Was ist neu

Romane und Berichte über die Arbeitswelt gesucht

Mitglied
Beitritt
05.07.2020
Beiträge
327
Zuletzt bearbeitet:

Romane und Berichte über die Arbeitswelt gesucht

Hallo,

ich bin auf der Suche nach Romanen, die sich vor allem um die Arbeitswelt und die damit verbundene Lebensrealität ihrer Protagonisten drehen. Beispiel für mich wären da Sinclairs Der Dschungel, Ponthus am laufenden Band oder auch Steinbecks Früchte des Zorn. Leider kenne ich sonst sehr wenig, was in die Richtung (ich würde es mal ganz vorsichtig als proletarische Literatur bezeichnen) geht. Vielleicht habt ihr hier ja ein paar Empfehlungen? Gerne auch aktuellere Werke.

Beste Grüße
Habentus

 

Hallo Habentus,

mir fällt spontan "Der Teufel trägt Prada" ein von Lauren Weisberger.

Liebe Grüße
Silvi

 

Schau mal hier rein

https://werkkreis-literatur.de/de/geschichte/geschichte

lieber @Habentus -

bin selbst überrascht, dass es den Werkreis (noch) gibt.

Als ich noch jung und schön war, war ich ein paar Jahre Mitglied und hab über den Ableger in Oberhausen (Rhld.) tatsächlich ein bissken Geld „verdient“ und etwa auch mit dem einen oder anderen „Abstecher“ bis hin in die Slowakei machen können, eben den hab ich hier irgendwo mal angeschnitten weil das „Gastspiel“ zu Zeiten des Generals Svoboda („Wahrheit“) überwiegend mit dem Zeigefinger vorm Mund stattfand.

Ich hatte das Gefühl, in Holland zu sein (Architektur zB), aber Slowaken sind keine Holländer und ich sah oft den einen und anderen Zeigefinger vorm geschlossenen Mundwerk ...

Friedel

 

Hallo @Silvita und @Friedrichard und danke euch für eure Tipps! Teufel trägt Prada kenne ich nicht (wobei ein bisschen was klingelt da schon) und schaue ich mir mal an. Danke @Friedirchhard für deinen link - das sieht tatsächlich interessant aus und ich schaue es mir gerne mal an!

Viele Grüße!
Habentus

 

Hallo Habentus,

drei ganz unterschiedliche Romane der Gegenwartsliteratur, in denen Arbeit eine zentrale Rolle spielt:

Fien Veldman: Xerox (metaphysisch)
Jacob Guanzon: Überfluss (sozialkritisch)
Alexander Schimmelbusch: Hochdeutschland ("Hochglanz")

Und als Kurzgeschichte: Clemens Meyer: In den Gängen (Ex-DDR-Thema) (ich kenne nur die fantastische Verfilmung -- gut, wenn man gerade auf einem Depri-Trip ist :-)))

Viele Grüße.

 

Hallo @Pazifik und vielen Dank für deine Tipps! Werde ich mir definitiv mal anschauen! Clemens Meyer hatte ich sowieso mal vor, die anderen klingen interessant.
Was mir noch eingefallen ist und wen ich in der obigen Aufzählung sträflicherweise völlig außen vor gelassen habe, ist natürlich Chistian Baron (Mann seiner Klasse, Schön ist die Nacht).

Beste Grüße
Habentus

 

In Deutschland schwierig, weil sich der Literaturbetrieb vor allem aus bildungsbürgerlichen Schichten rekrutiert, die bleiben gerne unter sich. Ist ja die Frage, möchtest du von Autoren lesen, die diese Arbeitswelt tatsächlich auch selbst kennen, und nicht nur diese zum Thema gemacht haben oder vielleicht mal als Tourist ein Jährchen auf dem Bau oder in einem Supermarkt gearbeitet haben, die wirst du dann ansonsten kaum finden. Wenn man genau hinsieht, sind viele Autoren im Grunde Hochstapler, die geben sich medienwirksam den blue collar Anstrich, stammen aber eigentlich aus Familien mit Bibliothek und akademischen Hintergrund, haben meistens selbst Abitur und Studium hinter sich, die fallen dann alle weich.

Franz Innerhofer, Schöne Tage. Ist ein knallhartes Buch, da geht es ums Ganze, und der Typ war edenfall irre genug, sein eigenes Ding gegen alle Widrigkeiten durchzuziehen.

