Was ist neu

Scharfe Sachen

Mitglied
Beitritt
13.09.2007
Beiträge
302
Zuletzt bearbeitet:

Scharfe Sachen

„Kommt mich alle in China besuchen!“, lud Petra uns ein, bevor sie für ein Jahr nach Peking zu Moritz, ihrem Freund, zog, der dort für BMW arbeitet.
„Wir haben genug Platz. Uns steht ein ganzes Appartement für unsere Gäste zur Verfügung.“
Also flogen Andreas und ich vergangene Ostern in das Reich der Mitte, um die bunten Eier mit Stäbchen zu essen. Gott sei's gedankt, blieb uns das erspart, denn die Chinesischen Eier, auch als Hundert- oder Tausendjährige bekannt, Ledereier, wenn man wörtlich übersetzt, unterscheiden sich gewaltig von unseren. Chinesen legen rohe Enteneier in einen Gewürz-Kalk-Brei, dem man Teeblätter, Piniennadeln, Holzasche, Sägespäne und was man sonst gerade zur Hand hat, beimischt. Dort bleiben die Eier ungefähr ein viertel Jahr, bis sie zu einer grün-schwarzen, zähen Masse fermentiert sind, an der man drei Jahre lang bedenkenlos herumstäbeln kann. Das mit den Hundert bis Tausend Jahren ist also leicht übertrieben. Nun gut, unsere Hasen hoppeln ebenso wenig mit bunten Eiern zu Aldi und Lidl, nicht mal zu Alnatura. So gesehen, kann man den Chinesen nichts vorwerfen. Hauptsache es schmeckt.
Wir verzichteten auf diese Delikatesse, auch Hühnerfüße ließen wir links liegen, Heuschrecken haben wir weder tot noch lebendig gesichtet, Hunde verwöhnen in Peking nicht den Gaumen, sondern werden als Haustiere verwöhnt. Aber von Pekingente über Hotpot bis Reisnudeln, Schautze und Bautze, um nur einiges zu nennen, war diese Reise ein kulinarischer Genuss, der zur Folge hat, dass ich vom chinesischen Essen in Deutschland nur noch enttäuscht werden kann.
Die Esskultur erinnert an eine Großfamilie vergangener Zeiten: viele Menschen setzen sich zusammen an den Tisch. Alle Speisen werden gemeinsam verzehrt. Da laufen einem ganze Gewässer im Munde zusammen. Man lernt wie von selbst, die Stäbchen effektiv zu nutzen, sonst verhungert man an der reichlich gedeckten Tafel.
Speisekarten sind in der Regel nur auf Chinesisch, jedoch bebildert, so dass die Auswahl kein Problem sein sollte. Also machten sich Andreas und ich eines Abends ohne unsere Gastgeber und deren Freunde auf den Weg. Zwar ist Peking noch chaotischer als sein Ruf, doch das beschauliche Viertel um unseren Hotelkomplex lud zum Bummeln ein. Bald bekamen wir Hunger und da war auch schon die kleine, von Petra und Moritz empfohlene, Gaststätte. Andreas schreckte, in Anbetracht der schlammigen und übel riechenden Gasse, zurück. Ich versuchte, ihm die während einer Indienreise erlernte Weisheit nahezubringen, dass zu erwartende Gaumenfreuden um so größer sind, je dreckiger der Weg, der zu ihnen führt. Er ließ sich nicht überzeugen.
Tage später waren wir mit unseren Gastgebern in jenem Restaurant. Natürlich war es ganz vorzüglich. „Siehste, hatte ich wieder Recht!“, sagte ich hinterher zu ihm.
Doch nun zogen wir weiter und weiter, immer weiter. Mein Magen knurrte, meine Füße dampften, mein Gemüt verfinsterte sich. Spielbanken, Massagesalons, Hundefriseure und was weiß ich nicht alles, nur keine Kneipe in Sicht. Ich wollte schon umkehren, aber mit meinem Orientierungs-Unsinn, wäre ich wohl wiedermal im Kreis herumgeirrt und hätte die stinkende Gasse nicht mal erschnüffelt. Endlich hatten wir ein Restaurant gefunden. Wir blätterten im Speisekartenbilderbuch und waren uns, wie immer beim Essen, uneinig. Hungrig, wie ich war, hätte ich sogar tausendjährige Ledereier verschlungen. Also ließ ich Andreas den Vorzug. Sämtliche seiner Essensbilder waren aus, wir nahmen meine und mussten nicht allzu lange auf die ersten beiden Speisen warten. Andreas nahm eine Stäbchenfüllung, keuchte und lief rot an. Vorsichtig versuchte er das zweite Gericht, hustete, seine Nase lief. Mit triefenden Augen glotzte er zu mir rüber, als hätte ich ihn mit Pfefferspray attackiert. Ich reichte ihm ein Taschentuch. Als er sich akklimatisiert hatte, entdeckte er im Speisekartenbilderbuch drei Chillischoten unter diesen Bestellungen. Die hatte ich übersehen (was mir Andreas als Absicht unterstellte). Um keine bleibenden Schäden davonzutragen, überließ er mir, die ich bezüglich Schärfe durch meinen Indienurlaub abgehärtet war, beide Gerichte, von denen ich nur sagen kann, dass sie sehr gut und jeweils anders chinesisch schmeckten. Ich plagte mich nicht lange mit den Stäbchen ab, lag doch eine Kelle in der kleinen Sauciere. Es war köstlich! Da kam auch schon mein drittes Gericht. Das war nun wirklich nicht scharf und ich hätte es Andreas gerne überlassen: Lotuswurzel, schmeckt in etwa wie unsere Kartoffel, in Erdbeersoße. Kartoffeln kann er nicht ausstehen und süß schon gar nicht. Stumm schob er mir die Schüssel unter. „Dass Du gar keinen Hunger hast“, wunderte ich mich vollmundig. Andreas erwiderte nichts. Vermutlich wollte er mich nicht beim Reinschaufeln stören, denn das war Schwerstarbeit, aber eine ausgesprochen leckere.
Man muss in einer Beziehung auch nachgeben können, zum Beispiel wenn dem Partner die Gasse zu schmutzig ist. Solch Großmut wird belohnt. Zu zweit sind wir dann nicht mehr essen gegangen.

 
Zuletzt bearbeitet:

"Junge Hunde schmecken gut", aus
'Ulzana's Raid' ("Keine Gnade für Ulzana")​

Also flogen Andreas und ich vergangene Ostern in das Reich der Mitte, um die bunten Eier mit Stäbchen zu essen.

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen, aber nicht nur Chinesen essen des Menschen besten Freund und auch nicht nur die Chiricahua (Apachen) in den beiden Amerika, und die chinesische oder griechische Küche (ließe sich forsetzen), wie sie in den hiesigen Restaurationen dargeboten werden, sind dem mitteleuropäischn Geschmack angepasste Varianten, bis hinab zur Mischpoke.

Aber das wirstu alles wissen,

liebe Damaris,

und so sehe ich Deinen kleinen kulinarischen Reisebricht als Appetitmacher an. Aber schon hier

Gott sei's gedankt blieb uns das erspart, ...
stock ich, weil ich meine, dass nach dem Ausruf "Gott sei's gedankt" ein Komma gehöre - wie gesagt im Konjunktiv.

Aber als ich den Satz ein wenig umstelle "Das blieb uns, Gott sei's gedankt, erspart, ..." bin ich mir sicher: Da gehört ein Komma hin!

Da laufen eine[m] ganze Gewässer im Munde zusammen
Ich versuchte[,] ihm die während einer Indienreise erlernte Weisheit nahezubringen, dass ...

Hier kann das KOmma weg
Lotuswurzel, schmeckt in etwa wie unsere Kartoffel, in Erdbeersoße.
muss aber nicht, weil Du eben die soßige Beigabe hervorheben willst (ein Gedankenstrich wirkte da m. E. um einiges mehr als das KOmma)

Gern gelesen vom

Friedel,

der - Dein nächstes Werk erblickend - fragt, musstu niht dere arebeit erleiden? Oder streikt ihr auch für mehr Personal. Ich bin überrascht, wie die Bonzen auf einmal besorgt sind ums Wohl der Patienten, pardon, Kundschaft ...

 

Lieber Friedel

Ne, im Gegenteil. Hab in letzter Zeit nebenher so viel Kunst gemacht, dass ich keine Zeit für die Website hatte. Heute hab ich aufgeräumt und reingestellt.
Vielen Dank fürs kritische Lesen und Loben, was würde ich nur ohne dich machen, Fehler über Fehler.

Liebe Grüße Damaris

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Damaris,
ich gehe direkt in den Text und schreib dir, was mir aufgefallen ist. Vielleicht kannst du was davon zur Textarbeit gebrauchen.

„Kommt mich alle in China besuchen!“, lud Petra uns ein, bevor sie für ein Jahr nach Peking zu Moritz, ihrem Freund, zog, der dort für BMW arbeitet.
Das sind ziemlich viele Informationen für den ersten Satz, die der Leser für deine Geschichte nicht braucht. Der Text ist kurz. Vielleicht startest du direkt IN China, samt einem starken, ortstypischen Bild – der zum Schneiden dicken Luft mit den Mundschutztragenden Menschen, dem Gewusel auf den Straßen, mit den vielen Mopedfahrern, den verschrumpelten, braun lasierten Enten in den Schaufenstern oder was weiß ich. Bleib besser bei weniger Eindrücken, ohne ins Klischeehafte abzudriften, würde ich dir raten.

denn die Chinesischen Eier, auch als Hundert- oder Tausendjährige bekannt, Ledereier, wenn man wörtlich übersetzt, unterscheiden sich gewaltig von unseren. Chinesen legen rohe Enteneier in einen Gewürz-Kalk-Brei, dem man Teeblätter, Piniennadeln, Holzasche, Sägespäne und was man sonst gerade zur Hand hat, beimischt. Dort bleiben die Eier ungefähr ein viertel Jahr, bis sie zu einer grün-schwarzen, zähen Masse fermentiert sind,
Der Abschnitt liest sich wie ein Wikipediaeintrag. Brauchst du diese Ausführung? Ich würd meinen, die fauligen chinesischen Eier kennt so ziemlich jeder.

Die Esskultur erinnert an eine Großfamilie vergangener Zeiten: viele Menschen setzen sich zusammen an den Tisch. Alle Speisen werden gemeinsam verzehrt. Da laufen einen ganze Gewässer im Munde zusammen. Man lernt wie von selbst, die Stäbchen effektiv zu nutzen, sonst verhungert man an der reichlich gedeckten Tafel.
Das klingt für mich null nach China. Wenn du die Stäbchen nicht erwähnen würdest, könnte Beschriebenes auch in der Toskana spielen. Klar, gibt es in China reichlich gedeckte Tafeln, oft sind es runde Tische, in separaten Räumen eines Restaurants, in denen Geschäftspartnern allerlei Speisen, auf mehreren Tellern und Schalen vorgesetzt werden. Aber die eigentliche Esskultur Chinas sehe ich nicht in feinen Restaurants mit illustrierten Speisekarten – ich weiß, dass es die gibt – sondern in den unzähligen Garküchen auf Chinas Straßen, bei denen du neben den Einheimischen, Plastikhocker an Plastikhocker sitzt, sich der Straßenlärm mit dem Geklapper der Küchenutensilien vermischt und dir der Duft von Fischsoße, gerösteten Erdnüssen und Knoblauch in die Nase steigt. Mm, jetzt bekomme ich Hunger. :hmm:

Da laufen einen ganze Gewässer im Munde zusammen.
„eineM“ hatte Friedrichard schon angemerkt. Ich würd denken, der Satz funktioniert so eh nicht, weil Gewässer ein Neutrum ist. Aber dann hätte doch Friedels taubes Ohr gejuckt. Geht also vllt. doch.
Edit: Ach papperlapapp. Jetzt, wo der Dunst vom Rotwein sich verflüchtigt, merk ich, dass das doch völliger Murks ist. Ist halt immer im Plural. Ich Wortstümper. Sorry!

Speisekarten sind in der Regel nur auf chinesisch
auf Chinesisch

Zwar ist Peking noch chaotischer als sein Ruf, doch das beschauliche Viertel um unseren Hotelkomplex lud zum Bummeln ein.
Das kauf ich nicht. Und die Beschreibung ähnelt einer Kataloganzeige eines Reisveranstalters.

Andreas schreckte, in Anbetracht der schlammigen und übel riechenden Gasse, zurück.
Warum schlammig? In den großen Städten sind die Straßen und Gassen gepflastert oder geteert, würd ich denken.

dass zu erwartende Gaumenfreuden um so größer sind, je dreckiger der Weg, der zu ihnen führt.
umso

Spielbanken, Massagesalons, Hundefriseure und was weiß ich nicht alles, nur keine Kneipe in Sicht.
„Kneipe“ empfinde ich als unpassend. Du willst nicht mehrmals „Restaurant“ schreiben. Dann vllt. Lokal?

Die hatte ich übersehen (was mir Andreas als Absicht unterstellte).
Ich persönlich würde die Verwendung von Gedankenstrichen, der von Klammern, bevorzugen.

beide Gerichte, von denen ich nur sagen kann, dass sie sehr gut und jeweils anders chinesisch schmeckten.
Was für eine Erkenntnis! :Pfeif: Jaha, Matjes und Schweinshaxe schmecken auch total anders. Deine Protagonistin ist schon ziemlich einfältig. Sie wird mir immer unsympathischer, mit ihrem oberflächlichen Geplapper. Und mich überkommt ein bisschen das Fremdschämen, wenn ich sie mir in China vorstelle.

Man muss in einer Beziehung auch nachgeben können, zum Beispiel wenn dem Partner die Gasse zu schmutzig ist. Solch Großmut wird belohnt. Zu zweit sind wir dann nicht mehr essen gegangen.
… weil Andreas am Folgetag, mit den Worten: „Es reicht mir, du Schnepfe!“, die Beziehung beendete.
Herrje, ich steigere mich zu sehr rein. Also dein Text hat mich bewegt und das Sujet, du wirst es bemerkt haben, hat meinen Geschmack ;) getroffen.
Die Geschichte über die kulinarische Reise durch die Gassen Pekings funktioniert bei mir leider trotzdem nicht so ganz, weil für mich die Bilder wenig authentisch sind. Vielleicht liest sich deine Geschichte besser, wenn man noch nie vor Ort war. Keine Ahnung. Nimms als Leseeindruck und mach, wenn du magst, was daraus.

Viele Grüße
wegen

 

Hallo wegen,

danke für deine konstruktive wie emotionale Antwort.
Tja, das mit der schlammigen Gase und dem beschaulichem Viertel, echt so gewesen.
Das Alle aus den gleichen Schüsseln gemeinsam essen, habe ich bisher als einmalig erlebt.
In Peking und auch auf unseren Ausflügen haben wir kaum Garküchen gesehen.
Die Wortwahl Kneipe soll die Ungeduld der Protagonistin ausdrücken.
Das alles anders und chinesisch schmeckt, sollte dich eigentlich belustigen und nicht erzürnen.
Iss vielleicht erstmal was... :lol:
Danke auch für dein Lob und falls ich den Hobel ansetze, fließt vieles ein.

Liebe Grüße Damaris

 

Hallo Damaris,
habe gerade gefrühstückt, bin friedlich gestimmt, wie ein kleiner Panda. :shy:

Nur kurz noch etwas, was ich gestern vergessen hatte. In dem beschaulichen Viertel zum Bummeln, gibt es:

Spielbanken, Massagesalons, Hundefriseure und was weiß ich nicht alles ...
Das hört sich ein bisschen nach „Bahnhofsviertel“ an. Ich verstehe, sie ist genervt, weil sie am Verhungern ist und hat keine Augen für schöne Dinge. Aber du könntest die Spielbanken, Massagesalons und Hundefriseure mit sowas wie Geschirrläden, Elektronikgeschäften und traditionellen Apotheken ersetzen. Die Gerüche aus deren Körben mit den undefinierbaren, getrockneten Heilmitteln sind auch recht gut zu beschreiben und in Verbindung mit dem Magenknurren vllt. ganz witzig.

So, bin jetzt still.
LG
wegen

 

Hallo wegen,
bitte entschuldige meine späte Antwort.
Danke für deine Anregungen, aber Peking ist nicht Chinatown, nicht Indien oder Thailand. Es ist ein relativ unpersönlicher Staat, mit wenig Flair (bis auf die Touristenattraktionen) dafür umso mehr Überwachungskameras und Uniformierte.
Natürlich gibt es auch chinesische Märkte, jedoch nicht in den Hotelkomplexen, eher versteckt, für Landsleute, dort gibt es auch Snacks, aber Garküchen habe ich nicht gesehen.
Die Post wird auf dem Bürgersteig von Postbeamten sortiert, an einem anderen Straßenrand wird der Sperrmüll gesammelt, Chinesen machen Qigong/ Tai Chi etc. wo sie gerade gehen und stehen.
Jetzt wo ich dir schreibe... ja, mit solchen Details kann die Geschichte gewinnen. Werde mich demnächst nochmal ransetzen.
Liebe Grüße Damaris.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom