddreihundertsiebenundfünfzig' hatte sie den neuen Hauke angeschrien und ihn mit runzliger Stirn stehen lassen – was sie als kleinen Triumph feierte, zumal auch die Allermeisten mit dem Lachen aufhörten, nur Frau Ollebommel nicht. Ihr Lachen hatte etwas Wieherndes, weil sie zwischendurch immer wieder mit einem pfeifenden Schnarchen Luft holte. Das war so selten wie lustig und allemal besser als der scharfe Blick, mit dem sie sonst alles Laute abrasierte.
Als dann irgendwer mit Händen und Oberschenkeln einen Galopp nachmachte, konnten die anderen nicht mehr an sich halten und prusteten los. Und das Lachen der Klasse war so ansteckend, dass selbst der blöde Hauke mit einfiel. Nur Petulia nicht.

Das erste, woran Petulia nicht gedacht hatte, war der Wind. Aber das war wirklich nur das erste. Wenn ein Mädchen an einem Mittwoch um Dreiviertel Zwölf auf einen Baum steigt, weil es erst einmal und dann zweimal zwinkert, fehlt ein wenig die Vorbereitung. Zu der Windjacke, die Petulia vermisste, gesellten sich bald Durst, Appetit und Bedürfnisse, die für denjenigen, der gerne unter Bäumen spazieren geht, höchst unangenehm werden können. Unangenehmer als ein linker Schuh, der aus einem anderen Grund herunterfällt.
»Petulia, in zehn Minuten gibt es Essen«, rief Papa aus der offenen Terrassentür.
Er konnte nicht wissen, dass sie zweimal gezwinkert hatte und selbst wenn er es gesehen hätte, hätte er nicht gewusst, was es bedeutete.
»Hab keinen Hunger«, rief Petulia von oben zurück, was so nicht stimmte, aber alles andere wäre für Papa zu schwierig zu verstehen gewesen.
Papa legte den Kopf in den Nacken und schaute in die Kastanie. Wer schon einmal in der Spitze einer riesigen Kastanie gesessen hat, der weiß, wie dicht so ein Sommerblätterdach sein kann. So dicht jedenfalls, dass einfaches Gucken nicht ausreicht. Da Papa aber nicht mehr tun wollte, als einfach zu gucken, zuckte er mit den Schultern und als er damit fertig war, ging er wieder ins Haus.
Blöd nur, dass er die Tür offenließ und aus der offenen Tür ein Duft nach oben stieg, der Petulia verriet, dass Mama Grünkohl mit Pinkel machte und Grünkohl mit Pinkel war mit Abstand das Leckerste, das aus Mamas Küche kam.
Da sie aber zweimal gezwinkert hatte, konnte sie nicht mir nichts dir nichts vom Baum steigen, ins Haus spazieren und sich an den Tisch setzen. In der Spitze einer Kastanie zu sitzen, mit knurrendem Magen und dem Duft ihres Lieblingsgerichts in der Nase, ging aber ebenso wenig.
Also stieg Petulia auf den nächstgrößeren Ast, der wie eine Brücke zu einer großen Linde wuchs, und kletterte hinüber. Hier roch sie das Essen nicht mehr und das war gut, denn ihr Magen knurrte immer noch, als hätte sie eine ganze Bärenhorde verschluckt. Möglicherweise ließ sich der Aufenthalt hier oben verkürzen, vielleicht auf tausenddreihundertsiebenundfünfzig Stunden? Das wären dann immerhin bestimmt noch die ganzen Sommerferien.
Von der Linde kletterte sie auf eine Lärche und von dort aus auf den großen Kirschbaum von Frau Zitschke. Dass sie das ein oder andere Mal dabei doch den Boden berührte, nahm sie als unvermeidbares Übel, aber Fliegen hatte sie noch nicht gelernt. Jeder Schritt fühlte sich an wie ein Wassertropfen, der auf einer heißen Herdplatte tanzt, weil er da nicht hingehört. Vielleicht war das der erste Schritt zum Fliegen, wenn jeder Schritt auf dem Boden zischt?
Petulia liebte Süßkirschen und der Baum hing gerappelt voll damit, weil die Zitschke nicht nur ihr Alter vergaß, sondern auch, dass ein Kirschbaum in ihrem Garten stand.
Nachdem sie einige Hände voll gegessen hatte, machte Petulia eine Pause. Süßkirschen sind köstlich, unbestritten, aber bei jemand, der wenige Minuten vorher Grünkohl mit Pinkel in der Nase hatte und bei dem das nun mal das Lieblingsgericht ist, haben es auch die leckersten Kirschen auf Dauer schwer. Also pflückte sich Petulia einen kleinen Vorrat in ihre Kapuze und hangelte sich hinüber zu den Pappeln entlang der Straße, die zum Kirchturm führte.

Kurz vor dem Kirchturm endete die Allee an einer knorrigen Eiche. Petulia musste in den wilden Garten des alten Kapitänshauses wechseln, das letztens erst neue Besitzer bekommen hatte. Das Strandgut hatten die Neuen schon von der Terrasse geräumt und dafür ein Baugerüst aufgestellt. Nur die vom Salz angefressene Schiffsglocke hing noch.
Und schon hatten sie in die alte Eiche ein Baumhaus gezimmert. Eines, das mal ganz um den Stamm herumging, mit Teerpappe, Geländer und allem Schnick und Schnack. Es war noch nicht fertig, aber wo die Strickleiter festgemacht war, gab es eine Falltür und in die hatte jemand ein großes Ha geschnitzt.
Petulia kannte niemand, dessen Name mit einem Ha anfing, nur blöde Wörter wie Haflinger, Husten und Hibiskus. Wobei … jasses, einen gab es.
»Petusilia«, rief Hauke, »was machst du denn da oben auf meinem Baumhaus?«
Abgesehen von dem kleinen Finger, der wieder pochte, hatte Petulia mit einem Mal große Lust, beide Schuhe auszuziehen und auf den Blödian zu pfeffern. Und dann würde sie die Hose runterziehen und ... nee, das doch nicht.
»Nenn mich nicht so, Hauke Kackfresse, ich heiße Petulia, weil meine Oma Else den Namen für mich ausgesucht hat.«
Kackfresse war übel und es war ihr rausgerutscht. Es war sogar übler als das übelste Schimpfwort, das Petulia bis dahin je gesagt hatte und wahrscheinlich übler, als alles, was Hauke je sagen würde, aber da war noch dieses Bild im Kopf. Und schließlich war er ja der Grund, warum sie hier oben hockte, statt zuhause am Tisch Grünkohl mit Pinkel zu essen. Aber das war nicht der einzige Grund, noch nicht einmal der eigentliche. Der eigentliche war, dass sie abgesehen davon, in der Klasse die Jüngste zu sein, einfach anders war als die anderen. Und deshalb lachten auch alle über sie, statt ihr zur Seite zu stehen.
Hauke machte den Mund auf und wieder zu, wie ein Fisch, der nach Luft schnappt, und Petulia dachte, dass der hierhin passte, der Fisch, hier in den Garten des Kapitänshauses. Außerdem dachte sie noch, wo sie es ihm gerade halbwegs zurückgezahlt hatte, würden ja vielleicht auch tausenddreihundertsiebenundfünfzig Minuten Baumzeit reichen und zwinkerte einmal dazu.

Hauke stand unten am Fuß der Eiche und schluchzte, zumindest hörte sich das für einen Moment so an. Er hatte die Augen zusammengekniffen und holte Luft. Und gerade, als er kurz davor war, Petulia leid zu tun, lachte er aus vollem Hals los. Nicht so wiehernd wie Frau Ollebommel und nicht so keckernd wie die tüdelige Frau Zitschke, sondern richtig nett und geradeaus.
»Kackfresse, das ist … echt übel, Petulia. Jasses, das ist so übel, das werde ich immer im Ohr haben, wenn ich dich sehe.«
'Hatte er gerade Petulia gesagt?', fragte sich Petulia im Stillen und merkte, wie ihre Wangen warm wurden. Laut sagte sie: »Tschuldige, ist mir rausgerutscht.«
Da sie das aber nicht wirklich so meinte, aß sie eine Kirsche aus der Kapuze und spuckte ihm den Kern auf den Kopf.
»He du, … na warte«, rief Hauke, griff nach der Strickleiter und machte sich an den Aufstieg. Petulia stellte sich auf die Falltür, bis er von unten dagegen bollerte.
»Lass mich hoch«, sagte Hauke. Petulia zwinkerte zweimal.
»Jawoll, Herr Kapitän, aber erst, wenn du mir zwei Fragen beantwortest.«
»Von mir aus.«
»Die erste: Wie alt bist du?«, fragte Petulia.
»Elf, wieso?«
»Die zweite: Wie fühlt sich das an … ich meine … du hast nur zehn Finger.« Petulia kniff feste die Augen zu und hoffte ganz doll, dass er sie nicht auslachte, weil sie wusste, wie speziell diese Frage war. Dazu hielt sie die Luft an und biss auf die Zähne, bis es wehtat. Das Knarzen der Strickleiter im Wind war lauter als das Rauschen der Blätter, ein doppelter Turmschlag, es war halb.

