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Raum im Nichts

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Raum im Nichts

Es sollte der letzte Versuch werden.
Wiederrum schloss man Mary in dem thronartigen Stuhl ein, schnallte sie an, bedeckte ihren Kopf mit einer mit zahllosen Elektroden bespickten Haube, wovon Drähte zu den vielen Geräten liefen, die um den Stuhl Mary gruppiert waren. Diese Geräte fertigten Elektro-Enzephalogramme und Elektrokardiogramme an, maßen Atmung, Herzschlag, registrierten Muskeltätigkeit und zeichneten sogar die Bewegungen der Augen auf.

Die technischen Assistenten beendeten die schon so oft ausgeführte Arbeit und verließen den Testraum durch die Panzertür. Sie wurde elektronisch hinter ihnen geschlossen. Harry beobachtete dies alles durch die große Panzerplastscheibe, die den Prüf- vom Testraum trennte. Für ihn begannen wieder die Stunden der Angst. Dies war nun schon der sechste Versuch des Instituts für Parawissenschaften mit Mary in den letzten drei Tagen.

Lange würde sie es nicht mehr aushalten. Ihre Haut hatte eine ungesunde Farbe angenommen, ihr Gemüt wurde schwer. Sie schien Harry nicht mehr zu kennen. Verschleiert war ihr Blick. Er kannte das junge Mädchen schon sehr lange und er hatte sie auch dazu überredet, sich dem Institut in London zur Verfügung zu stellen.

Darauf, dass Mary parapsychisch begabt sei, war Harry gekommen, als er mit ihr an einem Abend alleine zu Hause saß. Sie hatten händehaltend vor dem brennenden Kamin gesessen und geträumt.

Plötzlich schien etwas Fremdes in Harry Gehirn einzudringen. Zuerst hielt er alles nur für Einbildung, doch der mentale Druck war stärker geworden. Ihm kam es so vor, als spräche jemand mit ihm. Ein Säuseln erhob sich in seinem Köpf. Telepathie, durchzuckte es Harry. Er war so erschrocken ob seiner Feststellung gewesen, dass er Marys Hand losließ. Augenblicklich war dieses Säuseln verschwunden, der mentale Druck gewichen. Harry hatte Mary angestarrt und ihren entrückten Zustand bemerkt. Sie war die Kontaktperson. Er hatte den mentalen Druck nur verspürt, weil er ihre Hand gehalten hatte.

Später fragte er sie, mit wem sie Kontakt gehabt hätte. Aber sie wich ihm aus und tat so, als sei nichts geschehen.
Doch seit diesem Abend drängte er sie immer wieder, sich dem Parainstitut zur Verfügung zu stellen. Schließlich stimmte sie zu. Sie hatte Vertrauen zu Harry.

Nun saß sie hier im Institut und sollte in einem letzten Versuch Kontakt mit einem gewissen Etwas aus einer anderen Welt aufnehmen.

*

In diesen drei Tagen hatte Harry es mehrmals versucht, die Professoren umzustimmen. Doch die hohen Herren wollten nicht einsehen, dass sie Mary zugrunde richteten. Für sie zählte nur das nahe Ziel vor Augen, mit einem fremden Wesen Kontakt aufzunehmen. Mit einem anderen Telepathiebegabten hatten sie es fast schon einmal geschafft, doch der Mann brach bei seinen Versuchen geistig zusammen, nachdem er von Warnung, Tod und Zerstörung gestammelt hatte. Man lieferte ihn in eine geschlossene Anstalt ein. Das sagte man Mary und Harry zu Anfang der Experimente nicht, aus Angst, die beiden würden nicht mehr mitmachen. Aber nachdem Mary den dritten Versuch erfolglos abbrechen musste und sie körperlich immer mehr verfiel, berichteten die Professoren Harry von dem irrgewordenen Telepathen. Ohne natürlich zu vergessen, Harry zu sagen, dass Mary ungemein stark sei und dies schon unbeschadet hinter sich bringen würde.

