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04.07.2001
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Der Zug hielt an, und mit einem lauten Zischen öffneten sich die Türen, durch die sich bald darauf die Jugendlichen drückten und schoben. Ich trat auf den offenen Bahnsteig hinaus, stellte meinen Koffer auf den Asphalt, und schaute mich um. Zwischen all die vertrauten Gesichter meiner Schule und meiner Freunde mischten sich immer mehr der anderen Schulen, die mit auf diesen Ausflug gefahren waren. In den Abteilen hatten wir noch alle getrennt gesessen, doch nun durchdrängte und durchmischte sich die Masse.
Ich sah viele meiner Freunde, wie sie mir zuwinkten und deuteten zu ihnen zu kommen, einige klopften mir auf die Schulter, als sie sich an mir vorbeidrängten und mich mit der Vorfreude eines Abenteuerers in ihren Augen anlächelten. Doch ich stand da und konnte ihnen keine weitere Beachtung schenken, denn meine Blicke hingen an einem Mädchen fest, dass unweit von mir auf dem Bahnsteig stand und ihr Gepäck abstellte. Eine kleine schwarze Sporttasche und ein großer Gitarrenkoffer. Dann schaute sie hinaus auf die Gleise, von wo wir gekommen waren.
Die strahlende Herbstsonne umspielte ihr Gesicht und ließ sie die Augen sanft zukneifen. Trotz der Sonne war es kühl und frisch, so dass sie den Kragen ihres langen schwarzen Mantels, den sie trug, hochschlug und ihrem Atem nachschaute, während sie ihre Hände in den grauen Wollhandschuhen ein paar mal gegeneinander schlug. Ein Windstoß erfasste ihre braunen Haare und blies ihr ein Strähne ins Gesicht, die sie mit einer Hand wieder wegstrich. Ihr Bild stand wie eine Fotografie vor meinen Augen und blieb es auch noch lange Zeit nachdem ich die Hand eines meiner Freunde am Ellenbogen spürte, der mir etwas zumurmelte und mich mitzog.

Das Hotel war gigantisch. Wir standen in der Eingangshalle, die von einer gewaltigen Glaskuppel überspannt wurde. Ich fühlte die Wärme der Herbstsonne, deren Strahlen das Glas hindurch ließ, um gleichzeitig die Kälte draußen zu lassen. Wir warteten, bis wir einchecken konnten, doch das einzige auf das ich wartete, war das Mädchen wiederzusehen. Meine Blicke durchstriffen die Halle, ohne sie irgendwo auszumachen. Doch dann sah ich sie. Sie saß mit einigen ihrer Freundinnen auf einer schwarzen Ledersitzgarnitur, etwas abseits des Treibens. Sie redete mit ihren Freundinnen, scherzte – und lachte. Ihr Lächeln ließ mein Herz in meinen Schläfen pochen und zwang mich tief durchzuatmen. Doch dann wurden meine Blicke von ihr abgelenkt, weil sich ein rießiger Schatten über die Halle schob.
Ich schaute hinauf zu dem Kuppeldach, doch es war nur ein einziges kleines Blatt, dass sich sanft darauf nieder legte. Ein herbstlich buntes Blatt, dass ein Baum irgendwo abgeworfen hatte, und das durch das Spiel desWind hierher geweht worden war.


Dann ging ich plötzlich einen Hotelflur hinauf. Der Boden und die Wände waren mit rotem Samt überzogen und wirkten überwältigend, ohne abgeschmackt zu sein. Helles Tageslicht, von dem ich mir nicht erklären konnte woher es kam, durchflutete den gesamten Gang.
Ich kam wohl von der Hotelbar, wo ich mit meinen Freunden die Ankunft gefeiert hatte, denn ich spürte noch die Wirkung einiger Cocktails in meinem Kopf. Doch mit einem mal war diese Wirkung verflogen, und ich fühlte mich durch etwas anderes wie betrunken.
Am Ende des Ganges öffnete sich eine Zimmertür und das Mädchen trat hinaus auf den Flur. Sie schloß die Tür hinter sich und kam dann langsam den Flur hinunter. Ich fühlte den Drang einen Moment erschrocken stehen zu bleiben, doch ich zwang mich weiterzugehen. Ich traute mich nicht in ihre Augen zu schauen, und so blieb ungewiß, wo sie hinblickte.
Sie trug eine verblichene, am Bund zerfranste Jeans Hose und eine etwas dunklere Jeansjacke, die sie nicht zugeknöpft hatte. Darunter ein weißes Top, und eine silberne Kette um den Hals, an der ein großen Kreuz hing.
Als sie an mir vorbeiging senkte ich den Blick und schaute auf den Boden. Das war etwas, was mich nahezu erschrak, denn ich senkte niemals den Blick vor jemandem. Doch nun konnte ich nicht anders. Im Vorbeigehen streiften unsere Schultern leicht aneinander vorbei, und ich fühlte mich wie von einer milden Windböe erfasst. Meinen Blick immer noch auf den Boden gerichtet sah ich, wie sie etwas verlor. Es war das herbstliche Blatt, dass unbestimmte Zeit zuvor auf der Glaskuppel gelandet war, welches nun in Zeitlupe geräuschlos auf den roten Boden fiel. Ich blieb stehen, hob es auf und drehte mich zu dem Mädchen um. Das spröde Blatt in meinen Händen stand ich da und schaute ihr nach. Ich wartete bis sie sich einmal zu mir umdrehen würde, doch sie tat es nicht. Ich stand bewegunglos und blickte ihr einfach nach. Doch da, als sie aus dem Flur in einen anderen einbog, blickte sie tatsächlich einmal kurz über ihre Schulter zu mir zurück, ehe sie verschwunden war.

