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Schmerz
„Ich mag dich sehr.“ sagte sie.
„Wie sehr?“
„So sehr.“ sagte sie, lächelte, hob ihre Hände und zeigte mir etwa einen halben Meter Luft zwischen ihren Handflächen.
„Ach hör auf, so kindisch rumzufuchteln. Ich meine es ernst.“
„Ich weiß.“
„Warum antwortest du mir dann nicht ernsthaft?“
„Ich mag dich wie einen guten Freund. Ich mag dich wie einen lieben Mann. Ich mag es, dass du mich willst. Dass ich dir gefalle. Dass ich dich schwach mache. Dass du mich verwöhnst. Das ist doch eine Menge oder?“
„Aber nicht genug, um aufzuhören, dich von ihm ficken zu lassen?“
„Nein“
Ich schwieg ein paar Sekunden. Sie ließ mir Zeit. „Ist es so gut mit ihm? Bedeutet es dir so viel?“
„Es tut mir einfach gut.“
„Du stehst auf ihn? Er macht dich geil. Du wirst schon feucht, wenn du an ihn und seinen Schwanz denkst?“
„Ja.“
„Tut es dir mit mir nicht gut?“
„Doch auch.“
„Aber?“
„Aber anders.“
„Wie anders?“
„Anders eben.“
„Erklär’s mir! Wie ist es für dich, wenn ich dich ficke und was fühlst du, wenn er dich fickt. Was ist der Unterschied?“
„Das willst du nicht wirklich, dass ich darüber mit dir rede!“
„Doch! Genau das will ich. Ich will endlich wissen, was ich für dich bin. Will es mir ansehen, spüren. Ich will wissen, wie sich die Wahrheit anfühlt, wenn ich ihr nicht davonlaufen kann.“
“Gut! Wenn du mit mir schläfst, fühle ich mich hofiert, begehrt, verwöhnt, gestreichelt an Leib und Seele. Schön ist das. Ich mag es sehr. Aber er fickt mir den Verstand raus. Das ist der Unterschied.“
Wir schwiegen beide.
Ich kannte die Wahrheit längst. Wenn ich allein war, wenn ich abends im Bett lag und wusste, dass sie bei ihm war oder er bei ihr, wenn ich nicht schlafen konnte und morgens um fünf um die Häuser strich, wenn ich mir ihr Zusammensein ausmalte in Bildern, die sich in mein Hirn brannten, am Schlimmsten aber, wenn ich allein im Bett lag und zuließ, wie sich mein bröckelnder Stolz in Erregung verwandelte und ich nicht verhindern konnte, dass mein Schwanz stand bei der Vorstellung, wie sie unter seinen Stößen keuchte. Ich kannte längst die ganze Wahrheit.
„Willst du ihn kennen lernen?“ fragte sie?
Wir saßen in ihrem kleinen Appartement auf ihrer Couch, an ihrem Tisch, tranken ihren Kaffee.
Ihr Zuhause war mir fast so vertraut wie meines. Das erste Abendessen mit ihren Spaghetti und meinem mitgebrachten Chianti Classico Riserva. Wie trügerisch diese Sicherheit war. Dieses Gefühl von Zusammengehörigkeit. Nichts war meines, nicht gehörte mir. Nicht die Nähe, nicht das Gefühl von Vertrautheit und Geborgenheit nach einer Liebesstunde und schönen Gesprächen.
„Ja.“ sagte ich. „Zeig ihn mir mal.“
„Er kommt in einer Stunde. Du kannst gehen oder bleiben.“
„Er kommt hierher?“
„Ja.“
„Wann hast du das geplant?“
„Gestern.“
„Obwohl du wusstest, dass ich hier sein würde.“
„Das wusste ich nicht.“
„Du wusstest nicht, dass ich hier übernachten würde?“
„Natürlich nicht.“
„Aber du hast es zugelassen!“
„Weil ich es auch wollte. Weil es schön ist, wenn du mich im Arm hältst. Wenn ich mich an dich kuscheln kann.“
„Du hättest es mir sagen müssen.“
„Vielleicht.“
„Nicht vielleicht. Sicher! Ich wäre nie über Nacht geblieben.“
„Das tut mir leid, Schatz. Ich wollte dir nicht wehtun.“
Ich stand auf.
Ich wusste, dass ich jetzt auf der Stelle gehen musste und nie wieder kommen. Die Tür von außen schließen, in den Aufzug steigen, das Haus verlassen, sie verlassen, das letzte Bisschen meines Stolzes retten. Und ich wusste, dass ich es nicht tun würde.
Ich ging ins Bad. Sie hatte aufgeräumt. Ihre Schächtelchen, Döschen, Tuben, Stiftchen, alles verstaut und verräumt, was gestern Abend für mich noch wunderbares zu ihr gehörendes weibliches Chaos war. Als ob zwar ich sehen durfte, dass die Schönheit einer Frau von Mitte vierzig Pflege bedurfte, aber nicht er.
Ich wusch mir das Gesicht mit kaltem Wasser. Betrachtete mich im Spiegel. Was für ein Mann schaute mich da an? Ein armseliges Männlein vor der Begegnung mit einem Alpha-Tier. Ein Mann aus dem zweiten Glied, lieb und nett wie ein lebendiger Kuschel-Teddy. Die Augen glanzlos und müde.
Sie schob sich an mir vorbei, als ich das Bad verließ. Ich setzte mich auf die Couch. Wartete. Die Zeit verrann ohne mein Zutun. Ich saß und litt an der Betrachtung dieses Menschen, der da saß und sich selbst von außen begaffte, weil er sich als der, der er war, nicht ertragen konnte.
Sie tauchte wieder auf, trug das Kleid, das ich ihr gekauft hatte, als wir vor dem Schaufenster gestanden waren, als ich ihren Seufzer gehört hatte, den ich hören sollte, kurz, schwarz, eng. Sie drehte sich vor mir, bückte sich, um mir zu zeigen, wie sie ihn erwarteten wollte. Ohne Höschen, ohne Schuhe, in halterlosen Strümpfen.
Sie bat mich Cocktails zu mixen, Mojito, mein Lieblingsdrink, offensichtlich auch seiner, Rum, Soda, Pfefferminzblätter, brauner Zucker, Limette, ich kannte die Rezeptur. Ich stellte sie auf den Tisch, drei Cocktails, rückte ganz an den Rand der Couch, als es läutete.
Der Mann, der ich war und der nun am Rand des schwarzen Ledersofas saß, sah, wie sie einen anderen mit einer Umarmung begrüßte, ihn auf Zehenspitzen küsste, sich an ihn drängte, zuließ, wie sich seine Hände unter ihr Kleid schoben und sich auf ihre Hinterbacken legten.
Er sah aus wie ein Mann, nicht wie ein Gott, nicht wie ein Tier, er sah aus wie ich, nur anders.
Sie nahm ihm sein Jackett ab, hängte es an die Garderobe, ergriff seine Hand, zog ihn zur Couch, zu mir. Ich sah, wie ich mich erhob, seine Hand schüttelte, erkannte, dass das Ritual, dessen Worte ich nicht hörte, eine Vorstellung war. Sie gab ihm ein Glas, nahm ihres, ich ließ meines stehen, sie tranken, saßen, sie in der Mitte zwischen ihm und mir.
Während sie Worte sprachen, wanderte ihre Hand an seinen Schritt, begann ihn dort zu massieren, dann hörten sie auf zu sprechen, küssten sich stattdessen.
Ich trank nun auch.
Sie kniete sich auf das Leder, beugte sich über ihn. Sie verdeckte ihn, aber an den Bewegungen ihrer Arme sah ich, dass sie seine Hose öffnete. An den Bewegungen ihres Kopfes sah ich, dass sie jetzt seinen Schwanz im Mund haben musste.
Er hatte sich zurück gelehnt, genoss es sichtlich, hatte die Augen geschlossen. Während sie kniete, ihr Oberkörper über seinen Schenkeln lag, zeigte sie mir ihren nackten Hintern, etwas geöffnete Schenkel und ihre Hand, die sich selbst streichelte, während sie saugte.
Nach einer Weile kletterte sie auf ihn, deutete mir mit einem Wink, mich näher zu setzen.
Ich weiß nicht, warum ich es tat.
Sie stöhnte kurz auf, als sie sich auf seinen Schwanz gleiten ließ und begann, sich auf ihm zu bewegen, so wie es ihr die größte Lust bereitete, so wie ich es kannte von Momenten, die unsere waren. Eng an ihn gepresst, den Kopf an seiner Schulter, an seinen Hals atmend, dann wieder aufgerichtet, zurückgelehnt gegen die Kraft seiner Erektion.
Als ihr Atem schneller und lauter wurde, schämte ich mich dafür, dass er mir anschwoll, dafür dass mir Erregung und Ekel vor mir selbst das Blut in den Schwanz trieben.
Sie lächelte zu mir: „Pack ihn aus“ und ich packte ihn aus.
Ihre Finger ergriffen ihn fest am pulsierenden Schaft und von diesem Moment an schien sie zu vergessen, was ihre Hand an mir tat.
Sie ritt ihn jetzt heftig, stöhnte, keuchte, ihr Becken bewegte sich rhythmisch vor und zurück, und als sie aufschrie und kam, spritzte ich in ihre Hand.
„Bring mir ein Tuch“, sagte sie.
Ich brachte ihr ein Tuch.
Irgendwann ging ich ins Bad. Ich wusch mich, zog mich an und ging. Beim Hinausgehen sah ich, dass er sie gerade von hinten fickte. Entweder war er noch nicht gekommen oder er brauchte keine Pause.
Ich fühlte nur Scham. Nicht nur für das Geschehene. Auch dafür dass es noch oft geschehen würde. Dass ich es hassen würde, dass ich mich hassen würde. Und sie. Und ihn. Und es wieder und wieder zulassen würde.