Was ist neu

Pfeil und Bogen

Mitglied
Beitritt
09.07.2019
Beiträge
2

Pfeil und Bogen

Da sitzt du also, auf dem Stuhl ziemlich nah neben mir. Ich spüre, dass sich unsere Schultern und Knie bei jeder Bewegung leicht berühren, und ich find's gut. Wir stoßen an. Du schaust mir in die Augen und zwinkerst. Und irgendwie wusste ich schon dann, dass ich an diesem Abend nicht zu Hause schlafen würde.

4 Tage später

Es ist dunkel im Flur meiner WG. Ich öffne leise die Tür und lausche. Ich betrachte mich noch ein Mal im Spiegel und komme mir unendlich dumm dabei vor.
Du schließt vorsichtig die Tür und umarmst mich. Meine Arme und mein Gesicht werden nass von den Regentropfen auf deiner Jacke.
Und dann liegst du da neben mir und schaust mich lange an, irgendwie schüchtern, und ich hätte alles erwartet nur nicht diese Unsicherheit. Und dann küsse ich dich.

12 Tage später

Mir ist viel zu warm, als ich da auf meinem Fahrrad sitze. Und auch ein bisschen schlecht. Ich bin spät dran, wie immer, also muss ich schneller fahren, als ich es sonst tun würde.
Ich atme tief durch bevor ich die Tür der Kneipe öffne. Du grinst als wir uns sehen.

Am Ende des Abends habe ich deine Freunde und Mitbewohner kennengelernt.
Bis zum nächsten Mal.

Am Endes des Abends küsst du mich vor den Anderen auf die Stirn.
Schlaf gut.

Am Ende der Woche sollte ich immer noch nichts von dir gehört haben.

8 Tage später

Mein Handy summt etwa 3 Sekunden nachdem ich es mit dem Display nach unten auf meinen Nachttisch gelegt habe. Es ist 23.21 Uhr. Wie geht’s dir?
Ich spüre Wut und Hitze in mir aufsteigen. Ist das jetzt dein Ernst? Wie soll's mir denn schon gehen nach diesem Abend und deinem offensichtlichen Desinteresse danach, nach tagelanger Übelkeit bei jedem Summen meines Handy und der zwangsläufig darauf folgenden Enttäuschung? Hm? Wie soll's mir denn schon gehen?

Voll gut, wie war deine Woche? Tippe ich, schicke es ab und verachte mich dafür.

2 Tage später

Es ist laut und dunkel. 130 Bpm. Ich schwanke leicht, als ich zum hunderten Mal an diesem Abend auf mein Handy schaue. Bin in der Schlange, ziemlich weit vorne.
Ich lächle kurz, schreibe wo ich bin und stecke mein Handy zurück in die Tasche. Bis dahin wusste ich nicht wie einfach es ist sich in dem selben Club nicht zu begegnen, sich ständig verpassen, wenn man es eben nicht genug will.
Es ist bereits hell, als ich mit meinem Rad nach Hause fahre. Ich habe genug von meinen betrunkenen Freunden, von diesem Lärm, Unverbindlichkeiten und diesem Ding zwischen uns.


Also, was habe ich gemacht? Ich gab dir die Sehne des Bogens in die Hand und reichte dir mit Vergnügen den Pfeil. Zielen musstest du nicht, das habe ich für dich übernommen.
Mit jedem Tag, der verging, ging ich, den Griff des Bogens in der Hand, weiter rückwärts. Ich spannte den Bogen, ohne dass du dich anstrengen musstest. Ich ließ es nicht einfach geschehen, ich tat es selbst.

Du hast den Pfeil fliegen lassen, das mag sein, aber den Bogen habe ich gespannt.

 

Hallo @Dievonnebenan

willkommen bei den WK.

Ich möchte mich kurz zu deiner Geschichte äußern, ohne viel in den Textkram einzusteigen.

Auf jeden Fall solltest du dich mit der Kommasetzung nochmal auseinandersetzen.

Zahlen grundsätzlich ausschreiben.

Die Geschichte ist sehr abstrakt, vielleicht gewollt, trifft aber leider nicht meinen Geschmack. Liest sich sehr gefühlslos, oberflächlich und knapp. Obwohl ein kurzer Text, habe ich mich teilweise beim Überfliegen erwischt. Das ist natürlich kein gutes Zeichen.

Eventuell setzt sich noch jemand bis ins letzte Detail mit deiner Geschichte auseinander.

Wilkommen und viele Grüße
Napier

 

Hi @Dievonnebenan

Und willkommen bei den Wortkriegern!

Deine kleine Geschichte finde ich im Ansatz gar nicht schlecht. Da sind so hübsche Dinge dabei wie:

Voll gut, wie war deine Woche?[KOMMA] [t]ippe ich, schicke [die Nachricht] ab und verachte mich dafür.
Bis dahin wusste ich nicht[KOMMA] wie einfach es ist[KOMMA] sich in dem selben Club nicht zu begegnen, sich ständig [zu] verpassen, wenn man es eben nicht genug will.

Bei romantischen Geschichten wünsche ich mir etwas Besonderes, Konkretes, und das sind so Details, wo ich total mit Deiner Prota fühlen kann. Das ist schonmal ein super Anfang. :thumbsup:

Du siehst aber schon, dass ich etwas in den Zitaten oben herumgedoktert habe, bis sie mir voll und ganz gefallen wollten. An einigen formalen und stilistischen Dingen könntest Du nämlich in meinen Augen noch arbeiten. Das ist einerseits die Zeichensetzung, andererseits Füllwörter. Du benutzt total viele überflüssige kleine Wörter, und das ist doof, denn damit entkräftest Du den Text, machst die Sprache schludrig, anstatt sie klar und präzise zu gestalten.

Ich möchte das natürlich nicht einfach nur behaupten, sondern auch am Text zeigen, also lege ich mal die Lupe drauf:

Da sitzt du also, auf dem Stuhl ziemlich nah neben mir.

Ich habe Dir mal unterstrichen, was ich für Füllwörter halte. "Da" benutzt Du ständig. Viel zu oft, dafür, dass das ein total ungenaues Wort ist. Achte mal drauf. "also", ja, kann man mal machen, muss nicht immer raus. "ziemlich" ist ein ziemlich unnötiges Wort, so wie "eigentlich" oder "irgendwie". Es ist der absolute Unbegriff der sprachlichen Ungenauigkeit. Vorschlag: Du sitzt auf dem Stuhl, nah bei mir.

Ich spüre, dass sich unsere Schultern und Knie bei jeder Bewegung leicht berühren, und ich find's gut.

Hab wieder unterstrichen, was rauskönnte (natürlich alles nur meiner Meinung nach). "spüren", "fühlen", "denken", "meinen", das sind alles Wörter, in denen Du Dich von der Perspektive der Prota distanzierst. Deine Prota spürt das ja einfach, sie denkt ja nicht, dass sie spürt, dass ... Also einfach weglassen, diesen Satzteil. "bei jeder Bewegung", tja, das finde ich etwas kleinkariert. Könntest Du auch drinlassen, wenn's Dir wichtig vorkommt. "leicht" ist ein ziemliches Füllwort an dieser Stelle. Vorschlag: Unsere Schultern und Knie berühren sich, und ich find's gut.

Und irgendwie wusste ich schon dann, dass ich an diesem Abend nicht zu Hause schlafen würde.

Ich hab's ja schon erwähnt: "irgendwie". Wozu brauchst Du das Wort? "dann" benutzt Du mindestens genauso häufig wie "da". Ist auch ein totales Füllwort. Vorschlag: Und ich wusste, dass ich an diesem Abend nicht zu Hause schlafen würde.

Und dann liegst du da neben mir und schaust mich lange an, irgendwie schüchtern, und ich hätte alles erwartet nur nicht diese Unsicherheit. Und dann küsse ich dich.

Ne, Du weißt schon. ;) Hier fangen auch direkt hintereinander zwei Sätze mit "Und dann" an. Das finde ich nicht so hübsch. Und obendrauf natürlich noch "da" und "irgendwie".

Mir ist viel zu warm, als ich da auf meinem Fahrrad sitze.

Merkst Du, wie überflüssig dieses "da" ist? Du schreibst doch schon "auf meinem Fahrrad". Wozu die Aussage wischiwaschiger machen, indem Du ein "da" hinzufügst?

