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Sinnestäuschung

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25.01.2002
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Sinnestäuschung

Ich bin als Zeuge in einem Mordprozess vor Gericht geladen. Von meiner Aussage könnte es abhängen, ob der Beschuldigte verurteilt wird und die nächsten fünfzehn Jahre hinter Gittern verbringen muss, oder ob der Prozess mit einem Freispruch endet. Ich soll also sagen, wie es gewesen ist. Nein, das kann ich nicht. Nicht, dass ich es nicht will. Natürlich will ich helfen, die Wahrheit zu finden. Seit gestern kann ich es aber nicht mehr. Dabei war ich mir vorher so sicher, wie sich alles abgespielt hatte. Bis gestern wusste ich noch ganz genau, was ich dem hohen Gericht sagen würde. Schließlich hatte ich die Tat mit eigenen Augen gesehen. Doch jetzt habe ich starke Zweifel, ob es sich dabei um die Wirklichkeit handelt oder ob ich mir das alles nur im Nachhinein zusammen gereimt habe.

Denn gestern saß ich in einer riesigen Halle, mit mir einige hundert andere Menschen. Ein Dutzend Leute wurde wahllos aus dem Publikum ausgewählt, auf die Bühne zu gehen. Sich dann auf Stühle zu setzen, welche auf einem Podest standen. Diese zwölf Leute erhielten jeder eine Taschenlampe, mit der sie dem Publikum zuwinkten. Nun fiel von oben eine Plane über das Podest. Aber durch diese Plane hindurch konnte man noch das Leuchten der sich hin- und herbewegenden Taschenlampen sehen. Alsdann wurde das Podest mit den zwölf taschenlampen schwenkenden Menschen von einem Kran nach oben gezogen, so dass es nunmehr frei in Raume schwebte, über den Köpfen der Zuschauer in den ersten Reihen.
Dann plötzlich gab es einen Blitz, einen Knall, die Plane flog weg, und auf dem Podest waren nur noch zwölf leere Stühle... Die Menschen waren verschwunden... Einfach weg...
Erstaunen bei den Zuschauern. Nein, kein Entsetzen. Es war ja nur eine Show.
Der Lichtkegel fuhr hoch auf die Tribüne, etwa fünfzig, sechzig Meter von der Bühne entfernt. Und da standen sie: die zwölf Leute aus dem Publikum, und schwenkten weiterhin ihre Taschenlampen...

Ich saß ziemlich weit vorne, konnte also alles genau erkennen. Und ich habe die Sache so geschildert, wie ich sie gesehen habe. Nun gut, es war die Show von David Copperfield. Der Meister hat das so inszeniert, hat mit Absicht die Leute getäuscht. Aber vor Gericht hätte ich geschworen: „Ich habe GESEHEN, dass ein Dutzend Menschen im Bruchteil einer Sekunde von der Bühne fünfzig Meter weit auf die Tribüne gebeamt wurden...“

Das gestern war eine Show. Doch der bevorstehende Prozess ist Realität. Hier geht es um Wahrheitsfindung. Doch jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Was werde ich dem Richter sagen? Was habe ich denn eigentlich gesehen?? Und was habe ich mir hinterher zusammengereimt, damit es passt?

Es war ja dunkel, und in dem Fenster im ersten Stock brannte Licht. Und dann war da diese Gestalt, die immer so hektisch vor dem Fenster hin- und herlief. Sie hatte lange schwarze Haare. Dann sah ich eine zweite Person, groß und kräftig. Und dann flog die Vase durchs Zimmer. Danach war Ruhe. Nichts tat sich mehr. Ich blieb vielleicht noch fünf Minuten stehen, blickte auf die Uhr. Es war genau viertel nach zehn Uhr abends. Ja, und dann ging ich weiter.

Vier Tage später las ich es in der Zeitung: Der Mord an dieser Frau. Genau in besagter Wohnung. Sie wurde von einer schwarzen Vase am Kopf getroffen, stand da. Ich meldete mich sofort bei der Polizei. Ich hatte ja alles gesehen und konnte sogar den Tag und die Uhrzeit genau angeben. Der Arzt hatte den Todeszeitpunkt nur recht vage bestimmen können.

