Hallo @Isegrims,
ich hatte eigentlich nicht vor, dir hier eine Kritik zu schreiben, weil ich befürchtete, sie würde so heftig ausfallen, dass du dich persönlich angegriffen fühlen könntest. Denn, um es vorweg zu sagen, ich fand an dieser Geschichte so rein gar nichts gut.
Aber je länger diese Geschichte hier steht, desto heftiger pocht sie an mein Gewissen und mahnt mich, nicht feige zu sein, den Konflikt also durchaus mit dir zu wagen und vielleicht gelingt es mir ja, dir ein Feedback zu geben, das du verstehst, also nachvollziehen kannst und das dich nicht in die Position versetzt, dich beleidigt zu fühlen. Denn ich möchte dich nicht beleidigen, auch wenn ich und damit fängt der Angriff eigentlich schon an, deine Geschichte als Beleidigung empfinde.
Was willst du mit dieser Geschichte aussagen? DAS wäre meine allererste Frage, die du mir erst nach dem Lesen dieser Kritik beantworten kannst.
Ich spekuliere einmal, dass deine Intention war, die dich beeindruckende Kriegsberichterstattung über die Vernichtung der ukrainischen Bevölkerung irgendwie aus ihrer Sprachlosigkeit herauszuholen und in Worte zu fassen.
Ein durchaus verständliches Anliegen, es geht vermutlich vielen von uns so, dass wir gerade damit hadern, diese unfassbaren unmenschlichen widersinnigen Dinge in die richtigen Worte zu kleiden.
Ich weiß natürlich jetzt nicht, ob das dein Anliegen war. Aber ich habe deine Geschichte unter genau dieser Intention gelesen und wurde reichlich enttäuscht. Ich habe Mitgefühl und Empathie und auch genaue Beobachtung erwartet und lese hier von allem das Gegenteil.
Wenn das Thema nicht so ernst wäre, käme ich fast auf die Idee, dass es sich um eine perfide Satire handelt. Aber so weit möchte ich dann doch nicht in meinen Gedanken gehen. Werde aber am Ende nochmals darauf eingehen, weil ich eine Bemerkung gelesen habe, die du einem Kritiker geschrieben hast.
Zum einen stört mich, dass du an keiner Stelle die drei Personen oder nehmen wir Boris noch dazu, also die vier Personen mir näher bringst, ich bleibe aussen an ihnen kleben und runzele ununterbrochen die Stirn, weil sie sich so seltsam kraus verhalten. Und das nicht etwa, weil sie sich in einer absoluten Ausnahmesituation befinden, was es ja dann erklären würde, nein, sie benehmen sich so, dass ich denke, sie sind nicht echt, nicht authentisch.
Ich erlebe nichts mit ihnen, sondern immer dann, wenn ich es könnte, wechselst du die Szene und sie verschwinden wieder. Ich komme ihnen also nicht nahe. Dies wäre aber ein Text, in dem es geradezu ein Hauptbestandteil wäre, diesen Menschen nahe zu kommen.
Für mich ist das ein Zeichen dafür, dass du als Autor diese Figuren nicht in deinem Kopf hast reifen lassen. Sie sind konstruiert, klar das sind fast alle Figuren, wenn wir etwas schreiben, aber du hast sie einfach nur in der groben Kontur gezeichnet und damit sträflich ungenau gelassen.
Dann taucht bei mir wiederum die Frage auf, was wolltest du eigentlich über die Figuren aussagen? Sollten sie dem Leser nahebringen, wie es ist, wenn man eine Nacht in einem Schutzraum verbringen muss, während man trotzdem ununterbrochen sich bedroht fühlt?
Wenn ja, dann ist dir das nicht gelungen. Denn davon lese ich rein gar nichts.
Wolltest du Mutter und Kind dabei haben, damit der alte Mann seine sog. Geschichte erzählen kann? Brauchtest du einfach jemanden, dem er das berichten konnte? Ging es nur um diese Geschichte?
Und was soll ich erkennen? Parallelen zur bedrohlichen Situation? Du zeigst aber diese nicht auf.
Ich weiß einfach nicht, was deine Aussage sein soll.
