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Sol Invictus

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19.05.2015
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Sol Invictus

Der Tag verschwindet, hinterlässt unter dem Nebel etwas Rosa, dann Rot, schließlich Schwarz. Akulina blickt aus dem Fenster. Er könnte so schön sein, der Abend. Frühling liegt in der Luft. Über die Straßen streunen Katzen und Hunde zwischen den Patrouillen, sonst niemand. Grollen und Zischen, Poltern und Beben überziehen die Stadt, mal näher, mal ferner. Lichtblitze steigen zum Himmel auf, leuchten, verglühen, ein unablässiges Feuerwerk.

Zeit aufzubrechen, bevor die besten Plätze belegt sind. Akulina wäscht sich die Hände, aber der Staub sitzt überall, ein Film, der sich über die Haut zieht. Sie schultert den Rucksack mit dem Wichtigsten, Papieren, Wasser, Schokolade, Buchweizen für den Notfall. Dann ruft sie ihre Tochter. Natalias presst ihre Puppe fest an sich. Sie hat sie Nadeschda getauft. Eine blonde Haarsträhne legt sich über ihr linkes Auge. Es ist sinnlos, in den Keller zu gehen, ruft Nadeschda, aber niemand hört sie. Im vierten Stock ist es nicht sicher, nirgendwo über der Erde ist es sicher. Im Treppenhaus hallen die Schritte. Das Geheul ebbt auf und ab. Die Bewohner sammeln sich. Jeder trägt die eigene Last. Mutter und Tochter halten sich aneinander fest. Der Vater ist irgendwo da draußen und schickt jeden Tag Fotos, auf denen er sich zu lächeln bemüht.

Zwei Stockwerke unter der Erde. Das Haus ist alt, solide gebaut. Die Sirenen tönen hier milder, gedämpfter.
Vor der eisernen Tür wartet der Hausmeister, hat die Arme verschränkt und steht breitbeinig auf dem Betonboden. Er begrüßt Akulina und Natalia mit einem Nicken und streicht über Nadeschdas Puppengesicht. Unter seiner Schiebermütze lugt schütteres Haar hervor, ein alter Mann, der Schlüsselträger des Wohnkomplexes. Boris hebt den Arm und weist den Weg: „Sucht euch einen Platz. Ihr seid bei den Ersten, habt die freie Wahl.“
Der Nachbarsjunge kommt mit seiner Mutter dazu. Sie stellen sich hinter Akulina und Natalia. Der Junge heißt Dmitri, sieben Jahre alt. Natalia erschrickt, als er schreit, man müsse alle Feinde töten. Boris schaut ihn verwirrt an und hält den Zeigefinger vor den Mund.
An den Wänden sind mächtige Rohre angebracht, Lüftung, Heizung, ein Weg nach draußen. Sie finden einen Platz in einer der Nischen zwischen den Abteilen, wo die Hausbewohner ihre Sachen lagern, alte Schränke, Gerümpel. Es gibt keine Stammplätze. Gestern verbrachten sie die Nacht auf dem schmalen Gang. Wer dort lagern muss, fühlt sich schutzloser. Die Mauern vibrieren. Auf dem nackten Boden liegen Sterne. Akulina fegt sie mit dem Handrücken beiseite. Das Paradies ist weit entfernt. Sie breitet die Iso-Matten aus, die sie für den Strand, für eine Sonnenwelt, gekauft hat, und legt die Decke darüber. Dann nimmt sie die Zeltstangen und baut den Unterschlupf, ein zusätzliches Dach für Natalia. Die Daunenjacken sind luftgepolstert, ein fadenscheiniger Schutz an der rauen Wand. Für einen Moment schließt sie die Augen, während ihre Tochter sich einrichtet, die Puppe platziert, die Vorräte aus dem Rucksack hinlegt. Die Nacht wird lang, aber irgendwann werden die Träume kommen, solche und solche.

Leo, der alte Mann aus der dritten Etage lässt sich an der Ecke zum Gang nieder. Er riecht nach Harz und Nadeln, als käme er aus einem Wald. Er trägt Kippa und hält ein Bündel in der Hand. Seit Akulina eingezogen ist, lebt er allein, wahrscheinlich war er schon da, als das Haus gebaut wurde.
Als Boris die Tür doppelt verschlossen hat, ballt Akulina eine Faust. Natalia schmiegt sich an sie. Ihre Mutter öffnet die Hand wieder und streicht über die feinen Haare ihrer Tochter. Akulina erinnert sich nicht, Leos Stimme je gehört zu haben. Aber heute fängt er an zu sprechen, aus dem Bauch heraus.
„Guten Abend, ihr drei. Darf ich euch und deiner Puppe eine Geschichte erzählen?“
„Nadeschda mag Geschichten“, antwortet Natalia.
„Du hast der Puppe einen guten Namen gegeben.“
„Findest du?“
„Oh ja. надеяться bedeutet Hoffnung.“
„Etwas Schönes“, sagt Akulina.
Leo nickt: und lächelt: „Der Name meiner Mutter war Ruth Baruch. Sie ist vor einigen Jahren gestorben. Hier in der Stadt hat sie zuletzt gelebt. Ruth ist ein jüdischer Vorname, schön, wohlklingend, jedenfalls in meinen Ohren. Namen tragen etwas in sich, ein Geheimnis, ein Zeichen, malenkaya, deshalb hast du deine Puppe auch Nadeschda getauft. Wenn ich die Augen schließe und an meine Mutter denke, höre ich ihre feine Stimme. Immer wieder dieselbe Geschichte hat sie erzählt, immer nur diese eine, wahrscheinlich, damit ich sie nie vergesse, vielleicht auch, weil sie sonst überhaupt nichts aus ihrem Leben erzählt hat, mag sein, sie wollte, mag sein, sie konnte es nicht. Sie flüstert ein wenig, aber hör ihr einfach zu.“

Zu dritt waren wir, drei Freundinnen. Wir stapelten Wäsche, sortierten die Kleider der Angekommenen. Manches roch nach Angst, anderes nach Kernseife und manchmal fanden wir Blusen, die nach Lavendel oder Kölnisch Wasser dufteten. Ein Stapel mit Hosen, einer mit Röcken, einer mit Kleidern, einer mit Jacken, einer mit Oberbekleidung, getrennt in Blusen und Pullover, ein Haufen mit Schuhen. Die Unterkleidung legten wir extra. Damit war nichts anzufangen, sagten die Kapos. Ab und zu fanden wir Spitzenwäsche. Dann stellte ich mir vor, wie zart sie sich auf der Haut anfühlte. Vieles war noch warm von den Leibern der Frauen, die sie kurz zuvor noch getragen hatten. Oder wir bildeten es uns ein.
Wir wagten es nicht, etwas zu stehlen. Das Lager, in dem wir arbeiteten, war riesig, so viel Platz nur für Kleidungsstücke. Berge türmten sich auf. Wir brachten zurück, was wir uns für die Nacht geliehen hatten. Ganz selten geschah es, dass wir zwischen den Sachen Perlen fanden. Oft zupften wir die Haare ab, die sich auf der Wolle verfangen hatte. So verbrachten wir unsere Tage, unterbrochen von Suppe, Wasser, Kartoffeln.
Aber wenn wir zu unserer Schlafstatt kamen, richteten wir uns ein, so gemütlich es ging, bauten uns eine eine Burg. Und all die Menschen, denen die Sachen gehört, die sich im Spiegel angeschaut, ihre eigene Silhouette begutachtet hatten, sich fragten, ob es ihnen stünde, was sie trugen, waren dann bei uns. Ihre Seelen, ihre Geister sprachen mit uns. Wir hörten ihnen zu, weil sonst nichts mehr anderes blieb. Wir lagen eng, aber wir lagen zusammen, Rahel und Sofia und ich. In einem schmalen Bett in der dritten Etage, die man uns als Nachtlager zugewiesen hatte. Wir bauten uns eine Höhle, so weitläufig, so tief, dass keiner uns finden konnte. Wir sangen die Lieder der Kindheit, sodass die Töne in die Höhe stiegen, der weiße Rauch unserer Herzen. Wir hielten uns aneinander fest und erzählten einander vom Frühling und Sommer, was wir von Schmetterlingen und Vögeln wussten, von Kaninchen und Rehkitzen.
Wir weinten, das schon, auch die Verzweiflung überfiel uns an vielen Tagen wie Eisregen, aber niemals vergaßen wir, dass das Leben aus Innen und Außen besteht, dass das Paradies ganz nahe ist, dass niemand die Seele an sich zu reißen vermag. Deshalb ritzten wir einen Spruch ins Holz, den ich aus meiner Schulzeit kannte: Sol Invictus. Denn die Sonne besiegt an jedem einzelnen Morgen die Nacht.
Damals war unser Paradies hinter Stacheldraht, zwischen zwei- und vierbeinigen Hunden, die ihre Zähne fletschten, Stöcke, Gewehre und steinerne Gesichter trugen. Aber wir hatten uns. Wir waren unbesiegbar. Keiner konnte uns etwas antun. Rahel und Sofia sind nicht verloren gegangen, auch wenn ich sie nie wieder gesehen habe, nach all dem, trage ich die beiden bei mir, so wie du die Geschichte von Ruth Baruch bei dir tragen wirst.

Während Leo spricht, zittern unentwegt Wände, dumpfer Donner, Knallgeräusche schwellen an, ebben ab, Menschengeflüster breitet sich aus, verstummt. Natalja schließt irgendwann die Augen, umklammert Nadeschda. Akulina kauert vor dem Eingang, starrt ins Leere, bis Stille einkehrt, nichts die milchige Luft erfüllt.
Am Morgen sind Leo und Nadeschda weg. Wohin Akulina auch blickt, sie findet weder den alten Mann noch die Puppe. Verschwunden wie Geister, die durch verschlossene Stahltüren nach draußen schweben und von nichts und niemandem aufgehalten werden können. Natalia weint. Die Mutter drückt sie an sich.
Boris gibt schließlich das Signal, indem er gegen einen blechernen Eimer trommelt. Er steckt den Schlüssel ins Schloss, dreht zweimal.
Sie folgen den anderen nach draußen. Kalte Luft schlägt ihnen entgegen, durchsetzt von Ruß und Gummi. Wind setzt ein und weht den fremden Geruch weg. Ein grauer Himmel kündigt vorsichtig den Tag an. In der Ferne pulsieren Motorsägen, kratzen über Metall und Beton und Stein. Die Stadt ächzt. Ein paar Fahnen hängen aus den Löchern, die zuvor Balkone, ganze Wohnungen waren, hellblau oben, gelb unten.