Und da Mary einen Vertrag unterschrieben hatte, ließen die Professoren das Mädchen nicht mehr frei und Harry konnte dagegen nichts tun.

*

Letzter Versuch.
Die Professoren selbst hatten schon eingesehen, dass sie weiter nicht gehen konnten. Und alle Hoffnung lag in diesem Versuch. Niemand dachte mehr an die Warnung und die Worte, die der
Vorgänger Mary s wie in Trance gesprochen hatte. Der Forscherdrang unterdrückte jegliche Vernunft. Professor Leininger, der Leiter der Versuchsreihe, griff zum Mikrophon, mit dem er
Kontakt zum Testraum herstellen konnte.

"Mary, entspannen Sie sich und konzentrieren Sie sich! Versuchen Sie alles, um mit dem Fremden Kontakt aufzunehmen. Wir müssen wissen, wie es im Raum im Nichts aussieht, was für eine Art von Kontinuum er darstellt, was für Wesen dort leben. Es ist unsere letzte Chance. Wenn Sie es diesmal nicht schaffen, werden Sie die nötige Kraft für weitere Versuche nicht mehr besitzen. Unsere Arbeit würde um .Monate zurückgeworfen! Bedenken Sie das, im Interesse der Menschheit!"

Harry verzog angewidert den Mund. Wie verabscheute er doch den Professor, dem die Forschung mehr wert war als ein Menschenleben. Obwohl ja auch er, Harry, teilweise Schuld daran trug, dass Mary hier saß. Seine Gründe aber waren andere gewesen, als die der Professoren. Mary sollte mit ihren Gaben der Menschheit dienen, vielleicht um das Verbrechen zu bekämpfen.

Aber was der Professor da vorhatte, war Wahnsinn. Falls es wirklich Überwesen ab, wie würden sie reagieren, wenn armselige Menschlein mit ihnen Kontakt aufnehmen wollten? Deshalb wagte er nun wieder einen Einspruch:

"Professor Leininger, warum sehen Sie denn nicht ein, dass es auch diesmal nicht klappen wird. Mary ist am Ende, das ist doch überdeutlich. Sie wirk körperlich und seelisch zerbrechen. Dieser Versuch ist einer zuviel ...!"

Fauchend wurde Harry unterbrochen.
"Seien Sie still, Harry! Entweder halten Sie den Mund, oder Sie verlassen den Raum!"

Der Professor drehte ihm wieder den Rücken zu und konzentrierte sich auf das Geschehen hinter der Glasscheibe. Harry zog sich zurück, blickte starr auf die im Stuhl sitzende Mary. Ein schlimme Ahnung stieg in ihm hoch.

*

Mary bekam kaum Luft. Die Gurte, in die sie geschnellt war, drückten ihr die Brust zu. Sie wollte aufbegehren, einfach abschalten und damit den Professor enttäuschen. Doch sie schaffte es einfach nicht. Nein i Es ist der letzte Versuch. Wenn ich den hinter mich bringe, bin ich frei. Frei für Harry. Dann gehe ich mit ihm fort, weit fort. Niemals mehr werde ich hierhin zurückkehren.

Trotzig begann sie sich zu konzentrieren. Zwar schmerzte ihr Körper und schrie nach Ruhe. Aber sie wollte es einfach schaffen, denn das war die Garantie für ein freies Leben. Sie versank wieder in Trance, öffnete ihren Geist und dachte angestrengt an das Wesen auf dem Raum im Nichts. Zwei Mal schon hatte sie gespürt, dass etwas da war, etwas Undefinierbares, etwas, was nicht von dieser Welt stammte.

Ihr Wille machte sie stark. Sie dachte ein letztes Mal an Harry, dann versank sie in der Finsternis des Nichts. Ihr Geist löste sich von jeglicher Materie, sie besaß keinen Körper mehr, war unabhängig von allem. Sie gehörte der Ewigkeit, sah das unendliche Universum, spürte den Strom der Zeit und tastete sich bis in den Raum im Nichts vor. Jetzt musste es zum Kontakt kommen. Beim letzten war sie schon leicht mit dem Fremden zusammengeprallt. Doch es hatte sich sofort wieder zurückgezogen. Ärgerlich, wie es Mary schien.

Tastend ließ sie ihre ´Mentalfühler´ spielen, sie in Zeit und Raum tauchend, auf der Suche nach dem Wesen von drüben.

Plötzlich flimmerte es, eine Art Nebel kroch aus dem Nichts. Bizarre Schatten huschten hin und her, verdeckten die Sterne, durchbrachen die Zeit und den Raum. Seltsame Lichteffekte spielten zwischen Nebel und Schatten.

Ewige aus dem Raum im Nichts, wo seid ihr? rief Mary.
Stumm, für einen Menschen nicht hörbar. Sie fühlte, dass es schon bald zum Kontakt Kommen würde, sehnte ihn herbei. Was waren das für Wesen, die hier lebten? Waren sie friedlich, oder grausam und böse? Die jeden Fein vernichteten, die mit den Menschen nichts zu tun haben wollten?

Mary drängte immer stärker, alles um sie herum schien zu pulsieren Kraft strömte in ihr nichtmaterielles Bewusstsein. Energie umwallte sie, gab ihr titanische Geisteskraft. Ihre Mentalfühler stießen tief in das nebelige Etwas vor. Attackierten die Schatten. Sie geriet in geistige Ekstase, ihre Sinne wirbelten durchs Nichts.

Ein Schlag von solch mentaler Wucht, wie sie nicht vorzustellen ist, packte sie und riss sie endgültig aus allen Ankern des normalen Raum-Zeit-Kontinuums. Alles schien sich zu drehen, die Nebel zerrissen, die Lichteffekte wurden strahlender, unerträglicher. Grausame Schmerzen
peinigten den Geist, welcher einmal zu dem Körper des Mädchens Mary gehört hatte.
Der Geist schrie und schrie wiederum nicht. Der Raum im Nichts ward ihm geöffnet.
Und schloss sich hinter ihm.
Das Mädchen Mary existierte nicht mehr.

*

Marys Körper bäumte sich in dem großen Stuhl auf. Die Geräteskalen schlugen wild aus. Drähte brannten durch. Relais zerbarsten.

Professor Leininger und seine Mitarbeiter wurden kalkweiß. Das Mädchen zerrte an ihren Fesseln, ließ den Stuhl wackeln. Die Geräte fielen um, Chaos im Testraum. Brennende Furcht fraß in Harrys Herzen. Ein Schrei, der nichts Menschliches mehr an sich hatte, löste sich aus der Kehle des Mädchens.

Dann lag es still im Stuhl. Und die Hölle brach los. Aus dem Nichts materialisierte ein Schatten, konturhaft zu sehen. Dann begann er sich zu formen, erhielt die Umrisse eines Menschen und die Stimme konnte jeder vernehmen.

"Ihr Niedrigen aus der Welt der Sterblichen. Ihr habt unsere Warnungen nicht ernstgenommen, nicht darauf gehört. Ihr wagtet es, uns in unserer Ruhe zu stören, ihr Toren. Niemand darf das! Euer Medium hat euch für immer verlassen, wir haben es zu uns genommen. Es lebt bei uns und wird immer frei sein, ohne die Last eines Körpers. Und ohne die Qualen, die ihr mit diesen Versuchen bei ihm verursachtet. Ihr seid noch nicht reif für das Universum. Solange eure Unbesonnenheit die Welt und ihre Menschen in Krieg und Elend und Hunger und Tod stürzen wird und ihr nicht das Wesentliche erkennt, das euer Handeln bestimmen müsste seid Ihr unwürdig, in die tiefsten Geheimnisse der Welt einzudringen. Noch steht ihr ganz unten auf der Leiter der Evolution. Niemand darf etwas tun, was über sein Macht geht! Und für das, war ihr getan habt sprechen wir ein Exempel für die anderen Menschen aus. Euer Lohn ist - der TOD!"

