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Schaflos

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10.10.2006
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Schaflos

Wenn du anfängst, dir Fragen zu stellen, ist es eigentlich schon zu spät. Ich sitze hier im sechsten Stock der Anwaltskanzlei Scheidebach, Friedemann und Schmitt und frage mich, wie es soweit kommen konnte. Ich bin in die Frau verliebt, für die ich arbeite, und dabei mag ich sie gar nicht.
Ich müsste nur durch die Tür gehen und da wäre sie. Säße hinter ihren Akten, tippte irgendetwas vor sich hin oder sinnierte. Vielleicht sähe sie aus dem Fenster, man hat einen tollen Ausblick von hier oben. Sähe aus dem Fenster auf die Schafswolken oder in andere Büros hinein. Würde sich vielleicht überlegen, wer hinter dem Glas sitzt. Dächte sich Geschichten zu ihnen aus, kleine Macken, ein Sprachfehler hier, eine Neurose dort. Überlegte, was für Wünsche sie hätten oder Träume oder spekulierte mit der Idee, dass auch sie aus dem Fenster schauten, nach oben zu den Schafswölkchen. Wo doch die Aussicht so gut ist.
Ich verriete sie nicht, wenn sie den Tag verträumte. Und wer würde es sonst tun?
Ich mache mir etwas vor. Öffnete ich die Türe, ich sähe: Vanessa Mellencamp und nicht viel mehr. Eine Frau, die einhundertzehn Prozent gibt. Eine Frau, die Akten liest, kaum lächelt, nie lacht. Tadellos gekleidet ist, selbstverständlich. Ein nachtblaues Kostüm hatte sie heute an, korngelb gestern. Ich weiß das, weil ich davon träume.
Öffnete ich die Tür, ich sähe Vanessa Mellencamp und nicht viel mehr. Akten, Telefonate und am Computer. Geschäftsbesprechungen, Strategien und Anwaltsjournale. Mit Klienten hat sie wenig Kontakt, das liegt ihr nicht, man ist sich sicher.
Aufstiegschancen gut, aber nicht überragend. Dazu fehlt der persönliche Kontakt. Ich weiß das, weil andere das wissen. Man unterhält sich.
Vanessa Mellencamp: tüchtig, gebildet, vorzeigbar, nur das Innovative geht ihr ab, die Kreativität. Wäre nicht schlimm, aber es fehlt auch Charisma. Sagen die Leute. Ich glaube das nicht. Ich glaube, sie macht den Leuten Angst.
Ein nachtblaues Kostüm trägt sie heute, ich habe es gesehen, als sie an mir vorbeigehastet ist. Und sie roch nach einem fruchtigen Parfüm. Aprikosen vielleicht.

Am Anfang bin ich öfter zu ihr reingehuscht. Unter jedem Vorwand. Sie müsse dies noch unterschreiben, jenes hier quittieren. Hätte ihr gerne in stillen Momenten zugetuschelt: Vanessa, eine Intrige. Gib Acht. Hätte ihr ein Brötchen serviert, mit Aprikosenmarmelade, passend zu ihrem Parfüm. Hätte geflüstert: Gönnen Sie sich doch mal etwas.
Doch sie ist unerbittlich. Sobald ich ihr Büro betrete, schmelzen meine Vorwände dahin. Bitte ich sie, etwas zu unterschreiben, fragt sie: „Ist das dringend?“ Fragt, warum es nicht in der Mappe gewesen sei. Und verharre ich noch einen Moment länger, dann: „Gibt es noch etwas?“
Ich schrumpfe vor ihren Augen. Fünf Zentimeter, wenn nicht mehr. Gehe rückwärts aus ihrem Büro und auch das wird sie mir bald verbieten. Wird mir sagen: Drehen Sie sich um. Dann können Sie schneller gehen. Ich breche in ihr Leben ein wie der Anruf eines alten Freundes. Sicher, man widmet sich ihm kurz. Ein paar Minuten, so lange es sein muss, dann legt man auf und macht weiter. Einhundertzehn Prozent. Ich liebe sie.

Wenn du anfängst, darüber nachzudenken, ist es schon zu spät. Bin ich besser als eine Arzthelferin, die sich in den Chef verliebt? Besser als die Vorzimmerdame eines Landrats. Natürlich. Ich weiß nicht. Bin ich erbärmlich? Es ist mir egal. Fürsorglichkeit kann ich mir auf jeden Fall nicht heraus nehmen. Jemandem wie ihr hält man keine Tür auf. Jemandem wie ihr wischt man kein Haar vom Kragen. Nicht wenn sie die Bluse noch anhat. Ihren Mantel reinige ich mit einer Fusselbürste und ertappe mich oft dabei, dass ich schwarze Härchen behalten will. Nur ein paar, mein Gott. Ich bin ja nicht irre.
Was spricht schon gegen ein paar Härchen?