Ich bin spät dran, wie immer, also muss ich schneller fahren, als ich es sonst tun würde.

Dieser Satz widerspricht sich selbst. Sie ist immer spät dran, deshalb fährt sie schneller, als sie es sonst tun würde. Da sie aber immer spät dran ist, müsste sie also immer schneller fahren, als sie es sonst tun würde, fährt also immer gleich schnell. Pass auf, was Du schreibst! ;)

Ich atme tief durch bevor ich die Tür der Kneipe öffne.

Komma vor "bevor".

Du grinst als wir uns sehen.

Komma vor "als".

Am Endes des Abends küsst du mich vor den Anderen auf die Stirn.

"anderen" wird klein geschrieben, genau wie "manchen", "einigen" oder "meisten".

Mein Handy summt etwa 3 Sekunden nachdem ich es mit dem Display nach unten auf meinen Nachttisch gelegt habe.

Hier würde ich die Zahl auf jeden Fall ausschreiben. Zahlen bis zwölf solltest Du ohnehin ausschreiben, und in literarischen Texten ist es obendrein angenehmer, alle anderen Zahlen auszuschreiben, solange es nicht einhunderttausendsiebenhundertvierundachtzig ist. Komma vor "nachdem". Das Possessivpronomen "meinen" ließe sich einsparen und sich durch ein schlichtes "den" ersetzen.

Es ist 23.21 Uhr.

Hier würde ich die Zahlen tatsächlich als Zahlen schreiben, so wie Du es schon getan hast (wobei in deutschen Digitalanzeigen ein Doppelpunkt üblicher wäre als ein Punkt). Such Dir die Möglichkeit, die dem Auge am angenehmsten ist.

Wie soll's mir denn schon gehen nach diesem Abend und deinem offensichtlichen Desinteresse danach, nach tagelanger Übelkeit bei jedem Summen meines Handy und der zwangsläufig darauf folgenden Enttäuschung?

Das "danach" und "darauf" können meiner Meinung nach weg. Und es heißt natürlich "meines Handys" statt "meines Handy".

Voll gut, wie war deine Woche? Tippe ich, schicke es ab und verachte mich dafür.

Komma nach dem Fragezeichen (wie an der wörtlichen Rede eben), "tippe" klein.

Ich schwanke leicht, als ich zum hunderten Mal an diesem Abend auf mein Handy schaue.

Das "leicht" könnte raus, "zum hundertsten Male" statt "zum hunderten Mal".

Ich lächle kurz, schreibe wo ich bin und stecke mein Handy zurück in die Tasche.

"kurz" könnte raus, Komma vor "wo".

Bis dahin wusste ich nicht wie einfach es ist sich in dem selben Club nicht zu begegnen, sich ständig verpassen, wenn man es eben nicht genug will.

Komma vor "wie" und vor "sich", "zu" vor "verpassen". Das "eben" kann raus.

Also, was habe ich gemacht? Ich gab dir die Sehne des Bogens in die Hand und reichte dir mit Vergnügen den Pfeil. Zielen musstest du nicht, das habe ich für dich übernommen.
Mit jedem Tag, der verging, ging ich, den Griff des Bogens in der Hand, weiter rückwärts. Ich spannte den Bogen, ohne dass du dich anstrengen musstest. Ich ließ es nicht einfach geschehen, ich tat es selbst.

Puh, also, bis hierhin war ich inhaltlich eigentlich ganz gut dabei. Aber dieses Bild ist so krass umständlich. Ich musste es furchtbar oft lesen, um es zu verstehen. Das kaufe ich leider nicht, sorry. Also, er hält Sehne und Pfeil fest, und sie geht mit dem Bogen rückwärts, bis der Pfeil sie ins Herz trifft? Aber er muss den Bogen doch auch festhalten, wenn er mit dem Pfeil zielen will, oder? Also, dieses Bild passt für mich hinten und vorne nicht. Es wirkt total angestrengt und weit hergeholt.

Nochmal zu den Füllwörtern: Ich glaube, Du musst nicht auf Teufel komm raus alles wegkürzen, was ich angestrichen habe. Aber da sind schon viele Gesprengsel dabei. Mach Dir auf jeden Fall bewusst, dass solche Wörter Deine Sprache schwächen, ihr Klarheit und Präzision rauben. Und frage Dich bei jedem Wort: Ist das nötig? Klingt der Satz nicht kraftvoller ohne dieses Wort? Dann wird das schon.

Make it work! Und viel Spaß hier im Forum.

Cheers,
Maria

 

Hallo @Dievonnebenan ,
Der Anfang ist gut gemacht. Kurz wie möglich und detailliert wie nötig, werde ich in die Situation geführt.

Da sitzt du also, Komma weg auf dem Stuhl ziemlich nah neben mir. Ich spüre, dass sich unsere Schultern und Knie bei jeder Bewegung leicht berühren, Komma weg und ich find's gut. Wir stoßen an. Du schaust mir in die Augen und zwinkerst. Und irgendwie wusste ich schon dann, dass ich an diesem Abend nicht zu Hause schlafen würde.
Das "dann" passt dort nicht hin.
Mir ist viel zu warm, als ich da auf meinem Fahrrad sitze. Und auch ein bisschen schlecht. Ich bin spät dran, wie immer, also muss ich schneller fahren, als ich es sonst tun würde.
Ich atme tief durch Komma bevor ich die Tür der Kneipe öffne. Du grinst als wir uns sehen.

Am Ende des Abends habe ich deine Freunde und Mitbewohner kennengelernt.
Bis zum nächsten Mal.

Am Endes des Abends küsst du mich vor den Anderen auf die Stirn.
Schlaf gut.

Am Ende der Woche sollte ich immer noch nichts von dir gehört haben.

Die Streichungen sind Vorschläge. Es würde den Text etwas komprimieren. Im letzten Satz würde der Perfekt rhythmisch besser passen.

Mein Handy summt etwa 3 drei Sekunden nachdem ich es mit dem Display nach unten auf meinen den Nachttisch gelegt habe. Es ist 23.21 Uhr . Wie geht’s dir?
Ich spüre Wut und Hitze in mir aufsteigen. Ist das jetzt dein Ernst? Wie soll's mir denn schon gehen nach diesem Abend und deinem offensichtlichen Desinteresse danach, nach tagelanger Übelkeit bei jedem Summen meines Handy und der zwangsläufig darauf folgenden Enttäuschung? Hm? Wie soll's mir denn schon gehen?

Voll gut, wie war deine Woche? Tippe ich, schicke es ab und verachte mich dafür.

Auch in diesem Absatz würden einige Kürzungen der Geschichte gut tun. Die Uhrzeit klingt zu Protokoll-mäßig. "Halb zwölf" oder "kurz vor Mitternacht" passt besser zum Gesamt-Ton.
Der lange Abschnitt ist eine Erklärung des Erzählers, was erstens nicht zum restlichen Text passt, und zweitens den Leser entmündigt. Das "Ist das jetzt dein Ernst?" sollte genügen, um dem Leser die Gelegenheit zu geben, selbst seinen Schluss zu ziehen.
Es ist laut und dunkel. 130 Bpm. Ich schwanke leicht, als ich zum hunderten Mal an diesem Abend auf mein Handy schaue. Bin in der Schlange, ziemlich weit vorne.
Ich lächle kurz, schreibe wo ich bin und stecke mein Handy zurück in die Tasche. Bis dahin wusste ich nicht Komma wie einfach es ist Komma sich in dem selben Club nicht zu begegnen, sich ständig verpassen, wenn man es eben nicht genug will.
Es ist bereits hell, als ich mit meinem Rad nach Hause fahre. Ich habe genug von meinen betrunkenen Freunden, von diesem Lärm, Unverbindlichkeiten und diesem Ding zwischen uns.
"wenn man es nicht genug will" bezieht sich auf verschiedene Dinge (nicht zu begegnen , ständig verpassen) und zerreißt die Logik des Satzes. Lass das Rote einfach weg.

Das sind ein paar Tipps von mir zur äußeren Form. Kannste was draus machen oder nicht. Inhaltlich ist es nicht mein Ding, deshalb sag ich dazu nix.

Schönen Gruß
Kellerkind

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom