Was ist neu

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21.10.2001
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Als recyceltes Plasteteil hast du wirklich nichts zu lachen. Manchmal hängst du jahrelang an der Wand als Steckdose und bekommst lauter Sachen in dich reingestopft. Neuerdings hört man auch Horrorgeschichten von den Wechselkopfzahnbürsten, die eine wirklich eklige Arbeit zu erledigen haben.
"Diesmal habe ich es aber mit meiner Inkarnation gut getroffen" sage ich zum benachbarten Seifenhalter, der schon etwas verschleimt, mir nicht so recht zustimmen will. Ich bin zwar nur ein handelsüblicher Duschkopf für 24,95 DM bei Obi, aber manchmal hat man auch Glück. Zwar hänge ich die meiste Zeit nur dumm rum, aber dann erscheint sie ... schiebt den Kollegen Plastetür mit einer resoluten Handbewegung zur Seite, der, in Anbetracht des zu erwartenden Schauspiels (also dafür beneide ich ihn wirklich!) anfängt, lustvoll zu quietschen. Na jedenfalls konnte er das bis vor kurzem. Ein paar Tropfen Salatöl haben ihn unsanft zum Schweigen gebracht. Nun wirft er mir mit seinen tausend kleinen Kalkaugen immer sehr bedeutende Blicke zu. Gut, daß er nicht zwinkern kann ... da würde mir sicher schwindlig werden. Aber das kommt spätestens dann, wenn die Hitze beginnt in mir aufzusteigen. Es ist jedesmal ein einzigartiges Empfinden, das all die Jahre des langweiligen und stupiden Plastedaseins schlagartig hinfortspült. Sie ist ein sehr zärtliches Wesen. Gönnt mir, zart an den Armaturen drehend, ein kurzes Vorspiel, mit ersten kaltkitzelnden Tropfen, die verwirbelnd anschwellen zu einem benetzenden Strom wohliger Wärme, bis es mich ganz ausfüllt. Wer einmal diesen langsam ansteigenden Wasserdruck gefühlt hat, der auf jedem Quadratmillimeter lastend sich weiter drängt, fast schmerzhaft rauschend schließlich durch meinen Kopf sich dunstschreiend den Weg nach draußen bahnt ... meistens kommt sie mir aber mit dem Stöhnen zuvor.
Da fällt mir ein, ich kenne bis heute ihre Augenfarbe nicht. Solange ich noch die Fassung behalte und von oben herab beobachten kann, wie sie ihre langen schwarzen Haare mit beiden Händen sanft hinter die Ohren, über den Kopf nach hinten streicht und von den letzten Ausläufern der Haarspitzen das Wasser herabströmt, ein sich kräuselnder kleiner Bach, der an die Wirbelsäule gebettet, sich irgendwo da unten verläuft ... solange kenne ich nur diesen Gesichtsausdruck von Seligkeit. Ich glaube, selbst Engel könnten nicht emphatischer duschen. Als wäre ich eine Sonne, deren Strahlen es einzeln zu genießen gilt, streckt sie sich mir entgegen, bis fast ihre Nasenspitze mich zu berühren scheint und dieses leise Stöhnen! Unbeschreiblich! Manchmal erinnert es auch mehr an ein Brummen. Sehr niedlich! Ich mag sie sehr gerne.
Nachdem sie so, mit geschlossenen Augen lächelnd, eine Minute regungslos in meinem Wasserschein verharrt hat, ist Kollege Seifenhalter an der Reihe. Eigentlich ja nur insofern, daß er nach der Einseifprozedur nur noch verschleimter ein resignierendes Grummeln von sich gibt. Armer Kerl! Sie stiehlt sich dazu aus meinem Wasserstrahl, und zur Strafe erwachsen fast augenblicklich überall auf ihrer Haut hauchzarte kindliche Erhebungen, durchbrechen den Film von Nässe und auf jeder Brust, umgeben von einer Aura in zarten Rosa wölbt sich erhaben um vieles größer es muß wohl die Mutter von ihnen allen sein (oder die Königin? ... aber warum zwei?) hervor. Ich folge dem Spiel ihrer Hände, die einen geschmeidig feuchten Mantel von Seife auf ihrer Haut in fast schon verwirrenden Schlangenlinien hinterlassen, ihren Konturen entlang: die Arme, über die Rundungen der Schulter, die hervortretenden Wölbungen der Schlüsselbeine, zu den Brüsten, die etwas ausweichend reagieren, bevor sie mit einer seltsamen Erschütterung wieder ihren ursprünglichen Zustand einnehmen. Ähnliches passiert auch weiter unten ... hinten. Doch so genau kann ich das von hier aus nicht erkennen. Es muß etwas sehr Weiches sein. Aber ich bin noch nicht dahintergekommen. Das geht über meinen Plastehorizont.
Wenn sie sich fertig mit Seife bekleidet hat, naht der interessanteste Teil. Sie greift mit glitschigen Händen nach mir und entreißt mich der Halterung, erwählt mich dazu, sie wieder ausziehen und ich tue mein Bestes. Ich zerreiße förmlich die herabgleitenden Seifenvorhänge, bis sie in plätschernden Strömen bodenwärts rinnen und erschaffe mit aller mir gebotenen Kraft ihre Nacktheit neu, tobe auf ihrer Haut mit Mustern meiner unzähligen Strahlen. An manchen Stellen -ich weiß nicht warum- verharrt sie länger, obwohl die Seife schon lange fort ist. Auch die dunkle Verschattung zwischen ihren Beinen hat sie trotz intensivster Bemühungen nie wegwaschen können. Und ich weiß, wie sie das quält. Immer wenn sie dort zugange ist, verändert sich ihr Gesicht. Zwar bleiben die Augen geschlossen, aber das Lächeln entschwindet und es erscheint ein Ausdruck erhöhter Konzentration, als gelte es, eine komplizierte Bedienungsanleitung in Blindenschrift zu lesen. Ich weiß nicht, ob sie verstand, was sie da las. Aber es muß sie sehr beschäftigt haben. Jedesmal auf neue.
Kurz bevor es mir dann zu langweilig wird, stöpselt sie mich wieder auf die Halterung zurück. Rechtzeitig genug für uns beide, um zu verschnaufen. Schlagartig erlischt der Wasserdruck und mit einem Ausatmen verläßt sie und der Dunst die Dusche. Ich sehe noch kurz ihr wippendes Hinterteil und freue mich auf morgen. Kollege Plastetür wird mich dann aus tausend neuen Augen bedeutungsvoll ansehen und der Seifenhalter grummelt wie eh und je.

