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Schülerleben
„UND DER WIDERSTAND IST SOOO GROß, DASS MAN IHN FAST SCHON UNENDLICH NENNEN KANN!“
Die laute Stimme von Herrn Volt, die mal wieder einen leicht beschwipsten Unterton aufwies (steht unser Lehrer unter Alkoholeinfluss?), riss uns aus unserem Schlummerschlaf. Sein Gesicht war wie gewöhnlich rot angelaufen, ob es für ihn im Klassenzimmer zu stickig ist, ihm die Wut gepackt hat oder ob es die Begeisterung und Hingabe für Elektrizität (Strom) ist, vermag keiner genau zu erklären.
Die Möchtegernstreber in der ersten Reihe nickten, alles was sich dahinter befand, war in ein stummes Kichern ausgebrochen. Herr Volt schien es nicht zu bemerken. Er klimperte mit seinen zehn- Kilo- Schlüsselbund. An dem hingen so viele Schlüssel, dass er bestimmt fähig war, die Haushalte von ganz Deutschland aufzuschließen. Genauso fett wie sein prolliger Mercedes auf dem Lehrerparkplatz.
Neben Emma ahmte Caro unauffällig Herr Volts leicht alkoholisierte Stimme nach, gefolgt von einem Hiksanfall. Emma lachte laut auf. 19 Schülerköpfe und ein Lehrerkürbis drehten sich zu uns um. Herr Volts Gesicht hatte nun den Höhepunkt seiner Röte erreicht. Wir rechneten fast damit, sein minderbemitteltes Gehirn rauchen zu sehen.
„Ihr seid mir ja ein lustiger Verein“, sagte er.
Ja, gut erkannt. Aber besser wäre es wohl, den Mund zu halten, bevor er noch anfängt, mit dem zehn- Kilo- Schlüsselbund zu werfen. Ein Treffer und man fiele garantiert für immer ins Koma.
Nachdem er endlich seinen stechenden Blick von uns abgewendet hatte, fuhr er mit dem Unterricht fort, wie üblich mit starken Schwankungen, was die Lautstärke seiner Stimme betraf:
„Und ich MÖCHTE ab jetzt von NIEMANDEN MEHR HÖREN, dass STROM aus der STECKdose kommt.“
Nö, hat auch keiner behauptet. Aber was soll das bitteschön heißen, Strom kommt nicht aus der Steckdose? Warum läuft dann jeden Morgen unser elektrischbetriebener Toaster, wenn wir ihn an eine Steckdose anschließen? Will der jetzt etwa behaupten, Strom käme aus unseren Nasenlöchern?
Herr Volt trat ans Pult, wo er, wie fast jede Stunde, zuvor einen Versuch aufgebaut hatte. Mit professionellem Professorenblick überprüfte er noch einmal das wacklig aussehende Gestell. Dann warf er uns einen wichtigtuerischen Blick zu (die Möchtegernstreber hatten allsammt interessierte Mienen aufgesetzt) und schaltete den Strom ein (der komischerweise aus einer Steckdose kam!). Natürlich funktionierte es nicht. Wie jede Stunde. Nichts Neues. Passiert immer. Und wie immer war jetzt auch noch das Gestell schuld. Erst mal Strom ausschalten. Schade, wir hofften jedes Mal, er würde es einmal vergessen. Er muss ja nicht gleich dran sterben oder krankenhausreif elektrisiert werden!
Aber das, was jetzt geschah, war fast genau so gut. Das Gestell war noch statisch aufgeladen. Ein kleiner Funke, ein AU! von unserem Lehrer, ein kleiner Stromschlag. Selbst die Möchtegernstreber konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen. Die Schüler waren wieder in ein stummes Kichern ausgebrochen.
Unser Lehrer hatte wieder seinen wichtigtuerischen Blick aufgesetzt und blickte in die kichernde Runde.
„Ich kann Strom anfassen! Das macht mir überhaupt nichts aus!“, sagte er und packte zum Beweis noch mal das Klappergestell an.
Stolz, als hätte er gerade einen Marathonlauf gewonnen, schaute er wieder in die Runde. Darauf wusste keiner etwas zu sagen.
Als schließlich niemand antwortete, ließ er das elektrisierte Ding endlich wieder los.
Wir warteten, bis der Physiklehrer endlich die Ursache gefunden hatte und den Strom nochmal einschaltete. Funktionierte. Schade. Wir hatten gewettet, dass er es erst beim dritten Versuch schafft. Zehn Cent weniger.
Herr Volt erklärte uns den Versuch, ohne dass wir etwas davon verstanden. Emma und Caro begannen wieder mit Lea mit der Zettelpost zu kommunizieren. Versteckt in einem leeren Anspitzer wanderten die Zettel zwischen den Gängen hin und her. Auffällig diesmal. Herr Volt kam das nicht verdächtigt vor. Wahrscheinlich spitzte er selbst seine Stifte täglich eine halbe Million Mal an. Dabei vergaßen wir fast, das Tafelbild zu übertragen.
Wir warteten wieder auf den Gong. Wir entsorgten die Zettel unauffällig in unsere Federmäppchen. Und während uns Herr Volt noch Mal an den Test nächste Woche erinnerte, überlegte Caro bereits, wie sie denn am besten spicken konnte. Der Spicker im Etui war ein alter Hut, eine neue ideenreiche Idee musste her. Unauffällig musste sie sein und simpel. Keine leichte Aufgabe, fast wie ein fachchinesischer Test in Chemie.
DING! DANG! DING! DONG!
Wir packten unsere Sachen zusammen, die Möchtegernstreber verabschiedeten sich (Schleimer), die anderen gingen achtlos vorbei. Endlich waren wir auf den Flur, wo wir uns ausgiebig auskichern konnten.