Wolltest du aufzeigen, dass man durchhalten soll? Egal, wie schlimm etwas ist? Aber warum dann mit ausgerechnet diesem Bericht aus dem KZ? Gibt es da nicht tausend neuzeitlichere Motive, die so einem Kind auch viel intensiver nahe gebracht werden können? Denn er will ja, wenn ich es richtig verstehe, das Kind motivieren oder?
Und was mir das alles obendrein noch fast unerträglich macht, ist dieser eigenartige schwurbelige, teils unangenehm kitschige Stil, in dem du alles verpackt hast. Wozu das?
Mich stößt das ab. Ich bin bei manchen Sätzen einfach überrascht, dass du so triefend formuliert hast und frage mich die ganze Zeit, ob du das ernst gemeint hast. Oder willst du provozieren? Ich kann nicht nachvollziehen, was diese teils ungenauen, teils schwülstigen Formulierungen sollen.
Aber was mich noch viel mehr irritiert, ist, dass du hier zwei Themen miteinander zu verquicken versuchst, die beide für sich genommen, so tragisch, so dramatisch und so furchtbar sind, dass es auf mich wie Hohn wirkt, sie in einen Topf zu packen.
Ich meine damit, dass schon die Situation, dass Mutter und Töchterchen, Leo und Boris und all die anderen in dieser hochbedrohlichen Situation ausharren müssen, für sich so viel an Bedeutung hat, dass es als Thema voll und ganz ausgereicht hätte.
Nein, ich will dir beileibe nicht vorschreiben, welche Themen du dir auszusuchen und welche du nicht zu kombinieren hast.
Aber ich bin peinlich berührt, dass du die Judenvernichtung mit der unmittelbaren Bedrohung durch Krieg kombinierst, weil es bei mir den Eindruck hinterlässt, dir sei eine Sache nicht intensiv genug, da musste jetzt noch was draufgesattelt werden.
Bei mir kommt das dann so an, als nähmest du jede Situation für sich genommen, nicht wichtig genug.
Ich finde das beschämend.
Ich übertreibe jetzt mal, damit dir klar wird, was ich meine, denn irgendwie habe ich die Befürchtung, du könntest mich nicht verstehen:
Wie sähe es aus, wenn du nicht nur die Bedrohung durch Bomben- und Raketenangriffe schilderst, sondern eben auch einen Juden über die Judenverfolgung sprechen lässt und weil dir das vielleicht auch noch nicht reicht, den Leo nicht nur alt gestaltest, sondern er ist auch noch blind und einbeinig. Im Schutzkeller bekommt obendrein noch eine Frau ihre Wehen, es zeichnet sich ab, dass es keine normale Geburt werden wird, aber es ist weder ärztliche Hilfe, noch eine Hebamme zur Stelle und wird auch nicht noch eintreffen und das Licht fällt obendrein auch noch aus.
Merkst du was? Je mehr du draufsattelst, desto mehr verliert sich die Bedeutung der einzelnen Tragödien.
Dies Natalis Solis Invicti
Immer dann, wenn ich etwas in einer Sprache lese, die ich nicht beherrsche, vermag ich das nur dann zu akzeptieren, wenn ich irgendwann im Laufe des Textes oder auch von mir aus am Ende erfahre, dass es genau nur so in dieser Sprache sein musste, um eine Bedeutung zu haben. Ansonsten frage ich mich immer, was will der Autor nun damit bezwecken, indem er mich ausgrenzt? Dass, was Leos Mutter zusammen mit ihren Freundinnen als Überlebensleitspruch in dieser Sprache damals verwendet hat, kann auch bestens in deutscher Sprache da stehen, es bekommt keinen tieferen Sinn durch das Fremdsprachige.
Die Sonne geht unter. Das kalte Grau des Tages verschwindet, hinterlässt unter dem Nebel etwas Rosa, dann Rot, schließlich Schwarz. Akulina blickt aus dem Fenster. Er könnte so schön sein, der Abend. Frühling liegt in der Luft. Über die Straßen streunen Katzen und Hunde zwischen den Patrouillen, sonst niemand. Grollen und Zischen, Poltern und Beben überziehen die Stadt, mal näher, mal ferner. Lichtblitze steigen zum Himmel auf, leuchten, verglühen, ein unablässiges Feuerwerk.