»Hm, ich glaub, ich weiß, was du meinst«, sagte Hauke. »Am Anfang hab ich immer noch den kleinen linken Zeh dazu genommen, aber dann war es mir zu lästig, immer den Schuh auszuziehen. Jetzt denke ich ohne Finger an die Jahre und an das Besondere, was in jedem Jahr passiert ist. Geht auch.«
»Hm, ... geht auch«, sagte Petulia leise. Tausenddreihundertsiebenundfünfzig Sekunden waren sicher schon vorbei. Sie zwinkerte einmal, in ihren Wimpern hing ein wenig Nebelwasser. Vollständig war ein gutes Gefühl.
»Komm, wir pflücken Kirschen bei der Zitschke.« Petulia sprang von der Falltür und griff in die Blätter der ersten Pappel. Hinter ihr schlug die Falltür mit einem Quietschen auf.
»Grünkohl mit Pinkel wär mir lieber«, maulte Hauke grinsend und begann, hinter ihr her zu hangeln. Petulia hätte beinahe danebengegriffen. Als sie das hörte, wurde ihr schwindelig und Schwindel ist kein guter Zustand für ein Mädchen auf einem Baum. Doch dann dachte sie ans Fliegen und an Schritte, die auf dem Boden zischen und griff den nächsten Ast. Zwei Pappeln weiter dachte sie, Mama würde es nichts ausmachen, zwei große Teller Grünkohl mit Pinkel in die alte Kastanie hochzureichen. Sie würden in der Baumkrone sitzen, trotz der Sonne im Wind frieren und beim Essen den glitzernden Augen des Meeres namens Karlchen und Fiete zukniepen, die sie beobachteten, aber nur ein ganz klein wenig. Es war Mittwoch Dreiviertel Eins.

 
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Hallo @HerrLehrer,

es ist schade, dass ich dich nach anfänglichem Catch verloren habe, wobei ich mich frage, warum du aussteigst, wo sich der Kontext gerade verdichtet, wo die Bezüge klarer werden. Das Thema ist wie du schon treffend beschrieben hast, Ausgrenzung, Nicht-verstanden-fühlen, auch Einsamkeit. Kindern, die sich aufgrund ihrer Eigenarten zurückgesetzt fühlen, eine Identifikation anbieten und nur bedingt Unterhaltung und Amüsement. Alles richtig, nur warum verlierst du das im Text, wo es mMn zunehmend deutlicher wird? Wo es zur Interaktion kommt und sich eine wunderbare Freundschaft anbahnt? Der Hauke, der ist nicht der Plot, soll und kann er nicht sein, der ist der Twist, das Treffen der beiden zufällig, quasi glückliche Fügung, nicht arrangiert. Und er könnte für Petulia ganz wichtig werden, da stehen so viele Wege offen.
Vielleicht braucht der Text Leser mit Muße, mit Geduld, die eine Antenne für diesen speziellen Zauber haben. Oder es ist eine Frage von Lesegewohnheiten, mag sein. Ich nehme es als weitere Lesart von jemand, den ich so leider nicht erreicht habe.

Peace, linktofink

 

Hallo @linktofink,

ich mag die Petulia. Die ist so schön besonders. Trotzdem hast du mich mittendrin verloren. Mal schauen was da los was.

Sie hatte nur einmal 'Ja' gezwinkert und zweimal 'Nein'.
Also wenn sie einmal zwinkert, dann bedeutet das Ja und wenn sie zweimal zwinkert, dann bedeutet das Nein? Da steht aber sie zwinkert einmal Ja und zweimal Nein. Ich würde den Satz etwas umstellen:
Sie hatte nur einmal einmal gezwinkert – ja – und einmal zweimal gezwinkert – nein.

Bei ihr verdiente jedes Jahr einen eigenen, denn immer, wenn sie den entsprechenden Finger ausstreckte, war das Jahr da, mit allem Wichtigen, das darin passiert war.
Das finde ich süß.

Der rechte Daumen für die Zehn war erst vor wenigen Tagen dazugekommen. Ein Teil von ihr fühlte sich nun vollständig und vollständig war ein sehr gutes Gefühl.
Klar, normalerweise zeigen kleinere Kinder ihre Finger, wenn sie ihr Alter nennen. Aber für Petulia ist es eben immer noch wichtig.

Sollte sie 'einen Moment, Frau Zitschke!' sagen, erst den linken Schuh ausziehen, bevor sie antwortete, und das alles nur für die blöde Elf?
Die Frage die ich mir stelle ist: Kann Petulia einzelnen Zehen einknicken, damit man das Alter erkennt? Das würde mich an ihrer Stelle ja noch viel mehr beschäftigen.

Jedenfalls stieg Petulia bis in die Spitze der riesigen Kastanie und sah tatsächlich zum ersten Mal die Welt von ganz oben.
Manchmal wird’s etwas voll mit den ganzen Füllwörtern. Hier vllt das tatsächlich entfernen?

Die beiden tiefen Teiche, die nach dem letzten Deichbruch vor langer Zeit geblieben waren, glitzerten im Sonnenlicht. Oma hatte erzählt, als sie selbst ein junges Mädchen gewesen war, hatte das Meer vor und hinter dem Haus große Strudel gedreht und dabei zwei riesige Kuhlen in die Erde gebohrt.
Hier war ich dann raus. Das ist so abseits von dem was sie bisher dachte, das hat mich irgendwie überhaupt nicht interessiert. Wieso jetzt auf einmal die ollen Teiche?

Wenn du den Abschnitt einfach weglassen würdest und hier weitermachen würdest:

Als der Wind die Kronen auseinanderbog, sah sie die Kirchturmuhr. Dreiviertel Zwölf. Sie war also an einem Mittwoch um Dreiviertel Zwölf in die Kastanie gestiegen.
Dann ginge nichts verloren oder?

wenn auch der Westwind seinen seltenen Urlaub machte
Das klingt mir zu Erwachsen.

'Tausenddreihundertsiebenundfünfzig' hatte sie den neuen Hauke angeschrien, und ihn mit runzliger Stirn stehen gelassen
Hihi, das gefällt mir.

»Hab keinen Hunger«, rief Petulia von oben zurück, was so nicht stimmte, aber alles andere wäre für Papa zu schwierig zu verstehen gewesen.
Sehr rücksichtsvoll. :)

dass Mama Grünkohl mit Pinkel machte und Grünkohl mit Pinkel war mit Abstand das Leckerste, was aus Mamas Küche kam.
1. Wissen Kinder was Pinkel ist? 2. Welches Kind findet Grünkohl toll?

Jeder Schritt fühlte sich an wie ein Wassertropfen, der auf einer Herdplatte tanzt, weil er da nicht hingehört.
Schöne Beschreibung.

Und dann würde sie die Hose runterziehen und ... ne, das doch nicht.
:D

Aber das war nicht der einzige Grund, noch nicht einmal der eigentliche. Der eigentliche war, dass sie abgesehen davon, in der Klasse die Jüngste zu sein, einfach anders war als die anderen. Und deshalb lachten auch alle über sie, statt ihr zur Seite zu stehen.
Hmm, der Übergang gefällt mir nicht so. Das ist etwas zu gewollt. Vllt eher so etwas wie, dass sie manchmal einfach alleine sein muss, weil sie sich so fremd fühlt in der Welt der anderen Menschen und da kommt so ein verlassener Baumwipfel gerade recht.

Am Anfang hab ich immer noch den kleinen linken Zeh dazu genommen, aber dann war es mir zu lästig, immer den Schuh auszuziehen. Jetzt denke ich ohne Finger an die Jahre und an das Besondere, was in jedem Jahr passiert ist.
Grünkohl mit Pinkel wär mir lieber«, maulte Hauke grinsend
Nee, das gefällt mir ja gar nicht. Der Hauke kann ja auch besonders sein, aber anders besonders und nicht genauso. Nee nee.

Trotzdem schön, dass Petulia nun nicht mehr alleine im Baum sitzen muss. Vllt komm ich auch noch dazu.

Eine süße Geschichte über ein besonderes Mädchen. Ob das was für Kinder ist, keine Ahnung, fällt mir hier wirklich schwer einzuschätzen. Erkennen die Kinder das Schöne am Anderssein? Einfach ist es ja auch für Petulia nicht.

Liebe Grüße,
NGK

 

Hallo @Kellerkind,
schön dich dabei zu haben, bei meiner Petulia. Ich kann mich noch sehr gut an deinen Kommentar zu "Flämmchen und Branko" erinnern, wo du meintest, ich müsse noch ein paar Kindergeschichten schreiben und dann einen Verlag dafür finden. Hat mich damals sehr angespornt. Jetzt denke ich, das wäre wohl eher ein Spartenbüchlein, denn selten hat ein Text von mir die Leser so gespalten in Fans und Wegleger.
Deshalb beruhigend, dich auf der Seite derjenigen zu verorten, die diese Geschichte wundervoll finden. Es tut einfach gut, dass sie dir mindestens so gefällt wie Flämmchen. Und es ist einfach nur schön, das hier zu lesen:

Das ist wieder eine wundervolle Geschichte, die ihre Leser fordert und mit dem Gefühl belohnt, an etwas Besonderem teilzuhaben. Ein Gefühl, wie beim Hören eines Radiohead Albums. Definitiv kein Mainstream, kein Fast Food, nichts für Leser, die schnell durch eine Geschichte gejagt werden wollen, weil sie noch etwas Besseres vorhaben. Du hast ein bemerkenswertes Talent, was die Charakterzeichnung Deiner Figuren betrifft, aber auch den Einbau des doppelten Bodens, der die Leser zwischen die Zeilen führt, wo sich Gefühle verbergen, die schwer in Worte zu fassen sind.
Ein eigenwilliger und interessanter Stil.
Ich weiß das sehr zu schätzen, weil du jemand bist, der immer klar seine Meinung äußerst. Bei den Schattengeborenen fandst du den Stil zu gut und die Konstruktion zu sichtbar, deshalb habe ich dich nicht erreicht. Das muss ich so einstecken. Doch hier ist das anders und das freut mich. Sollte es mal ein Spartenbüchlein geben, kriegst du eines davon. Und wenn ich dafür einen Klappentext benötige, würde ich dich vorher danach fragen ;)

Peace, linktofink

 

Für mich ein echter Lesegenuss und eine Geschichte, die eine Empfehlung verdient (ich habe mal gelernt, so was macht man erst nach der Challenge, aber ich werde daran denken.)

Weil ich darüber gerade gestolpert bin, echt? Gab mal eine Diskussion bei einer Challenge vor paar Jahren, aber die ist dann doch zu Gunsten der zeitnahen Empfehlung ausgegangen. Nur so, kannst natürlich empfehlen, wann immer Du es willst :).

 

Hej @linktofink ,

wenn jemand heißt wie ein übermütiges Nachtschattengewächs, passieren eben seltsame Dinge. Aber am Ende ist es das eben gar nicht. Es ist wie es ist. Ein Mädchen zieht es auf die Bäume, hoch über allem, weil es sich eben dort ganz fühlt, nicht anders und ausgeschlossen.
Ich gebe dir hier mal ein paar Nachdenkmöglichkeiten.

Die beiden tiefen Teiche, die nach dem letzten Deichbruch vor langer Zeit geblieben waren, glitzerten im Sonnenlicht. Oma hatte erzählt, als sie selbst ein junges Mädchen gewesen war, hatte das Meer vor und hinter dem Haus große Strudel gedreht und dabei zwei riesige Kuhlen in die Erde gebohrt. Das Meer ging zurück, die Teiche blieben. Oma Else nannte sie die 'Augen des Meeres', der vor dem Haus hieß Karlchen, der dahinter Fiete.

Das ist sehr schön verortet und ich bin an Hauke Haien aus dem Schimmelreiter erinnert, der auch ein seltsames Kind war, trieb er sich doch lieber am Deich herum oder rechnete im Zimmer anstatt mit den anderen zu spielen. Vermutlich war er auch den einen oder anderen Neckereien ausgesetzt.

Wer wusste schon, wozu es gut sein konnte, das zu wissen? Den Turmschlag hörte sie nur an manchen heißen Sommertagen, wenn auch der Westwind seinen seltenen Urlaub machte – und auf dem Weg zur Schule.

immer dieser Westwind - zum Glück ist der wärmer als der aus dem Osten ... Manchmal seh ich bei gewissen Begebenheiten auch auf die Uhr und denke, vielleicht fragt ja mal einer irgendwann danach :D

Blöd nur, dass er die Tür offenließ und aus der offenen Tür ein Duft nach oben stieg, der Petulia verriet, dass Mama Grünkohl mit Pinkel machte und Grünkohl mit Pinkel war mit Abstand das Leckerste, was aus Mamas Küche kam.

Also, diese Petulia-Mutter ist auch sehr speziell, denn niemand, nie-mand bereitet im Sommer Grünkohl mit Pinkel zu :hmm:

Von der Linde kletterte sie auf eine Lärche und von dort aus auf den großen Kirschbaum von Frau Zitschke.

Das ist sehr hübsch, aber wohl auch recht anstrengend - Petulia ist ein kräftiges Kind, kommt wohl vom fetten Essen. :Pfeif:

»Nenn mich nicht so, Hauke Kackfresse, ich heiße Petulia, weil meine Oma Else, die nicht mehr ist, den Namen für mich ausgesucht hat.

Wäre es zuviel verlangt, wenn sie zwar ein derbes, aber phantasievolles Wort sagen würde? Es entspräche ihr nach meinem Empfinden einfach mehr.

Tausenddreihundertsiebenundfünfzig Minuten Baumzeit reichen und zwinkerte einmal dazu.

und auch hier empfinde ich dieses Zwinkern und die Zahlen einmal zu viel

»Grünkohl mit Pinkel wär mir lieber«, maulte Hauke grinsend und begann, hinter ihr her zu hangeln. Petulia hätte beinahe danebengegriffen.

Zufälle gibts ;)

Petulia ist speziell, aber nicht zu sehr wie ich anfangs dachte und so gesehen ist mir der Einstieg ein wenig zu lang im Hinsicht auf das Zählen und die Zahlen. Stattdessen hätte ich gerne mehr vom Dialog und den Ähnlichkeiten mit Hauke gelesen, davon wie sie über Vieles andere denkt, über die Menschen in ihren Eigenarten zum Beispiel im Vergleich mit sich selbst. Aber, okay, ja schon gut, das ist ja hier nicht Wünsch-dir-was. Und deswegen lasse ich dir einfach meinen Leseeindruck hier stehen

und einen freundlichen Gruß. Kanji

 

Liebe @Fliege,

Liest sich gut dein Kommentar und freut mich sehr, wie vieles Dir an der Geschichte gefällt. Glaub mir, das bedeutet mir was, gerade von einer Krümel-Sachverständigen. Ich liste nicht nochmal alles auf, auch wenn ich das für mich mehrfach gelesen habe, sondern gehe auf das ein, was du ändern würdest.

Zu der Sache mit den Fingern: Ich mag die Kombination von Finger und Jahresbedeutung auch, dass die Erinnerungen so da draufkleben. Du wünscht dir das ein wenig dicker unter die Nase, wobei das vielen jetzt schon zu ausschweifend war. "Das auf den ersten Fingern kaum Erinnerungen drauf sind und dann immer mehr" schlägst du vor, das habe ich versucht irgendwie einzubauen, bin aber an keiner Stelle gelandet, wo ich das beiläufig hätte unterbringen können. Also wenn da jemand einen Vorschlag hätte ...

Der Logikbruch innerhalb der Figur, den du durch die Frage nach dem Alter siehst, die Gefahr sehe ich auch. Es geht aber nie um das Zählen oder Antworten an sich, sondern darum, was nächstes Jahr wird und darum, dass sie das Vollständigsein nicht konservieren kann, weil ständig etwas Neues hinzukommt. Und damit entsteht die Notwendigkeit, das zu integrieren und die Sorge, das nicht zu können. Der Wunsch nach Festhalten, was nicht geht. Ich kenne das von mir, dass ich denke und hoffe, so wie es gerade ist, so könnte es mal bleiben, wenigstens für einen Moment ... und dann kommt der nächste Hammer. Ich weiß nicht, wie ich das anders einfangen soll. Das Zählen mit den Zehen ist ja eine Krücke, um so weitermachen zu können wie bisher. Und wenn ich auf diesen Satz verzichte, hätte ich den Aufhänger zur Frau Zitschke nicht und nicht den Übergang zum Kirschbaum und müsste den Flow anders stricken. Schwierig.

Zu den Stelzen: sie sind weg. Ich habe jetzt geschrieben, dass sie Fliegen noch nicht gelernt hat (sinngemäß). Kannst ja mal schauen, ob es so für dich besser passt?
Zu der Frau Ollebommel. "In dem Zusammenhang stört mich dann aber auch, dass die Lehrerin sie auslacht. Ich fände eine super genervte Frau Bommel irgendwie echter", schriebst du. Das mag sein, dass ein Genervtsein authentischer rüberkäme als ein Lachen. Andererseits, wenn ich daran denke, wie die Ex-Hammerwerferin Frau Knüppelkuh in Roald Dahls "Matilda" Kinder zur Strafe aus dem Fenster wirft oder in den Luftabschneider sperrt, ist ein gehässiges Lachen doch recht harmlos. Klar, Pädagogen reagieren so nicht, sie behandeln jedes Kind gleich, sind beherrscht und professionell distanziert (hüstel), aber die Ollebommel ist von der Verunstaltung ihres Namens persönlich getroffen und vorbei ist es mit der Beherrschung. Das mit dem Genervtsein habe ich dennoch anders eingebaut.
"Ihr Lachen hatte etwas Wieherndes, weil sie zwischendurch immer wieder mit einem pfeifenden Schnarchen Luft holte. Das war so selten wie lustig und allemal besser als der genervte Blick, mit dem sie sonst alles Laute abrasierte."

Du wünscht Dir auch eine stärkere Kollision ihrer verträumten Welt mit der realen: "ihre verträumte Welt, in der ihre eigenen Regeln gelten und die daraus entstehenden Missverständnisse". Ich finde ihre Eigenart deutlich genug, dieses Fixieren der Zeit, die Antwort auf nicht gestellte Fragen, die Baumzeit, das Zwinkern, um eine Entscheidung zu treffen und zu bestätigen, das ist schon alles besonders genug für mein Empfinden. Mir fehlt da auch nicht der Konflikt, der ist für mich durch die Schulereignisse ausreichend definiert und an innerem Konflikt tritt auf den Bäumen auch reichlich zutage. Ich würde das jetzt nicht zusätzlich mit Missverständnissen anreichern wollen, weil sie das weiter aus der Welt herausschälen würde, wo es mir doch ein Anliegen ist, sie über diese Hürden springen zu lassen.

"Ah, siehste. Wenn das oben so klar aus dem Text kommen würde, wie Hauke es hier sagt, dann hätte ich mich damit viel leichter getan. Und wenn jmd. Petuila nach ihrem Alter fragt, brauchts ja auch nicht die Jahresereignisse dazu. Die sind doch ganz für sie allein und nicht für neugierige Nachbarinnen." Der Hauke gibt ihr ja die erste Hilfestellung, aus der inneren Verzwickung rauszukommen, diesen Knoten aufzulösen. Welchen Job hätte der Hauke, wenn ich das vorher bringe?
Die Jahre, die schwingen immer automatisch mit, wenn sie an ihr Alter denkt und die Frage als Trigger für das innere Durcheinander hat schon ihren Platz. Heißt ja nicht, dass die Nachbarinnen was von ihrem Innenleben erfahren werden, sie sorgt sich halt nur, wie sie diesen nächsten Step auf die Reihe kriegen soll. Und da lebt es sich auf den Bäumen gut, so außer Reichweite des Bodens und vielleicht klappt das mit dem Fliegen ja doch noch? Kann dich ja fragen, wie das geht ...

