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Schöner die Kassen nie klingeln

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19.03.2003
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Schöner die Kassen nie klingeln

Schöner die Kassen nie klingeln

Auf Markt und Straßen ziehen Menschenscharen dicht an dicht an grell erleuchteten Auslagen vorbei. Gehetzt laufe ich durch Menschenmassen, dränge und schiebe, alles sieht so glänzend aus.
An den Fenstern haben Menschen bunte Lichter protzig dekoriert,
Tausende Menschen hasten vorüber, sind so wie ich, desillusioniert.

Im Kopf schwirren die Gedanken zum Weihnachtsbraten und die Füße schmerzen.
Was ist, wenn ich etwas vergessen habe? Macht nichts, dann fahre ich eben zur Tankstelle hin.
Hektische Klänge begleiten mich, es sind Lobpreisungen von megastark bis geilem Geiz.
Sie töten das unerhörte Singen der Heilsarmee, die vor der Mutter aller Schnäppchen umherstreicht. Flehentlich bitte ich sie um Durchlass, indem ich ein paar Cent in die Sammelbüchse werfe.
Sauerstoff 2 für mich, bitte. Ich will auch wechseln! Das ist Tinchens größter Wunsch
Juhu! Alles habe ich bekommen. Erleichterung statt Erleuchtung
Endlich bin ich entflohen, rutsche heim auf matschigen Asphalt.
Ich lasse schnell die Päckchen unter dem Bett verschwinden. Denn bis Heiligabend ist noch weit.
Schnell noch ein paar Ansichtskarten an diejenigen, die nicht online sind.

Ich freue mich auf heiliges Erschauern, stille Andacht und Kerzenschein,
der sich in großen Kinderaugen vor dem Baum digital verewigen lässt.
All der Glanz und all der Glitter, hinfort mit ihm Sylvester naht. Lästig ist die Mülltrennung, weiß ich doch nicht ob Bio, Rest oder gelber Sack.
Wenn ich dann die Muße habe, schalte ich meinen neuen Aldi Rechner ein. Gott sei Dank kann ich die Bilder bearbeiten, so schön wie ich sie haben will.
Sterne hoch am Firmament, freies Feld bedeckt mit weißem Schnee.
Dann kann ich mich erinnern, wie beglückend es einst war, so weit und still in der gnadenreichen Zeit, als es noch das Christkind gab.

 

Hallo, goldene Dame.

Ja, die modernen Zeiten sind schlimm. Früher, im Biedermeier, in der Guten Alten Zeit (TM), da saßen alle noch gemütlich im Kämmerlein zu Weihnachten und wurden bloß auf kitschigen Zeichnungen verewigt, und nicht digital fotografiert, und kriegten schöne Puppen und Teddybären statt Computer. Aber wenigstens waren die Leute da wirklich glücklich, im Gegensatz zu heute, ich meine, guck man sich doch die niedlichen Bildchen an, die es auf Postkarten gibt: Sehen doch alle total glücklich aus, die Leute!

Ich weiß nicht, die wievielte "Kritik-am-Kommerzweihnachten"-Story das ist, die ich gelesen habe, oder der wievielte Text mit diesem Wortspiel im Titel, es ist aber leider eine grundlangweilige, standardisierte Kritik, sozusagen das Weihnachts-Dauerlamento.

Ja, es gibt einen Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit beim Weihnachtsfest, aber den gab es wohl schon immer, und nicht erst seit der Kapitalismus sich das Fest unter den Nagel gerissen hat. Schon Dickens beschwor ein romantisiertes Weihnachstbild, dass mit der damaligen Realität wenig gemein hatte.

All diese Weihnachtsklagen kommen fast ausschließlich von Erwachsenen. Und warum? Weil man älter geworden ist, und sich nicht mehr wie ein Kind drauf freut, sondern weiß, was dahintersteckt? Begleiterscheinungen des Älterwerdens also? Oder melancholische Nostalgie?

Den letzte Satz mit dem Christkind finde ich beinahe unerträglich sentimental, moralisch und belehrend. Fast so schlimm wie Darstellungen eines "Christkinds" als kleines, goldlockiges Mädchen.

Nun, das war jetzt vielleicht eine etwas harte Kritik, aber nimm's leicht. Anderen gefällt die Story sicher.

Gruß

Ben

 
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Hi Ben,
Danke erst mal dass du diese Geschichte gelesen hast Geschrieben von Ben Jockisch
Ja, die modernen Zeiten sind schlimm. Früher, im Biedermeier, in der Guten Alten Zeit (TM), da saßen alle noch gemütlich im Kämmerlein zu Weihnachten und wurden bloß auf kitschigen Zeichnungen verewigt, und nicht digital fotografiert, und kriegten schöne Puppen und Teddybären statt Computer. Aber wenigstens waren die Leute da wirklich glücklich, im Gegensatz zu heute, ich meine, guck man sich doch die niedlichen Bildchen an, die es auf Postkarten gibt: Sehen doch alle total glücklich aus, die Leute!

Du hast mit dieser Ironie deiner Worte genau die richtige Antwort gegeben, weil mein Text eine ironische Herausforderung sein sollte.
Aber nicht den Commerz und die neue Zeit wollte ich treffen, sondern die Dichtkunst aus der guten alten Zeit, die unser Weihnachten bis heute verniedlichen.

Geschrieben von Ben Jockisch
Ich weiß nicht, die wievielte "Kritik-am
Kommerzweihnachten"-Story das ist, die ich gelesen habe, oder der wievielte Text mit diesem Wortspiel im Titel, es ist aber leider eine grundlangweilige, standardisierte Kritik, sozusagen das Weihnachts-Dauerlamento.

Macht nix Ben, es war meine erste! :rolleyes:

Schon Dickens beschwor ein romantisiertes Weihnachstbild, dass mit der damaligen Realität wenig gemein hatte.
Ich fühl mich geschmeichelt, Dickens und ich in einer Kritik :D

Geschrieben von Ben Jockisch

Den letzte Satz mit dem Christkind finde ich beinahe unerträglich sentimental, moralisch und belehrend. Fast so schlimm wie Darstellungen eines "Christkinds" als kleines, goldlockiges Mädchen.

Hmm, vielleicht zu dick aufgetragen, aber es sollte eben auch ironisch sein.

Gruß

Goldene Dame ;)

 

Holla, Dame!

Du hast mit dieser Ironie deiner Worte genau die richtige Antwort gegeben, weil mein Text eine ironische Herausforderung sein sollte.
Aber nicht den Commerz und die neue Zeit wollte ich treffen, sondern die Dichtkunst aus der guten alten Zeit, die unser Weihnachten bis heute verniedlichen.
Hm, sorry, wenn deine Geschichte eine Satire sein sollte, dann habe ich sie wohl ein wenig missverstanden.
Das liegt aber eher daran, dass sie sich eigentlich durch nichts von einer ernst gemeinten "Gute-alte-Weihnacht-von-Kommerz-vereinnahmt-das-ist-schlimm-wo-ist-Jesus"-Story unterscheidet. Da fehlt eine eindeutig erkennbare satirische Tendenz, sonst kann man die Geschichte leicht in den falschen Hals kriegen. Es sei denn, das war beabsichtigt, dann war die Geschichte bei mir erfolgreich. Kitsch, der wehtut. Danke, aua. :drool:

Besonders diese Mixtur aus aktuellen Werbesprüchen und neuen Produkten (wahlweise auch irgendeinem kurzlebigen Teenie-Sangesstar, dem man literarisch zu bleibendem Ruhm verhilft, in dem man ihn als momentanen Großen Satan (TM) darstellt, der unsere Kultur in den Untergang reißt) ist gang und gäbe in jenen oberflächlichen, möchtegern-kulturkritischen Texten die es auch hier auf Kg.de zuhauf gibt. Es kam so rüber, als sei es die Werbung bzw. der Kommerz, der hier kritisiert wird (und in gewisser Weise wird er das ja, auch wenn er nicht das Hauptziel ist), wohingegen die gute alte Weihnacht aufs kitschigste glorifiziert wird.
Damit es wirklich als Satire rüberkommt, müsste zumindest die Hauptfigur genauer charakterisiert werden, die Denkprozesse detaillierter dargestellt werden, um eventuell Entlarvendes offenzulegen.

Ja, der Schluss ist wirklich kitschig, aber nicht so kitschig, dass es als Satire rüberkommt, sondern eher so kitschig wie ein Haus voller Lichterketten, kletternden und singenden Weihnachtsmännern und blinkenden Rentieren auf dem Dach.
Bei Leuten, die ihr Haus so schmücken, käme auch niemand auf die Idee, dass es sich dabei um Satire handeln könnte.

By the Way:
Die schlimmste aller Weihnachtsgeschmacksverirrungen die ich bisher gesehen habe, stand letzes Jahr vor einer Firma in der Nähe von Hannover: Ein lebensgroßer Weihnachtsmann, der per Bewegungsmelder anfing zu tanzen und zu singen, und "Ho Ho Ho" und "Merry Christmas" zu rufen, zusätzlich ging noch eine komplette Festbeleuchtung an.
Ich habe mich zu Tode erschreckt, als ich im dunkeln vorbeiging.

Gruß

Ben

P.S.:

Die Formatierung deines Beitrags ist ein wenig durcheinandergeraten, Stichwort italics.

 
Zuletzt bearbeitet:

Geschrieben von Ben Jockisch
Hm, sorry, wenn deine Geschichte eine Satire sein sollte, dann habe ich sie wohl ein wenig missverstanden.

Nix für ungut Ben, war auch nur eine schnelle spontane Schreibübung. Dass sie in die Hose gehen könnte, war mir klar. Ich hatte bevor ich diese Geschichte schrieb, das Gedicht "Weihnachten" von Joseph von Eichendorff gelesen, dass an sich ja sehr schön ist, aber eben nicht mehr in unsere Zeit passt. Um tatsächlich eine gute Satire zu schreiben, hätte ich mehr Zeit für die Story machen müssen.

Geschrieben von Ben Jockisch

Die Formatierung deines Beitrags ist ein wenig durcheinandergeraten, Stichwort italics.

Ups... wenn ich wüßte was du meinst.

Ich bin unerfahren im Umgang mit Rechnern und Co, und lerne noch dazu.

Goldene Dame

 

Hallo Dame.

Ich meinte das kursiv Geschriebene, Engl. "italics" (deshalb das "i" beim vB-Code).

Wie ich sehe hast du es aber schon korrigiert.

Gruß

Ben

 

Hallo Goldene Dame,

schade das sich so viele Menschen den Zauber des WEINNACHTSFESTES nehmen lassen. Ich bin ein Weihnachtsfan und selektiere mir die schönen Dinge herraus. Für mich haben Werbesprüche, gestresste Menschen , schlechtes Wetter, Hektik usw. wenig Einfluss auf meine Einstellung zum Weihnachtsfest. Vielleicht hat es ein wenig mit Organisation, Begeisterung und Spass an der Sache zu tun.
Nette Grüße von Powerweck :-)

 

Hallo Powerweck,
vielen Dank dass du meine Kg gelesen hast.


Geschrieben von Powerweck
schade das sich so viele Menschen den Zauber des WEINNACHTSFESTES nehmen lassen.

Ich weiß nicht, ob die Menschen sich Zauber des Weihnachtsfest nehmen lassen, aber wenn Weihnachten heute nun mal mit Lichtermeer und Konsum gefeiert wird, ist das der Zeitgeist, der diejenigen die daran teilhaben verzaubert.
Mit meiner Geschichte wollte ich nicht den Kommerz bekriteln, sondern eine zeitgemäße Geschichte schreiben, wie sie anno dazumal auch geschrieben wurde, als es zu Weihnachten nur Äpfel und Nüsse im Sack gab.
Ich bin mir sicher, dass auch früher Menschen an Weihnachten nicht beseelt waren und vielleicht hungrig und durstig waren, oder sie froren weil es nicht genügend Feuerholz gab.

Heute sind an Weihnachten vielleicht Menschen aus anderen Gründen nicht beseelt, warum auch immer.


Liebe Grüße und guten Rutsch ins neue Jahr
Goldene Dame :) :xmas:

 

Hallo Goldene Dame!

Habe deinew kleine Geschichte gerade entdeckt, nachdem ich selbst eine alte Geschichte von mir hier verewigt habe. Sie ist mir ins Auge gefallen, weil ich mal ein Weihnachtslied mit eben diesem Titel geschrieben habe, während ich im Supermarkt an der Kasse saß.
Deine Geshcichte trifft genau diese Stimmung, die ich da schon empfunden habe: Schnell noch was einkaufen, schnell noch das Nötigste besorgen; schnell schnell, denn bald ist Weihnachten vorbei und man muß schnell, schnell alles für's nächste Fest, Sylvester, besorgen, und dann kommt auch schon ganz schnell Ostern...
Ganz ehrlich, im Supermarkt wurde ich zum weihnachtshasser, weil dieser ganze Konsum, zu dem man fast schon gezwungen ist, nicht im Dezember losgeht, nicht im November, sondern für arme Supermarktangestellte meistens schon im September.

Daß das Weihnachten der Guten Alten Zeit (TM) nicht mehr in das 21. Jhdt. passt, würde ich allerdings bezweifeln. Man muß nur wissen, wo man an diesen drei besonderen Tagen des Jahres sein kann, um Kerzenschein, echten Bratapfel und selbst gebastelte Geschenke zu erleben. ;)

Lieben Gruß,
Oile

 

Huch, kein Weihnachten, aber meine Geschichte wurde gelesen.

Hallo oile
Vielen Dank fürs Entdecken:D

Daß das Weihnachten der Guten Alten Zeit (TM) nicht mehr in das 21. Jhdt. passt, würde ich allerdings bezweifeln. Man muß nur wissen, wo man an diesen drei besonderen Tagen des Jahres sein kann, um Kerzenschein, echten Bratapfel und selbst gebastelte Geschenke zu erleben
Na ja, es ist nicht so eine von meinen besten Geschichten, war irgendwie einfach nur eine Schreibübung. Da meine Intension nicht so richtig rüberkam, werde ich es zu gegebener Zeit noch mal versuchen.
Zuerst sollte es eine Parodie werden, aber dann passte es nicht mehr zusammen und für eine Satire war einfach zu wenig Handlung. Also nur ein Versuch, aus dem ich lernen kann. Freue mich trotzdem, dass du eine Stimmung wahrnehmen konntest.

Liebe Grüße
Goldene Dame

 

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