Ludwig Fels, Ludwig Hohmann, die Texte spielen alle in einem Milieu der Lohnarbeit, also die Protagonisten sind keine Akademiker, oft auch eher im provinziellen, kleinbürgerlich-proletarischen Settings. Die ersten Romane von Ralf Rothmann, vor allem Stier.

Stories von Raymond Carver, Robert Olmstead, Beth Nugent, Christine Schutt, die spielen oft in einem Umfeld, das eher blue collar ist, aber ich weiss nicht, ob Arbeit dort immer das vordergründige Thema ist. Wendell Berry fällt mir noch ein, da geht es um Agrar, Landwirtschaft. Ich mache mir nochmal Gedanken.

 

Larry Brown - On Fire. Nicht wirklich Roman, eher Tagebucheinträge, aber es geht um Browns Leben als Feuerwehrmann. Leider nur im Englischen verfügbar.

Willy Vlautin - The Free. Geht um einen Vater, der mehrere Jobs hat, u.a. in einem Farbgeschäft.

John Fante, Charles Bukowski, bei denen geht es auch oft um Arbeit, z.B 1933 war ein schlimmes Jahr oder Post Office. Sind aber schon alte Eisen.

Leonard Gardner - Fat City, eigentlich geht es hier ums Boxen, aber ich fand die doch Präsenz einnehmenden Kapitel über die Arbeit extrem gut gemacht.

Kein Roman, aber die Erzählung In den Gängen von Clemens Meyer, hier fand ich die Arbeit im Supermarkt (oder Großhandel?) sehr gut eingefangen. Schau aber nicht den Film, der ging mir auf den Sack.

Andreas Gläser Berlin Nordost, geht viel um Arbeit und ist aktuell. Aber mit Humor.

Ja, ist ne spannende Kiste, ich lese auch verdammt gerne über Arbeit, allgemein über Leute, die arbeiten und ein Leben haben, und sich das echt anfühlt beim Lesen, für mich gibt's fast nichts Größeres, aber das ist Geschmackssache. Wer hat noch nen Geheimtipp?
Ich schmeiße jeden Roman gegen die Wand, in denen die Protagonisten so herumflanierende Menschen sind, bei denen ich mir keinen Reim drauf machen kann, wie die sich überhaupt finanzieren. In meiner Lebensrealität nimmt Arbeit fast die ganze Lebenszeit in Beschlag, und das geht doch den meisten so.

 
Zuletzt bearbeitet:

Fat City, auch der Film Bombe! Leider ja der einzige Roman von Leonard Gardner.

Natürlich die ganzen Briten vergessen: Alan Sillitoe, John Baines, Delaney, Osborne, alles an kitchen sink realism, angry young men. Auch unbedingt Filme: vor allem "Kes", das ist sozuagen hardcore grim north, wenn nicht sogar der britischste Film überhaupt. Die frühen Romane von Irvine Welsh und James Kelman, beides Schotten.

 

Matias Faldbakken: "The Cocka Hola Company" & "Macht und Rebel"
H. Kopper: Diverse Stories :rotfl:

 

Da kommt ja richtig was zusammen - danke @jimmysalaryman , @zigga und @H. Kopper !

Ist ja die Frage, möchtest du von Autoren lesen, die diese Arbeitswelt tatsächlich auch selbst kennen, und nicht nur diese zum Thema gemacht haben oder vielleicht mal als Tourist ein Jährchen auf dem Bau oder in einem Supermarkt gearbeitet haben
Ja, kann mich dran erinnern, dass wir es mal kurz davon hatten. Du hattest gesagt, dass Ponthus für dich zB eher in so eine Kategorie fällt, wenn ich mich recht erinnere? Und das stimmt bestimmt auch bei so manchem. Ich finde, wenn aber jemand ehrlich etwas aufgreift, ohne Effekthascherei oder "weil sich das nun mal gut verkauft" oder weil man sich als der Streiter der Unterdrückten generieren will, sondern ganz einfach, weil man sich verbunden fühlt und meint, dass diese Lebensrealität (und alles was damit zu tun hat) zu wenig stattfindet - dann ist das legitim. ZB nehme ich Baron (seine auch autoboiografische) Darstellung schon ab.

Franz Innerhofer, Schöne Tage. Ist ein knallhartes Buch, da geht es ums Ganze, und der Typ war edenfall irre genug, sein eigenes Ding gegen alle Widrigkeiten durchzuziehen.
Habe ich noch nicht gehört, aber werde ich mir definitiv ansehen.

Die ersten Romane von Ralf Rothmann, vor allem Stier.
Den habe ich tatsächlich sogar, meine ich. Nur gelesen habe ich den noch nicht.
Wendell Berry fällt mir noch ein, da geht es um Agrar, Landwirtschaft.
Klingt spannend! Werde ich mir ebenfalls ansehen.

Larry Brown - On Fire. Nicht wirklich Roman, eher Tagebucheinträge, aber es geht um Browns Leben als Feuerwehrmann. Leider nur im Englischen verfügbar.
Klingt gut - ich muss nur schauen, ob ich mich da mit meinen mittelmäßigen Englischkenntnissen rantraue oder ob mir da zu viel durch die Lappen geht - was meinst du?

John Fante, Charles Bukowski, bei denen geht es auch oft um Arbeit, z.B 1933 war ein schlimmes Jahr oder Post Office. Sind aber schon alte Eisen.
Puh, ja oft gehört und ein Bekannter schwört auf Bukowski . Ich muss sagen, dass mich da diese Lesung in Hamburg und dieser Hype ein wenig abschrecken. Vielleicht gehe ich da aber zu voreingenommen dran - mal sehen.

Leonard Gardner - Fat City, eigentlich geht es hier ums Boxen, aber ich fand die doch Präsenz einnehmenden Kapitel über die Arbeit extrem gut gemacht.
Ich kenne den Film und fand den super. Aber hatte irgendwie nicht im Kopf, dass das Buch wahrscheinlich auch lohnt. Ich sehe es mir an! Danke für den Tipp

Kein Roman, aber die Erzählung In den Gängen von Clemens Meyer, hier fand ich die Arbeit im Supermarkt (oder Großhandel?) sehr gut eingefangen.
Ja, hat oben auch wer vorgeschlagen. Meyer steht auch schon länger auf meiner Liste.

ch schmeiße jeden Roman gegen die Wand, in denen die Protagonisten so herumflanierende Menschen sind, bei denen ich mir keinen Reim drauf machen kann, wie die sich überhaupt finanzieren. In meiner Lebensrealität nimmt Arbeit fast die ganze Lebenszeit in Beschlag, und das geht doch den meisten so.
Verstehe, was du meinst - mir geht es mittlerweile immer ähnlicher.

H. Kopper: Diverse Stories :rotfl:
;) ich schau noch mal vorbei!

Beste Grüße
Habentus

 

Ist ja die Frage, möchtest du von Autoren lesen, die diese Arbeitswelt tatsächlich auch selbst kennen, und nicht nur diese zum Thema gemacht haben oder vielleicht mal als Tourist ein Jährchen auf dem Bau oder in einem Supermarkt gearbeitet haben, die wirst du dann ansonsten kaum finden. Wenn man genau hinsieht, sind viele Autoren im Grunde Hochstapler, die geben sich medienwirksam den blue collar Anstrich, stammen aber eigentlich aus Familien mit Bibliothek und akademischen Hintergrund, haben meistens selbst Abitur und Studium hinter sich, die fallen dann alle weich.

Ich finde diese Einschätzung etwas zu kritisch. Das klingt so, als dürfte man seinen Horizont nur unter der Bedingung erweitern, dass etwas wirklich existenziell bedrohlich ist. Ausserdem besteht doch die Leistung von Kunst oft eher im Beobachten und weniger im "Mutieren zu". Auch wer nur vergleichsweise kurz oder als "Tourist" irgendwo ist, kann doch in Kontakt mit Realitäten kommen. Sonst könnten ja beispielsweise Politikjournalisten gar nicht über den Politikbetrieb berichten oder Sportjournalisten nicht über Sport. Und "ein Jährchen" auf dem Bau ist meiner Meinung lange genug, um nicht nur alle Jahreszeiten und Arbeitsabläufe zu erleben, sondern auch, um etwa die körperliche Anpassung voll durchzumachen. Wer ein Jahr durchhält, hält vermutlich auch zehn durch. Aber es kann ja nicht der Anspruch sein, sich zu ruinieren, nur um "Authentizität" zu erlangen :-D

;) ich schau noch mal vorbei!

Habe gerade eine Story mit genau diesem Thema hier eingestellt – wie es der Zufall so will

 

Aber es kann ja nicht der Anspruch sein, sich zu ruinieren, nur um "Authentizität" zu erlangen :-D

Die Frage ist, wenn ich eigentlich Autor bin und weiß, dass ich danach etwas anderes machen kann/werde, weil ich eben auf ein Studium zurückgreifen kann, die anderen aber immer noch auf dem Bau oder sonstwo verbleiben müssen, wirkt das Ganze, wenn ich diese Erfahrung literatisch verwerte, dann auf mich (!) voyeuristisch bzw übergriffig. Die anderen haben eben nicht die Möglichkeit, ich bin dann immer der Privilegierte, der dem entfliehen kann.

Aber dieser Betrieb ist eben auch nicht für solche Menschen gemacht, es sind halt in der Regel Bildungsbürger und deren Kinder, die sich dann selbst reproduzieren. Von denen höre ich dann immer, Autor XY geht in Klausur, mietet sich irgendwo in ein Hotel ein, alleine mit Büchern von Brecht, um zu schreiben und zu sich zukommen, und das erste, was ich mich frage: Muss der nicht arbeiten? Und: Wo hat der das Geld her? Das ist einfach meilenweit von der Realität entfernt, also von MEINER.


Das klingt so, als dürfte man seinen Horizont nur unter der Bedingung erweitern, dass etwas wirklich existenziell bedrohlich ist.
Was hat das mit bedrohlich zu tun? Das hat etwas mit Zeit zu tun: Ich arbeite seit 30 Jahren, ich muss mir die Arbeitswelt nicht von jemandem erklären lassen, der erst seit 3 Jahren arbeitet oder überhaupt mal ein Jahr gearbeitet hat. Das hat doch etwas mit Erfahrung zu tun, die sich summiert, gerade das auslaugende, repetetive Element der Lohnarbeit, das kann man nicht erfahren haben, wenn ich mal bei OBI ein Praktikum gemacht habe. Und gerade im deutschen Literaturbetrieb ist es doch so, dass da ordentliches gatekeeping betrieben wird. Ein Autor, der literarisch schreibt, ohne Studium oder Abitur? Seltenst. Es muss aber einen Dachdecker oder Zimmermann oder Fliesenleger oder Tankwart geben, der einen geilen Roman in der Schublade liegen hat, genauso wie es die 130 Kilo Frau mit Pickeln im Gesicht und Colabodenbrille geben muss, die einen herausragenden Roman geschrieben hat, wir werden ihn nicht zu lesen bekommen, denn diese Personen taugen nicht als "Autorenfigur", wie man das in Verlagen nennt.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi @jimmysalaryman,

ich stimme dir ja generell zu, aber ich bin da milder geworden. Eine Freundin von mir ist Juristin und sie weist mich in jeder Diskussion darauf hin, dass es unklug ist, immer nur mit "edge cases" zu arbeiten. Es gibt immer Extremfälle, aber bringt es uns weiter, nur diese als Argument gelten zu lassen?

Damit meine ich in diesem Fall: Es mag den Dachdecker ohne Abi, aber mit Roman in der Schublade geben. Aber hast du wirklich das Gefühl, dem Gros der Arbeiter geht es so? Und ist es auf der anderen Seite nicht so, dass Literatur und Literarizität den eigentlichen Kern von Intellektuealität bilden? Zu sagen, vor allem Bildungsbürger lesen und schreiben Literatur, ist doch stating the obvious. Bildung besteht doch vor allem aus Lesen und Schreiben. Der Zugang zu Schrift war und ist immer noch der Zugang zu Bildung.

Ich frage mich auch, ob der Kern der "Arbeit" so interessant ist. Also wenn man die Arbeit und ihre künstlerische Verarbeitung aufs Wesentliche reduziert und nichts Intellektuelles beifügt, sondern nur das Naturgegebene, der Arbeit Inhärente abbildet, ist es dann noch interessant? Ich glaube nicht - so wie die Luft und das Meer und der Wald für sich genommen nichts anderes sind, als sie sind.

Wo zieht man also die Grenze? Wie lange ist der dichtende Proletarier überhaupt Proletarier? Institutionelle Labels wie Abitur oder Magister mal außen vor - wer sagt denn, ab wann es intellektuell und unauthentisch wird? Oder anders: Hätte Einstein als Fliesenleger gearbeitet, wäre er dann nicht mehr Einstein gewesen, sondern nur ein einfacher Handwerker? Ich finde, nein. Genausowenig wie einen ein Doktorgrad per se zum Intellektuellen macht.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom