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Seppuku(die Zweite)
Die erste Fassung gibt's hier
„Wenn ich erklären sollte, was einen Samurai ausmacht, würde ich antworten: sich mit Leib und Seele seinem Herrn zu verschreiben. Und wenn man mich fragen sollte, was einen Samurai darüber hinaus noch benötigt, würde ich erwidern: Intelligenz, Menschlichkeit und Mut. Alle drei Tugenden zu erlangen, das mag einem Durchschnittsmenschen unerreichbar erscheinen, aber es ist leicht. Intelligenz erwirbst du, wenn du mit anderen diskutierst. Menschlichkeit erwirbst du, in dem du etwas zum Wohle deiner Mitmenschen tust. Und Mut erlangst du, wenn du die Zähne zusammenbeißt, ungeachtet aller Schwierigkeiten und Hindernisse.“ Hagakure (Ehrenkodex des Bushido)
Es war ein nebliger Morgen, als das Pferd schnaubend am Hofe des Shogun hielt. Ein junger Samurai sprang elegant ab und spähte in den Wald. Nach ein paar Minuten ertönte Geklapper von Pferdehufen. An der Front trabte ein wunderbarer Schimmel auf dem der Daimyo Kaszutaka saß. Trotz seines fortgeschrittenen Alters, bestand er darauf alleine auf seinem Pferd zu reiten. Die fünf Mann starke Truppe erreichte den ersten Samurai. Eine schwere Holztür öffnete sich um einen Mann von 30 Jahren heraustreten zu lassen. Der Daimyo verbeugte sich vor dem jungen Shogun und stellte ihm seine Frau Hianko vor. Zusammen mit den Samurai betrat man den Tempel.
Toshimasa, der jüngste von den Samurai, blieb an Hinakos Seite um sie vor ungebetenen Gästen zu schützen. Als man den Tee eingenommen hatte und eine Pause in den Gespräch brauchte, entschuldigte sich Hinako um ein Wenig im Garten Luft schnappen zu gehen. Toshimasa sprang sofort auf und sah zu seinem Daimyo, der unmerklich nickte. Im angemessenen Abstand folgte der Samurai Hinako. Kurze Zeit später entschuldigte sich auch der Shogun und ging in den Garten, wo Hinako vor einem Teich saß und die Fische betrachtete. Toshimasa hatte sich in den Schatten einer Säule gestellt und beobachtete das Geschehen. Plötzlich ging alles sehr schnell. Der Shogun hielt Hinako den Mund zu und zerrte die zierliche Frau in die Blumen hinein. Toshimasa sah sich in einer Zwickmühle stecken, da es ja bei Todesstrafe verboten war sein Schwert am Hofe des Shogun zu ziehen, doch dem Samurai blieb nichts anderes übrig. Das Leben des Daimyos und dessen Familienmitglieder stand an oberster Stelle. Toshimasa sprang mit gezücktem Katana aus seinem Versteck, rannte zu Hinako und sah wie der Shogun versuchte sich an ihr zu vergehen, doch Toshimasa tötete ihn mit einem gezielten Schlag. Hinako war ohnmächtig, sodass Toshimasa sie in seine Arme hob und mit Blut übersät in den Tempel lief. Bestürzt hörte sich der Daimyo die Geschichte an und stellte seinen treuen Samurai vor das oberste Gericht. Schließlich musste das Ansehen des Landes bewahrt bleiben. Toshimasa wurde zum Tod durch Seppuku verurteilt. Der Samurai nahm das Urteil gefasst auf, da er damit gerechnet hatte.
Es war ruhig in dem Tempel. Ein junger Mann in einem weiten weißen Oberteil und einer weiten schwarzen Hose gekleidet, betrat leise die dunkle Vorhalle. Die Buddhastatuen reflektierten das Sonnenlicht, welches schwach durch die schmalen Nischen an den Wänden drang. Der Samurai verharrte einen Augenblick an seinem Platz, dann lief er den dunklen Gang hinunter. Er lief an großen Buddhastatuen vorbei, huldigte andere Gottheiten mit seinem würdigen Erscheinen.
Nach ein paar Minuten einsamen laufen, gabelte sich der Gang. Die linke Gabelung führte zu den Priestern, die rechte führte zu einem kleinen Schrein. Toshimasa betrat den rechten Weg. Für die Priester war es noch zu früh. Er hatte Zeit bis der Mond die Sonne ablöste. Der Weg war nicht lang und mündete in einem halbrunden Raum. Vor einer kleinen Steinstatue kniete sich der Samurai auf ein Stück Stoff, legte sein Schwertpaar vor sich und versank in einem Gebet.