Aus der Dunkelheit schält sich ein merkwürdiges Gebilde heraus. Es liegt dort, wo zuvor Bäume die Straße gesäumt haben, vom Himmel gestürzt, ein lebloses Nichts, verdreht, die Kanten an einzelnen Stellen gerade, an anderen abgerundet, das Metall geschmolzen, von Zufall oder Schöpfer zu bizarren Figuren zerschmolzen, als wüsste der Urheber nicht, welche Form das Gebilde annehmen solle, als wäre es nicht geschaffen für die Welt, auf die es stürzte, ein Engel, ein Stern, der mitten in der Stadt verglühte. Geschundenes Metall riecht nach den kalten Fängen des Winters, schmeckt nach dem bitteren Hunger der Tage, an denen Gott fern, Teufel und Tod nahe sind. Akulina spürt Hitze auf der Haut, wendet sich ab und zieht ihre Tochter mit sich fort.
Leo steht gleich daneben, birgt Nadeschda so vorsichtig im Arm, als wolle er sie nicht zerbrechen. In der Hand hält er ein Buch. Natalia rennt zu ihm.
"Ich habe auf sie aufgepasst, musste nur was aus der Wohnung holen."
Er gibt Natalia die Puppe. Sie wischt die Tränen ab.
"Und wenn du mal groß bist, lies dieses Buch."
Leo reicht es Akulina. Auf dem Cover ist eine Frau zu sehen, die auf dem Besen über einer Stadt reitet. Im Hintergrund sieht man die Zwiebeltürme des Kreml.
"Bulgakov, gut.."
"Ich muss los", sagt Leo und wendet sich ab. Er hat die Kopfbedeckung gewechselt, trägt nun eine dunkelblaue mit weißen Verzierungen am Rande, wie es Mütter für ihre Söhne häkeln.

Am Horizont wird die Nacht vertrieben. Ein Glutball steigt nach oben und wandelt dabei die Farbe. Aus Rot wird Rosa, aus Rosa gelb, bis über dem zarten hellblauen Himmel eine gelbe Sonne das Firmament bestimmt.

 

Bevor ich auf weiter auf die Kommentare eingehe, will ich was zu den aufgebauten Narrativen sagen, oder wie man die Hoheit über die Stammtische gewinnt oder wie eben anständig gemachte Propaganda funktioniert,
Nee, eigentlich gehe ich gar nicht mehr in Kneipen. Aber damit das nicht weiter ausufert, sollten wir die persönlichen Angelegenheit mal beiseite lassen. Übrigens editiere ich meinen Wikipedia-Eintrag nicht selbst, deswegen kann ich nichts dafür, dass da jeder Scheiß steht. Ich finde es auch gar nicht verwerflich, sich in jedes Thema hineinzuarbeiten und das fiktional zu verwerten, ich denke allerdings, dass man da eben bei einigen Themen die Grenzen des guten Geschmacks (oder was wir dafür halten) relativ schnell ausreizen kann. Ich erinnere nur an die Diskussion um Takis Würgers Stella, dem auch sofort Nazi-Kitsch vorgeworfen wurde, das ging ja breit durch die Presse, nach dem Motto: Darf man das? Man darf das, aber man muss damit rechnen, dass einige das suspekt finden. Das kann man immer von zwei Seiten sehen. Ich denke, man braucht für solche erzählerischen Entwürfe (aktuelles Kriegsgeschehen, Corona etc) Zeit und Distanz, alles was sofort zu Literatur gemacht wird, wirkt eben schnell zeitgeistig und dadurch auch auf eine Art angreifbar, weil es immer eine Agenda zu haben scheint, es ist nie einfach nur eine Geschichte, es wirkt so zielgerichtet. Und, wie du selbst weißt, gibt es ganz sicher Wettbewerbsprosa, ich erinnere an den Gewinnertext in Bad Godesberg. Wie man zu der steht, ist eine andere Frage. Ich habe auch kein Problem damit, wenn jemand sagt, ich versuche um jeden Preis einen Bestseller zu schreiben. Das wäre einfach nur ehrlich. Ich finde es nur bigott, wenn einer mit hehren Motiven kommt, aber im Grunde sich einschmeicheln möchte. Da reagiere ich dann vielleicht etwas drastisch.

 

Wenn ein Text in wenigen Tagen so viele Kommentare bekommt, dann muss er so gut oder so schlecht sein, dass er polarisiert. Also habe ich ihn gelesen, den Text. Und im Gegensatz zu @Maedy finde ich den Anfang nicht gut.

Die Sonne geht unter. Das kalte Grau des Tages verschwindet, …
Der erste Satz ist banal, und in dem zweiten ist das Adjektiv „kalt“ zu viel, weil abgedroschen; wenn es schon sein muss, dann bitte nur „Das Grau des Tages“.

Frühling liegt in der Luft.
Auch das ist abgedroschen und kann zudem nicht stimmen, wie es aus dem Text später hervorgeht – da ist von Staub die Rede, der wie ein Film auf der Haut liegt und ganz sicher nicht nach Frühling riecht, wenn er es in dieser Konzentration bis in den vierten Stock schaffte. Übrigens finde ich den Satz „Akulina wäscht sich die Hände, aber der Staub sitzt überall, ein Film, der sich über die ganze Haut zieht.“ unglücklich formuliert – und das nicht nur wegen des Adjektivs „ganze“. Das hat jemand zuvor auch schon bemerkt.

Der Vater ist irgendwo da draußen und schickt jeden Tag Fotos, auf denen er sich zu lächeln bemüht und Camouflage trägt.
Ja, „Camouflage“ kann an dieser Stelle weg. Ich weiß zwar, was du, @Isegrims, damit sagen willst, aber das kann man sicher anders lösen.

Und ja, in diesem Krieg sind Smartphones der Soldaten auf beiden Seiten omnipräsent und damit ein Segen, aber auch ein Problem – einerseits erfährt so die ganze Welt, was vor Ort passiert, andererseits kann der Feind aus Geodaten herauslesen, wo sich der Soldat bzw. die Soldaten befinden bzw. von woher sie gerade kommen. Diese Daten sie genauer als die, die ein Geheimdienst sie liefern könnte.

Die Sirenen tönen hier milder, gedämpfter, dabei weiß jeder, dass sich der Schall unter der Erde langsamer ausbreitet
Diese nachgereichte Erklärung ist entbehrlich, schließlich weiß das ja jeder.

Auf dem nackten Boden liegen Sterne.
Das wurde schon moniert: Was sind das für Sterne?

Es gibt noch mehrere Schreibfehler, die aber schon von anderen genannt wurden. Das Ende jedoch, das mit „Aus der Dunkelheit schält sich …“ beginnt, ist gut.

Die Geschichte lässt mich zwiespältig zurück. Weil mich der Schrecken des Krieges nicht erreicht. Weil sie in einem unbeteiligten, monotonen Stil erzählt werden. Staub, Blitze, Grollen, verbogenes Metall, das ist alles, was übrigbleibt. Die Angst der Bewohner des Hauses ist nicht greifbar, wenigsten eine direkte Reaktion auf eine Explosion in der Nähe müsste man schildern, schließlich vibrieren sogar die Mauern des Hauses. Aber da ist weder vor der eingeschobenen Geschichte Leos, die ja dazu dienen soll, die Geschehnisse um sie herum auszublenden, etwas Entsprechendes zu lesen, noch danach.

Der Geschichte fehlt das Wesentliche: Das Grauen des Krieges ist nicht präsent.

Insofern ist die ziemlich harsche Kritik mancher berechtigt. Aber ab und zu schießt sie über das Zeil, wie z.B. diese von @jimmysalaryman:

Selbst wenn es authentisch wäre, muss man es dann für einen fiktiven Stoff verarbeiten?
Das klingt nach: Über gewisse Geschehnisse oder Erfahrungen schreibt man besser nicht, selbst wenn man sie selbst erlebt hätte.

Obwohl es da so steht, will ich nicht glauben, dass du das tatsächlich gemeint hast.

Aber es kommt noch dicker:

Hättest du im Weltkrieg an der Front gedient oder wärst bei der Fremdenlegion oder hättest hautnah einen bewaffneten Konflikt miterlebt, könnte ich mir eher vorstellen, das du davon realistisch erzählst.
Das klingt nach: Nur wer etwas tatsächlich erlebt hat, kann realistisch davon erzählen. Dabei weisen wir Rechtfertigung der Autoren immer zurück, wenn sie sagen: „Aber das ist tatsächlich so passiert, das habe ich selbst erlebt.“

Manchmal, jimmysalaryman, schreibst du in deinen Kommentaren schlicht Müll.

 

Das klingt nach: Über gewisse Geschehnisse oder Erfahrungen schreibt man besser nicht, selbst wenn man sie selbst erlebt hätte.

Nein, Dion, so habe ich das nicht gemeint. Es ist ganz einfach eine Frage, was man ethisch vertreten kann. Selbst wenn ich verbrieftes Wissen habe, muss ich das dann auch erzählen? Muss ich alles fiktionalisieren? Manche Autoren zerrupfen ihre intimsten Familiengeheimnisse in Romanen und nennen es dann Autofiktion - da stelle ich mir einfach die Frage, wie das eigentlich mit der eigenen Verantwortung für Stoffe aussieht? Muss ich jedes Geheimnis für ein Publikum bar legen? Ich habe ein ähnlich gelagertes Problem in einem neuen, längeren Text, an dem ich arbeite, deswegen treibt mich das auch um, und deswegen sage ich nicht, es ist kategorisch so oder so, ich schließe das nicht aus, es ist ja eher eine Fragestellung: Muss man das? Muss man das schreiben? Und warum schreibt man das dann, aus welchen Beweggründen?

