Selbst Schuld
Wieder einmal stand ich vor dem Spiegel und wäre benahe in Ohnmacht gefallen. Ich sah einfach schrecklich aus. Ringe unter den Augen, schlaffes Haar und blasses Gesicht.
Der Grund dafür war Marc. Seit Tagen konnte ich seinetwegen nicht mehr essen, nicht mehr schlafen. Ich war total fertig.
Wie konnte er mich nur betrügen? Mich, die er angeblich doch so geliebt hatte, die er nie im Stich lassen wollte?
Wütend sah ich mich selbst im Spiegel an. Ich wusste, dass es Marcs Schuld war, dass ich jetzt so aussah. Und dennoch dachte ich in solchen Momenten wie jetzt: Wärst du nur hübscher, würde Marc dich nie sitzen lassen, Mira.
Ich wusste auch nicht, wie ich auf diesen Gedanken kam. Es war einfach so.
Ich ging ins Bad und wusch mir das Gesicht. Als ich auf die Uhr sah, kam mir der Gedanke, mal wieder etwas mit Tess zu machen. Sie war meine beste Freundin, aber in letzter Zeit log ich immer wieder, dass ich keine Zeit hätte. In Wahrheit wollte ich Marc nicht begegnen. Er sollte nicht sehen, wie ich darunter litt.
Also rief ich Tess an und sie sagte sofort zu.
Ich zog mich um und schminkte mich. So kam wenigstens ein bisschen Farbe wieder ins Gesicht und ich konnte nicht mehr mit einem Vampir verwechselt werden- höchstens mit einem Clown.
Pünktlich um zwei klingelte Tess an der Haustür. Ich öffnete sie und war mehr aus begeistert: Tess sah noch besser aus als ich sie in Erinnerung hatte. Hatte ich sie lange nicht mehr gesehen?
Ihr sonst mausbraunes Haar war nun heller und sie hatte rote Strähnchen. Außerdem wirkte sie schlanker- was allerdings auch an ihrer Kleidung liegen konnte.
„Also?“ fragte Tess, als ich sie ins Zimmer ließ, „Wohin gehen wir zuerst?“
Ich überlegte kurz.
„In die Stadt“, antwortete ich dann.
Wir machten uns auf den Weg. Schließlich, als wir kaum noch Geld hatten und beide Hände mit Einkaufstüten bepackt waren, gingen wir in ein Café.
Erschöpft ließ Tess sich nach hinten sinken. Wir bestellten uns zwei Eisbecher und warteten, bis der Kellner mit unserer Bestellung wiederkam.
„Ist das da nicht dein Freund Marc?“ fragte Tess plötzlich und zeigte über meine Schulter. Tess wusste noch nicht, dass er Schluss gemacht hatte.
Marc kam genau auf uns zu und setzte sich dann auch noch neben mich.
Peinliches Schweigen.
„Sorry, ich war ein Idiot“, sagte Marc plötzlich. „Verzeihst du mir? Sind wir wieder zusammen?“
Ich antwortete nicht. Oder eher, ich konnte nicht antworten. Ich musste nämlich erst begreifen, dass Marc das wirklich hatte.
„Marc? Wer ist das?“ hörte ich eine Mädchenstimme sagen. Ich wandte mich zu dem Mädchen.
Marc schwieg.
„Wer bist du?“ wollte ich wissen.
„Marcs Freundin“, antwortete das Mädchen. „Was willst du von ihr, Marc?“
Marc antwortete: „Die hat mich angebaggert und-“
Tess unterbrach ihn: „Er wollte sich bei Mira entschuldigen, dass er sie betrogen hat und will wieder mit ihr zusammen sein!“
Das Mädchen sah Marc fassungslos an, drehte sich um und lief schluchzend weg.
„Ich soll dich angebaggert haben?!“ schrie ich Marc an. Ich wusste, dass ich von allen Seiten angestarrt wurde, aber das war mir egal. Ich holte aus und schlug Marc ins Gesicht. Der stand nur verständnislos da und fluchte vor sich hin.
Tess und ich folgten dem Mädchen.
„Vergiss den Typen“, sagte ich zu ihr, als ich sie auf einer Bank gefunden hatte und sie uns ihren Namen sagte. „Marc ist ein Idiot.“
Ich hätte vor einigen Stunden selbst nicht daran geglaubt, so was sagen zu würden. Aber ich wusste nun, dass ich Recht hatte. Marc war selbst Schuld.