Als ich das Foto des Angeklagten in der Zeitung sah, wusste ich sofort: Das war der Mann, den ich in der Wohnung gesehen hatte. Auch die Vase, die durchs Zimmer flog und die Frau tötete. Es passte perfekt!

Doch seit der David-Copperfield-Show habe ich Zweifel. Was hatte ich denn wirklich gesehen, überhaupt sehen können auf die Entfernung? Die Sache mit der Vase habe ich doch erst aus der Zeitung erfahren. Es konnte genauso gut ein Kissen sein, das durchs Zimmer flog. Und dass sich danach nichts mehr tat. Na, dann haben sich die beiden eben nach der Kissenschlacht ins Schlafzimmer verzogen... Und der Mann? Hatte ich ihn überhaupt gesehen? Oder war das nur ein Schatten? Hatte ich mir die Person dazu nur eingebildet? Im Fenster stand doch auch noch die Yucca-Palme, die den Blick aufs Zimmer teilweise versperrte.

Was soll ich dem Gericht sagen? Und wie wird meine Aussage dann ausgelegt? Könnte sie am Ende gar einen Unschuldigen belasten? Gesehen habe ich... ich versuche mich zu konzentrieren ...eigentlich nur die Frau, die da immer so hektisch hin und her rannte. Und die Uhrzeit, ja die stimmt auch. Aber der Gegenstand? Wenn das nun ein Vogel war, der vor dem Fenster herflog. In der Dunkelheit kann man das doch gar nicht ausmachen. Vor dem Fenster? Im Zimmer? Schwarze Vase? Großer Vogel? Da bewegte sich irgend etwas Dunkles schnell in waagerechter Richtung. Genau das habe ich gesehen und mehr nicht. Und danach tat sich am Fenster nichts mehr. Das weiß ich auch ganz genau.

So werde ich es dem Richter sagen.

 

Hallo!

Öh, tja, und nun? Ich mein, gut, Coppperfield is schon cool und so, aber, äh, was noch? Soll heißen: Aussage??

Vielleicht hatte ich im Gesellschafts-Forum kritischere Sachen (aussagekräftigere Sachen) erwartet, nun ja...

Abgesehen davon sind ein paar Beschreibungen recht wirr:

Und dann flog die Vase durchs Zimmer.
Und:
Es konnte genauso gut ein Kissen sein, das durchs Zimmer flog
Müsste die Vase, die du vorher zu sehen geglaubt hast, nicht irgendwo ankommen müssen?? Oder hat sie jemand aufgefangen?? Scheppern Kissen? Mir will nicht in den Kopf, wie man glauben kann, eine Vase mit einem Kissen bzw. einem Vogel verwechseln zu können. Was ist das für ein Vergleich???

Und:

Im Fenster stand doch auch noch die Yucca-Palme, die den Blick aufs Zimmer teilweise versperrte.
Ach so, das erklärt einiges.

Bitte um mehr Resonanz, liebe kg.de-ler!!

mfg,
kc

 

Wenn ich hier die falsche Kategorie erwischt habe, bitte ich um Entschuldigung.

Die anderen Punkte deiner Kritik sind schlichtweg Quatsch. Ich nehme an, du hast die Geschichte nicht gründlich gelesen.

Du kannst nicht auf 50 Meter Entfernung hören, was sich in einem Zimmer abspielt. Und in der Dunkelheit wirst du nicht erkennen können, um was für einen Gegenstand es sich handelt.

Genau das ist ja die Crux hierbei.

 

Hallo Rabi!

Es sind sehr feine Gedanken, die Du Dir da machst. Würden nur mehr Menschen, die glauben, über etwas die Wahrheit zu kennen, so darüber nachdenken, wie in dem Fall Dein Protagonist, es gäbe weniger falsche Gerichtsurteile auf der Welt, aber auch allgemein weniger Mißverständnisse.

Diese Geschichte regt zum Nachdenken an und ist flüssig geschrieben - gefällt mir!

Alles liebe
Susi

 

Hola, Rabi,
diese Geschichte gefällt mir wesentlich besser als die Telefon-Sache!!!
Eben dass eine Kritik dahinter steckt, ohne wie ein erhobener Zeigefinger zu wirken.
Die Rubrik ist gut gewählt, ebenso wie der sprachliche Stil.
Ansonsten kann ich mich Häferl nur anschließen!!
Mehr davon!
Lola

 

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