Das klingt nach: Nur wer etwas tatsächlich erlebt hat, kann realistisch davon erzählen. Dabei weisen wir Rechtfertigung der Autoren immer zurück, wenn sie sagen: „Aber das ist tatsächlich so passiert, das habe ich selbst erlebt.“
Wir hatten hier eine lange Diskussion über Authentizität, in einem anderen Thread, ich weiß nicht, ob du das mitbekommen hast. Da waren wir in einer Patt-Situation, unentschlossen im Grunde, weil ich auch der Meinung bin, dass ein Autor schlicht auch einfach ein guter Lügner sein kann und gerade deswegen so großartige Literatur produziert. Ich habe neulich auch einen gefakten Rollenprosatext über zwei Söldner im fiktiven deutschen Flickenteppich geschrieben, aber da war offensichtlich alles erfunden, das hat es nie wirklich gegeben, es ist eine Neuschöpfung, eine Art Münchhausenstory. Ich glaube aber, hier, in diesem Fall, liegt die Sache doch etwas anders. Hier haben wir keine zeitliche Distanz, es passiert jetzt, da ist die Frage der Betrachtung und der Fiktionalisierung doch eine andere; ich würde sagen, die ist ethisch schwieriger. Wenn jemand den Krieg tatsächlich erlebt hat, erzählt er davon anders, existenzieller. Das muss nicht immer unbedingt gute Literatur sein. Ich kann auch über den Krieg erzählen, ohne ihn selber erlebt zu haben: aber ich frage halt, wie das gehen soll, mit welchen Mitteln. Darf oder besser: sollte man reale Geschehnisse wie einen aktuellen Krieg überhaupt dramatisieren? Das sind ja grundsätzliche Fragen. Hier war der Text für mich so weit vom Kriegsgeschehen entfernt, das wirft natürlich genau solche Fragen auf. Vielleicht lässt sich diese Angst nicht recherchieren, ich weiß es nicht.

Manchmal, jimmysalaryman, schreibst du in deinen Kommentaren schlicht Müll.
Ja, das mag schon sein, Dion. Ich bin eben ein emotionaler Mensch, ich bin leidenschaftlich, was diese Themen angeht, da kann manches schon mal krasser oder überspitzer formuliert sein.

 

Hallo zusammen,

weil ich es jetzt schon öfters gelesen habe und mich wundere:

Die Sirenen tönen hier milder, gedämpfter, dabei weiß jeder, dass sich der Schall unter der Erde langsamer ausbreitet
Diese nachgereichte Erklärung ist entbehrlich, schließlich weiß das ja jeder.

Die Schallgeschwindigkeit in festen Medien ist gewöhnlich deutlich höher als in Luft, in Gesteinen so ungefähr zwischen 4 bis 11 km/s, während die Schallgeschwindigkeit in Luft bei ca. 340 m/s liegt. Was hier also als Allgemeinbildungsschauplatz dargestellt wird, erschließt sich mir in keiner Weise, sondern ist aus meiner Sicht falsch.

Was wahrscheinlich gemeint ist, ist die Dämpfung des Schalls, die dazu führt, dass die Sirene milder und gedämpfter klingt.

Die Dämpfung entsteht aber einerseits durch Reflexion bspw. an den Wänden und andererseits dadurch, dass die Wände in Schwingung versetzt werden müssen, um den Schall überhaupt übertragen zu können. Das führt natürlich zu Energieverlust. Mit der Geschwindigkeit hat das nichts zu tun.

Mir ist schon klar, dass das etwas Offtopic ist, aber nachdem es in der Geschichte steht und hier als fälschlich als allgemeingültig dargestellt wird, wollte ich das nicht so stehen lassen.

Beste Grüße
Geschichtenwerker

 

Es ist ganz einfach eine Frage, was man ethisch vertreten kann. Selbst wenn ich verbrieftes Wissen habe, muss ich das dann auch erzählen?
Komm mir nicht mit Ethik, @jimmysalaryman, denn ethisch vertretbar ist sehr nah an politisch vertretbar, sprich politisch korrekt, was automatisch eine Schere im Kopf bedeutet. Das kann in einer politischen oder religiösen Diktatur notwendig sein, aber nicht hier, in diesem Land, wo man für ethisch oder politisch unkorrekte Texte nur einen Shitstorm und ev. einen Rauswurf aus dem Verlag riskiert. Diese letzte Reaktion sehe ich sehr nah an Zensur, die es laut Verfassung gar nicht geben darf. Andererseits verstehe ich, wenn ein Verlag vorm Feuilleton einknickt, weil er schließlich davon lebt, bei der Literaturkritik gut wegzukommen. Aber ein Autor muss sich von solchen Überlegungen befreien, jedenfalls zunächst schreiben, was ihm auf der Zunge liegt – für Korrekturen, die ihm ev. vom Verlag vorgeschlagen werden, ist hinterher immer noch Zeit.


Und warum schreibt man das dann, aus welchen Beweggründen?
Beweggründe eines Autors sind wurscht, weil hinterher im Text meist nicht mehr sichtbar – die hilflose Rechtfertigungsversuche alla „Ich wollte doch nur …“ sind Legion, wenn der Text nicht so verstanden wurde wie vom Autor beabsichtigt. Noch schlimmer ist es, wenn die Beweggründe des Autors im Text sichtbar werden, denn dann heißt es: „Man merkt die Absicht – und ist verstört.“


Wir hatten hier eine lange Diskussion über Authentizität, in einem anderen Thread, ich weiß nicht, ob du das mitbekommen hast. Da waren wir in einer Patt-Situation, unentschlossen im Grunde, weil ich auch der Meinung bin, dass ein Autor schlicht auch einfach ein guter Lügner sein kann und gerade deswegen so großartige Literatur produziert.
Die Diskussion habe ich nicht mitbekommen, gleichwohl meine auch ich, man muss als Autor gut lügen können, d.h. authentischer sein können als die Realität. Wobei das fast nie eintritt, weil sich die Realität z.B. eines Krieges immer als grausamer herausstellt als man sich das vorstellen konnte – siehe dazu z.B. den Bosnienkrieg und da insbesondere die Ereignisse bei Srebrenica.


Ich kann auch über den Krieg erzählen, ohne ihn selber erlebt zu haben: aber ich frage halt, wie das gehen soll, mit welchen Mitteln. Darf oder besser: sollte man reale Geschehnisse wie einen aktuellen Krieg überhaupt dramatisieren?
Unbedingt. Ein Autor ist kein Historiker, der sich erst nach 20 Jahren daran macht, die Geschehnisse zu analysieren, sprich aus den Berichten der Protagonisten und der Medien jener Zeit zu rekonstruieren. Wir aber haben nicht die Aufgabe, schweigend dazustehen und auf klarere Sicht später zu hoffen, sondern sofort zu handeln. Deswegen bewundere ich Jelinek, wie sie auf aktuelle Ereignisse gleich welcher Art reagiert, sprich in ihren Texten verarbeitet.

Ich will jetzt nicht unbescheiden klingen, aber auch ich habe zum Beispiel die Ereignisse in Italien zu Beginn der Corona-Pandemie in einer Geschichte sofort zu verarbeiten versucht. Natürlich nur anhand der Berichte in italienischen und deutschen Medien. Die Geschichte spielte in einem Krankenhaus und war von vorn bis hinten fiktional, aber so mit Realem angereichert, dass sie glaubhaft daherkam - auch aus medizinischen Sicht, wie mir von einer Ärztin erst kürzlich versichert wurde. Da ging es auch um Leben und Tod.


Ich bin eben ein emotionaler Mensch, ich bin leidenschaftlich, was diese Themen angeht, da kann manches schon mal krasser oder überspitzer formuliert sein.
Klar, du hast dich da wohl ein bisschen in Rage geredet, deswegen habe ich auch geschrieben, dass ich nicht glauben kann, was du auch meinst, was du da geschrieben hast.

 

Diese letzte Reaktion sehe ich sehr nah an Zensur, die es laut Verfassung gar nicht geben darf.
Okay. Ich bin hier im Forum vor allem auch als Stalinist bekannt.
Das kann in einer politischen oder religiösen Diktatur notwendig sein, aber nicht hier, in diesem Land, wo man für ethisch oder politisch unkorrekte Texte nur einen Shitstorm und ev. einen Rauswurf aus dem Verlag riskiert.
Wer ist denn hier aus einem Verlag geflogen? Das ist doch Blödsinn, Dion. Es ist einfach so, dass du nicht mehr mit jedem Unsinn durchkommst. Es werden dir halt ein paar unangenehme Fragen mehr gestellt. Oft vollkommen zurecht. Das hat nichts mit Shitstorm oder Canceln zu tun. Wer das nicht abkann, sollte sich eine dickere Haut zulegen oder für die Schublade schreiben.
Wir aber haben nicht die Aufgabe, schweigend dazustehen und auf klarere Sicht später zu hoffen, sondern sofort zu handeln.
Das sehe ich eben anders. Man muss als Autor auch nicht schweigend dastehen. Man sollte sich aber schon vielleicht fragen, ob man nicht das reale Grauen ausschlachtet für den raschen Erfolg. Wenn solche Texte dann nicht mehr als ein paar banale Allgemeinplätze bieten, stehen sie halt schnell unter dem Verdacht, effektvoll auf die Tränendrüse drücken zu wollen. Wenn man damit leben kann, sollte man das machen, man sollte dann aber damit rechnen, wenn man eben in Frage gestellt wird. Ich finde, das hat etwas mit Würde zu tun. Wir leben ja schließlich in einem freien Land, wo man seine Meinung kundtun kann. Und du sagst ja selbst, die Sicht auf die Dinge kann gar nicht wirklich klar sein, wenn man sich mittendrin befindet. Wie soll man dann in der entstehenden Literatur überhaupt eine Position beziehen, wenn nichts klar ist?
Beweggründe eines Autors sind wurscht, weil hinterher im Text meist nicht mehr sichtbar – die hilflose Rechtfertigungsversuche alla „Ich wollte doch nur …“ sind Legion, wenn der Text nicht so verstanden wurde wie vom Autor beabsichtigt.
Ich glaube, viele Texte werden vom Publikum vollkommen anders verstanden, als vom Autoren intendiert. Jeder Leser wird seine eigene Lesart mitbringen. Es ist doch auch eine Qualität von Texten, wenn sie dieses schwebende und uneindeutige Element besitzen, wenn sie offen bleiben. Texte, die nur so und nicht anders verstanden werden können, sind dann eben auch nah an der Propaganda, oder nicht?

 

Wer ist denn hier aus einem Verlag geflogen? Das ist doch Blödsinn, Dion.
Ich dachte, wir diskutieren darüber, was ein Autor aus ethischer oder politischer Sicht schrieben kann oder darf. Das ist eine generelle Frage und nicht nur auf dieses Forum bezogen.


Das hat nichts mit Shitstorm oder Canceln zu tun.
Natürlich hat es damit zu tun. Nur große bzw. etablierte Schriftsteller trauen sich noch Tacheles zu reden - siehe Jelinek, Handke oder Houellebecq. Die polarisieren, klar, aber sie sind so groß, dass jede Kritik an ihnen abprallt. Die kleinen aber, die erst in der Literaturszene Fußfassen wollen, schreiben PC korrekte Texte, sonst werden sie nicht gedruckt.


Man muss als Autor auch nicht schweigend dastehen.
Für einen Autor gibt es nur schweigen oder schreiben - ich sehe keine andere Möglichkeit.


Man sollte sich aber schon vielleicht fragen, ob man nicht das reale Grauen ausschlachtet für den raschen Erfolg.
Du wirst doch nicht sagen wollen, dass Jelinek mit ihren Texten, die meistens aktuelle Geschehnisse aufgreifen - die 2 Theaterstücke „Schwarzwasser“ und „Am Königsweg“ hat sie geschrieben, weil sie realen Vorgaben (Strache und Trump bzw. Rechtspopulismus) - für den raschen Erfolg hat ausschlachten wollen?


Es ist doch auch eine Qualität von Texten, wenn sie dieses schwebende und uneindeutige Element besitzen, wenn sie offen bleiben. Texte, die nur so und nicht anders verstanden werden können, sind dann eben auch nah an der Propaganda, oder nicht?
Klar ist es nah an Propaganda, wenn die Absicht sichtbar wird. Andererseits muss es schon sichtbar werden, ob man zum Beispiel einen Antikriegsroman vor sich hat, oder einen, der unter Vorgabe, lediglich eine Heldengeschichte bringen zu wollen, den Krieg verherrlicht. Das sind wir bei dem berühmten Wie.

 

Das ist eine generelle Frage und nicht nur auf dieses Forum bezogen.
Ist alles offtopic, aber ich meinte eigentlich in Deutschland. Welcher Autor wurde denn hier wirklich gecancelt? Also im Sinne von mundtot gemacht, öffentlich denunziert, vom Verlag fallengelassen, verbannt, persona non grata? Niemand, oder? Wann warst du das letzte Mal auf der Buchmesse? Da darf doch jeder rechte Hansel seinen Sermon immer noch abliefern, siehe Jungeuropa etc. Sind das alles PC korrekte Texte, wie du schreibst? Und wenn nicht, was sind dann PC korrekte Texte?
Du wirst doch nicht sagen wollen, dass Jelinek mit ihren Texten, die meistens aktuelle Geschehnisse aufgreifen - die 2 Theaterstücke „Schwarzwasser“ und „Am Königsweg“ hat sie geschrieben, weil sie realen Vorgaben (Strache und Trump bzw. Rechtspopulismus) - für den raschen Erfolg hat ausschlachten wollen?
Ich kenne die nicht. Ich verallgemeinere auch nicht dahingehend. Ich habe geschrieben, dass solche Texte vielleicht eher unter dem Verdacht stehen. Und natürlich gibt es da auch noch Abstufungen: über Trump schreiben ist nicht das Gleiche, wie über einen aktuellen Krieg schreiben. Oder? Man muss auch lesen, was da steht. Ich glaube, du möchtest nur lesen, was du lesen möchtest.
Das sind wir bei dem berühmten Wie.
Da sind wir uns doch mal einig. Dion, tue mir einen Gefallen, schreib doch per PN weiter, damit wir hier den Thread nicht vollballern.

 
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Tut mir leid, dass ich so langsam bin. Ich schätze eure Kommentare sehr und ihr braucht nicht denken, ich habe keine Lust, auf sie einzugehen, weil sie kritisch sind. Aus Kritik wächst was.
Ich werde alle eure Anmerkungen ausführlich beantworten, dauert ein bisschen, je nachdem, was die Tage bringen. Das Wochenende hat jedenfalls weinselige Verwandschaftsfeiern gebracht, heute sogar mit etwas Sonne.
A propos Sonne: den Titel habe ich gestrafft, da er aber auch im Text vorkommt und ich nach wie vor finde, dass er etwas aussagt, halte ich ihn vorerst für die beste Lösung.
Ein paar Kleinigkeiten habe ich auch nicht verändert, etwas gekürzt, dadurch den Text vielleicht etwas fokussiert, aber den Fluss nicht geändert.

Hey @AWM

Schön, dass du den Text kommentierst. Sehr viele von den Textstellen, die du nennst, habe ich auf deine Idee hin angepasst, danke dir für die Zeit.

Erstens ist da die unentschlossene Perspektive. Manchmal nah, meist extrem weit weg und auktorial. Ich hätte das eher aus der Perspektive von Natalia erzählt und wäre dann wirklich nah bei ihr geblieben.
Ich glaube, wir haben in der Vergangenheit bereits darüber diskutiert. Eine Ich-Perspektive hielte ich für übergriffig, deshalb habe ich die personale Perpektive Akulinas gewählt. Mag sein, dass das nicht immer durchkommt.
geht das für mich manchmal fast in die Richtung einer Parodie (wie das Kracht z.B. in Imperium gemacht hat).
auch wenn es mit deiner Erwartungshaltung zusammenhängen mag, eine Parodie wollte ich nicht.
Es gibt auch keinen Katalysator dafür, warum Leo diese Geschichte ausgerechnet jetzt erzählt. Sie scheinen das ja schon öfter gemacht zu haben, im Keller Schutz vor den Bomben suchen. Warum hat er es also nicht gestern erzählt oder nicht erst morgen?
guter Einwand, dafür habe ich noch keine Lösung, könnte aber sein, dass ich daran schraube.
Drittens ist mir persönlich das alles nicht rau genug. Zusätzlich zur enthobenen (und unschlüssigen ) Perspektive steht da die stellenweise manierierte Sprache zwischen mir als Leser und den Figuren.
Das ist eine ästhetische Frage, wahrscheinlich der Faktor, der die meisten stört, die etwas zu dem Text schreiben. Obwohl; manieriert, das sehe ich nicht
und habe das alles übergossen mit diesem Ton, der eigentlich auch nie Schrecken entstehen lassen kann, weil er alles poetisch dämpft. Ich fühle den Schrecken einfach null und ich habe das Gefühl, er ist nur als Art dunkle Grundierung dazu da, dass die Protagonisten als "Ideal-Menschen" und Träger moralischer Botschaften heller strahlen.
weil der Schrecken durch die Hoffnung besiegt werden sollte. Ja, die Figuren wirken in ihrer Funktion, ist ja mehr eine Legende, die ich erzähle.
Der Einstieg gefällt mir nicht. Ich finde den ersten Satz langweilig.
habe ich übrigens gestrichen
Ist das dann aber eine Wertung des auktorialen Erzählers oder denkt das Akulina, die den Abend aber als eigentlich schön und frühlingshaft wahrnimmt?
Akulina
Dann heißt die Puppe natürlich auch noch Hoffnung. Und da sind wir schon beim Kitsch für mich. Und ich empfinde das auch als konstruiert.
okay, vielleicht bringt es was, das mit der Puppe zu löschen, denke ich drüber nach
Auch hier der Einschub wie er heißt und wie alt er ist. Das schafft Distanz.
weg
Dass er den Zeigefinger vor den Mund hält, reicht. Da weiß jeder, dass das heißt, er soll still sein.
ok, stimmt
das Schlimmste. Und auch so ein Kitschmoment für mich
gestrichen
Was für Sterne?
so denkt sich Akulina, was sie sieht
Auch hier wieder so ein erklärender Einschub und pures tell. Ich würde diese Informationen mit einer Handlung meiner Protagonistin verbinden und dann irgendwie motivisch aufladen. Die Daunenjacke als Schutz und damit die Hoffnungslosigkeit spiegeln, geschützt zu sein.
geändert
Würde auch diesen Dialog und die Geschichte einfach ein wenig mehr so erzählen, wie sie ein echter Mensch erzählen würde. Und vielleicht auch mal unterbrechen durch Handlungen, damit das nicht nur so Absätze sind.
nein, das ist ja eine eingeschobene orale Erzählung, vielfach bereits erzählt, was die Geschichte ins Märchenhafte gleiten lässt, durch den Hörer (ich habe sie selbst gehört) sicher auch verändert wird.
Das Ende habe ich nicht verstanden. Ich finde aber Brüste, die im Wind wehen, unfreiwillig komisch. Ja, war nicht meins.
habe ich was dran gedreht, aber gut, vielleicht auch jetzt noch nicht ideal.

Viele Grüße
Isegrims

Aber damit das nicht weiter ausufert, sollten wir die persönlichen Angelegenheit mal beiseite lassen.
Das wäre einfach nur ehrlich. Ich finde es nur bigott, wenn einer mit hehren Motiven kommt, aber im Grunde sich einschmeicheln möchte. Da reagiere ich dann vielleicht etwas drastisch.
Ich habe auch kein Problem damit, wenn jemand sagt, ich versuche um jeden Preis einen Bestseller zu schreiben.
Jimmy, ehrlich, entscheide dich einfach, wenn du mich und meine Motive, von denen du immer wieder andeutest, sie wären fadenscheinig, angreifen möchtest, gut, so eine Strategie ist zwar bigott, kann ich mit leben, aber
Okay. Ich bin hier im Forum vor allem auch als Stalinist bekannt.
dann doch bitte nicht auf die stalinistische Tour, mit Verdächtigungen, Unterstellungen und im Hinterkopf, irgendwas wird schon hängen bleiben, wobei natürlich sein kann, dass, was ich oben zitiere gar nicht auf mich gemünzt war, kann sein, bleibt aber im Nebel, auch so eine Methode.
Respekt wäre besser, Vertrauen auf das Wort, denn ich schätze deinen Verstand, dein Kunstverständnis, auch wenn wir sehr unterschiedlich unterwegs sind.

 

Jimmy, ehrlich, entscheide dich einfach, wenn du mich und meine Motive, von denen du immer wieder andeutest, sie wären fadenscheinig, angreifen möchtest, gut, so eine Strategie ist zwar bigott, kann ich mit leben,
Ich deute gar nichts an. Wenn ich dir in aller Deutlichkeit etwas sagen wollen würde, dann würde ich das auch machen.

dann doch bitte nicht auf die stalinistische Tour, mit Verdächtigungen, Unterstellungen und im Hinterkopf, irgendwas wird schon hängen bleiben, wobei natürlich sein kann, dass, was ich oben zitiere gar nicht auf mich gemünzt war, kann sein, bleibt aber im Nebel, auch so eine Methode.
Ich wäre an deiner Stelle jetzt ganz vorsichtig, denn ich erinnere da nur mal an deine Anfänge im Forum. Mit nebligen Methoden kennst du dich doch offensichtlich auch ganz gut aus.

Den Rest per PN, damit wir niemand anderen belästigen.

 

Liebe @lakita

Verzeihung, dass ich so spät antworte und auch dass die Zitate nicht ganz in der richtigen Reihenfolge aufgeführt sind. ist was durcheinander geraten.
Ja, was sage ich zu deiner Kritik? Schonungslos, wortkriegermäßig, da möchte man allein wegen der Wucht auf jeden Fall zustimmen. Vieles nehme ich auch auf, aber wenn bei dir und den wohl meisten anderen die Anlage der Geschichte nicht funktioniert, dann kann ich das nicht wegwischen, nur darauf aufmerksam machen, dass der Text wohl vor allem deshalb gescheitert ist, weil ich die Wirkung nicht bedacht, die Mittel nicht so eingesetzt habe, dass er den Effekt, auch die Aussage trifft, die ich vor Augen hatte.

Klar, wird diese Frauen, die die Wäsche sortieren mussten, ab und zu ein Stück Spitzenunterwäsche untergekommen sein und sicherlich werden sie das feine Gewebe an ihren vielleicht mittlerweile rauhen Händen gefühlt haben, aber wäre es nicht eher so, dass sie besonders traurig gewesen wären, dass i
Steht jetzt vielleicht nicht zufällig am Anfang, dieses Zitat. Dem diese Geschichte habe ich vor vielen Jahren gehört, immer wieder. Ich glaube ja, dass man zum Träger von Erinnerungen wird, wenn man mitnimmt, was Menschen einem berichten. Ich gebe das so wieder, wie es mir erzählt wurde. Ja, es ist ein Problem, dass ich ein einziges Mal eine Geschichte erzählen wollte, die ich mir nicht ausgedacht habe, etwas Nahestehendes von Nahestehenden. Und tatsächlich kann ich jederzeit die Stimme in meine Erinnerung rufen, mit der sie sprach.
Denn ich möchte dich nicht beleidigen, auch wenn ich und damit fängt der Angriff eigentlich schon an, deine Geschichte als Beleidigung empfinde.
ist natürlich sehr pauschal, als ob ich mit einer Geschichte dich persönlich beleidigen könnte.
Was willst du mit dieser Geschichte aussagen? DAS wäre meine allererste Frage, die du mir erst nach dem Lesen dieser Kritik beantworten kannst.
Hoffnung in schlimmen Zeiten, klar, das kommt (bei dir) nicht rüber
Ich spekuliere einmal, dass deine Intention war, die dich beeindruckende Kriegsberichterstattung über die Vernichtung der ukrainischen Bevölkerung irgendwie aus ihrer Sprachlosigkeit herauszuholen und in Worte zu fassen.
weil ich glaube, dass man nicht schweigen darf, im Bewusstsein behalten muss, dass es nicht um Politiker geht, sondern um das Leid der Menschen.
Ich habe Mitgefühl und Empathie und auch genaue Beobachtung erwartet und lese hier von allem das Gegenteil.
ja, stimmt, ich habe die Geschichte vermutlich, ja fast sicher, aus der Ferne erzählt. Mag sein, dass ich den Text noch retten kann, wenn ich an der Stelle ansetze.
um einen stört mich, dass du an keiner Stelle die drei Personen oder nehmen wir Boris noch dazu, also die vier Personen mir näher bringst,
sie bleiben unscharf, auch das stimmt, der Plan aus dem Nebel heraus eine Art Legende zu erzählen. scheint misslungen.
Sie sind konstruiert, klar das sind fast alle Figuren, wenn wir etwas schreiben, aber du hast sie einfach nur in der groben Kontur gezeichnet und damit sträflich ungenau gelassen.
na ja, okay, vielleicht habe ich es nur falsch angestellt-
Wolltest du Mutter und Kind dabei haben, damit der alte Mann seine sog. Geschichte erzählen kann? Brauchtest du einfach jemanden, dem er das berichten konnte? Ging es nur um diese Geschichte?
ja, wollte ich, ein Trick
Wolltest du aufzeigen, dass man durchhalten soll? Egal, wie schlimm etwas ist? Aber warum dann mit ausgerechnet diesem Bericht aus dem KZ? Gibt es da nicht tausend neuzeitlichere Motive, die so einem Kind auch viel intensiver nahe gebracht werden können? Denn er will ja, wenn ich es richtig verstehe, das Kind motivieren oder?
weil es genau darum geht und damit endet, dass Menschen als Masse wahrgenommen werden, als leidende Masse genauer, Figuren auf einem Schachbrett, ob das nun Soldaten oder Zivilisten sind
dass du hier zwei Themen miteinander zu verquicken versuchst, die beide für sich genommen, so tragisch, so dramatisch und so furchtbar sind, dass es auf mich wie Hohn wirkt, sie in einen Topf zu packen.
da fand ich genau das Gegenteil richtig, ob ich diese Meinung halten kann?
Bei mir kommt das dann so an, als nähmest du jede Situation für sich genommen, nicht wichtig genug.
Ich finde das beschämend.
nein, das ist hingeworfen von dir, gute Absicht nicht zu unterstellen, könnte ich auch beschämend finden.
Je mehr du draufsattelst, desto mehr verliert sich die Bedeutung der einzelnen Tragödien.
mag sein
Dass, was Leos Mutter zusammen mit ihren Freundinnen als Überlebensleitspruch in dieser Sprache damals verwendet hat, kann auch bestens in deutscher Sprache da stehen, es bekommt keinen tieferen Sinn durch das Fremdsprachige.
nein, kann es nicht, ich wollte auf Weihnachten (Dies Natalis), auf die unbesiegte Sonne anspielen, aber das hat wohl leider nicht funktioniert.
Ich komme mit dem Wetter nicht klar. Kaltes Grau, Nebel, Rosa, Rot, Schwarz. Wenn es grau ist und gar noch neblig, wie sollen dann Rottöne entstehen?
habe ich schon was zu gesagt, sollte auf die Fahnen anspielen, aber klar, hat nicht geklappt.
Sodann frage ich mich, was dieser Widerspruch soll, dass du eine hochbedrohliche Situation mit einem Feuerwerk vergleichst. Ein Feuerwerk ist normalerweise ein optisch erbauliches Erlebnis, was hat das mit den Lichtblitzen zu tun, die durch Mündungsfeuer entstehen?
ich glaube, ohne Distanz sieht man das nicht
Wieder so ein kleiner Recherchefehler, der mich stört: Buchweizen sind Körner, die erstmal mindestens so lange wie Reis gekocht werden müssen. Nimmt man, wenn man weiß, was einem bevorstehen könnte, dann so etwas mit?
Da liegst du falsch. Buchweizen ist bestens recherchiert. Frag mal Russen, die die Sowjetunion erlebt, überlebt haben. Buchweizen mit Wasser sättigt enorm, das haben viele Leute als eiserne Reserve gehalten Und war in den russischen Läden auch jetzt mit als erstes ausverkauft.
die kämpfen, soweit sie überhaupt noch über Handyempfang und Akkuleistung verfügen, mit ihren Familien in Kontakt stehen, indem sie Fotos schicken. Aber wieso glaubst du, du darfst dieses Wissen voraussetzen?
die haben Empfang
Wirklich? Gibt es in der Ukraine in den normalen Wohnhäusern zwei ! Etagen Keller sozusagen?
okay, ist fiktiv
Ein Satz, bei dem du bei mir Scheunentore einrennst, weil er so ungenau ist. Was für Rohre, doch nicht etwa welche, die alles bieten, Lüftung, Heizung und obendrein einen Weg nach draußen? Und wozu schreibst du das? Ist diese Info jetzt wichtig?
könnte man genauer machen, muss man aber nicht, wenn ich aus Akulinas Perspektive erzähle
Zum einen frage ich mich, was das mit den Sternen soll.
ach, ein Bild; ich mag es

Du bist jetzt auch dazwischen geraten, @AWM

Wenn man das mittlerweile so liest, könnte man meinen, du hast etwas krass Provokatives geschrieben und das löst jetzt solche heftigen Reaktionen aus. Du könntest theoretisch so aus dieser Sache herausgehen: „Ich habe ein heikles Thema verarbeitet und die Leute getriggert. Das ist gar nicht schlecht als Autor.“
Ja, das könnte ich vielleicht sagen, um nicht ganz so mies wegzukommen, aber das wäre kindisch. Trotzdem zeigt die Auseinandersetzung mit dem Text, dass das Thema uns alle (oder viele) sehr beschäftigt, sonst wäre er in der Versenkung verschwunden.
Okay, kann natürlich auch am Autor liegen, aber so viel Aufmerksamkeit?
Und da kommen wir jetzt endgültig zum Handwerklichen, worum es hier ja auch gehen sollte und viel zu wenig geht. Da finde ich den Text nicht gut umgesetzt.
Du schreibst, du wolltest eine personale von Akulina machen. Das ist dir nicht gelungen. Das ist auktorial. Eine personale sollte sprachlich nahe an deiner Hauptfigur sein. Das ist nicht die Sprache von Akulina, das ist poetisiert.
deswegen antworte ich gleich - jedenfalls teilweise - Ich danke dir sehr, weil ich gerne an dem Text schrauben möchte, die Perspektive Akulinas verdeutlichen, überhaupt erst zum sprechen bringen, dauert paar Tage, aber das versuche ich auf jeden Fall.

noch mal @lakita

Und was soll diese Aussage auch mitteilen? Die Eintönigkeit? Diese drei Frauen hatten garantiert ebenfalls Angst um ihr Leben. Kann ich, wenn ich Angst habe, überhaupt so daherreden und etwas als eintönig empfinden?
man kann manches nur auf diese Art ertragen, bin ich fest von überzeugt, auch durch Verdrängung.

Tut mir leid, es dir mit meiner Kritik nicht einfach gemacht zu haben. Aber dies hier ist mit Abstand eine deiner misslungensten Geschichten. Vielleicht tröstet dich, dass wir alle mal so eine Phase haben. Und die Betonung liegt auf Phase.
Na da lese ich was von - Hoffnung, danke dir.

Liebe Grüße und bald, bald weiter mit den Antworten.
Isegrims

 

man kann manches nur auf diese Art ertragen, bin ich fest von überzeugt, auch durch Verdrängung.
Das habe ich auch so manches Mal gedacht, als ich mich durch die Kommentare gescrollt habe, lieber @Isegrims. Nun will ich nicht behaupten, beurteilen zu können, wie man sich in so einer Situation fühlt, aber ich kann mir vorstellen, dass man in eine Art Stand by Modus fällt, um die Angst, den Kummer, die Unsicherheit, dieses ganze Grauen überhaupt ertragen zu können. Um durchhalten zu können, auch in den Zeiten zwischen den Bombenangriffen, wenn man einen kühlen Kopf bewahren und organisieren muss.