Wenn sie wüsste, dass ich ihren Heimwege abfahre, wäre es auch zu Ende. Sie hat einen schwarzen BMW Coupé. Ein schönes Auto, sie wartet es nur zu selten und ob sie weiß, dass es ein schönes Auto ist … ich weiß es nicht. Wahrscheinlich funktioniert es nur. Das reicht.
Sie wohnt außerhalb, ein bisschen auf dem Land, in einer der Speckgürtelstädte. Vierzig Minuten hin, vierzig zurück. Wenn ich den Weg nachfahre, bin ich ihr nahe. Denke ich.
Auf halbem Weg ist eine Weide. Dort grasen Schafe. Manchmal stelle ich mir vor, dass sie dort hält. Aber nicht sehr oft.

Neun Uhr dreißig. Mein Auftritt. Unter dem Arm die Aktenmappe, in der linken Hand ein weißer Teller mit einem Schoko-Maikäfer. Weil der zweite Mai ist. Ich glaube, jeder andere hat einen Brückentag genommen. Die Flure sind leer, wir sind allein.
Ich öffne, ohne anzuklopfen. Am Anfang hab ich geklopft, bis sie sagte, das sei albern. „Was denken Sie denn, was ich hier mache, wenn die Tür zu ist?“, hat sie gefragt.
Ich habe nichts gesagt und nicht mehr angeklopft. Sie vertraut mir, wollte ich denken, aber wenn du anfängst, zu denken, ist es schon zu spät.
Ich öffne die Tür, sie schaut von den Akten hoch mit diesem stahlgrünen Blick, als hätte jemand alle Kleeblätter der Welt extrahiert, dann lackiert und sie in diese Augen gepackt.
Ob sie weiß, wie ich heiße?
Sie schaut hoch, sie hat mich, macht weiter. Liest etwas, korrigiert etwas, vielleicht fragt sie sich, warum ein Komma gerade ist und nicht rund. Nein, das fragt sie sich nicht.
Ich stelle die Aktenmappe vor ihr hin. Früher hab ich sie ihr umgeblättert. Wir waren ein Team, ich blätterte, sie unterschrieb. Das sei albern, befand sie.
Ich warte mit dem Schoko-Maikäfer vor ihrem Schreibtisch, sie pflügt durch die Mappe wie ein Eisbrecher durch die Arktis. Unterschrift, Unterschrift, Unterschrift. Vanessa Mellencamp. Was für ein Name! So viel Gelegenheit für Schlenkerchen und Spielchen. Die zwei „s“ könnte man verzieren, beim „M“ richtig Schwung holen und das abschließende „p“ wie ein Kuss nur aufs Paper hauchen. Sie schreibt und schreibt und schreibt. Kein Schwung zu viel, sie setzt nicht ab, aus einem Guss wird es hineingemeißelt. Und als sie fertig ist: „Ist noch etwas?“
„Der Mai ist“, sage ich. „Und ein Käferchen hat sich in ihr Büro verirrt.“
Sie schiebt mir die Aktenmappe entgegen. Schaut mich an. Ich hatte so sehr auf ein Lächeln gehofft.
„Seien Sie nicht albern“, sagt sie.
„Schokolade“, sage ich und stupse mit dem Fingernagel den Schoko-Käfer in ihre Richtung.
„Wenn ich Ihnen damit eine Freude mache“, sagt sie freudlos. Nimmt mit spitzen Fingern den Maikäfer vom Teller und setzt ihn vor sich hin.
Ich nehme zum Tausch die Mappe an mich und entferne mich rückwärts von ihr.
„Sie wären schneller, wenn sie sich beim Gehen umdrehten“, sagt sie, während sie die Akten weiterbearbeitet.

Ich bin ihr natürlich nie bis nach Hause gefolgt. Das würde mich umbringen. So ein geschniegelter Tennis-Fuzzi, mit blütenweißem Schweißband und einer Tochter. Privatschule und Klavierunterricht. In Mathematik überragend, in Deutsch geht so, Diktate hervorragend, für Aufsätze fehlt ein wenig die Kreativität, deshalb ja Klavierunterricht.
Ich höre viel. Sie sei lesbisch, eine ewige Jungfer, als Kind missbraucht worden oder promisk. Ich höre weg. Ihre Vanessa ist nicht meine. Und die Vanessa, die Vanessa ist, ist sowieso eine andere. Eine, die jetzt gerade von ihren Akten hoch schaut, den Maikäfer sieht und sich vorstellt, wie er seine Schokoladenflügel ausbreitet. Sie macht das Fenster auf und lässt ihn hinausfliegen zu den Schafswolken am Himmel.

Ihre Tür geht auf und bevor ich aufstehen kann, ist sie schon im Mantel. Sagt: „Schönes Wochenende“ und ist aus der Tür. Ich schnüffele ihr nach, aber die Aprikosen bilde ich mir mehr ein denn dass ich sie rieche. Ich gehe in ihr Büro und dort sitzt der Maikäfer, eingequetscht unter einem Berg voll Akten. Die Folie ist zerknittert, die Schokolade schmilzt, fliegen wird er nicht mehr.

Manchmal denke ich, sie kommt nicht mehr. Kommt Montag nicht, kommt Dienstag nicht und auch am Mittwoch noch keine Spur von ihr. Ich setze mich in mein Auto und fahre ihren Weg lang, bis zur Hälfte. Der schwarze BMW Coupé parkt vor der Wiese mit den Schafen. Ich steige aus und sie grast mit den anderen. Hat die Hände im taunassen Gras, rollt sich auf den Rücken, wenn sie müde ist, und steht wieder auf, wenn sie erwacht. Sie reibt sich Flanke an Flanke mit den anderen Schafen. Denkt sich Namen für sie aus und kleine Macken. „Der da“, sagt sie zu mir. „Auf den musst du aufpassen, das ist das Zorro-Schaf, der ist gefährlich. Wenn du nicht aufpasst, ritzt er dir ein S in den Bauch, während du schläfst.“
Ich würde mich zu ihr stellen, Flanke an Flanke. Wir würden das Gras unter unseren Händen spüren, auf das Zorro-Schaf aufpassen und in den Himmel schauen, da wo die Schafswölkchen sind und wenn wir Glück hätten, dann würden sie zu uns herabschauen und sich Geschichten über uns ausdenken, uns Namen geben und kleine Macken.
So etwas denke ich manchmal. Manchmal frage ich mich, wie das wohl wäre. Aber wenn du anfängst, dir Fragen zu stellen, dann ist es schon zu spät.

 
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Hallo Quinn,

eine wundervolle Geschichte, subtile Charakterzeichnung zweier sehr gegensätzlicher Außenseiter, die ungefähr soweit auseinder liegen, wie Nord- und Südpol, während dein Prot sich in seine Tagträume flüchtet und trotz kühler und spröder Abweisung unerschütterlich an seinen sehnsüchtigen und etwas skurrilen Liebesfantasien festhält. Dir gelingt es dabei, die unnahbare Chefin erotisch wirken zu lassen (bereits Ablehnung und Unnahbarkeit sorgen ja oft für knisternde Erotik!) und sehr viel Mitgefühl für deinen Antihelden zu erzeugen. Seine verträumt naive Art, mit der er an seiner Leidenschaft festhält hat natürlich etwas Rührendes.

Sehr gut, dass du diesmal den typischen Quinn'schen Erzähler nahzu gänzlich ausgeblendet hast, den hätte diese Geschichte nicht vertragen. So passt das alles gut zusammen und hat mir sehr gut gefallen.

Grüße von Rick

 

Hej Quinn,

sympathisch ist sie ja nicht, diese Vanessa (der Name scheint Dir irgendwie zu gefallen ;)).
Trotzdem wirkt diese heimliche Liebe auf mich glaubwürdig - kann natürlich auch daran liegen, dass ich solche Geschichten um heimliche Lieben gerne mag.

Den Titel hatte ich beim Lesen ganz verdrängt und vergessen. Ich finde ihn zwar nicht schlecht, aber er schwimmt nach meinem Empfinden obenauf. Oder ich habe etwas Wesentliches nicht verstanden.

Viele Grüße
Ane

 

Hallo Quinn,

ob ich die einzige sein werde, die beim Lesen des Titels denkt: Schlamper, das "l" vergessen :D ?

Der arme Vorzimmerherr! Was ist es wohl, was ihn an ihr so fesselt? Die Zwei waren für mich sehr gut in Szene gesetzt. Ich habe sogar mit ihm geschimpft, als er auf die Idee kam, einen Käfer (dazu auch noch Süßes!) zu verschenken. Das musste ja schlecht enden - aber letztendlich wäre es egal gewesen, mit was er angekommen wäre.

Etwas befremdlich zwar, wieso sie gerade zum Schaf mutieren soll, aber vielleicht gab es außer den Schäfchenwolken nichts Lieblicheres in ihrer Gegenwart, das er sich hätte stimmig in den Träumen umwandeln können.

Sehr angetan gelesen, wenn ich auch niemandem so eine Chefin wünsche ;).

Noch ein paar Kleinigkeiten:

Öffnete ich die Tür, ich sähe Vanessa Mellencamp und nicht viel mehr. Akten, Telefonate und am Computer.
Der zweite Satz kommt mir etwas unvollständig vor. Was willst du damit sagen?

Vanessa Mellencamp, tüchtig, gebildet, vorzeigbar, nur das Innovative geht ihr ab, die Kreativität.
nach Mellencamp sollte ein Doppelpunkt oder ein Semikolon gesetzt werden.
Ein schönes Auto, sie wartet es nur zu selten und ob sie weiß, dass es ein schönes Auto ist … ich weiß es nicht. Wahrscheinlich funktioniert er nur.
er? Der Auto, der Coupé? ;)

Auf halbem Weg ist eine Weide. Dort grasen Schafe. Manchmal stelle ich mir vor, dass sie dort hält Aber nicht sehr oft.
Da fehlt ein Punkt.

Liebe Grüße
bernadette

 
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Hallo Rick,

eine wundervolle Geschichte, subtile Charakterzeichnung zweier sehr gegensätzlicher Außenseiter,
Danke, das freut mich sehr.

Dir gelingt es dabei, die unnahbare Chefin erotisch wirken zu lassen (bereits Ablehnung und Unnahbarkeit sorgen ja oft für knisternde Erotik!) und sehr viel Mitgefühl für deinen Antihelden zu erzeugen. Seine verträumt naive Art, mit der er an seiner Leidenschaft festhält hat natürlich etwas Rührendes.
Ich finde die Chefin auch erotisch; und durch die Fehlbarkeit des Erzählers wird man ein wenig zu seinem Komplizen, glaube ich, was die Faszination für die Chefin noch verstärkt.


Sehr gut, dass du diesmal den typischen Quinn'schen Erzähler nahzu gänzlich ausgeblendet hast, den hätte diese Geschichte nicht vertragen.
Der hätte mir das "Subtile" auch gründlich zerlabert, glaube ich. :)

Freut mich, dass dir die Geschichte so gut gefallen hat
Quinn

Hallo Ane,

der "Schaflos"-Titel ist ein kleines Wortspielchen, um Aufmerksamkeit zu erhaschen, ich gebe es zu.
Richtig sympathisch kommt Vanessa nicht rüber, das stimmt schon. Aber ich glaube auch nicht, dass Liebe unbedingt etwas mit Sympathie zu tun haben muss. Schön, dass du es glaubwürdig fandest, ich hatte beim Schreiben eher Angst, dass es zu kitschig wird.

Danke dir für deine Kritik
Quinn

Hallo bernadette,

Ich habe sogar mit ihm geschimpft, als er auf die Idee kam, einen Käfer (dazu auch noch Süßes!) zu verschenken. Das musste ja schlecht enden - aber letztendlich wäre es egal gewesen, mit was er angekommen wäre.
Das freut mich sehr, ist ein tolles Kompliment, wenn der Leser so in einer Geschichte ist, dass er über den Erzähler den Kopf schütteln muss. Ich finde auch, es tut ein bisschen weh, ihm dabei zuzusehen.

Deine Anmerkungen arbeite ich ein (bis auf den einen unvollständigen Satz mit der Aufzählung, der passt, finde ich), danke dir für deinen Kommentar
Quinn

 

Hallo Quinn,

Mit "Anti-Held" ist dein Protagonist wirklich gut bezeichnet. Denn er ist ja keiner der handelt, sondern einer, der über Träumereien kaum hinaus kommt. Ein Typ, wie er in Liebesgeschichten, erdichteten wie realen, wohl häufig anzutreffen ist - einer, der in so ziemlich jedem anderen Genre kaum zu gebrauchen wäre.
Die Liebe aber, zumindest eine, von der zu erzählen sich lohnt, braucht den Träumer. Und über "Kitsch" brauchst du dir hier ohnehin keine Gedanken zu machen, im Gegenteil, ein wenig davon muss sein, damit das Innenleben des Erzählers überhaupt glaubwürdig erscheint.
Also: Gern gelesen.

Einen hab' ich noch:

Wenn sie wüsste, dass ich ihren Heimwege abfahre

Gruß,
Abdul

 

Hallo Quinn,

Öffnete ich die Tür, ich sähe Vanessa Mellencamp und nicht viel mehr. Akten, Telefonate und am Computer.

Du bist mir noch eine Antwort schuldig geblieben ;). Was willst du denn mit dem zweiten Satz sagen? Dieses und am Computer ist mir schleierhaft, denn es paßt nicht zum vorherigen Satz.
Also der Protagonist würde sie am Computer sehen, aber das und impliziert doch, dass er sie auch als Akten und Telefonate sieht. Verstehst du, was ich nicht verstehe :shy: ?

Für mein Verständnis sollte es: Akten, Telefonate und sie am Computer heißen. Ob deine Verkürzung als künstlerische Freiheit durchgeht ;)?

Liebe Grüße
bernadette

 
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Hallo quinn,


Man hat Mitgefühl für deinen Prot, der es nicht schafft, aus seiner schüchternen Haut heraus zu kommen. Man verzeiht ihm gleichzeitig seine Feigheit, denn die Chefin erscheint unantastbar, ihre Blicke können schrumpfen.
Gleichzeitig hat man auch Mitleid mit ihr, wirkt sie in ihrer kaltschnäuzigen und ablehnenden Art doch mindestens genauso einsam und liebeshungrig wie er. Ob das zum Zusammenleben reicht, ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich nicht. Sie rennt ihrem Herzinfarkt nach, er seinen Tagträumen.
Man könnte auch so interpretieren, dass er sich in seinen Tagträumen wohl fühlt, vielleicht wohler als im realen Leben. Um nicht daraus erwachen zu müssen, sucht er sich ein Ideal, das er nie wird erreichen können.
Schön, das Bild mit dem Maikäfer.
Obwohl ich es persönlich etwas seltsam fand, dass es zerquetscht unter den Akten lag. Das will zu Misses Busy nicht so recht passen. So eine Sauerei am Arbeitsplatz, meine ich. Vielleicht reicht es ja, wenn er ihn im Mülleimer wieder findet. So allerdings ist die Wirkung natürlich stärker.

Insgesamt sehr gut gefallen :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Salü Quinn,

wieder so eine Geschichte, die mir gefällt, weil sie nicht so rotzig :D ist, sondern so herrlich schüchtern, zärtlich, schusselig. Der in-sich-hinein-Traum-Denker und die Aktentante im Aprikosenduft (ausgerechnet Aprikosen!)

Ein klein wenig gestört hat mich, im Text, die mehrfache Wiederholung von:

aber wenn du anfängst, zu denken, ist es schon zu spät.

Mir gefällt dieser Satz am Anfang (!) und am Schluss (!), toller Einstieg, rundes Ende, - zwischendurch verliert er für mich an Kraft und Witz.

Aber:

Was für ein Name! So viel Gelegenheit für Schlenkerchen und Spielchen. Die zwei „s“ könnte man verzieren, beim „M“ richtig Schwung holen und das abschließende „p“ wie ein Kuss nur aufs Paper hauchen.

Und:

Ich würde mich zu ihr stellen, Flanke an Flanke. Wir würden das Gras unter unseren Händen spüren, auf das Zorro-Schaf aufpassen und in den Himmel schauen, da wo die Schafswölkchen sind und wenn wir Glück hätten, dann würden sie zu uns herabschauen und sich Geschichten über uns ausdenken, uns Namen geben und kleine Macken.

Diese Stellen sind wirklich schön! Irgendwie bezaubernd!

Herzlich,
Gisanne

 

Hallo Quinn,
man muss sich ja hier regelecht anstellen, um einen Kommentar loszuwerden!
Schoene Geschichte, mit leiser, unaufdringlicher Melancholie.
Ich finde, das ist mal ein gutes Beispiel dafuer, wie Personen NICHT klischeehaft gezeichnet sind, Man hat weder das Gefuehl der junge Mann ist ein Depp oder mit Unattraktivitaet geschlagen, noch ist seine Chefin die typische Superfrau, supererotisch und supererfolgreich. Man fragt sich die ganze Zeit, was ihn denn so verrueckt nach ihr macht, aber man ahnt, dass da etwas ist, dass es wahrscheinlich gerade ihre sproede Art ist.
Da mit dem Maikaefer fand ich riehtig ruehrend,


Und als sie fertig ist: „Ist noch etwas?“
„Der Mai ist“, sage ich. „Und ein Käferchen hat sich in ihr Büro verirrt.“
Sie schiebt mir die Aktenmappe entgegen. Schaut mich an. Ich hatte so sehr auf ein Lächeln gehofft.
„Seien Sie nicht albern“, sagt sie.


hier musste ich laut auflachen das ist so eine richtige Schluesselszene, die zeigt, dass sie Welten trennen und dass sie wohl nie zueinander finden werden ...

Gruss, sammamish

 

Hallo Quinn!

Ich komm ein bisschen zu spät deshalb scheint alles schon gesagt zu sein, irgendwie, aber trotzdem.
Die Geschichte liest sich wirklich entspannend, so ruhig, zwischendurch witzig, insgesamt sehr warmherzig und gar nicht kitschig. Nicht mal die Schafwölkchen. Die Charaktere sind wirklich toll gezeichnet, beide komplett gegensätzlich, ich mag das sehr, wenn die Protagonisten nicht perfekt sind und Ecken und Kanten haben, man sie aber trotzdem ins Herz schließt. So war das auch hier, ich kann gar nicht sagen, wer mir sympathischer ist, obwohl man die Chefin ja durch die Augen des Erzählers sieht.
Ich glaube übrigens nicht, dass der Erzähler eine Erzählerin ist, er benimmt sich zwar weich, aber nicht weiblich. Und wenn er eine Sie wäre, dann würde er bei solchen Gerüchten

Sie sei lesbisch,
wohl kaum weghören, sondern hoffnungsvoll sein. Und das hier
Ihre Tür geht auf und bevor ich aufstehen kann, ist sie schon im Mantel.
spricht auch für einen Mann. ;) Insofern hat mich die Textstelle hier auch ein bisschen irritiert:
Bin ich besser als eine Arzthelferin, die sich in den Chef verliebt? Besser als die Vorzimmerdame eines Landrats.
Aber ist vielleicht auch kleinkariert.

Ich hab die Geschichte sehr gern gelesen, mehrmals, die Idee ist toll, die Umsetzung auch, und wie gesagt, sie lebt halt von den Charakteren und ich liebe solche Geschichten. :)

„Ist noch etwas?“
„Der Mai ist“, sage ich. „Und ein Käferchen hat sich in ihr Büro verirrt.“
Sie schiebt mir die Aktenmappe entgegen. Schaut mich an. Ich hatte so sehr auf ein Lächeln gehofft.
„Seien Sie nicht albern“, sagt sie.
Das ist so klasse, eine echte Schmunzelstelle, weil sie da genau so reagiert, wie ich es gehofft hab beim Lesen. Als er diesen Schmalzsatz ablässt hab ich nur gedacht: Oh mann. Und dann diese Antwort von ihr, wirklich gut. Der Arme. :) Auch wie er ständig rückwärts aus dem Zimmer geht, um sie lange sehen zu können, das ist wirklich schräg. Den ganzen Absatz mag ich irgendwie am liebsten.

Bisschen Klugscheiß:

Ich glaube jeder andere
Komma nach "glaube"
ein geschniegelter Tennis-Fuzzy, mit blütendweißem Schweißband
Fuzzi, blütenweißem

So, das wärs.

Liebe Grüße,
Zorro-Strudel

S

 

Hallo zusammen, ich hatte die letzten Tage ein bisschen viel um die Ohren, hab mich aber über jeden Kommentar artig gefreut. :)

Der Reihe nach:

Jau, Abdul, der Träumer. Es ist schon auf den starken Kontrast angelegt, er schwärmt für sie und kann sie nicht erreichen, das mit dem Kitsch ist halt so ne Gradwanderung, vor allem weil ich bei dieser Art von Geschichten mir da selbst nicht so über den Weg traue. Schön, dass es dir gefallen hat. Danke dir für deinen Kommentar

Bernadette: Urks, künstlerische Freiheit bei dem Satz. Er klingt halt so schön. Eigentlich ist es die Ganze Zeit eine Verkürzung: Sie liest Akten, sie führt Telefonate, sie sitzt am Computer. So ganz koscher ist das bestimmt nicht, aber na ja. :) Ich find es vom Klang her wirklich gut und würd's gern lassen. :)

Danke dir nochmal für deine Beharrlichkeit :)

Hallo Weltenläufer,
jau, das Bild mit dem eingequetschten Schokoviech da ... das ist schon auf die Wirkung bedacht, sie hat ihn halt einfach unbeachtet hingestellt und weitergemacht. Dass Empathie zum Erzähler aufkommt, freut mich. Das ist natürlich Klasse.
Danke auch dir für deinen Kommentar

Hallo Jynx,

Ich kenne sie wirklich nur anders herum verniedlicht: als Schäfchenwolken. Aber nun, es ist schon klar, was du meinst. Diese zum Träumen einladenen Fluffeldinger, die wie im Bilderbuch vor einem strahlend blauen Himmel herumschweben. Zumindest meine ich die...
Jau, die sind gemeint. Schäfchenwolken, Schafwölkchen ... ich find grad das andere dann frisch, aber geronemo schlägt ja in die gleiche Kerbe.

Die ersten beiden Sätze bestätigten mich übrigens in der Annahme, dass es sich bei dem Erzähler um eine Erzählerin handelt. Man kann die Geschichte also auch so verstehen - gerade das erwähnte Gerücht um die Eiserne Lady, sie sei vielleicht lesbisch, verstärkte meinen Eindruck noch. Schlimm? Ich finde nicht...
Wär ich in tausend Jahren nicht drauf gekommen, aber stimmt. Mit der Arzthelferin und so, das sollte eher verdeutlich, dass der Vorzimmerherr sich seinem ungewöhnlichen Geschlecht bewusst ist ... also für seinen Job.

Die Kombination von unerfüllter Sehnsuchtsträumerei und den Wolken ist nicht neu, aber hier mal schön und durch die quasi 'echten' Schafträume wirklich mal interessant gelöst!
Danke, das freut mich. Sehr schöner Kommentar ... also für mich schön. :)
Zum Rest sag ich später dann noch was, sonst sieht das nach Massenabfertigung aus.

Danke euch allen nochmal, auch wenn meine Antworten bisschen kurz sind diesmal.
Quinn

 

Kurz und auf den Punkt gebracht

Ich finde die Geschichte einfach gelungen, weil sie vielen aus der Seele spricht. Punkt! Ausrufezeichen :-))

 

Hallo Gisanne,

meine anderen Geschichten sind also rotzig, hm? :) Na ja, ich versuche da ein wenig zu variieren und nicht immer dasselbe hinzunuscheln. Das Schusselige (so empfinde ich das auch) fand ich hier passend.

Freut mich, dass dir die Geschichte was geben konnte
Quinn

Hallo geronemo,

jau, um zwei, drei Ecken stand hier tatsächlich das Zugunglück Pate, das übrigens hier um die Ecke passiert ist.
Mit dem Konjunktiv II wollte ich Friedrichard eine Freude machen, nein, ich fand es passend zu der entrückten Sicht der Welt.

Danke dir für deinen Kommentar
Quinn

Hallo sammamish,

na ja, anstellen muss man sich hier nicht, das sieht nur so viel aus. :)
Freut mich, dass du vor allem die Figurne mochtest. Geht mir auch so. :)
Danke auch dir
Quinn

Hey S!,

Als er diesen Schmalzsatz ablässt hab ich nur gedacht: Oh mann. Und dann diese Antwort von ihr, wirklich gut. Der Arme. Auch wie er ständig rückwärts aus dem Zimmer geht, um sie lange sehen zu können, das ist wirklich schräg.
Ja, klar. Er ist jetzt kein Don Juan, sondern schon etwas schräg drauf. Fehlerbehaftet eben. :) Ich glaub das macht den Charme ein wenig aus.

Deine Anmerkungen arbeite ich ein, danke dir für sie und auch für den Kommentar
Q!

Hallo Quetzal,

freut mich, dass dir die Geschichte gefällt.

Danke für den Kommentar
Quinn

 

Mein Kommentar

Gern geschehen. Hat mich sehr angesprochen.
Bin neu hier und muss mich erstmal orientieren. Verfolge die Seite schon länger. Dein Beitrag hat mich letztlich überzeugt, dass ich mich auch anmelde.
Mach weiter so!
Mich hat schon jemand angegriffen, weil ich mir erlaubt habe eine konstruktive Kritik zu äußern? Ist das VERBOTEN?
Freue mich auf neue Beiträge von Dir!

LG Quetztal

 

HI Quetztal,

Mich hat schon jemand angegriffen, weil ich mir erlaubt habe eine konstruktive Kritik zu äußern? Ist das VERBOTEN?

Wenn es um den Beitrag geht:

Ich finde die Geschichte einfach gelungen, weil sie vielen aus der Seele spricht. Punkt! Ausrufezeichen :-))

kann ich verstehen, dass sich der eine oder andere dazu äußert. Was daran ist denn konstruktiv? Du lobst, aber konstruktiv ist was anderes. Hier erwartet man schon etwas mehr als einen Satz zu einer Geschichte.
zB
Wie wirkt sie auf dich? Ist alles stimmig? Bist du irgendwo gestolpert? Das sind nur beispielhafte Fragen. Man kann dazu schreiben, was man beim Lesen gefühlt, gedacht hat. Ein Satz so wie deiner ist etwas dünn.

Liebe Grüße
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Ok.Habe verstanden :-))
Der Text hat mich angesprochen, weil ich das innere Chaos und die innere Zerissenheit des Prot spüren konnte. Dies wurde, meiner Meinung nach u.a. durch die Aktenberge, seine Gedanken und vor allem durch den wiederkehrenden Satz : " Wenn du anfängst dir Fragen zu stellen ..", begründet.
Seine Kommunikation mit ihr, welche nicht wirklich eine darstellt, unterstreicht die Wirkung von Selbst- und Fremdbild.
Sicher gibt es an der Geschichte Ecken und Kanten, aber die Gesamtwirkung und Botschaft kommt trotzdem an. Zumindest bei mir.
Sicher kann man an dem einen oder anderem Satz feilen, aber ich denke, dass wir hier sind um uns auszutauschen.
Da unsere Wahrnehmungskanäle unterschiedlich angeordnet und unsere Erfahrungen different sind, wird es immer verschiedene Meinungen und Auffassungen geben.
Ich fühlte mich dem Prot verbunden, weil ich denke, dass es sicher sehr viele Menschen gibt, welche sich täglich so fühlen.
Auch mir hat mal jemand gesagt, dass er mich schon so lange sieht und ich nie eine Notiz von ihm genommen habe. Das hat mich zum nachdenken angeregt. Deshalb hat mich diese Geschichte berührt.

 

Hi Quinn,
jetzt habe ich mir meiner Kritik so lange gewartet, dass ich nicht mehr weiß, was ich den bisherigen Kommentaren hinzufügen könnte.
Ich mag die Geschichte – was ich nicht mag, sind kaum erwähnenswerte Kleinigkeiten. Z.B. dass die Chefin Vanessa heißt – Jennifer wär schon schlimm, aber (für mich) glaubwürdiger :). Als Figur ist die Frau aber mal wieder glaubhaft, sogar als Wunschschaf. Der Typ, der auch mal für ne Frau gehalten wurde, spielt auch gut mit unter deiner Regie. Ja, und der einfache Satz „Wenn du anfängst, dir Fragen zu stellen, ist es eigentlich schon zu spät“, der ist schön unheimlich.

Kompliment
Kasimir

PS: Bernadettes Einwand schließe ich mich noch an:
„Öffnete ich die Tür, ich sähe Vanessa Mellencamp und nicht viel mehr. Akten, Telefonate und am Computer“ – auch mit gutem Willen und künstlerischer Toleranz, das „am“ ist schief.

 

Hey Quetzal,

is natürlich schön, dass du dich extra wegen dem kleinen Geschichtchen angemeldet hast. Schmeichelt meinem Ego, meinem viel zu kleinen Ego, natürlich sehr.

Was du über die Geschichste sagst, freut mich auch. Die Unsicherheit, die Zerissenheit, Sehnsucht und so, das war mir beim Schreiben auch wichtig, vor allem die richtige Tonlage dafür zu finden.

Danke dir für denne Worte zu der Geschichte

Hey Kasimir,

das "am" bleibt! :)
Da hab ich mich reinverliebt und das bleibt auch erst mal so stehen. Wenn das Ding hier in sechs Monaten ausgegraben wird, dann ... okay. :)
Ansonsten kam die Geschichte bei dir so an wie sie gedacht war, dass die Frau jetzt auch irgendwie exotischer hätte klingen können, mehr nach Eis-Lady ... ja, okay. So was kurzes, slawisches, Dana oder so. Ja, okay. Meine Frauenfiguren heißen halt Vanessa. Ich kann's nicht ändern. :)

Danke dir für deinen Kommentar
Quinnn

 

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