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Sein letztes Duell

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Sein letztes Duell

Die Hunde kamen im Morgengrauen. Vielleicht waren sie auch nie weg gewesen, wer konnte dies schon sagen? Räudige Köter, abgemagert und scheu. Sie streunten über die staubige Hauptstraße, als könnten sie wittern, dass das Spektakel in wenigen Stunden den einen oder anderen Leckerbissen abwerfen würde.
Und während die texanische Sonne von selbst erwachte, um über die Bewohner von Gallows Rest wie auch an jedem anderen Tage bis zu ihrem Untergang zu herrschen, beendete der Hahn des alten Billy Ray Hatchet die Träume eben jener verlorenen Seelen.

Durch die Wand hörte ich, wie dem Gockel mit Sodomie gedroht wurde, gefolgt vom schleimigen Auswurf einer weiteren trockenen Nacht. Auch der Rotschopf brummte einen Fluch in die Laken.
»Was?«, fragte ich belustigt, während ich mein Hemd zuknöpfte.
Die Hure drehte sich auf den Rücken und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Eine Flut von Locken fiel über das Kissen. In ihren Augen funkelte es. »Ich sagte, der Deibel soll das Scheißvieh holen. Und Billy Ray am besten gleich mit dazu.« Traurigkeit verdrängte den Zorn, als sie meine Aufmachung registrierte. »Willst du etwa schon los?«
Ich rückte den Stetson zurecht. »Es wird schon hell. Ich will in Ruhe frühstücken, bevor ich verschwinde.«
»Verstehe.« Mallory zögerte.
Der Revolvergurt hing über der Stuhllehne, ich schlang ihn mir um. Sein Gewicht fühlte sich gut an, der Peacemaker schmiegte sich an meine Hüfte.
»Du könntest ihn töten.« Mallory hatte sich das Linnen über ihre prallen Brüste gezogen. Die Traurigkeit in ihrer Stimme schien einer unbestimmten Hoffnung gewichen.
Ich nahm mir einen Moment, prägte mir die Linien ihres Gesichts ein. Verdammt, ich würde sie wirklich vermissen. »Wenn ich bleibe, werden alle sterben«, murmelte ich und pulte zwei Fünf-Dollar-Noten aus meinem Vorrat. Ich hielt sie ihr hin. Sie schüttelte den Kopf. Eine Nutte, die für lau arbeitet. Wieder etwas gelernt. »Danke«, sagte ich und ging hinaus.

Eier mit scharfen Bohnen und Weißbrot. Es würden meine letzten sein, daher genoss ich das einfache Mahl, noch mehr als sonst. Mit dem finalen Stück Teig wischte ich den öligen Sud vom Zinnteller. Die Aromen des Chili prickelten auf meiner Zunge. Ich löschte die Glut mit Wild Turkey Bourbon. Noch etwas, das ich vermissen würde. Clyde trat an meinen Tisch und räumte ab. Es war noch früh und ich sein einziger Gast. »Darf es noch was sein, Doc?«
»Nein, danke. Was schulde ich dir?«
»Geht aufs Haus«, sagte er und trug das Geschirr zum Tresen.
Seltsam. Anscheinend versuchte dieses Kaff, den bestmöglichen Eindruck zu hinterlassen. Besser spät als nie. Ich drehte mir eine Zigarette.
Lärm auf der Hauptstraße, der einzigen Straße weit und breit. Frauen kreischten, Köter jaulten, Hufschläge im Staub. Ich seufzte und klemmte mir die Zigarette in den Mundwinkel. Es hätte funktionieren können.
»Doc Barrow! Wir wissen, dass du da drin bist. Komm raus und stell dich, wie ein Mann.« Bud Hills heisere Stimme wehte durch die Flügeltüren des Saloons. Ich sah seine Bande ungewaschener Halsabschneider durchs Fenster, wie ein Rudel Wölfe lungerten sie an der Pferdetränke um ihren Anführer herum.
»Wir hatten zwölf gesagt, Buddy!«, rief ich zurück. Neben mir strich Clyde sich nervös über den gezwirbelten Schnauzer, Schweiß perlte von seiner Stirn. Es war bereits heiß, aber so sehr nun auch nicht. »Keine Sorge, deinem Laden passiert nichts«, versicherte ich ihm. Er nickte. Ich seufzte erneut. Verdammt noch mal. »Okay Buddy! Gib mir fünf Minuten.«
»Du hast genau zwei!«, schrie der Gesetzlose.
Zwei Minuten reichten aus. Tatsächlich brauchte ich bloß eine, um zu tun, was getan werden musste. Ich schickte Clyde dafür ins Hinterzimmer, denn die Bestätigung erfolgte umgehend. Dann trat ich ins Freie.

Das ganze verdammte Nest war gekommen, um sich zu verabschieden. Sie standen auf den Gehsteigen der verlotterten Holzhäuser, ich sah Higgins, den Krämer, und Foster, den Hufschmied. Und Johann Schmidt, der Quäker war. Töchter versteckten sich hinter den Rücken ihrer Mütter und selbst die sonst so vorlauten Rotzbengel hielten ausnahmsweise ihr Maul. Sie alle starrten mich an. Ich wusste, in ihrem Inneren da schrien sie soeben aus voller Kehle: »Befreie uns von der Tyrannei des Bösen!« Sie waren so gut wie verloren.
Ich riss ein Zündholz am Rahmen der Saloontür an und gab mir selbst Feuer.
Hill hatte bereits Position bezogen. Ganz in Schwarz grinste der Revolverheld blöde, sagte jedoch keinen Ton genau wie der Rest der Bande.
Rauchend trat ich auf die Straße. Bei jedem Schritt klirrten meine Sporen, es war das einzige Geräusch, so schwer lastete die Stille.
Ich warf den Stummel in den Staub und ließ meinen Blick schweifen. Der alte Galgen stand noch immer, vor langer Zeit einmal namensgebend für diese erbärmliche Ansammlung verdorrter Hütten und vertrockneter Träume. Die Sonne stieg unbarmherzig höher. Eine Chance hatten sie noch.
»Ihr guten Leute!«, rief ich, so laut ich konnte. Sie schenkten mir ihre Aufmerksamkeit. »Packt ein, was ihr tragen könnt und dann verschwindet von hier. Jetzt sofort. Ansonsten werdet ihr alle sterben.« Ungläubiges Starren aus mehr als zwei Dutzend Augenpaaren. Niemand sprach. »Ich werde in Kürze abgeholt und das ist dann euer Ende.«
Bud Hill lachte laut auf. Er war der einzige, der Rest rührte sich nicht. Unterentwickelte Narren, alle wie sie da standen. Hill gluckste amüsiert. »Du hast recht Barrow, du wirst abgeholt. Der Teufel ist dafür nach Gallows Rest gekommen. Und jetzt stell dich mir, du Hundesohn.« Er nahm breitbeinig Stand, seine rechte schob den Duster zurück und bot mir freie Sicht auf seinen Navy Colt.
Ich tat es ihm gleich. Meine Fingerspitzen streichelten das Perlmutt meines Peacemaker. Wie lange noch?
Der Augenblick dehnte sich bis zum Rand der Ewigkeit, da schnellte Hills Hand nach vorn. Eine verschwommene Bewegung, zu schnell für das menschliche Auge.
Ein Schuss.
Kollektives Stöhnen.
Und dann ein Schrei, als die Tarnvorrichtung fallen gelassen wurde und der riesige Korpus am Himmel die Stadt in Schatten hüllte. Frauen fielen in Ohnmacht, Männer rannten um ihr Leben, Chaos brach aus. Sie schwebten direkt über mir, der Traktorstrahl erfasste mich und ich flog empor.
Hills Leiche lag im Staub auf der Hauptstraße, um ihn herum herrschte Panik. Ich sah Mallorys Gesicht, im ersten Stock am Fenster. Sie glaubte nicht, was sie sah, wie konnte sie. Ein Fauchen, der erste Plasmastrahl ließ den Saloon explodieren, der zweite den Kramladen. Flüchtende Menschen wurden atomisiert, ein paar wenige zwecks späterer Experimente eingefangen. Ich flog immer höher, auf halbem Weg schaltete sich mein Transformator ab. Es fühlte sich gut an, nach so langer Zeit die sechs Beine bewegen zu können, die Flügel zu entfalten und mit den Mandibeln zu klicken. Und während Gallows Rest brannte, schloss sich hinter mir die Luke des Forschungsschiffs.

 

Hi Seth Gecko,

Und dann ein Schrei, als die Tarnvorrichtung fallen gelassen wurde und der riesige Korpus am Himmel die Stadt in Schatten hüllte. Frauen fielen in Ohnmacht, Männer rannten um ihr Leben, Chaos brach aus. Sie schwebten direkt über mir, der Traktorstrahl erfasste mich und ich flog empor.
Ein Fauchen, der erste Plasmastrahl ließ den Saloon explodieren, der zweite den Kramladen.
Ich flog immer höher, auf halbem Weg schaltete sich mein Transformator ab. Es fühlte sich gut an, nach so langer Zeit die sechs Beine bewegen zu können, die Flügel zu entfalten und mit den Mandibeln zu klicken.

