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Raus damit!

Ray

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23.09.2001
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Raus damit!

Die Rolltreppe brachte ihn ans Tageslicht. Der Himmel war wolkenverhangen, die graue, triste Stimmung hier an der Oberfläche übte nicht die geringste, positive Wirkung auf ihn aus, als er sie gegen die sterile U-Bahnbeleuchtung eintauschte. In seinem Kopf überschlugen sich die wirrsten Gedanken, gegen die er sich nicht zu wehren wußte, so daß er die Stadt mit ihrer ganzen Kälte und Unpersönlichkeit nicht wahrzunehmen schien. Unbeirrt von zu unbeabsichtigten Remplern der vielen Menschen ging er zielstrebig durch die Fußgängerzone. Wäre er nicht schon mit sich zu beschäftigt gewesen, dann hätte er die Blicke einzelner Leute registriert, die ihn musternd und mit verächtlicher Miene abtasteten. Er hätte regelrecht ihre Gedanken lesen können : "Guck' dir den Spinner mit der unmöglichen Frisur und den peinlichen Klamotten an! Die Art von Menschen kenn' ich: zu faul zum Arbeiten, liegen uns Steuerzahlern auf der Tasche." Er hätte diesen Blick auf seine Weise kommentiert. Mit dem freundlichen, etwas mitleidigem Lächeln einer Person, der es egal war, wie Andere sie durch das Aussehen in die wenigen Schubladen ihrer Anschauung einordneten. Doch es war besser, daß er solche Blicke nicht sah, denn diese Art von Vorurteilen war einer der Gründe, die ihn zur Resignation zu treiben drohten. Und wenn du noch so lange diskutierst, solche Typen wird's immer geben. Er steuerte auf den großen, zentralen Platz zu. Die Hand in der Jackentasche umklammerte das schwarz verchromte Feuerzeug. Seine innere Anspannung schien sich in diese Hand zu verlagern: er drückte das Feuerzeug mit aller Kraft in seiner Faust zusammen. Nach außen hin wirkte er deshalb noch gelassen und fiel nicht auf. Wäre er stampfend und schnaubend durch die Menschenmasse gelaufen, wäre es wahrscheinlich auch niemandem aufgefallen, da die anderen Leute viel zu sehr mit ihrer künstlichen Hektik und planlosem Zeitdruck beschäftigt waren. Würd's Euch auffallen, würd's Euch'n Dreck interessieren. Er erreichte den großen Platz, auf dem sich die Hektiker mit Touristen mischten, die das dumme Glockenspiel am Rathaus angafften, das sich in zehn Minuten in Gang setzen würde. Sie würden es anstarren, heimfahren und denken "auf Ibiza hätt' man 'ne bessere Hotelbar gehabt." In der Mitte des Platzes angekommen verweilte er einen Augenblick. In diesem Augenblick vermischten sich seine unkontrollierbaren Gedanken mit der Sinnlosigkeit der Menschen um ihn, er meinte, die Last dieser Mischung würde ihn in die Knie gehen lassen. Doch er setzte sich dagegen zur Wehr und holte tief Luft. Es war kein normales Luftholen, er zog so an, daß sich jede Pore seines Körpers mit dem Eingeatmeten füllte. Ihm kam es vor, als würde er nicht nur Luft einatmen, sondern mit ihr auch die Hektik, die um ihn ausgestrahlt wurde, die Ignoranz und Trägheit seiner Mitmenschen, Hass und Heuchelei und Gleichgültigkeit. Die Last dieses ganzen menschlichen Schrottes füllte seinen Körper, doch er atmete wie vom Wahnsinn ergriffen immer tiefer ein. Er hatte sich schon so oft bedrückt gefühlt von Problemen, von denen andere entweder sagten "Das geht dich doch eh' nichts an" oder "kommst schon drüber weg". Normalerweise hatte er alles heruntergeschluckt und zu vergessen versucht, doch all das vergessen geglaubte blockierte jetzt jede Funktion seines Gehirns. Als er so tief eingeatmet hatte, daß seine Lungen zu zerplatzen drohten, breitete er die Arme mit den so sichtbar werdenden, blau anlaufenden Fäusten aus und öffnete den Mund. Die Leute auf dem Platz schienen inne zu halten und warfen ihm verwirrte Blicke zu, als er zu einem Schrei ansetzte, wie er lauter, verzerrter, überschlagender und länger noch nie geschrien hatte. Er schrie so laut, daß er meinte, man könne die Schallwellen beobachten, wie sie sich über den ganzen Platz verteilen. Und es wären boshafte, riesige Flutwellen, die sich auf alles stürzten, was erreichbar wäre. Sein Schrei war so fürchterlich wütend, daß er sich wünschte, die Flutwellen würden alles um ihn zerstören und wegspülen, so zornig, als wären die Wellen nicht etwa aus Wasser, sondern sein eigenes, vergiftetes Blut, das er in zerstörerischer Absicht ausgoß. Er hatte nie gegen Ungerechtigtigkeiten, die ihm zugefügt wurden, angehen können, hatte es alles verschluckt, doch jetzt war ihm so übel davon, daß er alles mit diesem markerschütterndem Schrei auskotzte. Das habt Ihr aus mir gemacht! Das ist die einzige Möglichkeit, mich zu äußern! Wenigstens müßt Ihr so zuhören! Nach zweieinhalb lauten Minuten, die sein Schrei anhielt, fühlte er, wie er leichter wurde. Sein Schrei wurde leiser, aber nicht weniger wütend. Der Schrei verebbte, als ihm schwarz vor Augen wurde und er reglos in sich zusammensackte. Er ging zu Boden und rang nach Luft. Obwohl er in diesem Moment sogar darum zu kämpfen hatte, bei Bewußtsein zu bleiben, merkte er, daß wieder klare Gedanken in seine Gehirnwindungen Einzug hielten. Seine Hände waren locker und entspannt, das verchromte Feuerzeug lag neben ihm auf dem Asphalt. Seine betäubende Wut war in stille Trauer umgeschlagen, die ihn sich fragen ließ, wieso er das hier nötig hatte. Langsam öffnete er seine Augen wieder, um zu bemerken, daß die Leute um ihn noch immer innehielten. Sie schienen verunsichert. Doch Sekunden später kehrte wieder die alte, engstirnige Geschäftigkeit ein, als Einigen einfiel, daß schon bald Ladenschluß wäre. Er saß noch eine Zeit lang so da, noch immer grauer Himmel, Ihr versucht ja noch nicht einmal, zu verstehen.

 

Wo Deiner Geschichte "Gedicht" es an kaum etwas mangelte, fehlt hier nahezu alles. Der Stil ist wie zuvor sehr gut (Du scheinst wirklich Talent zu haben) doch was bringt die Geschichte sonst ?
Nichts ! Dem Leser: Nichts !

Dem Autor vielleicht die Kompensation von Gefühlen, denen er gerne Luft machen würde. Wenn das durch Schreiben sein soll ... dann ist das völlig in Ordnung. Nur lass das Produkt in der Schublade.

Nichts für ungut. M. ;)

 

Hallo Marcus!
Sei doch nicht so hart mit der Geschichte: Es ist die erste, die ich jemals geschrieben habe.
Ich finde sie deshalb aber nicht schlecht, denn es geht weniger um die Handlung oder das Abarbeiten von Gefühlen, sondern um die Konstruktion der Atmosphäre. Und das ist nicht jedermanns Ding, kann ich verstehen. ;)

Schönen Gruß,
Ray

 

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