Ich komme mit dem Wetter nicht klar. Kaltes Grau, Nebel, Rosa, Rot, Schwarz. Wenn es grau ist und gar noch neblig, wie sollen dann Rottöne entstehen? So eine Wetterlage gibt es meines Erachtens nicht. Und ich gehöre leider zu der Fraktion, die auf so etwas achtet und es nicht als freiflottierende poetische Form deuten kann.
Mein Sprachgefühl würde eher sagen, die Katzen und Hunde streunen in den Straßen, wobei dieses Bild so etwas Romantisches hat, was ich für unpassend halte. Das zersägt meiner Meinung nach die Tatsache, dass du eine Kriegssituation schildern möchtest. Oder irre ich mich da? Einmal abgesehen davon, dass sich Katzen und Hunde bei Feuerwerk sofort in Schutz begeben würden. Frage Hundebesitzer, wie es ihren Vierbeinern zu Silvester geht. Da läuft kein Hund mehr freiwillig auf der Straße rum. Das gilt auch für Katzen.
Sodann frage ich mich, was dieser Widerspruch soll, dass du eine hochbedrohliche Situation mit einem Feuerwerk vergleichst. Ein Feuerwerk ist normalerweise ein optisch erbauliches Erlebnis, was hat das mit den Lichtblitzen zu tun, die durch Mündungsfeuer entstehen?
An dieser Stelle und so ging es mir immer wieder, fand ich, dass du das Thema nicht sehr ernst nimmst.
Zeit aufzubrechen, bevor die besten Plätze belegt sind.
Die besten Plätze? Die finde ich, wenn ich frühzeitig zum Openair-Konzert gehe und mir dann aussuchen kann, wie nah ich an der Bühne stehen möchte. Diese Nebenbemerkung bringt eine Form von Verharmlosung in deinen Text und macht ihn damit nieder. Ganz gewiss gibt es in einem Schutzkeller gute und nicht so gute Plätze, gar keine Frage. Aber dann musst du es auch ein wenig darstellen und konkret werden.
Sie schultert den Rucksack mit dem Wichtigsten, Papieren, Wasser, Schokolade, Buchweizen für den Notfall.
Wieder so ein kleiner Recherchefehler, der mich stört: Buchweizen sind Körner, die erstmal mindestens so lange wie Reis gekocht werden müssen. Nimmt man, wenn man weiß, was einem bevorstehen könnte, dann so etwas mit? Eher wohl nicht, sondern Lebensmittel, die man sofort essen kann.
. Eine feine, blonde Haarsträhne bedeckt ihr linkes Auge.
Wen bedeckt diese Haarsträhne? Das Kind oder die Puppe? Und wenn man mal nach dem meist gar nicht so verkehrtem Gebot sich das anschaut, dass in einer Kurzgeschichte Sätze vermieden werden sollen, die eine Geschichte nicht voranbringen, so wäre das hier so ein Fall zum Streichen des Satzes.
Es ist sinnlos, in den Keller zu gehen, ruft Nadeschda, aber niemand hört sie.
Wieso driftest du jetzt, übrigens zwischendrin ja dann nie wieder, erst am Ende der Geschichte in die Phantasie? Wozu sagt das jetzt die Puppe? Das wirkt auf mich so als wolltest du etwas Bedeutungsschweres einfügen, aber bei mir verfängt es leider nicht.
Das Geheul ebbt auf und ab.
So geht das nicht. Was willst du gerade mitteilen? Was erleben deine Figuren? Wie fühlen sie sich? Was bedeutet dieses Auf und Ab? Was bedeutet es für sie? DAS alles lässt du weg?
Ich fragte mich an dieser Stelle, was dir denn anstatt wichtig sein könnte.
Jeder trägt die eigene Last.
Bla...das ist so uninspiriert formuliert, dass ich denke, es sollte besser gestrichen werden.
Mutter und Tochter halten sich aneinander fest.
Hier genauso. Wie halten sie sich fest? Was fühlen sie? Was denken sie. Du lässt den Leser überhaupt nicht an die Figuren ran und damit nimmst du ein riesiges Stück Wichtigkeit raus. Wohin soll jetzt die Reise gehen? Was willst du mitteilen, wenn du das alles auslässt?
Der Vater ist irgendwo da draußen und schickt jeden Tag Fotos,
Das ist einfach völlig lieblos formuliert und obendrein setzt du voraus, dass jeder Leser nun weiß, dass die Ukrainer, die kämpfen, soweit sie überhaupt noch über Handyempfang und Akkuleistung verfügen, mit ihren Familien in Kontakt stehen, indem sie Fotos schicken. Aber wieso glaubst du, du darfst dieses Wissen voraussetzen?
auf denen er sich zu lächeln bemüht und Camouflage trägt.
Bei dem Wort Camouflage denke ich sofort an amerikanische Soldaten, nicht an ukrainische.
Zwei Stockwerke unter der Erde.
Wirklich? Gibt es in der Ukraine in den normalen Wohnhäusern zwei ! Etagen Keller sozusagen?
Das Haus ist alt, solide gebaut.
Was willst du damit ausdrücken: sie mussten sich keine Sorgen machen? Also die nachfolgende Szene ist dann unter dem Aspekt des eventuellen Beschusses des Hauses undramatisch? Fühlten sich die Insassen des Kellers insoweit sicher? Bestimmt nicht!
Die Sirenen tönen hier milder, gedämpfter, dabei weiß jeder, dass sich der Schall unter der Erde langsamer ausbreitet.
Was möchtest du mit diesem Satz mitteilen? Was sagt er über die Situation aus? Soll ich mit den Figuren fürchten, mit ihnen bangen? Oder soll ich mir sagen: naja, die haben da unten ja kaum was gehört, also allenfalls gedämpft und milde. Also alles gut. Wozu diese Verharmloserei?
r
Boris schaut ihn verwirrt an und bedeutet ihm,
Ich habe mich gefragt, wieso ein Hausmeister, der garantiert weiß, weshalb das arme Kerlchen durchdreht, verwirrt ist. Das ist meiner Meinung nach nicht die treffende Reaktion. Sondern er beruft den Lütten entweder energisch, weil er ja die Hausmacht dort unten hat oder aber er versucht ihn abzulenken oder er tröstet ihn. Aber verwirrt? Versetze dich doch bitte mal in die Situation.
An den Wänden sind mächtige Rohre angebracht, Lüftung, Heizung, ein Weg nach draußen.
Ein Satz, bei dem du bei mir Scheunentore einrennst, weil er so ungenau ist. Was für Rohre, doch nicht etwa welche, die alles bieten, Lüftung, Heizung und obendrein einen Weg nach draußen? Und wozu schreibst du das? Ist diese Info jetzt wichtig? Wie sich später, als ich alles gelesen hatte, herausgestellt hat, nein, er ist überhaupt nicht wichtig.
Wer dort lagern muss, fühlt sich schutzloser.
Weshalb? Du setzt offensichtlich wieder voraus, dass ich weiß, was du meinst. Es rächt sich immer wieder, wenn man einfach tell macht, anstelle von show.
Auf dem nackten Boden liegen Sterne. Akulina fegt sie mit dem Handrücken beiseite.
Zum einen frage ich mich, was das mit den Sternen soll. Hat ein Kind die mal in einer der anderen Nächte gebastelt? Dann bitte schreibe es so. Symbolträchtigkeit funktioniert besser, wenn sie einen realen Bezug hat.
Zum anderen glaube ich nicht, dass Akulina sich ihren Handrücken schmutzig machen wird und die Sterne beiseite schiebt. Die wird schön ihre Isomatte auf die Sterne draufpacken und gut ist. Versetze dich in ihre Lage bitte.
. Das Paradies ist weit entfernt.
Klischee.
Sie breitet die Iso-Matten aus, die sie für den Strand, für eine Sonnenwelt, gekauft hat und legt die Decke darüber.
"für eine Sonnenwelt" ist jetzt für den ganz verblödeten Leser gedacht, der nicht weiß, dass man meist bei Sonnenschein am Strand ist? Ich würde das streichen.
Aber heute fängt er an zu sprechen, eine melodische Stimme, aus dem Bauch heraus.
Eine melodische Stimme, was ist das? Wie klingt die? Und aus dem Bauch heraus? Wie klingt das?