"Vorbereitete Überraschung", so heißt der Anschnitt, den ich beim Durchblättern des Buches "Grundlagen und Techniken der Schreibkunst" gerade gelesen habe, bevor ich auf deine Geschichte gestoßen bin. Eine verblüffende Überraschung am Schluss müsse vorbereitet sein, sagt der Autor. "Darin liegt ein doppelter Reiz: Der Leser soll durch etwas Unerwartetes überrumpelt werden und sich gleichzeitig sagen: 'Das hättest du eigentlich erwarten müssen, denn es ist ja schon zu Beginn ganz deutlich angekündigt worden!'"

Als ich ganz am Schluss (in der ersten Version) meiner Geschichte "Sie werden wiederkommen", die ganz offensichtlich auf unserer bekannten Erde spielen muss, eine Doppelsonne ins Spiel gebracht hatte und die Aussage, dass die Frau des Protas eine Androidin sei, bin ich ausgebuht worden. Und zu Recht. Denn es kam völlig unvorbereitet.

Ich möchte dir einfach nur meine Erfahrung wiedergeben und dir empfehlen, in deiner Story wenigstens eine klitzekleine Anmerkung am Anfang zu machen. Einen kleinen, unverdächtigen, verschlüsselten Hinweis, dass vielleicht eines seiner (sechs) Beine in der Kostümierung juckt, dass die Tarnvorrichtung surrende Geräusch macht oder was weiß ich.

Dann fehlt mir noch ein Motiv. Gut, der Prota will den Bad Guy ausschalten, die Stadt befreien, aber was hat das Motiv mit dem überraschenden Ende zu tun? Wird die Stadt zerstört, um alle Zeugen zu vernichten, die Menschen, die nicht als Versuchspersonen Verwendung finden?
Vielleicht als Fore-Shadowing, dass er eine bestimmte Person genauer betrachtet, die ihm aus bestimmten Gründen gefällt, die am Ende unbedingt mitgenommen werden soll ...

Ansonsten gefällt es mir. Zwei, drei Kommas sind falsch gesetzt (finde ich jetzt nicht mehr), guter Lesefluss, gute Beschreibungen. Ich wollte wissen, wie es aus geht, habe mich gut unterhalten gefühlt.

Vielleicht kannst du mit meinem Kommentar etwas anfangen.

Liebe Grüße und einen tollen Tag,
GoMusic

 

Hi @GoMusic,

vielen Dank für deinen Kommentar sowie deine Erfahrungen mit solchen Plot-Twists. Kurz möchte ich auf deine konstruktiven Anregungen eingehen:

Ich möchte dir einfach nur meine Erfahrung wiedergeben und dir empfehlen, in deiner Story wenigstens eine klitzekleine Anmerkung am Anfang zu machen.
Ich dachte, das hätte ich. Anscheinend waren die Anmerkungen zu subtil, zu zaghaft gesetzt. Sätze wie:
Zwei Minuten reichten aus. Tatsächlich brauchte ich bloß eine, um zu tun, was getan werden musste. Ich schickte Clyde dafür ins Hinterzimmer, denn die Bestätigung erfolgte umgehend. Dann trat ich ins Freie.
sollen dem Leser vermitteln, das irgendetwas Seltsames vor sich geht, das vom normalen Western-Setting abweicht. Auch:
Eine verschwommene Bewegung, zu schnell für das menschliche Auge.
zählt dazu. Aber ich gebe dir recht, etwas Offensichtlicheres wäre vielleicht lohnenswerter gewesen.

Dann fehlt mir noch ein Motiv. Gut, der Prota will den Bad Guy ausschalten, die Stadt befreien, aber was hat das Motiv mit dem überraschenden Ende zu tun? Wird die Stadt zerstört, um alle Zeugen zu vernichten, die Menschen, die nicht als Versuchspersonen Verwendung finden?
Vielleicht als Fore-Shadowing, dass er eine bestimmte Person genauer betrachtet, die ihm aus bestimmten Gründen gefällt, die am Ende unbedingt mitgenommen werden soll ...
Meine "Hausaufgabe an mich selbst" war es, eine Kurzgeschichte mit maximal 1100 Wörtern zu schreiben, die ein Western-Thema hat. Für ein ausschweifendes Motiv blieb irgendwie kein Platz...:)
Ich wollte wissen, wie es aus geht, habe mich gut unterhalten gefühlt. Vielleicht kannst du mit meinem Kommentar etwas anfangen.
Mich freut es, wenn du mit meiner knackigen Story eine gute Zeit hattest. Mit Kommentaren wie deinem kann ich hier immer etwas anfangen. Also besten Dank

Dir auch noch einen fantastischen Tag und Grüße,
Seth

 

Hi Seth,

schön, dass du mit meinem Kommentar etwas anfangen konntest.

Dieser Satz hier ist mir aufgefallen:

»Ich werde in Kürze abgeholt und das ist dann euer Ende.«

Auch im Nachhinein kann ich heraus nicht interpretieren, was passieren mag.
Klingt eher so, als würden seine scharf bewaffneten Freude anreiten, alles niederschiessen und zusammen mit dem Prota verschwinden.

Ich schaue später noch mal gerne rein.

Gruß aus der Sonne,
GoMusic

 

Hallo @Seth Gecko ,

ich bin super durch die Geschichte gekommen, sie war spannend, dein Schreibstil ist ... formidabel, wenn ich das so sagen darf, starke Bilder, clevere Beschreibungen. Ich las die Geschichte als einen wirklich atmosphärischen Western, bis dann plötzlich ... what the ...:eek:
Daher gehe ich mit @GoMusic s Kommentar komplett mit, mit einem Zusatz: warum in Gottes Namen tust du deiner Geschichte das an?:heul: die war so gut. Das traf mich nicht nur unvorbereitet (Gomusic hat dazu alles Übrige gesagt), sondern war auch völlig daneben in meinen Augen, hat alles kaputt gemacht. Schade, einfach super schade, weil die Geschichte sonst superb war.

Und während die texanische Sonne von selbst erwachte, um über die Bewohner von Gallows Rest wie auch an jedem anderen Tage bis zu ihrem Untergang zu herrschen, beendete der Hahn des alten Billy Ray Hatchet die Träume eben jener verlorenen Seelen.
Sehr schönes Bild, Zauberei mit Worten
Sie streunten über die staubige Hauptstraße, als könnten sie wittern, dass das Spektakel in wenigen Stunden den einen oder anderen Leckerbissen abwerfen würde.
Auch ein super Opener, da wird man gleich neugierig

»Befreie uns von der Tyrannei des Bösen!«
Finde ich etwas überzogen, passt auch nicht zur sonst so groben Sprache.
Rauchend trat ich auf die Straße.
Das ist immer ungünstig, rauchte jetzt sein Kopf? Ich weiß ja bereits, dass er eine Zig im Mund hat. Da findest du bestimmt ein besseres Adjektiv.
selbst die sonst so vorlauten Rotzbengel[,] hielten ausnahmsweise ihr Maul.
Sehr stark, da weiß ich gleich bescheid, gefällt mir gut.
Komma weg.
Und hier noch die von Gomusic erwähnten Kommas
Ganz in schwarz[,] grinste der Revolverheld blöde, sagte jedoch keinen Ton[,] genau wie der Rest der Bande.
Das erste auf jeden Fall weg, das zweite markierte mMn auch, da hier kein Prädikat zu finden ist und es sich um einen Vergleich handelt.

Also, habe glaube ich alles gesagt.
Warum? Warum nur, hast du dieser wunderbaren Geschichte das angetan?

MfG

 

Hi @Putrid Palace,

danke für deinen Kommentar, deine Anregungen und die erfolgreiche Suche nach den Kommata.

Warum? Warum nur, hast du dieser wunderbaren Geschichte das angetan?

:) Weil ich keine Lust auf eine beliebige Westerngeschichte hatte, wie man sie schon zig Mal gelesen hat. Außerdem, hatte ich mir selbst das Limit von ca. 1000 Wörtern auferlegt, um mal zu sehen, was dabei rauskommt. Hättest du den Twist besser gefunden, wenn wie @GoMusic es bereits verdeutlicht hat, es eine frühere Spur gegeben hätte? Oder konnte der Sci-Fi-Teil bei dir nicht zünden, egal wie verpackt?

Beste Grüße
Seth

 

Hättest du den Twist besser gefunden, wenn wie @GoMusic es bereits verdeutlicht hat, es eine frühere Spur gegeben hätte?
Musste nur kurz darüber nachdenken, um zu sagen: auf jeden Fall. Hätte ich hier von Beginn an eine Vermutung gehabt, dass ein krasser Plottwist bevorsteht (oder könnte), hätte mich dieses Ende nicht enttäuscht. Du musst dir vor Augen halten, dass ich ohne böse Vorahnung einen Western gelesen habe und als ich mich dem ersehnten Finale näherte ... Pustekuchen.
Das kam alles so komplett aus dem Nichts und wirkte wie in die Tonne geworfen, ich hatte echt die Vermutung, dass dein 10-jähriger Bruder für das Ende verantwortlich war. (ist nicht böse gemeint, ich hatte echt den Gedanken)
Weil ich keine Lust auf eine beliebige Westerngeschichte hatte, wie man sie schon zig Mal gelesen hat.
Bei deinem Sprachstil wäre sie das sicher nicht gewesen.

MfG

 

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