Gerade neulich habe ich "Tadellöser&Wolf" gesehen. Keine Ahnung, ob du das kennst, eine Familiengeschichte im zweiten Weltkrieg. Da wurden die Gänge in den Keller als Teil des Alltags gezeigt, ganz unaufgeregt, was ich auch etwas befremdlich fand. Da waren sogar Betten für die Kinder, die wurden gleich wieder schlafen gelegt. Auch von meiner Oma habe ich ähnliches gehört. Das ist auch eine Form von Grauen für mich, dass das irgendwann einfach Alltag war.

Ich finde es gut, dass du das Thema Hoffnung gewählt hast, denn das ist ein wichtiges Thema - ist sie weg, kann man selbst gleich hinterherspringen, und gerade für dein Ensemble ist sie wichtiger denn je.

Bei der Art der Umsetzung schließe ich mich aber meinen Vorgängern an. Zu viel Zuckerguss auch für mich, ein wenig mehr Komplexität könnte nicht schaden. ;)

Grüße in den Taunus von Chai.

 

Weiter geht's. Je mehr Abstand ich von dem Text habe, desto interessanter finde ich die Diskussion übe den Text und verstehe auch besser, warum so viele empört sind.

Ich hoffe deshalb, dass der Text auf diese Weise, wenn auch ungewollt, zum Nachdenken über das Thema und wie man es verarbeiten kann, anregt. Einfach, dass die Aufmerksamkeit für den Text nicht nutzlos ist.

Ich selbst lerne eine Menge. Ob ich die Erfahrungen in anderen Geschichten oder hier verarbeiten kann, kann ich noch nicht sagen. Manchmal denke ich, da lässt sich noch was machen, manchmal nicht.
Danke euch!

invictus heißt unbesiegt (und kann dann gedeutet werden als unbesiegbar)
invincibilis ist das unbesiegbar
Geburtstag der unbesiegten/unbesiegbaren/unbezwingbaren Sonne
Ich habe den Titel geändert, vereinfach. Sol Invictus ist zwar Latein, kann aber eindeutig übersetzt werden.
https://de.wikibrief.org/wiki/Sol_Invictus

Liebe @Silvita

freut mich sehr, dass du den Text kommentierst. Ein paar Änderungen habe ich mittlerweile vorgenommen, die Stellen, die du anführst, verändert. Danke für die Zeit und das genaue Lesen.

Du kannst wunderbar schreiben, das ist keine Frage. Du hast Deinen eigenen Stil, ich mag das Melancholische, Poetische in Deinen Texten, das sich auch hier in dieser Geschichte wiederfindet.
:Pfeif:
Der Sprachstil, wie Du die Worte, die Sätze zu einer Melodie verbindest, das ist hohes Schreibniveau, allerdings passt meiner Meinung nach zu viel Poesie nicht zu der Tragik des Textes.
Habe ich völlig falsch eingeschätzt, ich dachte, die Verwendung einer poetischen Sprache als Kontrapunkt, wäre genau richtig.
Du schreibst vom Krieg, vom Elend - aber das kommt durch die poetische Weichzeichnung nicht bei mir an. Dadurch kann ich auch keine Nähe zu den Protagonisten aufbauen und nicht mit ihnen fühlen, was ich sehr schade finde, denn sie erleben Schreckliches, ich würde gerne mit ihnen zittern, mit ihnen leiden.
ist so ein Ansatz, den ich sehe: klare Kanten, Wechsel von weich und hart, in die Figuren eindringen.
Andererseits hab ich mich gefragt, ob ich einen wirklich "harten" "brutalen" Text über Krieg überhaupt lesen könnte. Eher nicht, denn ich bin zartbesaitet. Somit gibst Du mir mit Deiner poetischen Sprache zumindest die Möglichkeit, mich mit der Thematik auseinanderzusetzen.
Das glaube ich allerdings auch: reines Zeigen von Gewalt fände ich unpassend, würde dem Thema nicht gerecht werden.
Diese Geschichte sollte erschüttern und dazu führen, dass man atemlos weiterliest und in die Tiefe versinkt, die Dinge vor sich sieht, und vor allem fühlt. Ich hoffe, Du kannst mit diesem Feedback etwas anfangen.
so dachte ich es mir, aber das ist leider nicht gelungen.

Viele Grüße sendet und einen schön entspannten Abend wünscht dir
Isegrims


Es ist ein schmaler Grat zwischen Ausbeutung des Leids und wirklicher Anteilnahme, bzw Empathie. Ich wäre mir nicht sicher, diese eine Linie immer würdevoll einzuhalten und diesen Grat nicht zu übertreten, deswegen lasse ich das bleiben. Ich arbeite seit Jahren an einem Text über einen meiner Großväter, der überzeugter Nazi, wahrscheinlich bei der SS und auch Kriegsverbrecher war, aber ehrlich gesagt reicht mein Handwerkszeug dafür nicht aus und wird es vielleicht auch nicht. Man muss nicht immer alles machen.
Auch so ein Aspekt: wenn man sich den historischen Erinnerungen der eigenen Familiengeschichte nähert, liegt viel Distanz, Verfärbung zwischen mir als Autor und dem Thema. Dann wird es zu groß darüber zu schreiben und da fehlt das Handwerkszeug das zu durchbrechen, kann gut sein.

Hey @Achillus

Das Wort in den kyrillischen Buchstaben lautet aber nicht Nadeschda, sondern nadejatsja (ein Verb: hoffen, auf jemanden vertrauen). Nadeschda wird so geschrieben: наде́жда. Ich hatte dann den Eindruck, dass die Geschichte nicht nur bei dieser Stelle schwach recherchiert war.
(bisschen) peinlich, dass solche Tricks erkannt werden.
Recherchiert habe ich schon, trotzdem auf Unschärfe gesetzt, kann sein, das was ein Fehler.
die situativen Darstellungen, die Gespräche wirken erfunden. Das hat einerseits mit dem Fehlen von Details zu tun, die das Szenario überzeugend machen würden, andererseits damit, dass sich die Figuren nicht glaubwürdig verhalten.
stimmt, war Teil des Konzepts, einen legendenhaften Ton anzuschlagen. Um das zu ändern, muss ich grundlegend was ändern - oder müsste, ich bin unschlüssig, ob ich die Energie zu einem ernsthaften Rettungsversuche aufbringe.
Du könntest diese Schwachstellen reparieren, aber ich denke, das würde die Geschichte nicht retten. Meiner Ansicht nach ist der gesamte Schreibansatz dieses Textes problematisch, und darauf haben bereits mehrere Kommentatoren hingewiesen. Es ist ein Kitsch-Text.
siehe Statement unter dem letzten Zitat.
Das ist dann kein Stoff für schwache Nerven. Dennoch kann man da keine Abkürzungen nehmen. Wenn man die Schilderung der zerstörerischen Realitäten von Kriegsereignissen nicht aushält, darf man solche Texte eben nicht lesen und nicht schreiben. Ich meine damit nicht, dass Du als Autor zwangsläufig das Explodieren von Bomben und Menschenleiber zerfetzende Kugelhagel darstellen musst, aber die traumatisierenden Wirkungen von Krieg müssen gezeigt werden, sonst wird man Dir vorwerfen, dass Du in Wirklichkeit nicht über Krieg schreibst, sondern in irgendwelchen Privatphantasien schwelgst
Hast du "In Stahlgewittern" von Ernst Jünger gelesen? Darin werden Bombentrichter, Kugelhagel wie Sinfonien beschrieben, gibt es auch in Filmen, dieses Stilmittel, wirkt teilweise ähnlich wie der von mir gewählte Ansatz.
Zwar mag Deine Intention eine ganze andere sein, beispielsweise der Gedanke, dass es sich lohnt, den Mut und die Hoffnung nicht zu verlieren, egal wie düster das Leben aussehen mag. Aber mit solchen Botschaften sollte man zurückhaltend sein, angesichts des realen Grauens.
Genau das war/ist die Intention. Welchen Mehrwert hat das Grauen?
Es ist beispielsweise auffällig, dass Kitsch im Umkreis von Ideologien wie Faschismus und Stalinismus besonders gut gedeiht.
Dem stimme ich zu. Wenngleich zu beobachten ist, dass Kitsch auch in Demokratien gut gedeiht, dass es bei der Kriegsberichterstattung vor allem Marketingstrategien angewandt werden, negativer, positiver Kitsch, Zuspitzungen. Weil es keine Wahrheit gibt, solange gekämpft wird.

Viele Grüße und herzlichen Dank
Isegrims


Bald mehr, ich kann nicht so viel auf einmal angemessen verarbeiten, leider.

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus @Isegrims

Ich schließe mich dem Tenor der Vorkommentatoren an. Habe mich in vielen wiedergefunden. Das zu wiederholen, schenke ich uns. Ich dachte beim Lesen Ähnliches wie @Chai: Dass man die zuckersüße Sprache als Abwehrmechanismus lesen kann (ich dachte da an Lars von Triers Dancer in the Dark - da nimmt die Musical-Perspektive der Prot die Sicht aus ihrem Abwehrmechanismus - freudianisch gesprochen - ein).
Allerdings hättest du mMn dann die Perspektive klarer gestalten müssen: zB aus der klaren Sicht eines Kindes oder einer erwachsenen Person, für die diese Sicht authentisch ist. So war mir deine Erzählposition nicht ganz klar, sie war leicht fluide, und das hat der Abwehrmechanismus-Lesart Steine in den Weg gelegt. Bei genanntem Film ist die Sicht, aus welche wir die Welt aus Filter des Abwehrmechanismuses betrachten, klar (es ist die Prot), weswegen es dort klappt und hier in der Fassung nicht. Meine Meinung.

Wenn du es aus der Sicht eines Verdrängenden erzählen möchtest, was ich durchaus gut und machbar fände, müsstest du also die Erzählperspektive klar einer Figur zuordnen. Und, zweitens, so schätze ich den Text ein, muss es einen Bruch in dieser Perspektive des Verdrängten geben. Alles ist wie mit Zuckerguss übergossen beschrieben - aber an einer Stelle, oder an mehreren, musst du damit brechen. Ein Toter muss gesehen werden, und die Verdrängung muss - wenn auch nur in diesem Augenblick - in sich zusammenfallen, das Grauen des Krieges muss - auch für den Leser - in diesem Augenblick gespürt werden können. Erst dadurch entlarvt sich für den Leser die Sicht durch den Filter der Verdrängung und man versteht die Intention des Textes und die Psychodynamik deiner Figur. Ansonsten musst du dich den harten Kritikpunkten, die genannt wurden, noch oft entgegenstellen und der Text verleitet, ihn völlig falsch zu lesen. Meine Meinung.

Noch ein Gedanke: Es kam noch durch diese Story die Frage auf, was man schreiben darf bzw. worüber. Ich habe da keine abschließende Meinung und erkenne an, dass viele Argumente und Sichtweisen bzgl. dieser Frage nachvollziehbar sind. Ich denke aber, dass man nicht per se erlebt haben muss, worüber man schreibt. Das kann sehr gut und authentisch sein, kann einem Text aber auch schlechttun. Wenn wir sagen, was ich natürlich niemandem hier vorwerfe, rein fiktiv, dass man nur das schreiben darf, was man selbst erlebt hat, stehen wir schon tief im Fahrwasser der Political Correctness. Du kannst auch deinen Vater drei Tage am Sterbebett begleitet haben, und diese Erfahrung in einem anderen Kontext in einen Text einfließen lassen und durch dieses eigene Durchlebthaben einem von dir nicht erlebten Kontext Authentizität verleihen.
Aber Krieg ist so eine Sache. Vielleicht eine so ausgeartete, kollektive Gewalterfahrung, dass es schwierig ist, ohne diese Erfahrung authentisch darüber erzählen zu können, und auch schwierig, diese Erfahrung durch eine andere, in unserer Gesellschaft gemachte, herzuleiten. Vielleicht eine der schwierigsten Themen, worüber man erzählen kann, wenn man es nicht am Leib erlebt hat.

Viele Grüße
zigga

 

Heute habe ich bei Seneca einen Satz gelesen, der in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert ist: Gott ist nackt. Es lohnt sich gar nicht, ihn auf Latein wiederzugeben, weil er so einfach ist, auf den ersten Blick beinahe banal. Warum lese ich den Satz im Zusammenhang mit diesem Text? Vermutlich weil er unterschiedliche Deutungen zulässt. Auch etwas über die Verletzlichkeit sagt, weil auch Gott nur eine vage Hoffnung ermöglicht, solange die Feuerengel auf der Welt wandeln.
Gut, jetzt bin ich abgeschweift, denn ich wollte ja etwas über den Stand meiner inneren Rezeption des Textes sagen.

Was @zigga geschrieben hat, leuchtet mir ein und kommt dem nahe, was der Text leisten könnte, wenn er in anderem Zustand wäre. Ich werde den Kommentar noch genauer beantworten, aber ja, Kontrapunkte setzen, wäre eine Möglichkeit, die Prämisse zu retten, in einem anderen Licht zu präsentieren, näher eben.

Ein zweiter Punkt; echte Figuren, aus dem Nebel befreit.

Eine gute Herausforderung für eine gründliche Überarbeitung, wenn ich Mut gefasst habe.
Dann entsteht vielleicht ein Text, der von der Tonlage her einem Gryphius-Gedicht ähnelt. Könnte was werden.

Guten Abend @Geschichtenwerker

Freut mich, von dir zu lesen, auch kritische Worte sind gutgemeinte.

Ich finde es sehr mutig, dass Du ihn eingestellt hast, und in gewissem Sinne bewundernswert, dass Du die Kritik aushältst.
Was bleibt mir auch übrig, wenn ich es ernst meine: mit dem Sujet und ob ich es durch das Schreiben fassen kann.
Wir sind glücklicherweise in einem freien Land, sodass man natürlich (fast) alles darf, aber als verantwortungsvoller Mensch und erst recht als verantwortungsvoller Künstler/Autor sollte man auch immer hinterfragen, was man gerade kundtut und welche Botschaft man damit vermittelt und ob das wirklich die Botschaft ist, die man vermitteln wollte und ob man bei allem Recht zum Experiment die richtige Projektionsfläche dafür verwendet hat.
Ach, mich beschäftigt die Frage nicht, was man darf und was nicht, eher die, ob man schweigen darf.
Deine Botschaft des Textes ist wohl: Hoffnung, vielleicht auch den Blick auf etwas "Schönes" richten angesichts des Grauens, Wegblenden von der Realität.
Ja, das war der Ansatz, gelernt habe ich, dass ein einzelner Aspekt nicht reicht.
Ja, das Grauen ist da, aber solange so schöne Rosen blühen, gibt es Hoffnung und ich kann meinen Blick weglenken von dem Grauen.
Wahrscheinlich braucht es wirklich beides: schwarze oder blutrote Rosen sozusagen
Und weil aber andererseits das Grauen des zerfetzten Körpers nicht ausreicht, zeigt man noch im Hintergrund einen Berg voller Leichen in Anspielung ans KZ, über den dann ein Engel mit Brüsten fliegt, um gleich wieder vom unerträglichen Leid abzulenken.
siehe oben: das ist der Gryphius-Effekt.
Mir kommt der Text so vor wie die Russlandpolitik, gut gemeint, schön gefärbt, aber völlig an der Realität vorbei.
Falsch wäre bzw ist es aber auch nun in Russophobia zu verfallen. Hoffnung eben.
Ich empfinde dieses Vorgehen aber als zutiefst respektlos gegenüber jedem einzelnen Opfer dieses und jedes anderen Krieges, nämlich für die Wahrung der eigenen Realitätsferne und Realitätsverweigerung das Leid dieser Menschen durch Verkitschung und Verharmlosung zu relativieren.
stimmt, so wie der Text derzeit ausbalanciert ist, darf man das so sagen
Von daher halte ich das Experiment, das sicherlich irgendwie "gut gemeint und gedacht war", für absolut gescheitert.
Nein, das Experiment ist nicht gescheitert, die Umsetzung dieser Version schon
und dieser Text für mich ein Spiegelbild für Teile dieser Gesellschaft ist, die sich einfach der Realität verweigern, weil sie ansonsten ihre geliebte politische Einstellung, Ideologie oder sonstige weltfremde Haltung in Frage stellen müssten.
Was ist schon Realität in Zeiten des Krieges, gibt es das?
Also nimm mir meine Kritik nicht übel, aber der Ansatz der Verkitschung und Wegblendung ist aus meiner Sicht wirklich fehl am Platze.
gut begründete Kritik, Dankeschön!

Viele Grüße vor der Regenwand
Isegrims

Lieber Friedel

Dass du den Waschsalon-Text in Beziehung setzt, interessant, aber stimmt, da klingen ähnliche Motive an, schöner Vergleich.

Nun ist also Gott oder eher sein Antipode in den Maßen 1,70 m, * Leningrad, pardon, St. Petersburg 1952, schütternen Haares und erschütternder Ex-Geheimdienstler, der auch schon mal politische Gegner im Ausland vergiften lässt,
Wer weiß, ob dieser Herr nicht die Belagerung Leningrads mittels historischen Gedächtnisses im Kopf hat, wie ein Tumor.
Die Wiederherstellung weniger der alten Sowjetunion, sondern des Zarenreiches, Zar – wie der Kaiser [mhd. „kaesar“] eine Ableitung vom Caesar
Das Imperium des Imperators.
* Zufall der Namenswahl - oder Jelzin?
Ich mag den Namen Boris
damals war unser Paradies …“, und das bedeutet mehr als ein „sich befinden“.
habe ich geändert, gebe ich dir absolut recht.
Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst.
Sehr bedenkenswertes Zitat, danke für die Lektüreempfehlung. werde ich angehen.

Viele Grüße und gieß ordentlich was drüber, über die Wunden in der Gosch.
Isegrims

 

wärst du bitte so freundlich, zu erläutern, was das ist?
das ist der Gryphius-Effekt.
Schätze, dass ich nicht die einzige Ungebildete bin.
hat ja nichts mit Bildung zu tun, ist ein Selbstkommentar, der mir vor Augen stellt, welchen Tonfall ich anstimmen müsste für die Überarbeitung des Textes.
Zwei Links, um zu verdeutlichen, was ich meine:
Tränen des Vaterlandes
Menschliches Elend

Liebe Grüße
Isegrims

 

@Isegrims,

danke, für deine rasche Antwort. Leider ist dir nicht gelungen, auch nur ein Lichtlein der Erkenntnis für mich zu erreichen. Ich versuche dir mal entgegenzukommen:

Meinst du, der Gryphius-Effekt vermag dir vor Augen stellen, welchen Tonfall du anstimmen musst bzw. müsstest?
Wenn ja, WAS ist dann dieser Effekt? Worin besteht er?

Wikidefinition Effekt: eine durch eine bestimmte Ursache hervorgerufene Wirkung,

Gut, unterstellt (was ich ja nicht weiß), es geht um den Tonfall, dann haben wir die Wirkung, die hervorgerufen wird. Aber was ist die Ursache?

Und bitte erwarte nicht erneut von mir, dass ich mir die Puzzlesteinchen der Antwort selbst zusammensuche.

Danke.

 

Meinst du, der Gryphius-Effekt vermag dir vor Augen stellen, welchen Tonfall du anstimmen musst bzw. müsstest?
Wenn ja, WAS ist dann dieser Effekt? Worin besteht er?
Ich stell's mir so vor, dass der "Zuckerguss", wie es einige hier genannt haben, verschwindet, wenn die Bilder Tod und Grauen, Zerstörung und Verzweiflung zeigen, ganz konkret.
Ein schmaler Grat, nahe ranzoomen, dennoch ästhetische Bilder verwenden.
Ich hoffe, das ist klarer formuliert, zu später Stunde.
Wikidefinition Effekt: eine durch eine bestimmte Ursache hervorgerufene Wirkung,
Durch Dekonstruktion des "Zuckergusses" eine wahrhaftere Wirkung hervorrufen.

Klingt kompliziert, war bzw ist aber für mich eine Hilfestellung, wenn (falls) ich an dem Text arbeite.

Liebe Grüße
Isegrims

 

Lieber @Isegrims,

so ganz gehen lassen kann ich das Thema noch nicht, weil es zu wichtig ist.

Ach, mich beschäftigt die Frage nicht, was man darf und was nicht, eher die, ob man schweigen darf.

Ob man schweigt - warum auch immer - ist eine sehr individuelle Entscheidung. Da gibt es für mich kein richtig oder falsch. Falsch ist höchstens, wenn einen das Umfeld zum Schweigen bringt, weil bspw. eine Hexenjagd beginnt, weil man etwas gesagt hat, was gewissen Leuten nicht passt.