„Guten Abend, ihr drei. Darf ich euch und deiner Puppe eine Geschichte erzählen?“
Mir gefällt, dass er so höflich fragt. Allerdings finde ich, dass er dem Kind keine Geschichte im eigentlichen Sinne erzählt. Er wirkt auf mich nicht dement. Es wundert mich, dass so ein höflicher Mensch dann solch einen Betrug am Kind begeht, denn er erzählt ihr einen grausamen Bericht. Kindgerecht ist was anderes.
Mich stört, dass er hier über die Kindesinteressen fast brutal drübergeht. Meiner Meinung nach würde ich ihm das erst abnehmen, wenn ich noch mehr Verhalten an ihm entdecken darf, dass am anderen vorbei agiert.
„Du hast der Puppe einen guten Namen gegeben.“
„Findest du?“
„Oh ja. надеяться bedeutet Hoffnung.“
„Etwas Schönes“, sagt Akulina.
Bisschen kitschig an dieser Stelle finde ich.
Wozu zweimal : ?
Wenn ich die Augen schließe und an meine Mutter denke, höre ich ihre feine Stimme. Sie ist wie das Rauschen eines Gebirgsflusses, das Summen von Bienen, das leise Wachstum der Bäume, das Aufsprießen der Blumen. Frühling.
Ab Satz zwei wird es irgendwie unangenehm süsslich. Wozu? Es reicht Satz eins.
Vieles war noch warm von den Leibern der Frauen, die es kurz zuvor noch getragen hatten. Oder wir bildeten es uns ein.
Ich weiß nicht, ich fühle mich an dieser Stelle wegen genau dieser Aussage peinlich berührt. Es wirkt etwas erotisch auf mich und ich komme damit dann nicht klar, wenn es so bezweckt ist. Wohlgemerkt, wir sprechen hier ja nicht von einer Sexszene, wo sich eine Frau entkleidet und der Mann die Unterwäsche auffängt und diese Wärme in ihr noch spürt. Wir sind im KZ!
Vielleicht bin ich mit dieser Ansicht allein auf weiter Flur, aber ich erwarte etwas mehr feinfühliges Gespür.
Klar, wird diese Frauen, die die Wäsche sortieren mussten, ab und zu ein Stück Spitzenunterwäsche untergekommen sein und sicherlich werden sie das feine Gewebe an ihren vielleicht mittlerweile rauhen Händen gefühlt haben, aber wäre es nicht eher so, dass sie besonders traurig gewesen wären, dass ihre Trägerin, so ein wertvolles Kleidungsstück nun ausziehen und wie Müll zurücklassen musste. Es waren doch ihre Leidensgenossinnen. Mir fehlt hier ein großes Stück Empathie.
Oft zupften wir die schwarzen Haare ab, die sich auf der Wolle verfangen hatte.
Wie jetzt? Willst du damit behaupten, alle Juden hatten schwarze Haare? Ich verstehe den Satz eigentlich so, dass die drei, obwohl sie wussten, dass die Wäsche entsorgt wird, sie diese trotzdem noch vorher ganz ordentlich behandelten. So eine Art Ausdruck von Respekt. Aber was veranlasst dich da nur von schwarzen Haaren auszugehen? Was soll das?
So verbrachten wir unsere Tage, unterbrochen von Suppe, Wasser, Kartoffeln.
Klingt befremdlich. Du verkürzt laufend inhaltlich und dann wirkt es seltsam unpassend. So auch hier. Tage kann man auch unterbrechen durch Schlaf, in Gedanken wo sitzen, sich schweigend anblicken, es muss nicht automatisch Suppe, Wasser und Kartoffeln sein. Und was soll diese Aussage auch mitteilen? Die Eintönigkeit? Diese drei Frauen hatten garantiert ebenfalls Angst um ihr Leben. Kann ich, wenn ich Angst habe, überhaupt so daherreden und etwas als eintönig empfinden?
Immer wieder ziehe ich die Stirn kraus und verstehe nicht, wieso du so grobschlächtig formulierst, dass man alles missverstehen oder gar nicht verstehen kann.
Und all die Menschen, denen die Sachen gehört, die sich im Spiegel angeschaut, ihre eigene Silhouette begutachtet hatten, sich fragten, ob es ihnen stünde, was sie trugen, waren dann bei uns. Ihre Seelen, ihre Geister sprachen mit uns. Wir hörten ihnen zu, weil sonst nichts mehr anderes blieb.
Tut mir leid, diese beiden Sätze sind einfach nur neben der Spur. Du willst die Betroffenheit der drei Frauen darstellen, aber was du daraus gemacht hast, ist eine effekttriefende Aussage in Sachen Betroffenheitsliteratur. Hast du das nötig, so plump es darzustellen? Wie wäre es, wenn sie über die Frauen reden, die sich vermutlich sogar in ihrer Gegenwart ausgezogen haben, denn sonst käme man nicht auf die Idee, die Unterwäsche noch für warm zu halten. Sie reden über diese Frauen, in welchem Block die nun wohl untergekommen ist. Ob sie noch lebt, die die so schöne Spitzenunterwäsche anhatte oder die, die trotz des irrsinnig tagelangen Transports noch nach Eau de Cologne roch. So in der Form könnte ich es mir vorstellen.
e. Wir bauten uns eine Höhle, so weitläufig, so tief, dass keiner uns finden konnte.
Das soll jetzt im übertragenden Sinne gemeint sein? Mir ist das zu kitschig und damit verliert es seine Aussagekraft. Leider. Du versuchst viel Bildersprache und viel geht leider daneben.
Wir sangen die Lieder der Kindheit, sodass die Töne in die Höhe stiegen, der weiße Rauch unserer Herzen.
Der weiße Rauch unserer Herzen. Aua! Wozu diese Süsslichkeit? Oder ich bring es noch brutaler rüber: Bei "weißem Rauch" muss ich an die Krematorienschornsteine denken.
Wir hielten wir uns aneinander fest und erzählten einander die Geschichten aussperre Frühlinge und Sommer, was wir von Schmetterlingen und Vögeln wussten, von Kaninchen und Rehkitzen.
Auch dieser Satz ist einerseits unglücklich formuliert, auch scheint ein Tippfehler drin zu sein, aber er ist und das ist viel schlimmer so völlig trivial und nichtssagend. Ich erfahre nichts über Leos Mutter, denn die hat ja offensichtlich ihrem Sohn das alles mehrfach erzählt gehabt. Sie verklärt ihre Vergangenheit, das kommt bei mir an. Was aber wollte sie ihrem Sohn mitteilen? Was sollte er nie vergessen? Dass sie durchgehalten hat? Aber wie sie es getan hat, das alles verpackt sie in unpassende Bilder. Wie soll Leo daraus jemals schlau geworden sein?
Deshalb ritzten wir einen Spruch ins Holz, den ich aus meiner Schulzeit kannte: Dies Natalis Solis Invicti. Denn die Sonne Sonne besiegt an jedem einzelnen Morgen die Nacht.
einmal Sonne zuviel?
Damals befand sich unser Paradies hinter Stacheldraht,
Tut mir leid, das ist so ein Satz, der nachträglichen Verklärung, der liegt mir völlig quer.
, zwischen zwei- und vierbeinigen Hunden, die ihre Zähne fletschten, Stöcke, Gewehre und steinerne Gesichter trugen.
Dies ist hier der einzige wirklich klasse Satz in deiner Geschichte!
so wie du die Geschichte von Ruth Baruch bei dir tragen wirst.
Das arme Kind. Man kann Überlebenswillen und Durchhalten und positives Denken auch wirklich etwas weniger tragisch vermitteln.
Während Leo unentwegt spricht, zittern Wände, dumpfer Donner, Knallgeräusche schwellen an, ebben ab, Menschengeflüster breitet sich aus, verstummt.
Einmal finde ich, dass du über die bedrohliche Kriegssituation viel zu oberflächlich hinweghuscht, was der Sache keinesfalls angemessen ist. Zum anderen haust du mich auch mit unzutreffenden Formulierungen raus, wie z.B."Knallgeräusche". Das passt nun wirklich nicht. Zumal ich da an Knallerbsen denken muss. Und was willst du mit dem Menschengeflüster, das sich ausbreitet denn mitteilen? Manchmal kommt es mir so vor als hättest du einfach ungefiltert das hingeschrieben, was dir so grad in den Kopf gekommen ist. Aber es muss doch auch inhaltlich passen.
Akulina kauert vor dem Eingang,
Wieso tut sie das? Sie hatte doch einen guten Platz.
Verschwinden wie ein Geist,
Verschwunden
Am Morgen ist Leo weg. Wohin Akulina auch blickt, sie findet den alten Mann nicht. Verschwinden wie ein Geist, der durch die verschlossene Stahltür nach draußen zu schweben, einen, den keiner aufzuhalten vermag.
Und jetzt wird es unsinnigerweise phantastisch. Wozu?
Boris gibt schließlich das Signal, indem er gegen einen blechernen Eimer trommelt.
Wie muss ich mir das vorstellen, ist das eine so riesige Kelleranlage, dass er auf diese Weise sich bemerkbar machen muss?
. Ein grauer Himmel kündigt vorsichtig den Tag an.
Das habe ich mir erlaubt, zu zitieren, weil du später daraus einen sonnigen Tag machst.
Grau ist aber für mich ein Zeichen von wolkigem Himmel.
. In der Ferne pulsieren Motorsägen, kratzen über Metall und Beton und Stein.
Was möchtest du damit aussagen? Pulsieren? Ich verstehe hier null, was da passiert.
Aus der Dunkelheit schält sich ein merkwürdiges Gebilde heraus. Es liegt dort, wo zuvor Bäume die Straße gesäumt haben, vom Himmel gestürzt, ein lebloses Nichts, verdreht, die Kanten an einzelnen Stellen gerade, an anderen abgerundet, das Metall geschmolzen, von Zufall oder Schöpfer zu bizarren Figuren zerschmolzen, als wüsste der Urheber nicht, welche Form das Gebilde annehmen solle, als sei es nicht geschaffen für die Welt, auf die es stürzte, ein Engel, ein Stern, der mitten in der Stadt verglühte.
Eben noch hast du geschrieben, dass die Kellerinsassen ans Licht gehen. Jetzt ist es wieder dunkel. Was auch immer du damit gerade beschreiben möchtest, vielleicht einen zerstörten Panzer oder ein abgestürztes Flugzeug, aber meinst du wirklich, es so auf die trivial poetische Weise verpacken zu müssen? Was ist Krieg für dich? Kunst?
Geschundenes Metall riecht nach den kalten Fängen des Winters, schmeckt nach dem bitteren Hunger der Tage, an denen Gott fern, Teufel und Tod nahe sind.
Tut mir leid, aber hier gehen dir die Pferde durch. Hold yer horses young cowboy! Das ist so völlig übertrieben formuliert, dass ich tatsächlich an eine Satire denken muss.
Akulina spürt Hitze auf der Haut, wendet sich ab und zieht ihre Tochter mit sich fort.
Welche Hitze? Brennt da noch wo was? Gar ein Haus?
Am Horizont wird die Nacht vertrieben. Ein Glutball steigt nach oben und wandelt dabei die Farbe. Aus Rot wird Rosa, aus Rosa gelb, bis über dem zarten hellblauen Himmel eine gelbe Sonne das Firmament bestimmt.
Ich finde das einfach leider nur kitschig.
Gleich neben dem am Horizont versinkenden Mond fliegen zwei Gestalten nach Osten, vorneweg eine nackte Frau, deren Haare und Brüste im Wind wehen, dahinter erkennt sie Leo mit der Kippa auf dem Kopf.
Ich verstehe jetzt diese Wendung nicht. Was willst du damit ausdrücken? Und wer soll diese Frau sein, die mit Leo fliegt? Seine Ehefrau, Geliebte oder gar seine Mutter? Und mit wehenden Brüsten? Das Bild funktioniert nicht bei mir.
Später habe ich gelesen, dass du eine kleine Anleihe bei Bulgakov genommen hast und aus Meister und Margarita die Szene entnommen hast.
Wozu denn? Ist dir klar, dass sein Roman durchaus gehörig kräftige satirische Momente in sich birgt? Was verwurstest du da? Soll es am Ende witzig sein? Und sie fliegen nach Osten? Also Moskau?
Ich stehe, wie du vielleicht erkennst, komplett auf dem Schlauch, was du mit diesem Ende bezweckst.
Tut mir leid, es dir mit meiner Kritik nicht einfach gemacht zu haben. Aber dies hier ist mit Abstand eine deiner misslungensten Geschichten. Vielleicht tröstet dich, dass wir alle mal so eine Phase haben. Und die Betonung liegt auf Phase.
Lieben Gruß
lakita