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Ah, dankeschön! Hat Spaß gemacht, die Story zu lesen, viele witzig-erotische Anspielungen, und die Naivität ist auch gut verpackt. Gibt's nix zu meckern...

Ich sehe noch kurz ihr wippendes Hinterteil und freue mich auf morgen.

Ich freue mich schon auf den nächsten Text von Dir ;)

San

 

Ich finde die Geschichte auch ganz amüsant. Ist mal was anderes... ;) Und auch keine gewöhnliche Liebesgeschichte... hihi :D

Griasle
stephy

 

Zuviel Werbung geguckt? :D

Du hast wirklich eine erstaunliche Phantasie, ich kann mich Rabenschwarz nur anschließen.
Bis auf diesen Satz:

Sie stiehlt sich dazu aus meinem Wasserstrahl, und zur Strafe erwachsen fast augenblicklich überall auf ihrer Haut hauchzarte kindliche Erhebungen, durchbrechen den Film von Nässe und auf jeder Brust, umgeben von einer Aura in zarten Rosa wölbt sich erhaben um vieles größer es muß wohl die Mutter von ihnen allen sein (oder die Königin? ... aber warum zwei?) hervor.
Der ist irgendwie total verunglückt. Und wenn ich schon mal dabei bin, ein Haufen Flüchtigkeitsfehler haben sich eingeschlichen, die solltest du noch mal überarbeiten.

Menno, Männer haben es viel einfacher, ihre erotische Phantasie auszutoben. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre ein Duschkopf und ein Mann würde unter mir duschen, das ergäbe doch höchstens eine total bissige Satire. :D :D :D


Gruß.....Ingrid

 

Ich finds echt total gelungen.
am anfang denkt man so ein bisschen, dass es kindlich ist.
Aber du hast auf jedenfall meinen Respekt. Und auch kleine Schönheitsfehler schaden der Geschichte nicht.
mach weiter so...
greez Lulu

 

Hallo Abyssal,

das Entscheidende an diesem Text scheint mir die Wahl der Perspektive. Das ist wie eine epische List, ein erzählerischer Trick, mit dem man den Beobachtungen neue Ursprünglichkeit geben kann. Ähnlich wie bei der Froschperspektive sind diesem Gegenstand, der zur Person wird, viele Verhaltensweisen der Menschen unerklärlich. Aber er beobachtet genau und hinterfragt. Weil es der Leser, oder die Leserin, nun aber besser weiß, fühlt er/sie sich direkt angesprochen, vielleicht manchmal auch ertappt. Deshalb hat der Text einen gewissen Reiz.