Peace, linktofink

 

Liebes @Nichtgeburtstagskind,

schön, was von Dir zu hören. Auch schön, dass du die Petulia magst, dass ich Dir die Figur vermitteln konnte und schade, dass ich Dich in der Mitte verloren habe.
Das mit dem Zwinkern war (soweit ich das jetzt blicke) für alle anderen klar, du bist die erste, die darüber stolpert, deswegen lasse ich es erst mal so, auch, weil ich es nicht noch deutlicher herausstellen möchte, mit Gedankenstrich oder so, das sind oft Flow-Verzögerer.

Dich beschäftigt auch, ob Petulia den Zeh zum Zählen einknicken könnte. Hm, das ist für mich eher ein theoretisches Problem, weil sie es nicht probiert, sondern nur in Gedanken nach einer körperlichen Fortführung der Vollständigkeit, ihrer Art sich ihrer Jahre gewahr zu werden sucht.

Zu den Teichen schreibst du, das hätte Dich überhaupt nicht interessiert. "Wieso jetzt auf einmal die ollen Teiche?" Und es ginge nichts verloren, wenn ich den Absatz weglassen würde.
Nun das sehe ich anders, das ist ein weiterer Schlenker, ihre Welt mit Bedeutung anzureichern, Querverbindungen zur Oma und zur Verwandtschaft aufzuzeigen, Kontext zu bilden. Damit sage ich, dass das Haus, in dem Petulia mit den Eltern wohnt, schon lange im Familienbesitz ist und die früheren Bewohner Katastrophen erlebt haben, die ihre Spuren im Bewusstsein der Familie hinterlassen haben. Deshalb heißen sie die "Augen des Meeres" und deshalb tragen sie die Namen der toten Großonkel Karlchen und Fiete, zum Gedenken, um ein Halteseil der Verstorbenen zur Gegenwart zu schaffen.

1. Wissen Kinder was Pinkel ist? 2. Welches Kind findet Grünkohl toll?
Ich denke mal, das ist regional abhängig, in Nordwestdeutschland und an der Küste wird das jedes Kind kennen und die anderen können fragen. Meine beiden Kinder lieben Grünkohl, auch ohne Pinkel (Tochter ernährt sich vegan), auch als kleine Kinder schon, wenn Oma den kochte. Klar, gemüseaffin ist nicht jedes Kind. Meine große Schwester und ich haben mal, da waren wir im frühen Grundschulalter, Spinat vom Teller ins Klo geschüttet und der Mama, als sie wiederkam gesagt, dass der so richtig lecker war. Blöd nur, dass wir vergessen hatten abzuziehen.

Hmm, der Übergang gefällt mir nicht so. Das ist etwas zu gewollt. Vllt eher so etwas wie, dass sie manchmal einfach alleine sein muss, weil sie sich so fremd fühlt in der Welt der anderen Menschen und da kommt so ein verlassener Baumwipfel gerade recht.
Nee Du, das muss schon ein richtiger Konflikt sein, der gelöst werden will, so an der Grenze zum Mobbing, nicht einfach so mal nach oben kraxeln, weil man sich fremd fühlt und seine Ruhe haben will.

Trotzdem schön, dass Petulia nun nicht mehr alleine im Baum sitzen muss. Vllt komm ich auch noch dazu.
Für dich als Misanthropin wäre das bestimmt was ... :D , vorausgesetzt die Versorgung stimmt.

Nee, das gefällt mir ja gar nicht. Der Hauke kann ja auch besonders sein, aber anders besonders und nicht genauso. Nee nee.
Doch doch. Der Hauke, der ist aus demselben Holz geschnitzt und das macht die Petulia etwas weniger sonderbar, dass es zumindest ein anderes Kind gibt, das den gleichen Spleen und die gleichen Vorlieben hat.

Eine süße Geschichte über ein besonderes Mädchen. Ob das was für Kinder ist, keine Ahnung, fällt mir hier wirklich schwer einzuschätzen. Erkennen die Kinder das Schöne am Anderssein? Einfach ist es ja auch für Petulia nicht.
Weiß ich nicht, ob Kinder das Schöne am Anderssein erkennen, vielleicht sogar eher als wir Erwachsenen? Verkleiden sich nicht alle Kinder gerne und schlüpfen gerne mal in eine andere Figur? Die Frage ist, wie nah Petulia ihnen mit ihrer speziellen Art kommt, ob da eine Identifikation stattfindet. Kann ich nicht beantworten. Ich hoffe ja.

Danke für Deinen Kommentar, NGK, auch wenn ich das meiste anders sehe, ist es spannend, über den Text zu reden und zu streiten.

Peace, linktofink

ps. was ist mit deiner Fantasy-Krümelgeschichte? ;)

 

Hey zurück, @Kanji,

Freut mich, dass du wieder mitmischst. Lass uns mal auf deine Nachdenkmöglichkeitenvorschläge schauen.

Das ist sehr schön verortet und ich bin an Hauke Haien aus dem Schimmelreiter erinnert, der auch ein seltsames Kind war, trieb er sich doch lieber am Deich herum oder rechnete im Zimmer anstatt mit den anderen zu spielen. Vermutlich war er auch den einen oder anderen Neckereien ausgesetzt.
Du legst den Finger auf eine Bildungslücke, aber wenn er auch ein seltsames Kind ist, was beim Deich abhängt, sollte ich den Schimmelreiter mal lesen.

Manchmal seh ich bei gewissen Begebenheiten auch auf die Uhr und denke, vielleicht fragt ja mal einer irgendwann danach :D
Genau. Aber heute trägt kaum noch jemand eine Uhr. Alle schauen kurz aufs Häändi.

Also, diese Petulia-Mutter ist auch sehr speziell, denn niemand, nie-mand bereitet im Sommer Grünkohl mit Pinkel zu :hmm:
Ja, die hat Petulia schon gut erzogen, die Mama, die kocht sogar im Sommer Lieblingsessen ... :Pfeif:

Das ist sehr hübsch, aber wohl auch recht anstrengend - Petulia ist ein kräftiges Kind, kommt wohl vom fetten Essen. :Pfeif:
Allein das Anderssein kostet jede Menge Kraft und dann noch die Hangelei, da kommste mit Kirschen nicht weit.

»Nenn mich nicht so, Hauke Kackfresse, ich heiße Petulia, weil meine Oma Else, die nicht mehr ist, den Namen für mich ausgesucht hat.
Wäre es zuviel verlangt, wenn sie zwar ein derbes, aber phantasievolles Wort sagen würde? Es entspräche ihr nach meinem Empfinden einfach mehr.
any ideas?

Petulia ist speziell, aber nicht zu sehr wie ich anfangs dachte und so gesehen ist mir der Einstieg ein wenig zu lang im Hinsicht auf das Zählen und die Zahlen. Stattdessen hätte ich gerne mehr vom Dialog und den Ähnlichkeiten mit Hauke gelesen, davon wie sie über Vieles andere denkt, über die Menschen in ihren Eigenarten zum Beispiel im Vergleich mit sich selbst. Aber, okay, ja schon gut, das ist ja hier nicht Wünsch-dir-was. Und deswegen lasse ich dir einfach meinen Leseeindruck hier stehen.
Liest sich wie ein Ausblick auf Teil zwei ... Fliege hat was Ähnliches angemerkt:
Das würde ich fast noch bisschen mehr herausstellen - ihre verträumte Welt, in der ihre eigenen Regeln gelten und die daraus entstehenden Missverständnisse.
Mir persönlich war das alles speziell genug, aber da bin ich zwar Autor, aber nicht Maßstab. Wenn ich darüber schreibe, was sie über vieles andere denkt, wie sie sich im Vergleich mit den Menschen auf dem Boden wahrnimmt, wie ihre verträumte Weltsicht durch Missverständnisse mit der Realität kollidiert, ist es dann vom Anspruch her noch eine Geschichte für Kinder? Werden Figur und Thema nicht zu komplex? Ich halte das mal im Blick.

Peace, linktofink

 

Da guck ich doch glatt noch mal rein @linktofink ,

aber wenn er auch ein seltsames Kind ist, was beim Deich abhängt, sollte ich den Schimmelreiter mal lesen.

also nicht zwingend, denn ein bisschen verstaubt ist er sxhon

any ideas?

Wenn ich da so an Petulias Abneigung gegen Worte mit Ha ... denke, wäre es doch möglich dort anzuknüpfen. Hasenarsch oder so:D:shy:

Aber ich muss jetzt weiter urlauben. Bis dann. Kanji

 

Hasenarsch oder so:D:shy:
Das ist mir noch zu harmlos, es ist ja gerade das Besondere, dass der Hauke die schlimme Beleidigung einfach so schluckt und wegsteckt. Hast noch'n Versuch. :D
Weiter fleißiges urlaubern.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @snif,

Mal einfach so aus dem Bauch heraus, ohne die Kommentare der anderen gelesen zu haben:
Ich llliiieeebbbeee diese Geschichte! Die ist so theatralisch wurzlig und doch so melancholisch süss.
Und ich liiiebeee es das von jemand zu lesen, der es einfach wissen muss, weil er selbst so packende Kindergeschichten schreibt. Und es ist so schön, anhand der rausgeschriebenen Stellen nachzuvollziehen, wo ich dich überall erwischt habe. Schon verrückt, wie extrem unterschiedlich der Text aufgenommen wird, von Langeweile bis Liebe ist alles dabei.

Dass Papa das ganze Rumklettern nicht mit einem zweiten Auftreten unterbricht, ist mir zwar noch etwas schleierhaft.
Ist mir gar nicht in den Sinn gekommen, dass es das vielleicht könnte. Aber dafür müsste er sie erst mal sehen, was schwierig wird, weil er sich bei der Suche nicht anstrengen mag, der Gute. Muss ich mal sinnieren, ob das eine Option für Statisten-Daddy wäre.

Für einen Schweizer Laien klingt das scheusslich. Echt beängstigend. Schlimmer als Marshmallows und Gurken. (Pinkel, wer isst sowas!?!) Aber gerade deshalb passts irgendwie.
Gummibärchen, Marshmallows und Gurken klingt vielleicht nicht so scheußlich, heißt aber nix. :D

Etwas hat während dem Lesen doch noch leicht in meinem Bauch gegrummelt, aber ich weiss noch nicht, was es war. Da les ich doch mal die anderen Kommentare durch. Vielleicht komme ich noch drauf.
Da wäre ich schon spitz drauf, das noch zu erfahren, lieber snif.

PS: Normalerweise mag ich viele direkte Reden in Kindergeschichten. Aber du kommst im grössten Teil der Geschichte ohne zurecht. Wow.
Liegt daran, dass ich kaum was Schwierigeres weiß als authentische Dialoge, die echt klingen. Mir gelingt das selten. Also: Hut ab vor svg und seiner Jola-Geschichte.

Hat mich gefreut, dein sehr freundlicher Gegenbesuch,
peace, linktofink

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Hello @Kanji, nett dass du es trotz Urlaub nochmal versuchst.

Also dann @linktofink, liegt die Hackfresse aber auf der Hand :cool:
Aus der Hackfresse hat sich die K...fresse ja entwickelt, quasi als Steigerung, deshalb kann ich die jetzt nicht guten Gewissens einfach so nehmen. :D Ich such mal weiter, vielleicht finde ich noch was richtig Krasses, was besser passt. Danke für deinen erneuten Komm., peace, ltf.

 

Hey @linktofink,

ich habe deine Geschichte schon vor einiger Zeit gelesen und kam einfach nicht dazu, dir einen Kommentar zu hinterlassen. Auch dieser hier wird leider kurz und ist eher ein Leseeindruck, als vermutlich konstruktive Anmerkungen - aber sei's drum.

Petulia ist toll. Ich mag Geschichten über Menschen, die ein bisschen anders sind. Sei es, wenn sie ratlos dastehen, weil sie nicht wissen, wie sie die Zahl elf mit nur zehn Fingern darstellen sollen, oder weil ihre Lieblingszahl Tausenddreihundertsiebenundfünfzig ist. Ich war sofort bei der Kleinen und bin ihr gerne gefolgt. Zwischendrin kannst du noch ein bisschen straffen, das hat im Mittelteil so seine Längen, also die Kleine dreht sich so ein bisschen um sich selbst. Das darf sie auch und ich persönlich war gerne dabei, aber vielleicht gibt es noch die ein oder andere Stelle, an der du es noch knackiger machen könntest.

Sensible Kinder haben es schwerer. Das ging mir selbst so und ich beobachte es im Moment auch bei der Tochter einer Freundin. Die Kleine hat eine ganz eigene Art, die Welt wahrzunehmen, blitzgescheit, aber auch ganz anders als andere in ihrem Alter. Damit hat sie es oft schwer, wird manchmal auch gehänselt, zieht sich in sich selbst zurück und versinkt in so einer eigenen kleinen Welt. Aber sie ist besonders und ich bin froh, dass es unter all dem Groben, Schnellen, Leistungsorientierten usw. noch Träumer gibt.

So fühlt sich deine Geschichte für mich an - verträumt. Ich finde übrigens auch, dass du den Ton sehr gut getroffen hast, hat mir gut gefallen.

Liebe Grüße
RinaWu

 

Als sie überlegte, was das ungefähr in Jahren bedeutete, wurde ihr schwindelig und Schwindel ist kein guter Zustand für ein Mädchen auf einem Baum.

Ist es für niemand-

liebe Petulia,

und nu überleg ich tatsächlich, ob das Duodezimalsytem – dem wir ja alle noch im Dutzend, Schock (5 x 12), Gros (12 x 12) usw. begegnen wie in den zwo Tageshälften (zu 12 h) und den Monaten und folglich dem Jahr und einigem mehr begegnen - im Lande Sumer aus den zehn Fingern und den dicken Zeh‘n entstanden ist (ellef und zwöllef belegen m. E. dergleichen Behauptungen, sonst hießen sie einszehn und zwozehn, und Hauke (ob Haien oder nicht, aber gelesen haben sollte man schon Storm, obwohl dergleichen Zahlenmystik keine Rolle beim Boßeln spielen wird, Haien aber Spaß an Mathe hatte), bevor Araber das nur scheinbar einfachere Zahlensystem aus zehn Ziffern nach Europa brachten (Globalisierung nennt man so was heute) und dass du rechnen kannst, sieht man ja an der 1357 (ca. 3 ¾ Jahr – exakter zu berechnen ist sinnlos, weiß doch keiner, ob ein Schaltjahr darinnen eine Rolle spielt oder nicht.) Um die Zahlenmystik auf den Gipfel zu treiben: Es ist nicht mal ne Primzahl, setzt sich aber zugleich aus zweien (23 x 59) zusammen.

Warum ich so anfang, wird auch niemand sagen können.
Selbst ich nicht.

Vllt. weil der Grünkohl am besten nach dem ersten Frost geerntet wird? Oder weil der erste Bescheid bei Freunden angekommen ist und auf den Cent genau anzeigt, was ich während der EStverklärung behauptet hab … Da werd ich ein wenig übermütig. Aber jetzt muss ich noch‘n paar Flusen fischen,

lieber linktofink,

zu dieser wundersam wunderlichen Geschichte,

denn hier

Jedenfalls nicht, warum Petulia auf den Baum gestiegen war[,] und erst recht nicht, warum sie nicht mehr herunterkam.
ist der „Fragesatz“ zu Ende und die Konjunktion „und“ setzt die Eingangsellipse fort („jedenfalls nicht … und erst recht nicht, warum ...“)

Nimm‘s von hier

'Tausenddreihundertsiebenundfünfzig' hatte sie den neuen Hauke angeschrien[...] und ihn mit runzliger Stirn stehen gelassen – was sie …
(Komma weg – die Konjunktion „und“ vertritt es ganz vorzüglich!) und:
Nicht falsch, aber "lassen" ginge auch ohne Partizipierung und "stehen lassen" wirkt doch auch eleganter. Find ich.

Ein anderer Teil fragte sich, was denn nächstes Jahr werden sollte, wenn sie einen elften Finger bräuchte
Auch nix falsch, aber: Warum nicht die Chance nutzen, die Gleichheit von Indikativ und Konjunktiv II jenseits der umgangssprachlich gebräuchlichen Umlautung (ich/wir, sie/sie brauchte/n = Konjunktiv II und Prät.!) zu gebrauchen/nutzen, da der elfte Finger sein Spiegelbild an der anderen Hand im zwölften fände …?

Kommentarlos:

Also stieg Petulia auf den nächstgrößeren Ast, der wie eine Brücke zu einer großen Linde wuchs[,] und kletterte hinüber.

Und dann würde sie die Hose runterziehen und ... ne, das doch nicht.
Das „ne“ empfehl ich im Hinblick auf ein „ne“ als umgangssprachlich verkürztes „(ei)ne“ mit doppel-e, was auch lautschriftlich zum Tragen käme ([nə] / [ne:])

Hauke machte den Mund auf und wieder zu, wie ein Fisch, der nach Luft schnappt[,] und Petulia dachte, dass der hierhin passte, der Fisch, hier in den Garten des Kapitänshauses.

Wie dem auch sei oder werde -

gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo @RinaWu,

du sagst mir mit deinem Leseeindruck viele Sachen, die für mich sehr wichtig sind. Verträumt? Ja, auf jeden Fall, schön dass du das so auf den Punkt bringst. Ich mag auch Geschichten über Menschen, die anders sind, vielleicht weil sie von ihrer Konstitution her sensibel sind oder sich in ihrer verträumten Welt zeitweise wohler fühlen als in der realen. Ich kenne das Gefühl, nicht anzukommen, sich nicht heimisch zu fühlen im eigenen Leben, immer so ein wenig von außen draufzuschauen und sich zu wundern, was die anderen so machen, was gerade so abgeht. Bei allem Pragmatismus, den unsere Welt verlangt, damit sie sich dreht, sollte gerade für Kinder Platz da sein für Träumerei und auch Zweifel. Für mich sind die nicht negativ, im Gegenteil, das sind kraftvolle Gedanken, die meine Welt bunter machen und auch Kinder sollten das Menschsein mit all seinen Facetten erleben dürfen.
Freut mich sehr, dass ich da für dich den Ton getroffen habe und dir die verträumte Petulia als Figur nahebringen konnte.

Peace, linktofink

--------------------

Hallo @Friedrichard

Opa Friedel, eines muss mal gesagt sein: Ich finde es klasse, wie du dich um Petulia kümmerst. Du könntest ihr ganz wunderbar erklären, wie das mit der Elf und dem dicken Onkel geht, ich bin mir sicher. Und zur Not wird da halt die einszehn aus der Elf, nicht schlimm, solange ihr euch versteht und ich glaube, das würdet ihr. Und wenn du ihr noch erzählst, dass ihre Lieblingszahl aus dem fernen Mesopotamien stammt (wenn auch mit Umwegen) und das Produkt zweier Primzahlen ist, hast du deinen Platz auf der Kastanie sicher (was ev. logistische Probleme aufwirft). Und bestimmt kocht die Mama aus Dank für dich Grünkohl aus dem Eis und fragt dich, ob du ihr bitte, bitte, bitte bei der Steuererklärung helfen kannst. :D

Danke fürs Flusenfischen, wird zeitnah beseitigt, peace, linktofink.

 

Hallo @linktofink,

Jetzt stehen hier schon so viele Kommentare, ein ganzer Haufen guter und präziser Kommentare, an der Geschichte wird nur noch feinmechanisch gearbeitet, na, aber man freut sich ja über jedes Kommentar. Zu Hauke und Petulia ist schon viel geschrieben worden. Ich kenne noch die allererste Version, die mir schon sehr gut gefallen habe, warum, schreibe ich gleich. Jetzt erscheint mir der Text nach dutzenden Überarbeitungsrunden "kindgerechter", ohne dass ich das irgendwie genauer eingrenzen könnte. Vielleicht sind es Satzstücke wie "das war gut", die Namen und die Über-Verwendung von Substantiven gegenüber einem sparsamen Verb-Wortschatz. Bilder, Bilder, Bilder. Beim ersten Lesen dachte ich an eine "Kindergeschichte für Erwachsene". Den ersten Absatz ordne ich immer noch in dieses Genre ein -

Warum Petulia an einem Mittwoch um Dreiviertel Zwölf auf einen Baum stieg, konnte niemand sagen. 'Vielleicht will sie wissen, wie die Welt von weiter oben ausschaut', mutmaßten die Eltern, '… oder ob sie von dort über die Dächer bis zum Meer sehen kann?' Aber was wussten Eltern schon? Jedenfalls nicht, warum Petulia auf den Baum gestiegen war, und erst recht nicht, warum sie nicht mehr herunterkam. Dabei war es so einfach, das zu wissen, wenn man Petulia war. Sie hatte nur einmal 'Ja' gezwinkert und zweimal 'Nein'. Damit war es ausgemacht. Soll ich auf den Baum klettern? Zwinker. Soll ich wieder runter? Zwinker zwinker. Tausenddreihundertsiebenundfünfzig Tage würde sie den Boden nicht mehr betreten, so viel stand fest. Als sie überlegte, was das ungefähr in Jahren bedeutete, wurde ihr schwindelig und Schwindel ist kein guter Zustand für ein Mädchen auf einem Baum.

Petulia hatte für jedes ihrer Jahre einen Finger. Bei ihr verdiente jedes Jahr einen eigenen, denn immer, wenn sie den entsprechenden Finger ausstreckte, war das Jahr da, mit allem Wichtigen, das darin passiert war.


- da er ein ganzes Bündel roter Fäden ins Marschland wirft. Zahlen, Schwindel, das Zwinkern, die mögliche Frage nach einem Grund, warum Petulia auf einen Baum klettert. Hier lese ich den Wunsch, die Neugier des Lesers auf das Muster zu wecken, das die Geschichte webt. Das sind sehr viele Informationen, sehr viele Fäden, an die man sich als Leser erst gewöhnen muss. Ich bin mir sehr unsicher, ob das kindgerecht ist. Aber, @linktofink, diese Kritik bleibt eine Frage, die ich auch stelle, ich weiß es nämlich auch nicht. Nichts mehr als "aufgefallenes Merkmal".

Erwachsene reduzieren ja kindliche Wahrnehmung oft auf Phantasie, einer Phantasie, die einem verkitschten Bild vom Kleinen Prinzen nahekommt ("ist doch schön, so zauberhaft"). Vielleicht bin ich ein Kopfmenmensch in dieser Hinsicht, aber ich glaube, dass gute Kindergeschichten ihre Leser ernst nehmen, dass sie akzeptieren, dass der Verlust eines Teddybären eben ein katastrophales Ereignis ist, auch wenn wir superaufgeklärte, selbstreflektierte Erwachsene milde lächeln und "katastrophal" eher zwischen Arbeitsplatzverlust und Überschuldung einordnen. Ich bin froh, dass deine Geschichte das nicht tut, dass sie Kinder ernst nimmt. Erscheint mir so.

Ein paar Kleinigkeiten, nur Vorschläge:

Das lag aber wahrscheinlich eher daran

und dabei zwei riesige Kuhlen in die Erde gebohrt. Das Meer ging zurück, die Teiche blieben.

Hm, hm, die Kuhlen werden in die Erde gebohrt, die Kuhle eine sanfte Landschaftsform gegenüber punktgenauer Rotationskraft ... vielleicht simpel zwei Löcher? Oder "bilden" statt "bohren"? Oder "zwei Kuhlen in die Erde gedreht"? Hm, sehr zufrieden bin ich mit keiner Variante.

Vielleicht kannst du in dem zweiten Satz noch etwas zum Deichbruch schreiben, einfach "Das Meer ging zurück, der Deich wurde gestopft, die Teiche blieben" oder "Oma Else stopfte den Deich".

'Augen des Meeres',

Vielleicht "Meeresaugen"? Das Marschland und die Oma Else, da wirken die Augen des Meeres ein bisschen zu pathetisch, zu sehr Sonnenuntergang am Altendeich. Oma Else, mensch, die stelle ich mir richtig klischee-norddeutsch vor: Alle Sätze bitte mit derselben Mimik und Tonwahl, Zuckerdose und Stövchen in Friesenmuster. Pragmatisch. Haben jeden S-turm mitgemacht.

einem pfeifenden Schnarchen Luft holte.

Vielleicht den Artikel streichen und simpel ...."pfeifendem Schnarchen Luft holte"?

***

So, @linktofink, eigentlich habe ich gar nicht mehr. Zu Hauke und Petulia ist ja schon viel, sehr viel geschrieben worden. Auf mich wirkt Petulia eher wie ein Mädchen, dass über sich selbst erstaunt ist. Sie ist reflektiert, sie ist in der Lage, sich in andere hineinzuversetzen -

»Die zweite: Wie fühlt sich das an … ich meine … du hast nur zehn Finger.« Petulia kniff ganz feste die Augen zu und hoffte ganz doll, weil sie wusste, wie speziell diese Frage war.

- was für einen Menschen immer einen riesigen Entwicklungssprung darstellt. Sie muss ja wissen, dass diese Frage speziell ist und dass diese Frage auch auf Hauke speziell wirkt. Für mich ist das eine sehr wichtige Stelle. Vielleicht, aber du bist ja schon in der Feinschliffphase, könnte dieses Vermögen Petulias stärker dargestellt werden. Im Grunde ein Charakter zwischen einer phantastischen Realität einerseits und der Fähigkeit, die Realität aus der Sicht anderer schon zu begreifen. Das schreit nach Jean Piaget und seiner Theorie der kognitiven Entwicklung (die jede/jeder kennt, der irgendwas mit Menschen studiert oder gelernt hat), aber sonderlich gut kenne ich mich da nicht aus.

Lg, derzeit aus Münster,
kiroly

 

Hallo, lieber @kiroly, bei mir spukt momentan wieder das Zeitfresser-Gespenst, ich bitte also um etwas Geduld für eine ausführliche Antwort. ;) LG, ltf.

 

So jetzt aber! Hallo nochmals, lieber @kiroly,

freut mich immer sehr, wenn du unter einer meiner Geschichten auftauchst, was ja mit großer Regelmäßigkeit geschieht. :Pfeif: Dein Punkt "Kindergeschichte für Erwachsene" ist einer, und klar, die Gefahr, über das Ziel hinauszuschießen, besteht. Das ist keine fluffige, leichte Kost, die sich so wegliest, da geht es schon ans Eingemachte. Ob ich als Autor älteren Kindern solch einen Kontext mit dem tiefen Einsteigen in Petulias Gedankenwelt zumuten kann, ob das kindgerecht genug ist, weiß ich nicht. Ich hoffe es. Ich denke auch, die Geschichte lässt sich genug Zeit, die Fäden aufzudröseln, die Motive in Schleifen zu wiederholen und vom Plot her ergibt sich eines aus dem anderen, wenn auch nicht ganz linear erzählt.
Der nächste Punkt, den du aufführst, ist das Ernstnehmen der kindlichen Sichtweise (im Kontrast zur Verkitschung) und da freut es mich einfach, dass du das Ernste in meinem Text gefunden hast.

Du schreibst Petulia wirkt auf dich wie ein Mädchen, das über sich selbst erstaunt ist. Da bin ich nicht sicher, ob ich das teile, wohl eher nicht. Für mich stellt sie ihre Welt, ihre Einschätzung von Personen und ihre Sicht der Dinge nicht in Frage. Das bewegt sich alles in festen Koordinaten, zwischen Fingern, Zeiteinheiten und selbst gegebenen Versprechen, wird von ihr aber nicht als erstaunlich bewertet, sondern so genommen, wie es ist. Auch wenn das heißt, auf das Lieblingsessen zu verzichten.
Wenn sie erstaunt ist, dann über das, was ihr so von anderen widerfährt und zuletzt über den Hauke, der trotz wüster Beschimpfung nicht beleidigt ist und ihr mit seiner Antwort auf ihre spezielle Frage Verständnis und ev. sogar mehr signalisiert. Ich weiß auch nicht, ob diese Entwicklung Petulias Einfühlungsvermögen zugeschrieben werden kann. An der Stelle würde ich es eher als Zufallstreffer werten, denn einen soulmate zu finden, ist für mich nicht unbedingt eine Frage von Sensibilität. Klar, sie bringt den Mut und die Offenheit auf, ihm diese sehr abwegige Frage nach dem Zählen der Elf zu stellen, aber für mich ist das mehr ein Schuss ins Blaue als Kalkül aufgrund hypothetischen Denkens.

Ein Wort noch zu den "Augen des Meeres" vs. "Meeresaugen". Die "Augen des Meeres" sind für mich genau zwei (Fiete und Karlchen), während "Meeresaugen" für mich weniger spezifisch sind, ich bin da bei Fettaugen auf der Suppe, deren Anzahl auch vage ist, weil sie einfach irgendwie vorkommen.
Das Bohren der Kuhlen fand ich bisher nicht problematisch, den Widerspruch habe ich so nicht empfunden. Du meinst ja auch, du wärst mit keiner Verbesserung so richtig zufrieden, deshalb lasse ich es mal so.

Danke für deinen Besuch meiner Geschichte und spätestens bis bald unter deiner nächsten.
Peace, linktofink

 

Hallo @linktofink,

schön, dass ich mich revanchieren kann, nachdem Du meinen Beitrag so ausführlich kommentiert hast. Mit großem Appetit auf Grünkohl mache ich mich an Deine Geschichte ran. Wie immer gilt, was Du nicht brauchst, kann weg, was Dir gefällt, darfst Du gerne übernehmen.

Warum Petulia an einem Mittwoch um Dreiviertel Zwölf auf einen Baum stieg, konnte niemand sagen.
Wunderbarer Einstiegssatz. Ich bin sofort mittendrin, möchte eine Antwort auf das "Warum" erfahren, im Hinterstübchen laufen alle Zahnräder auf Hochtouren: Wer oder was ist Petulia, was bedeutet der Name, wer hat sie/es so genannt und aus welchem Grund? Ein spannender Einstieg.

'Vielleicht will sie wissen, wie die Welt von weiter oben ausschaut', mutmaßten die Eltern, '… oder ob sie von dort über die Dächer bis zum Meer sehen kann?' Aber was wussten Eltern schon?
Für mich schwer vorstellbar, dass Eltern mutmaßen, ob sie wissen will, wie die Welt von weiter oben aussieht. War sie noch nie auf einem Aussichts- oder Leuchtturm? Vielleicht bin ich da unromantisch, aber mMn klettern Kinder auf Bäume, weil sie eben auf Bäume klettern. Weil es Spaß macht. Weil sie es können. Sind Petulias Eltern so "romantisch verträumt" wie Petulia selbst? Oder fragen sie sich vielleicht einfach nur, ob "das Mädchen schon ihre Hausaufgaben gemacht hat" oder "vor dem Essen da auch wieder runterkommt"? Nur meine öden Erwachsenen-Gedanken, ich kann nicht in Petulias Eltern hineinschauen. Allerdings arbeitest Du ja auf "Was wussten Eltern schon?" hin, da müssten doch eigentlich (plump gesagt) blöde Fragen vorausgehen. Die Fragen, die sich die Eltern vielleicht stellen, empfinde ich aber als schön und liebevoll.

Jedenfalls nicht, warum Petulia auf den Baum gestiegen war, und erst recht nicht, warum sie nicht mehr herunterkam. Dabei war es so einfach, das zu wissen, wenn man Petulia war. Sie hatte nur einmal 'Ja' gezwinkert und zweimal 'Nein'. Damit war es ausgemacht.
Süßes Mädchen. Eigenartig, einzigartig. Und dabei von sich überzeugt. Bewundernswert. Wobei ich nicht ganz begreife, inwiefern es "ausgemacht" war, auch wenn sie gezwinkert hat. Aber ich muss als Leser den Grund für ihr hinaufklettern auch nicht sofort erfahren. Macht einen nämlich neugierig auf das, was da noch kommen mag.

Tausenddreihundertsiebenundfünfzig Tage würde sie den Boden nicht mehr betreten, so viel stand fest. Als sie überlegte, was das ungefähr in Jahren bedeutete, wurde ihr schwindelig und Schwindel ist kein guter Zustand für ein Mädchen auf einem Baum.
Kategorie Lieblingssatz. Und nein, Schwindel ist wirklich kein guter Zustand für egal wen in großer Höhe. Toll, wie Du aus dem Selbstverständlichen einen so schönen und klangvollen Satz zauberst.


Petulia hatte für jedes ihrer Jahre einen Finger. Bei ihr verdiente jedes Jahr einen eigenen, denn immer, wenn sie den entsprechenden Finger ausstreckte, war das Jahr da, mit allem Wichtigen, das darin passiert war.
Petulia klingt so botanisch. Dass Du zuvor bereits ihre Eltern erwähnt hast und, dass sie auf einen Baum gestiegen ist, hat mich nicht davon abgehalten, Petulia an dieser Stelle selbst für einen Baum zu halten. Mama Eiche, Papa Eiche, jeder Finger ein Jahr, mit allem Wichtigen, das darin passiert war, aus irgendeinem Grund dachte ich kurzzeitig die Finger wären ein Synonym für Jahresringe.

Nur den kleinen Finger der rechten Hand, den zählte sie schneller als die anderen und zwinkerte dazu. Im Kleinen-Finger-Jahr war Oma Else gestorben.
Der rechte Daumen für die Zehn war erst vor wenigen Tagen dazugekommen.
Tut mir Leid, kann es mir nicht verkneifen: niedlich! Du hast eine sanfte Art, den Schmerz des Mädchens über den Verlust ihrer geliebten Oma zum Ausdruck zu bringen. Gefällt mir.
Frage mich jedoch, warum sie hier zwinkert und wie sie zwinkert. Einmal? Zweimal? Einmal kurz, zweimal lang? Und mit welcher Bedeutung? Dachte bisher, das Zwinkern sei ihre Art zu antworten. An dieser Stelle scheint durch, dass das Zwinkern auch dem Ausdruck ihrer Gefühle dient.


Ein Teil von ihr fühlte sich nun vollständig und vollständig war ein sehr gutes Gefühl. Ein anderer Teil fragte sich, was denn nächstes Jahr werden sollte, wenn sie einen elften Finger bräuchte? Sie dachte an ihre Zehen. Wenn sie mit den Zehen wackeln konnte, würden sie auch zum Zählen taugen. Aber wie sollte sie mit den Zehen zählen, wenn sie die ganze Zeit in Schuhen versteckt waren? Und was sollte sie tun, wenn jemand nächstes Jahr fragte, wie alt sie sei?
Mir ist nicht ganz klar, warum sie ihre besondere Zählweise nicht für sich behält. Als Schatz, den es zu behüten gilt. Wäre sie nicht vllt doch irgendwo "seltsam" eigenartig, könnte sie nächstes Jahr doch einfach alle Finger ansehen, mit dem großen Zeh wackeln und ihrem Gegenüber antworten: "Ich bin elf." Sie kann doch längst über die Eintausenddreihundertfünundsiebzig hinaus zählen.
Und wenn sie das partout nicht will, warum denn nicht?


Als die Lehrerin Frau Bommel 'Petulia' gerufen hatte, war sie bei Tausenddreihundertsiebenundfünfzig gewesen und das hatte sie laut ausgesprochen, als Antwort auf eine Frage, die leider niemand gestellt hatte.
:lol: So ein verträumtes Mädchen. Ist leider echt schwer, Anschluss zu finden, wenn man gewisse Eigenarten an den Tag legt, die als wenig gesellschaftsfähig anerkannt sind. Ich wurde auch gerügt, weil ich mich in weite Ferne geträumt habe. Ich finde, das sollte man nicht kritisieren, sondern fördern und begrüßen.


Und wie mochte das erst sein, wenn man seine unzähligen Jahre ganz ohne Hilfestellung in die Reihe bringen musste?
Nach meinem Geschmack häuft sich das zu oft. Das war eine Stelle, an der ich mir dachte; okay, weiß ich doch schon, dass ihr das besondere Zählen bereits bei der elf Schwierigkeiten bereitet.


Jedenfalls stieg Petulia bis in die Spitze der riesigen Kastanie und sah tatsächlich zum ersten Mal die Welt von ganz oben.
Also doch noch nie auf nem Leuchtturm gewesen. Trotz Küste und Meerblick. Schade.

Das Meer ging zurück, die Teiche blieben. Oma Else nannte sie die 'Augen des Meeres', der vor dem Haus hieß Karlchen, der dahinter Fiete. Seit sie das gesagt hatte, fühlte sich Petulia immer ein wenig beobachtet. Ein ganz klein wenig.
Herrlich. Nicht nur die Namen an sich, sondern das Petulia die Worte ihrer Oma aufsaugt, sie verinnerlicht, sie in ihrer Wahrnehmung lebendig werden lässt. Oma nennt es Augen, Petulia fühlt sich beobachtet. Das zeigt mir ganz deutlich, welch lebensverändernde Wirkung Oma Else auf ihre Enkelin hatte. Schöne Stelle!

Aber sie wusste, das Meer würde ihr nichts tun, weil es neben den Kühen schon die beiden Brüder von Oma geholt hatte und auch ein Meer musste schließlich wissen, wann es genug ist.
Kann ich nicht nachvollziehen. Bin ich zu "normal" für Petulia? Aber was ist schon "normal"?
Mein Gedanke: Wenn ein Kind sich vor etwas fürchtet und ich dann erfahre, dass sie einen überaus driftigen Grund hat sich zu fürchten (zwei Opas gestorben, Kühe verschwunden), dann ist mir unerklärlich, wie sie sich selbst durch eine "Erwachsenen-Lehre" (man muss wissen, wann genug ist) die Angst nimmt?