Ich fasste Mut und folgte ihr mit schweren Beinen. Es war absolut still, und der weiche Boden dämpfte jeden meiner Schritte. Ich bog ebenfalls in den Gang ein, in den sie verschwunden war, doch – der Gang war leer. Wie nach einer Erklärung suchend schaute ich auf das Blatt in meinen Händen, als wenige Meter hinter mir ein leises Klingeln verlautete, dass ein Aufzug ankam. Ich drehte mich um und schaute, wie sich die Türen langsam auseinanderschoben. Doch niemand trat auf den Gang hinaus.
Mit einmal war der gesamte Flur stockdunkel, und nur das fahle Licht aus dem Aufzug beschien eine kleine Fläche. Ich ging langsam zurück und trat vorsichtig hinein in das diffuse Licht, um in den Aufzug zu schauen. Doch er war leer.

Da legte sich eine Hand von hinten auf meine Schulter und ich drehte mich um.
Es war das Mädchen, dass dort stand und mich mit ihrem wunderbaren Lächeln aus dem Halbschatten heraus anschaute.
»Du hast dieses Blatt verloren ? Ich wollte es Dir wiedergeben.«
Sie lächelte nur und schüttelte wortlos den Kopf.
»Du hättest gerne meine Handynummer, stimmt’s? Und übrigens Janosch, ich heiße Vanessa.«
Ich war überrascht über diese Frage, und irgendwie erschien sie mir für diesen Moment unpassend. Doch sie lachte leise auf und verzauberte auch diesen Augenblick. Dass sie meinen Namen genannt hatte, bemerkte ich nichteinmal, und es wurde mir erst später bewußt.
So konnte ich nicht antworten, und sie griff in ihre Hosentasche, um etwas herauszuziehen und mir in die Brusttasche meines Shirts zu stecken.
Dann schob sie sich an mir vorbei und stieg in den Aufzug ein, dessen Türen sich hinter mir schlossen und mich im Dunkeln stehen ließen. Ich wollte mich noch umdrehen und ihr etwas nachrufen, doch ich tat es nicht.
Dann griff ich in meine Brusttasche und zog heraus, was sie vor wenigen Sekunden dort hineingetan hatte.
Es war ein Bonbon – ein tiefrotes Bonbon.
Sonst nichts...

Und dann bin ich aufgewacht – lag im Dunkeln und schaute ... auf die tiefroten Digitalziffern meines Radioweckers.

[Beitrag editiert von: MarcusSeptimus am 24.02.2002 um 15:57]

 

Daß er einfach aufgewacht ist, fand ich etwas enttäuschend... :( Aber ansonsten aht mir die Geschichte ganz gut gefallen. :) Das Mädchen sah ja echt gewöhnlich aus... hihi... :rolleyes:

Griasle
stephy

 

Wollte jetzt nix weiter zur Geschichte sagen, nur ne kleine Korrektur: es heißt "sreiften" nicht "striffen". Oder hat die neue deutsche Rechtschreibung da wieder zugeschlagen? ;)

@stephy: Was meinst Du denn mit "gewöhnlich"?

 

Hallo ihr.
Also ganz ehrlich gesagt finde ich diese Geschichte nicht unbedingt besonders gut....
Klar-sie hat etwas, aber zu wenig ;)
Diese "Geschichte" ist quasi nur die Niederschrift eines Traumes, den ich vor wenigen Tagen hatte ...

Dennoch bedanke ich mich für eure doch positive Kritik, ich denke wenn ihr mal Zeit dazu habt meine beiden anderen Geschichten (Neujahrstraum und Angekommen) zu lesen, seit ihr ein bischen besser bedient :)

Striffen ? Streiften ?
:confused:
Ich habs mal geändert.

Bis dann. Marcus

 

Jepp, das mit "striffen" ist mir auch aufgefallen, jetzt im Nachhinein... :rolleyes: Und ich glaube, das heißt auch "winkte", weil ich nämlich früher auch immer "wunk" schrieb und das dann um die "Ohren gehauen" bekam. Aber ich kann mich natürlich auch irren... :rolleyes:

Mit "gewöhnlich" mein ich, daß heutzutage jedes Mädchen Jeanswesten und Jeanshosen und ein Top dazu anhat. Tops vor allem; wahrscheinlich noch mit Spaghettiträger... Jaja, woher kenn ich das nur... :rolleyes:

Griasle
stephy

 

hab da auch noch einen: "verblichene" Jeans, nicht "verbleichte". ;)

Insgesamt nicht schlecht, ich stimme Dir aber zu: bau sie noch weiter aus, gib Deinen Protagonisten noch etwas mehr Inhalt, füll sie mit Leben! Und ein bißchen mehr "Drumherum" (warum sind sie da? Was ist das für ein ausflug? Warum tauchen das Blatt und das Märchen ständig gemeinsam auf? etc.) wird der Geschichte auch noch gut tun!
Insgesamt aber ein recht vielversprechender Anfang, finde ich, weiter so!
Gruß,

chaosqueen <IMG SRC="smilies/king.gif" border="0">

 

Ja. Es heißt wirklich winken-gewinkt. Nicht gewunken. :rolleyes:

Verblichene Jeans hört sich verdammt morbide an - ist aber laut Duden auch richtig.

Also Danke nochmal - und auch dDanke für Deine Verbesserungsvorschläge, Chaosqueen - aber ich werde nichts mehr an dieser Geschichte ändern - eben weil (wie bereits zuvor erwähnt) es nur die Niederschrift eines Traumes ist, der genau so war. Und so möchte ich ihn auch "konservieren" ;)

Weiterhin dankbar für jede Kritik. Marcus

Also read:
-Neujahrstraum (seltsam)
-Angekommen (seltsam)

 

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