Mitglied
- Beitritt
- 13.05.2006
- Beiträge
- 2
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 7
sie und ich...
Es war das erste mal seit langem, dass ich wieder mal zu einer Party ging. Lena hatte mich eingeladen, wohl nur aus Mitleid, weil sie genau wusste, dass ich nie zu einer Party eingeladen wurde. Ich hatte eigentlich überhaupt keinen Bock zum Feiern. Ich ging nur dahin, weil ich ohnehin nichts besseres zu tun hatte und um mich nicht schon wieder neuen Depressionen oder gar einem Trip hinzugeben.
Ich war wie immer zu spät. Keine Ahnung woran das liegt, aber ich bin noch nie pünklich gewesen in meinem Leben.
Als ich Lenas Haus betrat, gafften mich alle doof an. Ich konnte es hören, wie sie hinter meinem Rücken tuschelten. Doch es war mir egal.
Lena stand bei ihren Freundinnen. Ich wurde von ihr nur mit einem knappen 'Hallo' begrüsst. Ich hatte auch gar nicht mehr erwartet.
Ich holte mir ein Bier und setzte mich in eine Ecke. Niemand beachtete mich. Mir war langweilig. Ich sehnte mich nach einem Trip.
Plötzlich zuckte ich zusammen. Meine Haare an den Armen und im Nacken stellten sich auf. Gott sei Dank konnte das niemand sehen, da ich immer langärmlig rumlief.
Ich wusste dass sie da war. Ich konnte sie spüren. Wie ihre Blicke mich durchbohrten. Aber was zum Teufel machte sie hier?
Wir hatten uns schon immer gehasst. Richtig gehasst. Schon als wir beide noch kleine Babys waren, konnten wir uns nicht ausstehn. Dabei stellten sich unsre Eltern alles so perfekt vor. Wir beide, Zwillinge, eineige. Wir sahen uns wie aus dem Gesicht geschnitten gleich.
Sie hasste mich. Ich hasste sie. Während andere Geschwister fröhlich miteinander spielten, bewarfen wir uns mit Spielzeug oder Lego-Steinen. Und das nicht zum Spass. Nein, wir hassten uns auf den Tod.
Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, wir waren noch nicht ganz fünf. Da hat sie mir geschworen, dass sie mich umbringen würde. Ich hab sie angestarrt und bin auf sie losgegangen.
Das war nicht die letze Morddrohung, die wir einander machten. Wir erlebten keine friedliche Minute miteinander. Einen Grund dafür gab es eigentlich nicht. Wir konnten uns einfach nicht ausstehn.
Als wir älter wurden, veränderten wir unser Aussehen so, das man uns die Ähnlichkeit überhaupt nicht mehr ansah. Sie wurde zu ner richtigen Tusse, wie ich sie noch nie leiden konnte. Sie färbte sich ihre braunen Haare blond und lief in kurzen, engen Tops und Minis herum.
Ich hingegen stand mehr auf schwarz. Alles an mir war schwarz, die Schminke, die Kleidung, die Haare, einfach alles.
Sie hasste mich für mein Aussehen. Fand, sie müsse sich für mich schämen, weil ich so schlimm aussah.
Ihr grösster Triumph bestand daraus, dass sie ihre Tage einen Monat vor mir bekam. Mir sowas von scheiss egal.
Ich hatte damals ganz andere Probleme.
Ich suchte die ganze Menge an Personen, von denen ich nur ganz wenige kannte ab, aber ich konnte sie nirgends entdecken. Hatte ich mir das etwa nur eingebildet?
Ich spürte, wie mir jemand auf die Schulter tippte. Ich drehte mich um und mein Atem stockte. Sie war es. Ihr Gesicht war mit einer dicken Schicht Make up bedeckt. Sie trug rosa Lidschatten. Ich hasste rosa. Kalte Schauer liefen meinen Rücken hinunter, als sie mich mit ihrem hämischen Grinsen anguckte. Es gab nur wenige Dinge die mir in meinem Leben Angst einjagten. Und einer davon war sie!
Als ich zehn war, wurde ich vergewaltigt. Es war für mich das Schlimmste das ich je erlebt hatte. Niemand erfuhr jemals etwas von dem was damals passierte. Ich verdrängte es, versuchte, es zu vergessen. Doch eines Tages kam alles wieder hoch. Ich wusste mir nicht mehr zu helfen. Griff zur Klinge. schnitt mich in die Arme, die Beine und den Bauch.
Nachts schlich ich mich heimlich an den Alkohol-Schrank meines Vaters und trank. Er merkte nie irgendetwas. Wahrscheinlich, weil er sowas nie erwartet hätte. Ich war doch erst elf Jahre alt!
Doch eines Nachts geschah das, was geschehn musste. Sie entdeckte mich beim Trinken. Sie nutzte das schamlos aus. Erpresste mich. Ich sackte immer weiter nach unten. Mit zwölf kam ich zum ersten mal in Kontakt mit Drogen. Ich lernte einen 16-järigen kennen, der mir einen Joint anbot. Bald schon reichte mir das Kiffen nicht mehr. Ich griff zu härterem. Jeden Tag nach der Schule, wenn ich überhaupt in der Schule war, hing ich bei irgendwelchen Punks rum. Am Anfang glaubte ich noch, dass die mich wirklich mochten, obwohl ich erst zwölf war. Doch irgendwann merkte ich, dass es ihnen nur darum ging, jemanden neuen in den Teufelskreis der Drogen zu ziehen. Es bereitete ihnen Spass, mir, einem kleinen Mädchen, zu zeigen wie man schnupft und später auch wie man sich Stoff sprizt.
Ich starrte sie an. Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen. Der Schreck musste mir ins Gesicht geschrieben gewesen sein, denn ihr Mund verzog sich zu einem dämonischen Grinsen.
"Na, freust du dich mich wieder zu sehn?"
Ich war unfähig etwas zu antworten. Was verdammt noch mal war denn los mit mir? Sonst konnte ich ihr doch immer etwas entgegnen. Sonst war ich doch auch nicht so dumm und sprachlos.
Sie zog mich mit sich nach draussen.
"Wir müssen reden..."
Mit jedem Tag, der anbrach, wurde es schlimmer mit mir. Bis ich nicht mehr konnte. In meinen Träumen verfolgten mich die Bilder meiner Vergewaltigung. Ich war am Ende. Konnte nicht mehr. Es war zwei Monate nach meinem 13. Geburtstag. Ich wollte meinem Leben ein Ende bereiten.
Es war schon spät in der Nacht. Ich lag wach in meinem Bett und wartete darauf, dass alle einschliefen. Dann zündete ich mir Kerzen an, und setze mich auf den Fussboden.
Ich hatte gerade die ersten Schnitte mit der Klinge gemacht, als die Tür aufging und sie rein kam.
Nie wieder werde ich ihren Blick vergessen, wie sie mich anstarrte und dann mit einer teuflischen Stimme sagte:
"Hey Kleine. Lass das. Ich erledige das schon für dich."
Dann zog sie hinter ihrem Rücken ein Küchenmesser hervor, das schärfste, das unsre Mutter besass. Es war uns strengstens verboten, es auch nur anzufassen. Das Messer blitze im Kerzenlicht auf.
Ich erkannte ein Flackern in ihren Augen. In diesem Augenblick wusste ich es: Sie war gestört. Richtig psychisch gestört!! Sie hatte die ganzen Drohungen ernst gemeint.
Langsam schritt sie auf mich zu. Panik ergriff mich. Ich begann zu schreien. Laut und durchdringlich.
Die Eltern stürzten ins Zimmer. Konnten kaum fassen was sie da sahen.
Ihre ganze schöne Vorstellung von unsrer perfekten Familie brach mit einem mal zusammen. Nie hätten sie sich denken lassen dass sie eine Drogenabhänige und eine psychisch Gestörte als Töchter haben. Eigentlich kein Wunder, sie hatten sich auch fast nie um uns gekümmert.
Von diesem Tag an wurde alles anders. Sie kam in eine Jugendanstalt und ich in eine Entzugsklinik, aus der ich aber sehr schnell wieder abhaute. Ich kehrte zu meinen Eltern zurück, schwindelte ihnen vor, dass ich clean sei und lebte mein Drogen-Leben weiter. Ich hatte keine Kollegen und schon gar keine Freunde mehr. Von allen wurde ich nur als 'Psycho' angeguckt. Die Pausen zwischen den Schulstunden verbrachte ich alleine mit rauchen. Die Schule schwänzte ich oft.
Ich gewöhnte mich langsam an die Einsamkeit.
Und dann wurde ich von Lena zu dieser verhängnisvollen Party eingeladen...
Ich folgte ihr vor Lenas Haus. Es war still um mich herum. Und auch nicht mehr ganz so hell wie bei meiner Ankunft.
"Was willst du?"
Langsam gewann ich mein Fassung wieder.
"Ich will mit dir dafür abrechnen, für die Hölle die du mir die letzen zwei Jahre bereitet hast! Wegen dir musste ich zwei ganze Jahre meines Lebens in einer Anstalt verbringen!!" Ihre Stimme klang schon fast hysterisch und ich konnte wieder dieses Flackern in ihren Augen entdecken.
Doch dieses mal begann ich nicht zu schreien. Ich blieb aussergewöhlich ruhig. Dann drehte ich mich langsam um und ging. Ich spürte ihren Blick in meinem Nacken. Doch sie folgte mir nicht...