Eine Pflicht zum Senden sehe ich aber nicht. Es ist aus meiner Sicht auch völlig in Ordnung, aus Fassungslosigkeit zu verstummen oder erst einmal zu schweigen, weil man sich eine Meinung bilden möchte oder genau überlegen, was man sagt und wie man es sagt.

Falsch wäre bzw ist es aber auch nun in Russophobia zu verfallen. Hoffnung eben.

Ich weiß nicht, wie ich dieses Statement zu nehmen habe und wem Du das sagen möchtest. Hoffentlich nicht dem Ukrainer, dessen schwangere Frau vor seinen Augen von russischen Soldaten erschossen wurde (etc., etc., etc.).

Die Hoffnung stirbt zuletzt heißt es so schön. Aber Hoffnung ist ein sehr schwieriger und vielfältiger Begriff.

Welche Hoffnung meinst Du denn? Die Hoffnung für uns Deutsche, die weit weg genug sind? Oder die Hoffnung für die Menschen in Butscha, die vergewaltigt werden, gefoltert werden, vom Rad geschossen werden?

Würdest Du auch sagen, dass man nicht in Russophobia verfallen soll, wenn Du selbst in Butscha gewesen wärst? Oder kannst Du das nur sagen, weil Du so weit weg bist, dass Du die Angst locker verdrängen kannst?

Mich erinnert das immer wieder an den zweiten Weltkrieg. Da hat das nicht angegriffene Ausland teilweise genauso gedacht. Waren ja erst nur die Juden, Polen, etc. die gelitten haben. Willkommen Appeasement Politik?

Um den Textbezug herzustellen: Wenn es Dir um die Hoffnung für uns als unbeteiligte geht, ist es dann vom moralischen und literarischen Ansatz her richtig, als Projektionsfläche für diese Botschaft die Menschen im Ukrainekrieg zu verwenden?

Was ist schon Realität in Zeiten des Krieges, gibt es das?

Das kommt drauf an, ob man in Richtung Verschwörungstheorie geht oder logisches Denken.

Es gibt einen virtuelle Realität, die wir rein durch Glauben erschaffen. Und je mehr in unserem Umfeld daran glauben, desto stärker sind wir von dieser Realität überzeugt.

Zum Beispiel: Es glauben sehr viele daran, dass die Bundesrepublik existiert oder die Deutsche Bank, das nehmen normale Menschen als real gegeben hin. Bei Gott wird es schon unsicherer, auch wenn das noch sehr viele sind. Bei Verschwörungstheorien sind es hingegen meistens recht wenig Menschen, die sich aber oftmals in einer Blase befinden, sodass ihnen das dann so vorkommt, als ob alle daran glauben, was sie wiederum darin bestärkt, dass das alles real ist, was sie glauben.

Menschen, die an etwas für sie sehr wichtiges glauben, tendieren leider immer dazu, anderen diesen Glauben aufzuzwängen oder im Extremfall mit Gewalt durchzusetzen und wenn das nicht funktioniert, Andersgläubige zu vernichten.

Putin ist jetzt in der letzten Phase. Er glaubt, dass die Ukraine nicht existiert, sondern zu Russland gehört. Erst hat er es mit Reden und sonstige Einflussnahme probiert, dann mit Gewalt und jetzt scheint es Richtung Vernichtung zu gehen.

Dann gibt es eine physische Realität. Hier machen die meisten Menschen den Fehler, dass sie nicht überprüfbare Annehmen für die These zugrundelegen.

In der Wissenschaft kann man Realität so definieren:

Die These, welche unter Zugrundelegen überprüfbarer Annahmen die höchste Wahrscheinlichkeit hat (= geringster Fehler), wird als Realität anerkannt.

Dies sollte man aber auch als normaler Mensch beherzigen, wenn man nicht Gefahr laufen möchte, Humbug oder Verschwörungstheorien zum Opfer zu fallen.

Einfaches Beispiel:

Ist Erdanziehungskraft real?

Physiker haben dafür ein physikalisches Gesetz aufgestellt (überprüfbare Annahme) und das wahrscheinlich schon millionenfach gemessen mit einer extrem hohen Genauigkeit. Es gibt keinen Hinweis, dass die Gravitationskraft nicht existiert.

Jetzt kann man aber auch sagen, naja, vielleicht gibt es ja einen anderen nicht erkennbaren Mechanismus, der die auch mal ausschaltet oder uns nur die Gravitationskraft vorgaukelt?

Schon tappt man in die Falle, weil man eine nicht überprüfbare Annahme zugrundelegt.

Das geht natürlich auch mit anderen Themen, z. B. Wasser hat ein Gedächtnis oder irgendsoein Schmarrn. Da werden auch Annahmen zugrundelegt, die nicht überprüfbar sind. Das hat dann mit physischer Realität nichts mehr zu tun.

Übrigens ist meiner Meinung nach dieser Ansatz der überprüfbaren Annahmen auch einer, mit dem Gesellschaften versuchen die virtuelle Realität in die physische zu überführen.

Dazu dienen "verstofflichte Symbole" - früher Kreuze, Kronen, Zepter, Wappen, Rituale, etc., heute sind das eher Zeugnisse, Register, Regelwerke, die Festlegen unter welchen Umständen etwas Virtuelles existiert (z. B. Ehe, Eigentum am Haus, etc.).

Weil man ein Zeugnis vorlegen kann, hat man den Abschluss. Kann man das Zeugnis nicht vorlegen, glaubt einem keiner, dass man den zugehörigen Abschluss hat. Es wird also die virtuelle Realität (Abschluss) anhand eines verstofflichten Symbols (Zeugnis) überprüft (der Abschluss selbst ist oftmals auch ein Ritual, z. B. Prüfung).

Das Ganze kannst Du auch auf Kriegszeiten anwenden:

Wir haben eine unsichere Informationslage, das ist richtig. Also muss man sich fragen, welche Tatsachen mit höherer Wahrscheinlichkeit richtig sind.

Beispiel: Begeht Russland Kriegsverbrechen?

Es gibt jetzt Bilder von Toten, Videos, Zeugenberichte, etc. von sehr vielen Menschen. Journalisten aus freien Ländern, recherchieren und bestätigen das.

Auf der anderen Seite gibt es eine Diktatur in einem Land, das gerade einen Angriffskrieg führt, in dem es keine freie Presse gibt und Leute Angst haben, ihre Meinung frei zu äußern, ein Militär, das auch historisch betrachtet Kriegsverbrechen begangen hat und in dem auch innerhalb brutale Gewalt die Normalität ist.

Ich kann jetzt natürlich annehmen, dass sich alle Journalisten der freien Welt gegen Russland verschworen haben und alle Beweismittel von einer riesigen, unbekannten Verschwörung gezinkt sind.

Damit legt man aber nicht überprüfbare Annahmen zugrunde, denn die Nichtexistenz einer Verschwörung kann ich nicht beweisen. Und außerdem ist einfach aufgrund der oben genannten Fakten die Wahrscheinlichkeit, dass Russland die Wahrheit sagt und alle anderen nicht, extrem gering.

Weiß ich damit, ob in jedem Einzelfall, sprich bei jedem Toten der da liegt, ein russisches Kriegsverbrechen vorliegt? Nein, natürlich nicht. Natürlich kann auch ein einzelner Toter von einem anderen Ukrainer erschossen worden sein oder von einem russischen Soldaten ohne in dem Sinne verbrecherische Absicht. Das ist der Trick, der immer wieder gemacht wird: Auf den Einzelfall zu zoomen und sagen, ja dafür ist das ja gar nicht nachgewiesen und deswegen stimmt alles andere auch nicht.

Aber darauf kommt es nicht an.

Wenn es z. B. 5000 Tote gibt und davon 10 nachweislich nicht auf russische Kriegsverbrechen zurückgehen, ist die These immer noch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit richtig, dass die Russen Kriegsverbrechen begehen (und die Wahrscheinlichkeit, dass die anderen 4990 auf die Kappe der Ukrainer gehen oder das alles gezinkt haben extrem gering).

Für mich ist daher die Realität in Kriegszeiten das, was objektiv am Wahrscheinlichsten ist und für das ich überprüfbare Annahmen machen kann.

Die These, dass die russische Realität die richtige ist, kann man aus meiner Sicht nur aufrechterhalten, wenn man nicht überprüfbare Annahmen zugrundelegt und niedrigere Wahrscheinlichkeiten akzeptiert.

Damit heißt das nicht, dass alles von der anderen Seite im Einzelfall "wahr" ist, aber das realistische Gesamtbild ist sicher nicht dasjenige, welches gerade von der russischen Seite gemalt wird.

Menschen neigen dazu, sich einer solchen überprüfbaren Realität zu verweigern, weil sie zu "faul" sind, wirklich logisch nachzudenken (Stichwort "Schnelles Denken, langsames Denken"). Bei Wasser mit Gedächtnis oder Homöopathie ist mir das egal, aber hier in der aktuellen Situation auf Russland bezogen ist mir das nicht egal, weil es einerseits unmenschlich gegenüber denjenigen Menschen ist, die das Leid ertragen, und andererseits auch tatsächlich gefährlich, weil womöglich Maßnahmen um auch unsere Freiheit zu schützen, nicht getätigt oder verschleppt werden.

Und hier wieder der Textbezug: Wenn die Botschaft ist, lieber nicht so genau hinsehen, sondern Hoffnung haben, ist das eine, die ich gerade angesichts des aktuellen Geschehens als moralisch/ethisch nicht richtig empfinde.

Und der Ansatz das Leid zu ästhetisieren, wie Du es @lakita erklärt hast, erscheint mir auch fragwürdig.

Wenn ich mir vorstelle, dass ein Soldat gerade meine schwangere Frau vor mir erschossen hat, dann würde ich nicht wollen, dass das ästhetisiert wird.

Das meinte ich übrigens mit Projektionsfläche. Die Schwierigkeit ist ja, dass Deine Projektionsfläche real ist. Es läuft gerade dieser Krieg. Das geschieht jetzt. Du nimmst auf das aktuelle Geschehen Bezug. Da hat jeder, der sich nicht den Nachrichten verschließt, gerade schreckliche Bilder im Kopf.

Das ist eben nicht nur irgendein ausgedachter Plot, sondern Du bedienst Dich des aktuellen Kriegsgeschehens, um eine Botschaft zu transportieren.

Ich kann verstehen, dass man sich nicht hineinfühlen mag, in das aktuelle Leid der Menschen, denen das gerade passiert, aber dann muss man sich eben einen anderen Plot suchen, eine andere Projektionsfläche.

Gruß
Geschichtenwerker

 

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