Als der Wind die Kronen auseinanderbog, sah sie die Kirchturmuhr.
Das klingt so melodisch, ich könnte es immer und immer wieder (vor-)lesen.

auch der Westwind Urlaub machte – und auf dem Weg zur Schule.
Dann plötzlich poetisch - und noch plötzlicher (wirkt so beiläufig angehängt) was ganz nüchternes. Da bin ich im Lesefluss mal kurz gestolpert.

Aber zur Schule würde sie ja nicht mehr gehen, auch nach den Sommerferien
Sie nennt Frau Bommel Olle-Bommel (nicht besonders nett), sie zwinker-verteidigt sich selbstbewusst um Kopf und Kragen, sie wird ausgelacht - all das steckt sie weg. Aber das Hauke sie Petusilie nennt, ist für Petulia ein Grund, nie wieder in die Schule gehen zu wollen?

Der Hauke war ein Blödian und dabei war er erst seit einigen Wochen in der Klasse.
'Petusilia' hatte er sie am letzten Schultag vor den Ferien genannt und selbst ein grimmiges Doppelzwinkern hatte ihn nicht aufhalten können.
Also war Hauke schon ein Blödian, bevor er Petulia Petusilia nannte? Warum?

Wenn ein Mädchen an einem Mittwoch um Dreiviertel Zwölf auf einen Baum steigt, weil es erst einmal und dann zweimal zwinkert, fehlt ein wenig die Vorbereitung.
Das wirkt, verzeih mir bitte, so "behauptet", in den Raum gestellt. Petulia scheint ziemlich genau zu wissen, was sie will und was sie nicht will. Da wäre es für mich nicht verwunderlich, wenn sie für die Tausenddreihundertfünfundsiebzig Stunden, die sie auf dem Baum verbringen will, wenigstens einen Picknickkorb vorbereitet.


Er konnte nicht wissen, dass sie zweimal gezwinkert hatte und selbst wenn er es gesehen hätte, hätte er nicht gewusst, was es bedeutete.
Warum lässt Petulia nicht einmal ihre Eltern an sich heran?

Da sie aber zweimal gezwinkert hatte, konnte sie nicht mir nichts dir nichts vom Baum steigen, ins Haus spazieren und sich an den Tisch setzen. In der Spitze einer Kastanie zu sitzen, mit knurrendem Magen und dem Duft ihres Lieblingsgerichts in der Nase, ging aber ebenso wenig.
Ganz schön stur, die kleine Petulia. Würde sie nicht einmal für ihr Lieblingsgericht eine Ausnahme machen, um ihrer Zwinkerwelt großzügig gegenüberzustehen? Warum ist sie so streng zu sich?

Jeder Schritt fühlte sich an wie ein Wassertropfen, der auf einer Herdplatte tanzt, weil er da nicht hingehört.
Wäre das schön, wenn die Wassertropfen von meiner Herdplatte wie von selbst hinfort tanzen würden. Bei mir bleiben die liegen, bis sie verdunsten und einen unschönen Kalkfleck hinterlassen.
Habe gesehen, dass diese Stelle schon für Diskussionsstoff gesorgt hat. Wie wäre es mit einer "heißen" Herdplatte? Da tanzen auch bei mir die Tropfen.

Vielleicht war das der erste Schritt zum Fliegen, wenn jeder Schritt auf dem Boden zischt?
Zischen und fliegen bringe ich nicht zusammen. Außer vielleicht bei Sylvesterraketen.

Also pflückte sich Petulia einen kleinen Vorrat in ihre Kapuze und hangelte sich hinüber zu den Pappeln, die an der Straße standen, die zum Kirchturm führte.
Das macht sie wieder sehr sympathisch, wie sie die Kirschen in die Kapuze füllt. Verzeih mir den frechen Ausdruck, sie ist ein kleines Kletteräffchen, deine Petulia. Die Doppelung finde ich unschön.
Petulia pflückte sich einen kleinen Vorrat in ihre Kapuze und hangelte sich hinüber zu den Pappeln. Die Pappeln an der Straße, die zum Kirchturm führten. (Doppelungen bei Substantiven hingegen mag ich überaus gern.)


Petulia musste in den wilden Garten des alten Kapitänshauses wechseln, das letztens erst neue Besitzer bekommen hatte. Das Strandgut hatten die Neuen schon von der Terrasse geräumt und dafür ein Baugerüst aufgestellt. Nur die vom Salz angefressene Schiffsglocke hing noch.
Und schon hatten sie in die alte Eiche ein Baumhaus gezimmert.
Wie Du die Ortschaft beschreibst (dabei träume ich mich in meinen letzten Urlaub zurück), erweckt in mir den Eindruck einer sehr beschaulichen Gegend. Kennt da nicht jeder jeden? Warum weiß Petulia nicht, dass der "Blödian Hauke" "vor einigen Wochen" nur zwei Häuser weiter eingezogen ist?

»Nenn mich nicht so, Hauke Kackfresse, ich heiße Petulia, weil meine Oma Else, die nicht mehr ist, den Namen für mich ausgesucht hat.«
Genial! Ich musste so lachen. Hauke Kackfresse, mannoman. Da hat sie sich aber weit aus ihrer verträumten Zwinker-Welt herausgelehnt. Herrlich. Ich gönne ihr diesen Moment, denn oftmals bedarf es klarer Worte, um beim Gegenüber anzukommen ... und siehe da ....

Kackfresse war übel und es war ihr rausgerutscht. Es war sogar übler als das übelste Schimpfwort, das Petulia bis dahin je gesagt hatte und wahrscheinlich übler, als alles, was Hauke je sagen würde, aber da war noch dieses Bild im Kopf.
Welches Bild im Kopf?

Hauke machte den Mund auf und wieder zu, wie ein Fisch, der nach Luft schnappt, und Petulia dachte, dass der hierhin passte, der Fisch, hier in den Garten des Kapitänshauses.
Goldig. Passende Metapher an passender Stelle.

»Kackfresse, das ist … echt übel, Petulia, so übel, das werde ich immer im Ohr haben, wenn ich dich sehe.«
'Hatte er gerade Petulia gesagt?', fragte sich Petulia im Stillen und merkte, wie ihre Wangen warm wurden. Laut sagte sie: »Tschuldige, ist mir rausgerutscht.«
:herz: Übrigens, was Hauke antwortet, empfinde ich als so realistisch, dass ich ihn regelrecht hören kann!

Da sie das aber nicht wirklich so meinte, aß sie eine Kirsche aus der Kapuze und spuckte ihm den Kern auf den Kopf.
Ein bisschen gemein finde ich deine Petulia schon. Das ging mir schon bei Frau Bommel so. Mir erschließt sich aus der Geschichte nicht, was an Frau Bommel so doof ist, dass es ein "Olle-Bommel" rechtfertigt. Und jemanden für seinen Namen zu hänseln, nun ja, das weiß Petulia ja selbst.

Petulia kniff ganz feste die Augen zu und hoffte ganz doll, weil sie wusste, wie speziell diese Frage war.
Sie reflektiert sich selbst. Warum versteht sie dann nicht, dass es eigenartig ist, auf allerlei Fragen mit Tausend...na du weißt schon, zu antworten?

»Komm, wir pflücken Kirschen bei der Zitschke.«
Ui, das ging aber schnell. Zumal sie ja erst hinterher erfährt:
»Grünkohl mit Pinkel wär mir lieber«, maulte Hauke grinsend

Als sie das hörte, wurde ihr schwindelig und Schwindel ist kein guter Zustand für ein Mädchen auf einem Baum, doch dann fing sie sich.
Ich bin ein großer Fan von Wiederholungen bedeutsamer Stellen. Das gibt dem ganzen einen Rahmen, in dem ich mich als Leser aufgehoben fühle. Und dann noch diese überaus schöne Stelle, habe ich ja oben bereits gelobt.

zukniepen,
zukniepen? Was bedeutet das? Zuschauen? Der Duden kennt nur "kniepig" = geizig. Schon wieder was gelernt.

Sie würden in der Baumkrone sitzen, trotz der Sonne im Wind frieren und beim Essen den glitzernden Augen des Meeres namens Karlchen und Fiete zukniepen, die sie beobachteten, aber nur ein ganz klein wenig. Es war Mittwoch Dreiviertel Eins.
Deine beiden Schlusssätze sind so wunderschön wie dein Einstiegssatz.

Deine Geschichte ist leise, langsam, verträumt. Ein respekt- und liebevoller Umgang mit merkwürdig. Deine Schreibe gefällt mir. Sich Zeit nehmen, nicht alles durchprügeln. Ich bin auch ohne viel Action und Spannung wunderbar durch Deine Geschichte gewandelt. Entschleunigen kannst Du, das ist viel wert in der heutigen Zeit. Aus Petulia werde ich nicht an allen Stellen schlau, aber sie schafft es doch, mich in eine andere, in ihre Welt, mitzunehmen. Ich wünschte mir, dass das Ende mehr Raum hätte. Ich erfahre so viel über eine Zahl, von der ich bis jetzt nicht weiß, was es damit auf sich hat (außer, dass es ihre Lieblingszahl wird), da hätte mir ein bisschen mehr Rampenlicht, gerichtet auf Petulia und Hauke, gut gefallen. Die Geschichte endet dort, wo ich die beiden gerade erst so richtig lieb gewonnen habe. Dennoch danke ich Dir für einen leisen Leseausflug.

Mit nunmehr großem Appetit auf Grünkohl, Flämmchen und Branko -

grüßt Dich,
Frieda Kartell

 

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