„Nun ist es an der Zeit meine Ehre wieder herzustellen. Es tut mir nicht leid diese Welt zu verlassen, obwohl ich noch nicht lange auf ihr lebe. Hass und Zorn sind die mächtigsten Eigenschaften der Menschen...meine Ehre verlor ich bei einer Rettung der Frau meines Daimyos.
Ich habe mich meinem Herren mit Leib und Seele verschrieben und das weiß er zu schätzen. Für ihn setzte ich meine Ehre aufs Spiel, hoffte begnadigt zu werden, weil ich in seinen Augen einer der ehrenvollsten Samurai Japans war, doch nun bekomme ich eine bessere Chance.
Ihr Götter...ihr, die die Welt in einem Käfig einsperrt und Gesetze schafft...ihr Götter, ihr, die Schicksale bestimmen, ihr ruft mich zu euch und ich werde es danken.
Zuhause sitzt meine Frau und wartet auf meinen tot, aber sie wusste, was sie erwartet, wenn sie sich mit einem Samurai einlässt. Vielleicht ist sie auch schon tot. Kurz bevor ich vor drei Tagen zum Gericht ging, erklärte ich ihr wie sie sich am schnellsten mit einem Dolch töten kann.
Ist das alles wirklich zwei Menschenleben wert? Ich merke, ihr Götter, dass ihr nicht sehr begeistert seid, aber ich frage nochmal: Ist die Ehre wirklich zwei Menschenleben wert?
Ja, sie ist es, denn mit einer verschmutzten Seele möchte ich nicht leben. Mit Seppuku werde ich meine Ehre wieder herstellen. Vor den Schmerzen habe ich keine Angst...mir wurde schon anders und viel schmerzvoller weh getan.“
Toshimasa hob seinen Kopf und blickte in Richtung Dach des Schreins. Aus dem Gang ertönten Schritte.
„Danke, dass ihr zugehört habt. Nun bitte ich euch mich und meine Frau bei euch gut aufzunehmen.“
Der Samurai stand auf, verneigte sich und band sich sein Schwerterpaar wieder an die Hüfte. Aus der Dunkelheit des Ganges trat ein älterer Mann mit weißem Haar. Sie verneigten sich voreinander, dann führte Kaszutaka seinen Getreuen zu den Priestern. Man wechselte kein Wort miteinander.
Draußen stand der Mond schon am Himmel und alle Samurai von Kaszutaka hatten sich versammelt. Es war ruhig, als ob die Welt den Atem angehalten hatte. Toshimasa schritt durch die Reihen. Er war verunsichert, doch er zeigte es nicht. Mit festen Schritten lief er auf zwei kleine Statuen zu. Diese markierten den „Durchgang“ zu der Stelle, wo Toshimasa sich töten sollte. Leises Raunen ging durch die Menge. Sie waren stolz auf solch einen würdigen Samurai in seinen besten Jahren. Toshimasa stellte sich vor wie es sein würde, wenn er tot war. Gab es wirklich etwas danach?
Der Todgeweihte erkannte seinen engsten Wegefährten Kira Kushan als Kaikashu wieder. Der Kaikashu durfte den Todgeweihten später von seinen Qualen befreien. Toshimasa ließ sich auf dem Platz nieder und zog sein Katana um es vorsichtig vor seine Knie zu legen, dann zog er sein Wakizashi, atmete tief durch und rammte ihn sich in die linke Seite des Unterleibs. Toshimasa verzog sein Gesicht und zog die Klinge langsam auf die rechte Seite. Er biss sich tief auf die Unterlippe um das qualvolle Schreien, welches sich nicht für einen leidenden Samurai schickte, zu unterdrücken. Stattdessen verließen leise Würgelaute seinen Mund. Der Schweiß rann über seine Stirn, die Hand begann bereits zu zittern. Die anderen Samurai hielten die Luft an. Toshimasa wurde langsam schwarz vor Augen, trotzdem hielt er standhaft den Blickkontakt zu seinem Daimyo, der das ganze Szenario kaum ertragen konnte. Die Klinge erreichte die rechte Seite, die Hände waren mit Blut getränkt, Toshimasa schwankte, keuchte und röchelte. Die Schmerzen waren übermenschlich, aber der kampferprobte Samurai lebte noch, auch wenn sein Atem flach ging. Der Daimyo nickte Kira zu. Kira stand auf und stellte sich hinter den sterbenden Toshimasa, zog sein Katana und befreite seinen besten Freund von den grausamen Qualen.
Toshimasa Nishimura hatte seine Ehre wieder hergestellt...