Hans Werner

 

Hallo ihr

Danke für eure Kommentare.

@Rabenschwarz: wie versprochen ... garantiert ohne Philosophie ;-)
@itschi:

Männer haben es viel einfacher, ihre erotische Phantasie auszutoben
Es kommt bei der Geschichte - wie Hans Werner es auch andeutet - zu unbewußten "Fehlleistungen" in der Textwahrnehmung. Die Akteure haben zueinander lediglich ein einseitiges Sympathie/Neugierverhältnis und der Duschkopf kann eigentlich überhaupt nichts mit ihr anfangen: er liebt sie nicht und findet sie auch nicht erotisch. Im Gegenteil: Nimmt man die Geschichte ernster als nötig ;-) ... verfügt der Duschkopf über eine eigenständige "Erotik" (Wasserdruck), die aber niemand als solche wahrnehmen und benennen wird, weil es zu befremdlich ist. Der vordergründige erotische Eindruck leitet sich nur aus der beschreibenden, voyeuristischen Sicht ab. Diese ist jedoch fast völlig neutral gehalten. Die interessante Frage ist nun: Woher kommt die Erotik? Ich tippe auf unbewußte ergänzende Visualisierungen beim Leser ;-)
@Hans Werner: Nach meinem Empfinden kommt hier eher ein psychologischer Effekt zum Tragen. Vermenschlicht man an sich unbelebte Gegenstände, erhalten sie scheinbar analog die selben Möglichkeiten, über die auch der Mensch verfügt: Wahrnehmung, Bewußtsein, Persönlichkeit, Sexualität ... alles was man will. Für Lebewesen funktioniert das wiederum nicht mehr. Eine Spinne in der Dusche z.B. könnte wahrscheinlich das Stigma ihrer Primitivität nie ganz ablegen. Einem Tier wird man also all jene Freiheiten nicht mehr unreflektiert "zugestehen", weil es bereits über eine eigene, festgelegte Wesenhaftigkeit verfügt. Ein Duschkopf hingegen kann und darf alles. Das ist phantastisch ;-)

Grüße Martin

P.S.: Die Fehlerkorrektur ist in Arbeit. Danke für die Hinweise.

 

Und nimmt man die Geschichte nicht nur ernster als nötig, sondern ganz ernst, kann man nur noch mit dem Kopf schütteln und sich denken: So ein Schwachsinn, ein Duschkopf kann doch gar nicht denken und sehen und fühlen. :D

Also bleibe ich lieber bei meiner "Freudschen Fehlleistung" und genieße
ganz ungehemmt, was mir mein Unterbewußtsein suggeriert.
Ab und zu darf man ja wohl auch noch an sein Vergnügen denken, oder? :D

Gruß.....Ingrid

 

@Abyssal...ich les' den anderen Text bald noch mal...und kommentiere auch gerne ausführlicher/kritischer, wenn du möchtest, war nämlich viel interessantes drin...muß nur erst die Birne ein bißchen freikriegen...Klick von mir ist Dir aber in jeder Kategorie garantiert :-)

@Ingrid...

Menno, Männer haben es viel einfacher, ihre erotische Phantasie auszutoben. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre ein Duschkopf und ein Mann würde unter mir duschen, das ergäbe doch höchstens eine total bissige Satire.

Ich wollte es erst nicht sagen, aber mußte jedesmal lachen, als ich an den Kommentar von Dir dachte...wär doch lustig, so nach dem Motto "Duschkopf denkt, als Er druntersteht: Hätt' er das Ding weiter oben, bräuchte er mich doch gar nicht, oder?"...konnte es mir dann doch nicht verkneifen... :D


Ich bin ja echt keine Super-Emanze...aber in diesem Fall gehen die Ästhetikpunkte klar an die Frau...

San

 

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