Und augenblicklich verschwammen die Konturen, wuchsen aber sofort wieder an, begannen zu pulsieren, dehnten sich aus...

*

... noch heute sieht man die Stelle, wo einst das Institut für Parawissenschaften gestanden hat. Eine hohe Panzerplastkuppel umgibt das Loch aus Nichts, in dem man die Unendlichkeit schauen
kann. Mit Grauen schaut jeder hinein, und nur diese Kuppel schützt den Betrachter vor dem Sturz in die Ewigkeit.

EPILOG

Die Kraft in den Adern des Universums pulsiert langsam, aber ständig, im Strom der Zeit, in der Ganzheit des Raumes. Alle Wesen sind Eins in Zukunft und Vergangenheit. Und wieder fand ein Geist aus der Welt der Verwirrungen den Weg in die neue Heimat der Seelen, dahintreibend zwischen den Linien der Kosmischen Kräfte.

Mensch, suche diesen Weg...

ENDE

 

Pfui, was für eine deprimierende Geschichte.
Auch wenn der Geist des Mädchens befreit wird, obwohl die Wesen sich als gutartig heraustellen und den Menschen einen Anreiz zur Weiterentwiklung geben, finde ich die Geschichte todtraurig.
Stilistisch finde ich sie allerdings recht gelungen.
Sciene Fiction sollte aber nicht zur "Frust Fiction" werden, ich habe jetzt mal die paar Geschichten gelesen, die hier von dir gepostet sind und auch wenn sie alle einen gewissen Reiz haben, so sind sie eher ungeeignet um meine (bereits angeknackste) Laune zu heben ! Das mag nun kein objektiver Gesichtspunkt sein - dafür aber der, der mir gerade wichtig ist ;)

Nix für Ungut,

Batch

 

hallo,

danke für die Kritik. Ich hoffe, du hast dich dennoch ein wenig unterhalten. Und wenn ich mir meine SF-Stories so recht betrachte, sind sie alle sehr negativ ausgefallen. Werde dran arbeiten, mal die andere Seite betrachten.
Frust Fiction: schöner Begriff.

bis die Tage, Theo aus Werne

 

@ Batch Übertreibst du nicht ein wenig??? Wenn zehn SF-Storys ein "Bad-End" haben, und sie doch allesamt fabelhafte Storys sind, wen interessiert es, dass sie "deprimierend" sind?
Und das bringt mich zu der Story:

@ t-k-k Diese Story IST fabelhaft! Ich habe sie in einem durchgelesen und an keiner Stelle gelangweilt. Stilistisch ist sie ansprechend und souverän erzählt.
Das eigentlich faszinierende daran finde ich die ungeheuer dichte Atmosphäre (ich weiß, ich verwende dieses Wort sehr oft, aber nur, weil jeder weiß was damit gemeint ist!), die erstens einem roten Fade folgt, der an keiner Stelle entgleitet, und zweitens Spannung in die Geschichte pumpt, die regelrecht zum Lesen zwingt.

Da ist dir eine sehr gute Story geglückt, die von Verständnis für den inneren Aufbau einer logischen Story zeugt.
Weiter so! :)

 

@Rainer: Nein, ich übertreibe nicht, NIEMALS IN MEINEM GESAMTEN LEBEN HABE ICH JE ÜBERTRIEBEN. Hihi... ne im Ernst mal, ich wolllte nur das zum Ausdruck bringen, was mir durch den Kopf ging nachdem ich einige von tkks Geschichten durchgelesen hatte - das war keineswegs der Versuch eine möglichst objektive Kritik zu schreiben. Und es ist einfach so, dass ich im Moment lieber fröhliche Geschichten lese, oder zumindest solche, die gut ausgehen. Das ist alles.

 

Hey Batch! Eine Bitte und Herausforderung für dich: Setze die Geschichte im Horror-Forum fort! Ich will endlich wissen, wie es ausgeht! :D

Ernsthaft: Lies sie mal durch und versuche eine Fortsetzung, okay?

 

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