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Sol Invictus

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19.05.2015
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Sol Invictus

Der Tag verschwindet, hinterlässt unter dem Nebel etwas Rosa, dann Rot, schließlich Schwarz. Akulina blickt aus dem Fenster. Er könnte so schön sein, der Abend. Frühling liegt in der Luft. Über die Straßen streunen Katzen und Hunde zwischen den Patrouillen, sonst niemand. Grollen und Zischen, Poltern und Beben überziehen die Stadt, mal näher, mal ferner. Lichtblitze steigen zum Himmel auf, leuchten, verglühen, ein unablässiges Feuerwerk.

Zeit aufzubrechen, bevor die besten Plätze belegt sind. Akulina wäscht sich die Hände, aber der Staub sitzt überall, ein Film, der sich über die Haut zieht. Sie schultert den Rucksack mit dem Wichtigsten, Papieren, Wasser, Schokolade, Buchweizen für den Notfall. Dann ruft sie ihre Tochter. Natalias presst ihre Puppe fest an sich. Sie hat sie Nadeschda getauft. Eine blonde Haarsträhne legt sich über ihr linkes Auge. Es ist sinnlos, in den Keller zu gehen, ruft Nadeschda, aber niemand hört sie. Im vierten Stock ist es nicht sicher, nirgendwo über der Erde ist es sicher. Im Treppenhaus hallen die Schritte. Das Geheul ebbt auf und ab. Die Bewohner sammeln sich. Jeder trägt die eigene Last. Mutter und Tochter halten sich aneinander fest. Der Vater ist irgendwo da draußen und schickt jeden Tag Fotos, auf denen er sich zu lächeln bemüht.

Zwei Stockwerke unter der Erde. Das Haus ist alt, solide gebaut. Die Sirenen tönen hier milder, gedämpfter.
Vor der eisernen Tür wartet der Hausmeister, hat die Arme verschränkt und steht breitbeinig auf dem Betonboden. Er begrüßt Akulina und Natalia mit einem Nicken und streicht über Nadeschdas Puppengesicht. Unter seiner Schiebermütze lugt schütteres Haar hervor, ein alter Mann, der Schlüsselträger des Wohnkomplexes. Boris hebt den Arm und weist den Weg: „Sucht euch einen Platz. Ihr seid bei den Ersten, habt die freie Wahl.“
Der Nachbarsjunge kommt mit seiner Mutter dazu. Sie stellen sich hinter Akulina und Natalia. Der Junge heißt Dmitri, sieben Jahre alt. Natalia erschrickt, als er schreit, man müsse alle Feinde töten. Boris schaut ihn verwirrt an und hält den Zeigefinger vor den Mund.
An den Wänden sind mächtige Rohre angebracht, Lüftung, Heizung, ein Weg nach draußen. Sie finden einen Platz in einer der Nischen zwischen den Abteilen, wo die Hausbewohner ihre Sachen lagern, alte Schränke, Gerümpel. Es gibt keine Stammplätze. Gestern verbrachten sie die Nacht auf dem schmalen Gang. Wer dort lagern muss, fühlt sich schutzloser. Die Mauern vibrieren. Auf dem nackten Boden liegen Sterne. Akulina fegt sie mit dem Handrücken beiseite. Das Paradies ist weit entfernt. Sie breitet die Iso-Matten aus, die sie für den Strand, für eine Sonnenwelt, gekauft hat, und legt die Decke darüber. Dann nimmt sie die Zeltstangen und baut den Unterschlupf, ein zusätzliches Dach für Natalia. Die Daunenjacken sind luftgepolstert, ein fadenscheiniger Schutz an der rauen Wand. Für einen Moment schließt sie die Augen, während ihre Tochter sich einrichtet, die Puppe platziert, die Vorräte aus dem Rucksack hinlegt. Die Nacht wird lang, aber irgendwann werden die Träume kommen, solche und solche.

Leo, der alte Mann aus der dritten Etage lässt sich an der Ecke zum Gang nieder. Er riecht nach Harz und Nadeln, als käme er aus einem Wald. Er trägt Kippa und hält ein Bündel in der Hand. Seit Akulina eingezogen ist, lebt er allein, wahrscheinlich war er schon da, als das Haus gebaut wurde.
Als Boris die Tür doppelt verschlossen hat, ballt Akulina eine Faust. Natalia schmiegt sich an sie. Ihre Mutter öffnet die Hand wieder und streicht über die feinen Haare ihrer Tochter. Akulina erinnert sich nicht, Leos Stimme je gehört zu haben. Aber heute fängt er an zu sprechen, aus dem Bauch heraus.
„Guten Abend, ihr drei. Darf ich euch und deiner Puppe eine Geschichte erzählen?“
„Nadeschda mag Geschichten“, antwortet Natalia.
„Du hast der Puppe einen guten Namen gegeben.“
„Findest du?“
„Oh ja. надеяться bedeutet Hoffnung.“
„Etwas Schönes“, sagt Akulina.
Leo nickt: und lächelt: „Der Name meiner Mutter war Ruth Baruch. Sie ist vor einigen Jahren gestorben. Hier in der Stadt hat sie zuletzt gelebt. Ruth ist ein jüdischer Vorname, schön, wohlklingend, jedenfalls in meinen Ohren. Namen tragen etwas in sich, ein Geheimnis, ein Zeichen, malenkaya, deshalb hast du deine Puppe auch Nadeschda getauft. Wenn ich die Augen schließe und an meine Mutter denke, höre ich ihre feine Stimme. Immer wieder dieselbe Geschichte hat sie erzählt, immer nur diese eine, wahrscheinlich, damit ich sie nie vergesse, vielleicht auch, weil sie sonst überhaupt nichts aus ihrem Leben erzählt hat, mag sein, sie wollte, mag sein, sie konnte es nicht. Sie flüstert ein wenig, aber hör ihr einfach zu.“

Zu dritt waren wir, drei Freundinnen. Wir stapelten Wäsche, sortierten die Kleider der Angekommenen. Manches roch nach Angst, anderes nach Kernseife und manchmal fanden wir Blusen, die nach Lavendel oder Kölnisch Wasser dufteten. Ein Stapel mit Hosen, einer mit Röcken, einer mit Kleidern, einer mit Jacken, einer mit Oberbekleidung, getrennt in Blusen und Pullover, ein Haufen mit Schuhen. Die Unterkleidung legten wir extra. Damit war nichts anzufangen, sagten die Kapos. Ab und zu fanden wir Spitzenwäsche. Dann stellte ich mir vor, wie zart sie sich auf der Haut anfühlte. Vieles war noch warm von den Leibern der Frauen, die sie kurz zuvor noch getragen hatten. Oder wir bildeten es uns ein.
Wir wagten es nicht, etwas zu stehlen. Das Lager, in dem wir arbeiteten, war riesig, so viel Platz nur für Kleidungsstücke. Berge türmten sich auf. Wir brachten zurück, was wir uns für die Nacht geliehen hatten. Ganz selten geschah es, dass wir zwischen den Sachen Perlen fanden. Oft zupften wir die Haare ab, die sich auf der Wolle verfangen hatte. So verbrachten wir unsere Tage, unterbrochen von Suppe, Wasser, Kartoffeln.
Aber wenn wir zu unserer Schlafstatt kamen, richteten wir uns ein, so gemütlich es ging, bauten uns eine eine Burg. Und all die Menschen, denen die Sachen gehört, die sich im Spiegel angeschaut, ihre eigene Silhouette begutachtet hatten, sich fragten, ob es ihnen stünde, was sie trugen, waren dann bei uns. Ihre Seelen, ihre Geister sprachen mit uns. Wir hörten ihnen zu, weil sonst nichts mehr anderes blieb. Wir lagen eng, aber wir lagen zusammen, Rahel und Sofia und ich. In einem schmalen Bett in der dritten Etage, die man uns als Nachtlager zugewiesen hatte. Wir bauten uns eine Höhle, so weitläufig, so tief, dass keiner uns finden konnte. Wir sangen die Lieder der Kindheit, sodass die Töne in die Höhe stiegen, der weiße Rauch unserer Herzen. Wir hielten uns aneinander fest und erzählten einander vom Frühling und Sommer, was wir von Schmetterlingen und Vögeln wussten, von Kaninchen und Rehkitzen.
Wir weinten, das schon, auch die Verzweiflung überfiel uns an vielen Tagen wie Eisregen, aber niemals vergaßen wir, dass das Leben aus Innen und Außen besteht, dass das Paradies ganz nahe ist, dass niemand die Seele an sich zu reißen vermag. Deshalb ritzten wir einen Spruch ins Holz, den ich aus meiner Schulzeit kannte: Sol Invictus. Denn die Sonne besiegt an jedem einzelnen Morgen die Nacht.
Damals war unser Paradies hinter Stacheldraht, zwischen zwei- und vierbeinigen Hunden, die ihre Zähne fletschten, Stöcke, Gewehre und steinerne Gesichter trugen. Aber wir hatten uns. Wir waren unbesiegbar. Keiner konnte uns etwas antun. Rahel und Sofia sind nicht verloren gegangen, auch wenn ich sie nie wieder gesehen habe, nach all dem, trage ich die beiden bei mir, so wie du die Geschichte von Ruth Baruch bei dir tragen wirst.

Während Leo spricht, zittern unentwegt Wände, dumpfer Donner, Knallgeräusche schwellen an, ebben ab, Menschengeflüster breitet sich aus, verstummt. Natalja schließt irgendwann die Augen, umklammert Nadeschda. Akulina kauert vor dem Eingang, starrt ins Leere, bis Stille einkehrt, nichts die milchige Luft erfüllt.
Am Morgen sind Leo und Nadeschda weg. Wohin Akulina auch blickt, sie findet weder den alten Mann noch die Puppe. Verschwunden wie Geister, die durch verschlossene Stahltüren nach draußen schweben und von nichts und niemandem aufgehalten werden können. Natalia weint. Die Mutter drückt sie an sich.
Boris gibt schließlich das Signal, indem er gegen einen blechernen Eimer trommelt. Er steckt den Schlüssel ins Schloss, dreht zweimal.
Sie folgen den anderen nach draußen. Kalte Luft schlägt ihnen entgegen, durchsetzt von Ruß und Gummi. Wind setzt ein und weht den fremden Geruch weg. Ein grauer Himmel kündigt vorsichtig den Tag an. In der Ferne pulsieren Motorsägen, kratzen über Metall und Beton und Stein. Die Stadt ächzt. Ein paar Fahnen hängen aus den Löchern, die zuvor Balkone, ganze Wohnungen waren, hellblau oben, gelb unten.

Aus der Dunkelheit schält sich ein merkwürdiges Gebilde heraus. Es liegt dort, wo zuvor Bäume die Straße gesäumt haben, vom Himmel gestürzt, ein lebloses Nichts, verdreht, die Kanten an einzelnen Stellen gerade, an anderen abgerundet, das Metall geschmolzen, von Zufall oder Schöpfer zu bizarren Figuren zerschmolzen, als wüsste der Urheber nicht, welche Form das Gebilde annehmen solle, als wäre es nicht geschaffen für die Welt, auf die es stürzte, ein Engel, ein Stern, der mitten in der Stadt verglühte. Geschundenes Metall riecht nach den kalten Fängen des Winters, schmeckt nach dem bitteren Hunger der Tage, an denen Gott fern, Teufel und Tod nahe sind. Akulina spürt Hitze auf der Haut, wendet sich ab und zieht ihre Tochter mit sich fort.
Leo steht gleich daneben, birgt Nadeschda so vorsichtig im Arm, als wolle er sie nicht zerbrechen. In der Hand hält er ein Buch. Natalia rennt zu ihm.
"Ich habe auf sie aufgepasst, musste nur was aus der Wohnung holen."
Er gibt Natalia die Puppe. Sie wischt die Tränen ab.
"Und wenn du mal groß bist, lies dieses Buch."
Leo reicht es Akulina. Auf dem Cover ist eine Frau zu sehen, die auf dem Besen über einer Stadt reitet. Im Hintergrund sieht man die Zwiebeltürme des Kreml.
"Bulgakov, gut.."
"Ich muss los", sagt Leo und wendet sich ab. Er hat die Kopfbedeckung gewechselt, trägt nun eine dunkelblaue mit weißen Verzierungen am Rande, wie es Mütter für ihre Söhne häkeln.

Am Horizont wird die Nacht vertrieben. Ein Glutball steigt nach oben und wandelt dabei die Farbe. Aus Rot wird Rosa, aus Rosa gelb, bis über dem zarten hellblauen Himmel eine gelbe Sonne das Firmament bestimmt.

 

Hallo @Isegrims,

tut mir leid, aber du hast mir bisher nicht mal ansatzweise den vermutlich von dir geschaffenen Begriff Gryphius-Effekt definiert. Für mich wird das immer konfuser, was du da schreibst.

Ein schmaler Grat, nahe ranzoomen, dennoch ästhetische Bilder verwenden.
Ich hoffe, das ist klarer formuliert, zu später Stunde.
Nein, das nahe Ranzoomen ist kein schmaler Grat! Wo sollte denn da überhaupt ein Grat sein? Seit wann ist genaues Hinsehen und so exakt wie nur möglich darstellen, was man sieht, eine Gratwanderung? Was hat das mit dem von dir verwendeten Gryphius-Effekt zu tun?
Schaffst du dir hier gerade deine eigene Fachsprache? Lass das!

Und noch unverständlicher, das hat @Geschichtenwerker schon betroffen gemacht, wird es, wenn du von "ästhetischen Bildern" schreibst. Kriegsgrausamkeiten als Kunst oder wie?
Willst du den Keller, in dem die ausharren müssen mit noch mehr Glitzersternchen und vielleicht noch Rosenduft ausstaffieren?
Ich erwarte von dir, egal wie fortgeschritten die Stunde ist, in der du schreibst, dass du hier nicht wie ein Pennäler, der noch völlig grün hinter den Ohren ist, drauflos sabbelst, sondern genau und vor allen Dingen mit bedacht antwortest. Ich kann zur Not auch gerne einen Tag länger auf solche durchdachte Antworten warten. Du bist hier nicht unter Zeitdruck.

Durch Dekonstruktion des "Zuckergusses" eine wahrhaftere Wirkung hervorrufen.
Was soll das jetzt? Den Zuckerguss, den du meinst dekonstruieren zu müssen, den hast du doch selbst geschrieben und somit erschaffen. Also klopp schlichtweg deinen bisherigen Text komplett in die Tonne und schreibe neu. So einfach ist die Welt eines Autors.

Aber was hat das alles mit dem Gryphius-Effekt zu tun? Ich weiß immer noch nicht, was du mit diesem Begriff gemeint hast und bin mittlerweile der Auffassung, du hast nur Müll
gequatscht. Kann ja mal passieren. Macht jeder mal. Schwamm drüber.
Ich reiche dir eine Tüte "Sorgfalt" rüber.

Lieben Gruß

lakita

 

Lieber @Isegrims ,


Aber was hat das alles mit dem Gryphius-Effekt zu tun? Ich weiß immer noch nicht, was du mit diesem Begriff gemeint hast und

Ich glaube schon zu wissen, was Du meinst. Die Dinge, das Grauen beim Namen nennen, ohne metaphorische Beschreibungen, aber dennoch Atmosphäre schaffen.
Ob das jetzt ein Gryphius-Effekt ist, weiß ich nicht. Ich würde jedenfalls :dagegen:
sein, wenn Du darüber hinaus, die Sprache Gryphius‘ zu imitieren gedenkst, denn das hätte meines Erachtens wieder den Effekt der Verklärung. Wir leben halt nicht mehr im Barock und wir akzeptieren den Sprachstil vom Andy, weil er authentisch ist.
Das gilt aber nicht für moderne Texte und ich glaube, da liegt ein großes Problem Deines Textes: Du hast noch nicht den Weg gefunden zwischen einem Schreibstil, den Du bevorzugst, und der Tragweite und Aktualität der Thematik.

Ich bin mir sicher, dass Du das kannst, aber stimme Lakita zu:


Also klopp schlichtweg deinen bisherigen Text komplett in die Tonne und schreibe neu. So einfach ist die Welt eines Autors.
Mache Dich frei, lass das Ding zwei, drei Wochen ruhen und setze Dich noch einmal dran. Ich denke, es verübelt Dir keiner hier, wenn er/sie erst in ein paar Wochen eine Antwort bekommt. Wir wissen ja, dass Du fleißig bist.
LG
Mae

 

Hallo Isegrims, ich denke, die Diskussion verirrt sich ein bisschen, unnötigerweise. Der Sachverhalt ist in Wirklichkeit recht simpel und gerade in Deutschland nicht neu.

In Deutschland gibt es eine literarische Tradition der Suche nach Sinntiefe und Sprachgewalt bzw. Sprachschönheit. Statt einfach nur auf anspruchsvolle, interessante und spannende Weise unterhalten zu wollen, strebten und streben viele deutsche Literaten nach Höchstem und Tiefstem. Und nicht selten kommt ziemlicher Quark dabei heraus.

Dieser Text hat meiner Ansicht nach zwei Probleme, und aus Deinen bisherigen Kommentaren sehe ich nicht, dass Du diese Schwierigkeiten anpackst.

Erstens möchtest Du Ereignisse literarisch ästhetisieren, die von uns in der Realität als brutal, erratisch, widersprüchlich und sinnlos empfunden werden. Du willst ihnen einen Sinn geben, z.B. »auch in dieser Hölle sollte man die Hoffnung nicht aufgeben«. Im Streben nach dieser Sinngebung wählst Du das Mittel, die Dinge weich zu zeichnen. Würdest Du den Horror und das Grauen realistischer beschreiben, wäre es wesentlich schwieriger oder sogar unmöglich, Deine Botschaft der Hoffnung aufrechtzuerhalten. Das erste Problem ist meiner Ansicht nach die Weichzeichnung des Textes (der Zuckerguss, wie Du es nanntest), weil Du Deiner Message gerecht werden möchtest.

Zweitens (und das ist der wichtigere Teil) ist bereits die gewählte Message trivial und kitschig. Sie wäre nicht trivial, wenn Du einen Selbsthilferatgeber schreiben würdest. Aber frage Dich einmal selbst, wie viel gute Literatur bei dem Versuch herausgekommen ist, den Menschen Mut zu machen? Bereits die Prämisse Deines Textes ist Kitsch. Stelle Dir Literatur vor mit den Prämissen/ Mottos:

Am Ende wird alles gut / Liebe ist stärker als Hass / Die wahre Liebe findet immer einen Weg / Wenn Du Dich bemühst, werden alle Deine Träume wahr / Die Gerechtigkeit wird siegen

Jenseits der Literatur mögen das Vorstellungen sein, die den einen oder anderen inspirieren, die Hoffnung geben, Mut machen. Positiv über die Welt zu denken, hilft dabei, sich vor den frustrierenden, angstmachenden Aspekten der Wirklichkeit zu schützen. Innerhalb der Literatur führen solche Prämissen aber zu Kitsch und Propaganda.

Umgekehrt bedeutet das nicht, Literatur müsse die Welt grundsätzlich als Jammertal zeichnen. Aber wenn man so leichtfüßig über die brutalen Aspekte des Krieges hinwegtänzelt, wie Dein Text es tut, werden viele Leser das als verlogen und scheinheilig empfinden.

Gruß Achillus

 

Hallo @Willibald,

das empfinde ich schon zu 100% als off topic:

Vielleicht wird das nicht als Ablenkung verstanden, hier kurz aus der Textdiskussion von Sol Invictus rauszugehen. Mir geht immer wieder durch den Kopf, wie in zwei Filmen (und den zugrundeliegenden Skripten) Schreckliches behandelt wird:
Benignis "Das Leben ist schön" und von Tormes "Pans Labyrinth". Den ersten finde ich schlimm und verfehlt, den zweiten sehr gut.

Kannst Du vielleicht irgendeinen konkreten Textbezug herstellen?

An "Das Leben ist schön" hatte ich beim Textlesen auch gedacht, da ist die Strategie ja, den Zuschauer einzulullen (hoffen zu lassen), damit der Tötungseffekt umso stärker trifft (und damit jede Hoffnung zerstört wird). Aber das hat ja nichts mit dem vorliegenden Text zu tun, weil die Botschaft des Textes gerade die Hoffnung sein soll.

Gruß
Geschichtenwerker

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo an alle Kommentatoren, und natürlich auch an @Isegrims
ich lese jetzt schon seit längerem hier mit, habe mich aber nicht zur Geschichte äußern wollen und werde das auch jetzt nur am Rande tun.
Auch mich hat Isegrims Geschichte an den Film "Das Leben ist schön" erinnert, nämlich, was die Intention der Geschichte betrifft. Genau so habe ich die Intention von "Sol Invictus" verstanden: Überlebenswillen, Hoffnung, Mitmenschlichkeit, Trost und Fantasie als eine Seite des Menschseins zu sehen. Eine Seite, die vielleicht, hoffentlich, selbst in den schlimmsten Zeiten irgendwo da ist, mag sie auch noch so versteckt sein.
An dieser Intention als solcher ist nichts falsch, auch wenn selbst das manchmal bereits als Kitsch infrage gestellt wird. Ich sehe das explizit nicht so, sondern als ein Bedürfnis lesender und schreibender Menschen. Ob man das allerdings hinkriegt, ohne, dass es flach, kitschig oder unausgegoren wird, das ist natürlich eine ganz andere Frage. Was "Sol Invictus" betrifft, hast du diese, deine Intention jedenfalls nicht umsetzen können, Isegrims. Ich teile da die Einschätzung der anderen, ohne ihre Argumente wiederholen zu wollen. Das ist ja jetzt auch schon wirklich tausend mal gesagt und dürfte dir mittlerweile aus Hals und Ohren raushängen.

Ich habe mich aber auch gefragt, ob man diese Intention überhaupt umsetzen kann und sollte, wenn ein Krieg, das Leid der Menschen, der Schrecken so nah und so unmittelbar sind. Und wenn die Stimmung insgesamt so hochgekocht ist wie derzeit. Ich weiß es nicht. Ich wage jedenfalls, es zu bezweifeln. Und zwar nicht nur, was die sprachliche oder literarische Umsetzung betrifft. Sondern mehr. Immerhin hat zwischen den KZ-Erfahrungen von Benignis Vater und dem Holocaust eine ziemlich lange Zeit gelegen und damit auch ein riesiger Abstand, eine große Distanz also, die es vielleicht brauchte, um die Produktion des Filmes, aber auch die Rezeption zu ermöglichen.

Das zu meiner ganz allgemeinen Einschätzung. Und jetzt noch was in eigener Sache. Ich finde den Tonfall Isegrims gegenüber oftmals sehr sehr scharf, ja, richtig unangenehm und übertrieben scharf. Zum Teil sehr sehr persönlich.
Ich weiß, du musst von niemandem verteidigt werden, Isegrims, das kannst du selbst sehr gut, aber ich kriege ja allein vom Lesen schon Magenweh. Und da will ich dann auch was zu sagen.
Muss man so mit Worten losschießen? Braucht man das denn wirklich, um ein gutes und wichtiges Argument zu begleiten?
Also jetzt denkt einfach mal dran, bitte, dass auf der anderen Seite vom Wlan ein Mann hockt, den wir mögen und kein Gegner, ein Kerl, der nichts weiter wollte, als eine Geschichte zu schreiben zu einem Krieg, der ihm zu schaffen macht.
Tschüs, Novak

 

Wegen Nachstadionsuntauglichkeit nach dem sensationellen Spiel gegen den größten Club der Wald, einiger Äppler-Seligkeit und allzu wenig Schlaf war ich leider gestern verhindert und kann mich erst heute wieder der Bildungsbürgerlichkeit widmen, also die Rolle einnehmen, die ich gemeinhin auszufüllen scheine.
Tut mir leid, dass ich nicht schneller bin mit den Antworten, aber was braucht, das braucht.

Liebe @Maedy

Trotz aller Kritik mag ich deinen Kommentar. danke. Ein paar Änderungen habe ich bereits auf den Weg gebracht, eine grundlegende Revision des Textes steht aber noch an. Die Ideen dazu mehren sich.

Aber halt: Das wolltest Du gar nicht (unterstelle ich), die Grenzen der Kunst als Agent Provocateur ausreizen. Du wolltest das Entsetzen, das Grauen, das uns schweigen lässt, in Worte fassen und dabei Isegrims sein. Du wolltest kein Drama schreiben und keine Reportage, sondern eine Alltagsgeschichte aus dem Krieg mit ein bisschen Hoffnung (unterstelle ich ebenso).
und dieser Punkt ist Bestandteil der Überlegungen. Ich könnte mir vorstellen, dass der Text mehr Unruhe, Gebrochenheit braucht.
Da sind Flüchtigkeitsfehler, ebenso wie Ungenauigkeiten (der Buchweizen, die Fremdsprachen, was ich selbst nicht beurteilen kann, der rosa Himmel) und vor allem ist da Isegrims, wo er nicht sein sollte. Du hast Dich irgendwie im eigenen Anspruch verheddert, will ich einmal in den Raum werfen.
Ich erwähne das mit dem Buchweizen noch mal, das ist nun wirklich eher eine Genauigkeit, ein Detail, das authentisch ist, Denn Buchweizen war die Notreserve für Hungernde in Sowjetzeiten, bei den Deutschen in den zerbombten Städten eher Blockschokolade,
Hätte sie dort in dem Bunker gestanden, sich keine Geschichte aus dem KZ anhören müssen, sondern mit ihrer Puppe im Arm „Let it go“ gesungen, dann hätte sie berühren können. Sie hätte sogar Hoffnung vermittelt, was Dein Ziel war.
das wäre aber arg kitschig, aber ja, ich überlege mir was, die Balance stimmt nicht.
Jetzt ist die Verquickung Dir nicht zu verdenken, liest man doch von den KZ-Überlebenden, denen, die von der Roten Armee befreit wurden und nun von einer russischen Bombe ermordet. Und dennoch hätte es m. E. tatsächlich Deiner Geschichte gut getan, wenn Du zwei Geschichten aus ihr gemacht hättest.
guter Gedanke, andererseits passt diese Verquickung auch, spricht der Machthaber in Russland nicht auch von Endlösung, Entukrainisierung.
Übrigens erwähne ich mit keinem Wort, dass die Geschichte in der Ukraine spielt.
So tat es mir vor allem Leid, dass der eigentlich gute Einstieg irgendwo verloren ging in einer Geschichte, die ich niemals einem Kind in einem Bunker erzählt hätte. Da erzählt man doch etwas Schönes, Fröhliches, etwas das ablenkt.
ja, guter Einwand, einerseits, trotzdem gibt es solche Geschichten, Menschen, die Schauergeschichten erzählen.
Deine Vorliebe für Anspielungen auf große Werke der Literatur gehört zu Deinem Stil, aber hier hätte keine unpassendere Anleihe gemacht werden und wenn man sie macht, dann muss man sie erklären, damit der Leser/die Leserin nicht kopfschüttelnd zurückbleibt.
Ich, als Bildungsdepp, nenne das allerdings, Inbezugnahme.
Dass es bessere und schlechtere Plätze im Bunker gibt, hat mir meine Oma auch erzählt. Aber ich glaube, Du solltest es bildhafter machen, damit es nicht ungewollt komisch klingt: Vielleicht: „Wären sie wieder zu spät, säßen sie am zugigen Eingang oder in der modrigen Ecke, nicht an der warmen Wand hinter dem Heizraum“.
guter Gedanke
Streiche doch „und Camouflage trägt“. Das Bild des Vaters, der versucht zu lächeln, finde ich viel stärker. Dass er Fotos schickt, finde ich im Gegensatz zu anderen nicht ungewöhnlich. Ich glaube, das würde ich auch tun, solange es geht.
gestrichen
Heißt er echt Dmitri und nicht Dimitri?
Dmitri, geht übrigens beides
Die Schriftzeichen finde ich in der wörtlichen Rede auch unpassend. Wie soll man das Sprechen? Ich persönlich hätte es schöner gefunden, die Puppe hieße Hope.
ja, ich denke, das Kyrillische wird in der nächsten Version nicht mehr gebraucht
Und hier bin ich draußen. Der komplette Stilbruch und absolut unpassend. Was die KZ-Geschichte noch nicht geschafft hat, schafft dieses Ende. Es macht die Geschichte unglaubwürdig, belanglos.
Das Ende habe ich geändert, vielleicht besser so, aber den Bezug finde ich nach wie vor richtig.
Du kannst die Geschichte des Mädchens toll erzählen (auch mit isegrimschen Bildern) und auch die des alten Mannes, aber nicht so, nicht so zusammengestaucht. Ich möchte Dich aber ermutigen, dran zu bleiben an diesen Ideen mit einem zweiten, vielleicht auch dritten oder vierten Anlauf.
werde ich, danke!

Viele Grüße aus der Regennacht im Warmen
Isegrims

Liebe @Placidus

Freut mich, dass du ein paar Gedanken zu dem Text hinterlässt. Ich finde den Kommentar wohltuend, unaufgeregt. :Pfeif:

Das ist gut und es bringt ja auch, wie wir sehen, Leben in die Bude. Dass wir unsere Themen nach unserem eigenen Urteil und Interesse wählen und uns keine Berechtigungsscheine (je nach dem, was wir selbst erlebt haben) ausstellen oder ausstellen lassen, ist ja nun das Wichtigste überhaupt. Danke schon einmal dafür.
Es gibt genügend Denkverbote und Selbstzensur.
Gerade diese Missverständlichkeit, die Absurdität, bringt mir die ganze Situation näher. Leser sind offensichtlich sehr unterschiedlich.
schön, dass die Stelle bei dir funktioniert hat
die Menschen in dem Keller bleiben für mich flach, oder ich bleibe außen.
das stimmt, habe ich nicht hinbekommen, gar n nicht erst versucht, weil ich dachte, das Legendenhafte alleine trägt. Muss ich verändern, den Text auch erweitern an einigen Stellen.
Aber mein Hauptproblem ist, dass die einzige Person, die mir als ganzer Mensch gegenübertritt, die junge Rachel ist, mit ihrer Eitelkeit, Lebendigkeit, ihrem Bedürfnis, Trost zu finden, ihrem Trotz, den Tod oder die Toten zu integrieren, etc.
Und da scheint es mir fast, als seist du (und ich hoffe, das ist jetzt nicht zu persönlich) nach dem ersten mutigen Schritt, mit deinem Text in einen Keller der Ukraine zu gehen, vor dem zweiten Schritt, diesen Keller mit echten Menschen zu füllen, zurückgeschreckt.
zurückgeschreckt ist gut ausgedrückt, ich dachte, das bringt den Text, den ich mir vorgestellt habe, aus der Balance.
Fast vajessen: der Titel! Riesengroßes Latinum, wenn auch lange her, und trotzdem hab ich nachgeschlagen und trotzdem nicht kapiert... Vielleicht ließe sich da noch was machen?
Sol Invictus nun als vorläufiger Titel, das ist klarer, auch zu übersetzen unproblematisch

Viele Grüße vom Tag nach dem Stadion
Isegrims


Aber was hat das alles mit dem Gryphius-Effekt zu tun? Ich weiß immer noch nicht, was du mit diesem Begriff gemeint hast und bin mittlerweile der Auffassung, du hast nur Müll
gequatscht. Kann ja mal passieren. Macht jeder mal. Schwamm drüber.
Ich reiche dir eine Tüte "Sorgfalt" rüber.
Ich erwarte von dir, egal wie fortgeschritten die Stunde ist, in der du schreibst, dass du hier nicht wie ein Pennäler, der noch völlig grün hinter den Ohren ist, drauflos sabbelst, sondern genau und vor allen Dingen mit bedacht antwortest.
Folgendes, sehr geehrte @lakita
Ich habe jetzt zwei Tage lang an den Gryphius-Effekt gedacht und gestern, da saß ich im Stadion, volles Haus, Lärm, Fangesänge, Tröten, Trommeln, da wusste ich, dass der Ausdruck Gryphius-Effekt doch nicht passend beschreibt, welchen Tonfall ich mit dem Text erreichen wollte.
Deshalb wurde der von mir angestrebte Effekt nunmehr als Schostakowitsch-Effekt bezeichnet. Weiterhin gilt, dass es sich bei der Nennung dieses Effektes nur um eine Gedankenunterstützung für mich selbst handelt.
Oder um es bildungsbürgerhaft auszudrücken:
"Nutella-Effekt", sagt der Pennäler
"Wie bitte, Isegrims! Ich erwarte, dass du das vor der ganzen Klasse erläuterst. Steh dazu bitte auf, dann fließt das Blut besser", sagt die Lehrerin.
"Nutella, halt was Süßes, köstlich, auf einem duftenden, am besten noch warmen Brötchen."
"Ich esse so Zeug nicht, ist ungesund."
"Na dann kann ich ihnen leider den Effekt nicht erklären."

Und zu Schostakowitsch: er war ein Liebling Stalins, bis er im Auftrag des Staates eine Sinfonie komponiert hat, die neben Zuckerguss auch die Schrecken des Krieges beschrieben hat, das mochte Väterchen Stalin nicht.
Hör mal rein: Schostakowitsch: Leningrader Sinfonie
(Übrigens von Gergiev dirigiert, großer Dirigent, von den Münchner Philharmonikern rausgeworfen, oder besser vom OB, weil er nicht Position bezogen hat.)

Bald wieder mehr!
Letztlich eine gute Diskussion

 

Hallo @Isegrims,

Ich habe jetzt zwei Tage lang an den Gryphius-Effekt gedacht und gestern, da saß ich im Stadion, volles Haus, Lärm, Fangesänge, Tröten, Trommeln, da wusste ich, dass der Ausdruck Gryphius-Effekt doch nicht passend beschreibt, welchen Tonfall ich mit dem Text erreichen wollte.
Deshalb wurde der von mir angestrebte Effekt nunmehr als Schostakowitsch-Effekt bezeichnet. Weiterhin gilt, dass es sich bei der Nennung dieses Effektes nur um eine Gedankenunterstützung für mich selbst handelt.
Wenn du mir diese Steilvorlage zu Leningrad gibst, möchte ich mich gern mit folgendem Literaturtipp revanchieren:

David Benioff: Stadt der Diebe

Falls noch nicht geschehen, unbedingt lesen, weil der amerikanische Autor (übrigens der Mitdrehbuchautor von Game of Thrones), der nie (so wie du in Bezug auf die Ukraine) zur damaligen Zeit vor Ort des Geschehens war, es aber dennoch vermag, so plastisch und eindringlich zu schreiben, dass einen das Buch einfach in seinen Bann zieht. Wenn mich jemand fragte, welche Bücher auf meiner Empfehlungsliste stehen, würde dies garantiert dazu gehören.

Lieben Gruß
lakita

 

Kommentar 52!
#100comments_realistic_scenario

Das zu meiner ganz allgemeinen Einschätzung. Und jetzt noch was in eigener Sache. Ich finde den Tonfall Isegrims gegenüber oftmals sehr sehr scharf, ja, richtig unangenehm und übertrieben scharf. Zum Teil sehr sehr persönlich.
Ich weiß, du musst von niemandem verteidigt werden, Isegrims, das kannst du selbst sehr gut, aber ich kriege ja allein vom Lesen schon Magenweh. Und da will ich dann auch was zu sagen.
Muss man so mit Worten losschießen? Braucht man das denn wirklich, um ein gutes und wichtiges Argument zu begleiten?
Also jetzt denkt einfach mal dran, bitte, dass auf der anderen Seite vom Wlan ein Mann hockt, den wir mögen und kein Gegner, ein Kerl, der nichts weiter wollte, als eine Geschichte zu schreiben zu einem Krieg, der ihm zu schaffen macht.
Tschüs, Novak
Danke @Novak , habe ich mir auch gedacht.

Danke für deine Antwort @Isegrims . Es ist nicht einfach, eine bestimmte Sprache für das, was du aussagen möchtest, zu finden. Wenn ich es richtig gelesen habe, besteht dein Text aus drei Teilen:

- Flucht in den Bunker
- Ausharren im Bunker
- Verlassen des Bunkers

Die Anforderungen an deine Figuren sind in allen drei Teilen unterschiedlich. Im ersten Teil ist es die Flucht, das Bringen in scheinbare Sicherheit, das Rennen und Orientieren, das Körperliche. Im zweiten Teil müssen sie sich vor ihrer eigenen Panik schützen und irgendwie Hoffnung, Beruhigung und Bewältigung durch die eigenen Gedanken und mit anderen finden. Im dritten Teil geht es um die Verarbeitung von Verlust, von Tod und Zerstörung, hier steht das Emotionale im Vordergrund. Das Leben ist jedoch nicht mehr unmittelbar gefährdet.

Krieg bedeutet eine existentielle Bedrohung. Deine Figuren sind der Situation ausgesetzt und müssen darauf reagieren. Sie müssen die aktuelle Lage verarbeiten. Sie können auf die Gefahr ihres Lebens keinen Einfluss nehmen. Die Kontrolle liegt nicht bei ihnen. Formulierungen wie "Zeit, aufzubrechen" oder "einen Rucksack schultern" senken das Erzähltempo, entfernen sich aber von der Existenzbedrohung und der Kontrolllosigkeit, die ja einen Krieg so grausam machen. Ich glaube, @Isegrims , dass das für eine mögliche Überarbeitung oder für andere Texte wichtig ist.

Dein Erzähltempo ist eher ruhig. Man könnte das im ersten Teil deutlich steigern. Aber ich denke, dass du weniger dramatisch-realistisch-szenennah schreiben möchtest, sondern das, was du mit "sinnlich" umschreibst. Recht allgemeine Wörter wie "Zeit, Hoffnung, Frieden, Verzweiflung, Sinn, Rosa, Winter, Poltern, Vibrieren" könntest du komplett streichen. Stattdessen kleine Details erwähnen. Wenn ich den von dir beschriebenen Gryphius-Effekt korrekt verstehe, das Grauen in eine poetische Sprache zu fassen, lese ich daraus den alten lyrischen Anspruch, ein echtes "Konzentrat" der Wirklichkeit zu sein. Lyrik ist Fokus.

Ich hatte ja eine ganz andere Idee für den ersten Teil: Die Flucht gar nicht erwähnen, sondern über Bomben schreiben. Über die technischen Details, geschrieben wie ein Naturtext über Hechte oder Bäume. Also eine Faszination für das technische Wunderwerk einer Explosivwaffe ausdrücken. Nicht im Sinne einer Verklärung, sondern zur Darstellung der Absurdität eines Krieges: Wie viel Wissen, Know-How, Training, Ressourcen Menschen in die Konstruktion eines Doppeldrahtzünders mit Zweitschaltkreis verwenden, um andere Menschen zu töten. Völlig absurd. Aber das ist der Krieg.

Oder du konzentrierst dich auf den mittleren Teil, das Ausharren im Bunker? Das wäre vielleicht ein erster Schritt, um den Text zu vereinfachen und seine Wirkung zu steigern.

Ich wünsche dir viel Freude am Samstagswidmen zur Stärkung deiner Bildungsbürgerlichkeit (*grins, #shirindavid_reads_thomasmann, #RTL2_literatur)

Lg
kiroly

 

Sonntagnacht. In Frankfurt fanden Demonstrationen statt, Russen auf der Straße, Ukrainer, die Wut, der Furor kommt in die Stadt der Türme. Ich hab's mir angeschaut, ohne Fahne zu tragen, es wäre auch absurd gewesen, jetzt eine deutsche Fahne zu zeigen, ausgerechnet eine deutsche.

Im Jüdischen Museum wurde eine Ausstellung eröffnet, betitelt mit "Rache". Gleich am Eingang findet man den Baseballschhläger aus "Inglorious Bastards." Als könnte man allen Nazis den Schädel einschlagen.

Hey @Maedy noch einmal und danke für deine Erklärungen.

Der Begriff des „Bildungsbürgertums“ mag hier überspitzt sein, aber praktisch ist das ein Ende für eine sehr kleine Gruppe von Menschen, die die Anleihe von Bulgakov gut genug verstehen, um hier an dieser Stelle nicht seltsam berührt zu sein.
Etwas bildungsbürgerlicher dann, wenn man im Museum vor dem einem Bild steht, das Judith mit dem Haupt des Holofernes zeigt, einem assyrischen Feldherrn, der die Heimatstadt Judiths belagert. Aufgrund ihrer Schönheit kommt sie in die Nähe von Holofernes und tötet ihn. Eine Geschichte aus dem Alten Testament.
wenn es eine Erläuterung gegeben hätte, der alte Mann keine KZ-Geschichte erzählt, sondern genau dies Buch gelesen hätte, dem Mädchen davon erzählt wie in Sophies Welt und sie sich dann mach Verschwinden des Mannes erinnert.
habe ich mittlerweile so umgesetzt, gefällt mit aber nur teilweise, wird wohl einer wirklichen Überarbeitung zum Opfer fallen.
Aber ich glaube, dass es ein besseres Ende gäbe, das Mädchen seine Puppe verloren hätte und sie wieder findet. Oder später das Gerücht zu hören ist, der alte Mann habe es in die Slowakei geschafft … Ach, da gibt es so viel, was Hoffnung macht, ohne dass Nackte mit wehenden Brüsten über die Stadt fliegen.
Diese Judit übrigens wird häufig mit nackten Brüsten dargestellt, eine Rachegöttin darf eben auch Brüste haben.

Liebe Grüße
Isegrims

Hey @lakita,

Zum einen ist mir diese Szene in dem Roman "Meister und Margarita" nicht erinnerlich, ich habe da ganz andere Szenen beeindruckend gefunden, zum anderen habe ich null begriffen, was diese Anleihe für die Geschichte für einen Sinn machen soll. Für meine Begriffe passt dieser Roman nicht mal im Ansatz, um in irgendeiner Weise die Geschichte auszuschmücken.
siehe die letzte Anmerkung. Gut, ich dringe mit dem Bild nicht durch, aber würde sich eine Judith nach Miskauf aufmachen, wer weiß.
Und neben den satirischen Elementen ist genau dieses Roman eine Abrechnung mit dem Stalinismus.
Aber schade, dass das nicht durchdringt.
Alles andere würde auf mich so wirken als würde der Autor hier eine gewisse Form von Geltungsbedürfnis ausleben, so nach dem Motto: "Seht her, ich habe diesen Roman gelesen."
ja, das wäre wohl so, wenn man beliebig zitieren würde.

Beste Grüße
Isegrims

Und dazu eine Bemerkung

Ich erinnere nur an die Diskussion um Takis Würgers Stella, dem auch sofort Nazi-Kitsch vorgeworfen wurde, das ging ja breit durch die Presse, nach dem Motto: Darf man das? Man darf das, aber man muss damit rechnen, dass einige das suspekt finden. Das kann man immer von zwei Seiten sehen. Ich denke, man braucht für solche erzählerischen Entwürfe (aktuelles Kriegsgeschehen, Corona etc) Zeit und Distanz, alles was sofort zu Literatur gemacht wird, wirkt eben schnell zeitgeistig und dadurch auch auf eine Art angreifbar,
Grundsätzlich gebe ich dir recht, wobei das Unterfangen von Takis Würger nicht an mangelnden zeitlichen Abstand scheitert, sondern daran, dass der Fokus auf jüdische Kollaborateure gelegt wird und dieser Text insofern eine andere Form des Aausblendens von Grausamkeiten zeigt.
Wenn ein Text in wenigen Tagen so viele Kommentare bekommt, dann muss er so gut oder so schlecht sein, dass er polarisiert.
Danke auch dir, @Dion: ich werde bald näher auf deinen Kommentar eingehen, braucht alles etwas Zeit.

Allen einen guten Start in die Osterwoche
Isegrims

 

Kein Sorge, ich werde auf alle eingehen, die den Text kommentiert haben. Weiterhin gilt: ich lerne enorm aus der Diskussion.
Was mich in diesen Tagen übrigens besonders beschäftigt: wie sehr sich der Hass ausbreitet, Kriegsrhetoriken. Als habe er seit Ewigkeiten geschlummert. Da schreibt ein "freier Demokrat" in der ZEIT, man dürfe in diesen Zeiten im Grunde keine Ostermärsche durchführen, stattdessen möglichst viele todbringende Waffen liefern. Da hetzen Eliten, die im Warmen, ohne je eigene Bedrohung zu erfahren, die Armeen, deren Soldaten aus dem Prekariat, stammen gegeneinander und suhlen sich jeweils in moralischer Überlegenheit. Ist jetzt angreifbar, was ich sage, aber keine Parteinahme.

Hey @Dion

Und schön, dass du an der Debatte teilnimmst, kritisch natürlich, aber so ist das eben bei diesem polarisierenden Text

Also habe ich ihn gelesen, den Text. Und im Gegensatz zu @Maedy finde ich den Anfang nicht gut.
Der erste Satz ist banal, und in dem zweiten ist das Adjektiv „kalt“ zu viel, weil abgedroschen; wenn es schon sein muss, dann bitte nur „Das Grau des Tages“.
Der erste Satz heißt nun: der Tag verschwindet.
Auch das ist abgedroschen und kann zudem nicht stimmen, wie es aus dem Text später hervorgeht – da ist von Staub die Rede, der wie ein Film auf der Haut liegt und ganz sicher nicht nach Frühling riecht, wenn er es in dieser Konzentration bis in den vierten Stock schaffte.
Na ja, der Frühling ist eine Wunschvorstellung aus der Perspektive heraus
Das wurde schon moniert: Was sind das für Sterne?
ach, ein poetischer Einschub, Sterne lassen sich auch im Staub imaginieren.
Weil mich der Schrecken des Krieges nicht erreicht. Weil sie in einem unbeteiligten, monotonen Stil erzählt werden. Staub, Blitze, Grollen, verbogenes Metall, das ist alles, was übrigbleibt. Die Angst der Bewohner des Hauses ist nicht greifbar, wenigsten eine direkte Reaktion auf eine Explosion in der Nähe müsste man schildern, schließlich vibrieren sogar die Mauern des Hauses.
Ungefähr das, was ich oben schreibe: jetzt auch noch das Grauen zeigen, befeuert das nicht noch weiter?

Danke für die Anmerkungen, ich habe ein paar Stellen verändert.

Zur anschließenden Diskussion:

Das klingt nach: Nur wer etwas tatsächlich erlebt hat, kann realistisch davon erzählen. Dabei weisen wir Rechtfertigung der Autoren immer zurück, wenn sie sagen: „Aber das ist tatsächlich so passiert, das habe ich selbst erlebt.“
Grundsätzlich glaube ich, dass Sinneseindrücke natürlich besser gezeigt werden können, Einzelheiten, Details, aber sie werden letztlich verarbeitet, auch um manches ertragbarer zu machen, dadurch wird Selbsterlebtes nicht unbedingt "echter", authentischer.
Es ist ganz einfach eine Frage, was man ethisch vertreten kann. Selbst wenn ich verbrieftes Wissen habe, muss ich das dann auch erzählen? Muss ich alles fiktionalisieren? Manche Autoren zerrupfen ihre intimsten Familiengeheimnisse in Romanen und nennen es dann Autofiktion -
Hier ist er wieder, der erhobene Zeigefinger: he, das darfst du nicht, dieses framing, das den Diskurs in der Öffentlichkeit bestimmt. Und dabei sage ich nun nicht, dass zum Beispiel dieser Text davon betroffen ist. Die Schwächen sind sichtbar, das Instrumenatrium unausgereift, aber gleich eine ethische Haltung? Große Worte.
Ich habe neulich auch einen gefakten Rollenprosatext über zwei Söldner im fiktiven deutschen Flickenteppich geschrieben, aber da war offensichtlich alles erfunden, das hat es nie wirklich gegeben, es ist eine Neuschöpfung, eine Art Münchhausenstory. Ich glaube aber, hier, in diesem Fall, liegt die Sache doch etwas anders. Hier haben wir keine zeitliche Distanz, es passiert jetzt, da ist die Frage der Betrachtung und der Fiktionalisierung doch eine andere; ich würde sagen, die ist ethisch schwieriger. Wenn jemand den Krieg tatsächlich erlebt hat, erzählt er davon anders, existenzieller
Zum Fettmarkierten: und wer den Krieg erlebt hat, macht die Erlebnisse unter Umständen zur selbsterfundenen Legende, um sie zu verarbeiten, Ob man das als existentiell bezeichnen sollte, daran zweifle ich.
Was wahrscheinlich gemeint ist, ist die Dämpfung des Schalls, die dazu führt, dass die Sirene milder und gedämpfter klingt.
Mir ist schon klar, dass das etwas Offtopic ist, aber nachdem es in der Geschichte steht und hier als fälschlich als allgemeingültig dargestellt wird, wollte ich das nicht so stehen lassen.
Ich habe die Stelle etwas verändert, den Rekurs auf das Allgemeinwissen gestrichen.

So, das war's am frühen Morgen. Geht bald weiter.

Euch allen einen angenehmen Tag, einen grünen Donnerstag eben
Isegrims

 

Hier ist er wieder, der erhobene Zeigefinger: he, das darfst du nicht, dieses framing, das den Diskurs in der Öffentlichkeit bestimmt. Und dabei sage ich nun nicht, dass zum Beispiel dieser Text davon betroffen ist. Die Schwächen sind sichtbar, das Instrumenatrium unausgereift, aber gleich eine ethische Haltung? Große Worte.
Noch einmal, weil ich das so nicht stehenlassen kann und du ja sehr gut darin bist, anderen die Worte im Munde herumzudrehen: Ich erhebe hier keinen Zeigefinger und habe das auch nie getan. Ich habe ganz einfach eine Frage in den Raum gestellt. Ich habe diese für mich beantwortet. Was du damit tust, wie du die beantwortest, ist mir herzlich egal. Du hast dich entschieden, diesen vor Kitsch triefenden Text zu schreiben. Für mich ist das einfach die Ausbeutung von Leid. Für dich wahrscheinlich wichtige Gegenwartsliteratur und große Poesie. Da trennen sich eben die Meinungen. Nur die Konsequenzen eines solchen Textes musst du dann eben auch tragen, siehe eben gerade diese Diskussion. Von welchem Diskurs redest du da eigentlich in deinem Kommentar? Manchmal bin ich mir nicht mehr so sicher, ob du immer und tatsächlich weißt, wovon und worüber du da selber gerade schreibst. Ist aber auch schon eine recht lange und für dich auch sicher anstrengende Diskussion geworden, da verliert man schon mal den Überblick. Genauso: von welchem Framing redest du da? Was ist überhaupt Framing? Bist du nicht eher derjenige, der hier große Worte schwingt? Es scheint mir fast so.

Ich würde dich außerdem in Zukunft bitten, mir nichts in den Mund zu legen. Da könnte man dich fast schon der üblen Nachrede bezichtigen oder der Verleumdung. Ich bin da recht einfach gestrickt und halte mich an eine einfache Regel: Schreibe nie etwas, was du deinem Gegenüber nicht auch unter vier Augen mitten ins Gesicht sagen würdest.

 

Das Paradies ist weit entfernt.

Damals war unser Paradies hinter Stacheldraht, zwischen zwei- und vierbeinigen Hunden, die ihre Zähne fletschten, Stöcke, Gewehre und steinerne Gesichter trugen. Aber wir hatten uns. Wir waren unbesiegbar.

"Und wenn du mal groß bist, lies dieses Buch."

Was mir immer deutlicher auffällt (jedem anderen müsste es eigentlich auch – zumindest beim imperatiefen Zitat zuvor – und in den stummen Schrei mündet: Rettet das Ausrufezeichen, bevor alles zur langweilenden/-währenden Aussage verkommt …
Und warum, zum Teufel noch mal, wird nicht geflucht? Angst rausgeschrien!? Erstaunen gezeigt
ferner. Lichtblitze steigen zum Himmel auf, leuchten, verglühen, ein unablässiges Feuerwerk.
Krieg und die Vertreibung der bösen Geister zu Silvester. Meine alte Dame wäre noch bis in die Sechziger hinein beim Gewitter am liebsten in den Keller ...

Wer dort lagern muss, fühlt sich schutzloser.
„schutzloser“ als wer oder was? Steigerung verlangt idR nach Vergleich. Ich bin größer als mein Bruder, aber kleiner als ein Klitschko ...

Aber heute fängt er an zu sprechen, aus dem Bauch heraus.
Warum das Komma? Wo ichs auch unterbringe, die Grundform bleibt kommalos: „Aber heute fängt er aus dem Bauch heraus an zu sprechen“ oder "... zu sprechen an."

Leo nickt: und lächelt: „Der Name meiner Mutter war Ruth Baruch1. Sie ist vor einigen Jahren gestorben. Hier in
Warum Doppelpunkt, wenn die additive Konjunktion schon die Macht der Kommasetzung brechen kann ...

Oft zupften wir die Haare ab, die sich auf der Wolle verfangen hatte.
Plural!
Aber warum nicht „das“ singuläre „Haar“ bis hin zum Schopf? Da rechnestu mit der Beschränktheit des Lesers, der "das" Haar immer für ein einzelnes hält ...

Aber wenn wir zu unserer Schlafstatt kamen, richteten wir uns ein, so gemütlich es ging, bauten uns eine eine Burg.

Steigen wir hinab in die Konjunktiefen ...

Und all die Menschen, denen die Sachen gehört, die sich im Spiegel angeschaut, ihre eigene Silhouette begutachtet hatten, sich fragten, ob es ihnen stünde, was sie trugen, …
Weg mit dem Konjunktiv (nur des Wortspiels halber mit der Stunde kann auch „trügen“) und gleich nochmals
…, das Metall geschmolzen, von Zufall oder Schöpfer zu bizarren Figuren zerschmolzen, als wüsste der Urheber nicht, welche Form das Gebilde annehmen solle, als wäre es nicht geschaffen ….

Leo steht gleich daneben, birgt Nadeschda so vorsichtig im Arm, als wolle er sie nicht zerbrechen.
Entweder durchgängig Indikativ oder in der als-ob-Situation Konj. II
"Bulgakov, gut.."
ein Punkt reicht – aber warum nicht ein“!“?, wie gleich hier auch

"Ich muss los", sagt Leo und wendet sich ab.

Schau'n wir mal, ob ich "Gretchen" mal wieder aufleben lass im Tierpark bei den Truthühnern ...

Tschüss

Friedel


1Baruch = Gesegnete/r

 

Mittlerweile ist eine Menge Zeit vergangen, Rauch verflogen, wenngleich da was nachwirkt, jedenfalls bei mir.
An dem Text werde ich nichts mehr Grundlegendes ändern. Er hat kluge Kommentare, on- und offtopic erhalten und es war nicht einfach zwischen persönlicher und sachlicher Kritik zu unterscheiden. Am Ende war die Diskussion schon fruchtbar und hat, zumindest mir, gezeigt, was es heißt, wenn man seine Möglichkeiten überdehnt und der Plan nicht funktioniert, die Mittel nicht passgenau sind.

Einige Kommentare habe ich noch nicht beantwortet. Das werde ich nachholen. Auch um ein paar Punkte aufzugreifen, die mir wichtig erscheinen.

denn ethisch vertretbar ist sehr nah an politisch vertretbar, sprich politisch korrekt, was automatisch eine Schere im Kopf bedeutet. Das kann in einer politischen oder religiösen Diktatur notwendig sein, aber nicht hier, in diesem Land, wo man für ethisch oder politisch unkorrekte Texte nur einen Shitstorm und ev. einen Rauswurf aus dem Verlag riskiert.
Ich sehe das ähnlich. Es gibt schon deutliche Frames, in denen man sich bewegen muss, gerade im Hinblick auf diesen Krieg. Da wurde ein wording verpflichtend. Da dürfte ich nicht einfach von Krieg, sondern müsste vlkerrechtswidriger Angriffskrieg sagen, sonst verhielte ich mich nicht korrekt. Nur ein Beispiel, mehr nicht.

Wir aber haben nicht die Aufgabe, schweigend dazustehen und auf klarere Sicht später zu hoffen, sondern sofort zu handeln. Deswegen bewundere ich Jelinek, wie sie auf aktuelle Ereignisse gleich welcher Art reagiert, sprich in ihren Texten verarbeitet.
Klar, nicht jeder, der schreibt, greift Aktuelles auf, muss man vielleicht auch nicht, aber man kann. Und das ist nicht verwerflich. Wie gesagt, über die Mittel lässt sich streiten, das schon.

Die Geschichte spielte in einem Krankenhaus und war von vorn bis hinten fiktional, aber so mit Realem angereichert, dass sie glaubhaft daherkam - auch aus medizinischen Sicht, wie mir von einer Ärztin erst kürzlich versichert wurde. Da ging es auch um Leben und Tod.
Ich erinnere mich an die Geschichte. Selbst habe ich viele Texte zur Seuche und den sozialen Folgen geschrieben. Das habe ich nicht bereut und sie mit allem Aspekt recherchiert.

Und du sagst ja selbst, die Sicht auf die Dinge kann gar nicht wirklich klar sein, wenn man sich mittendrin befindet. Wie soll man dann in der entstehenden Literatur überhaupt eine Position beziehen, wenn nichts klar ist?
Zeigen ist auch was, wenngleich subjektiv. Das wird sich aber in zwanzig Jahren auch nicht ändern.

Es ist doch auch eine Qualität von Texten, wenn sie dieses schwebende und uneindeutige Element besitzen, wenn sie offen bleiben. Texte, die nur so und nicht anders verstanden werden können, sind dann eben auch nah an der Propaganda, oder nicht?
Das ist ein Punkt, den ich sehe, auch in Bezug auf diesen Text. Der ist zu eindeutig.

Für einen Autor gibt es nur schweigen oder schreiben - ich sehe keine andere Möglichkeit.
Ist natürlich eine Binse, Dion. Schweigen oder reden, schweigen oder schreiben. Ich bin fürs Schreiben, selbst auf die Gefahr des Schieterns hin.

ob man zum Beispiel einen Antikriegsroman vor sich hat, oder einen, der unter Vorgabe, lediglich eine Heldengeschichte bringen zu wollen, den Krieg verherrlicht. Das sind wir bei dem berühmten Wie.
Oder umgekehrt: einen Kriegsroman schreiben, der hinterher zum Antikriegsroman umgedeutet wird, siehe Ernst Jünger: In Stahlgewittern und ziemlich alle Hollywood-Kriegsfilme.

ber ich meinte eigentlich in Deutschland. Welcher Autor wurde denn hier wirklich gecancelt? Also im Sinne von mundtot gemacht, öffentlich denunziert, vom Verlag fallengelassen, verbannt, persona non grata? Niemand, oder?
Hast du recht, gerade die Rechten gewinnen dadurch noch an Popularität, selbst Uwe Tellkamp.

Du könntest theoretisch so aus dieser Sache herausgehen: „Ich habe ein heikles Thema verarbeitet und die Leute getriggert. Das ist gar nicht schlecht als Autor.“
Könnte ich, kann ich aber nicht, das wäre Selbstbetrug.

. Und diese Gefälligkeit wird durch die auktoriale Perspektive und die Sprache übersteigert in das, was ich parodistisch genannt habe. Es ist einfach too much. Wenn man das weitertreiben würde, könnte man die Protagonistin noch transsexuell machen und in den Rollstuhl setzen. Weißt du, was ich meine?
lustiger Gedanke, übrigens ein sehr klarsichtiger Kommentar, dem ich fast in allen Punkten uneingeschränkt zustimme.

aber der Text wirkt eben durch diese extreme Distanz und das gefühlte Desinteresse an den Figuren einfach auf mich so, deshalb komme ich nicht drum herum, das zu schreiben.
Na ja kein Desinteresse, aber doch eine zu große Distanz, der Versuch einen Legendenton zu treffen.

Heute sind die en vogue Themen aber moralisch aufgeladener.
-Antirassismus
-Feminismus
-Gender
-Identitätspolitik
-Pazifismus
-Was mit Nazis
oh ja!

-flache Figuren, die nur dazu da sind, die moralische Botschaft zu vermitteln.
-der Plot muss sich völlig der Botschaft unterordnen.
-die Handelnden sind eindimensional. Schwarzweiß, Gut gegen Böse ohne Zwischentöne.
ja, auch das stimmt. Gerade heute habe ich darüber nachgedacht, einen Text zu schreiben, der die unterschiedlichen Stimmen zeigt, Rollenprosa, gegenläufig, das hätte mehr Dynamik.

Und da kommen wir jetzt endgültig zum Handwerklichen, worum es hier ja auch gehen sollte und viel zu wenig geht. Da finde ich den Text nicht gut
Du schreibst, du wolltest eine personale von Akulina machen. Das ist dir nicht gelungen. Das ist auktorial. Eine personale sollte sprachlich nahe an deiner Hauptfigur sein. Das ist nicht die Sprache von Akulina, das ist poetisiert.
Natalia schmiegt sich an sie. Ihre Mutter öffnet die Hand wieder und streicht über die feinen Haare ihrer Tochter. Akulina erinnert sich nicht, Leos Stimme je gehört zu haben. Aber heute fängt er an zu sprechen, aus dem Bauch heraus.)
Ich lese die angeführte Stelle immer noch personal, aber nicht deutlich genug, mag sein. Und wenn sie so nicht gelesen wird, dann hat es nicht funktioniert.

-deine Figuren entwickeln sich nicht. Sie sind gut und bleiben gut. Sie sind hoffnungsvoll und bleiben hoffnungsvoll.
-überdeutliche Motive, wie dass die Puppe Hoffnung heißt.
Ja, das war der Zweck des Textes, wahrscheinlich das Hauptproblem.

So, das war's erst mal, bald mehr.

Vielen Dank euch allen und genießt den Frühsommerabend
Isegrims

 

Lange her, dass ich mich mit dem Text und den zahlreichen Kommentaren beschäftigt habe. Ich vermochte es nicht: aus verschiedenen Gründen, Selbstzweifel, die Hitze des Sommers, bildungsbürgerliche Aktivitäten, ach nein; einfach Leben, anstatt die aufgehäuften Schulden in Form von Antworten einzulösen.
Wenngleich ich wenig Neues zu sagen habe, nach wie vor davon überzeugt bin, dass dieser Text möglicherweise misslungen, aber doch wichtig war, für mich ohnehin, aber auch auf gewisse Weise wahrscheinlich auch für diejenigen, die sich an der Diskussion beteiligt haben.

Ich habe den Text nicht verändert, überhaupt gar nichts daran, kann ihn derzeit einfach nicht anfassen und schreibe lieber an anderen Projekten, die ich hier nicht veröffentlicht habe.

Na dann, mal ran:

Die Geschichte lässt mich zwiespältig zurück. Weil mich der Schrecken des Krieges nicht erreicht. Weil sie in einem unbeteiligten, monotonen Stil erzählt werden. Staub, Blitze, Grollen, verbogenes Metall, das ist alles, was übrigbleibt. Die Angst der Bewohner des Hauses ist nicht greifbar, wenigsten eine direkte Reaktion auf eine Explosion in der Nähe müsste man schildern, schließlich vibrieren sogar die Mauern des Hauses. Aber da ist weder vor der eingeschobenen Geschichte Leos, die ja dazu dienen soll, die Geschehnisse um sie herum auszublenden, etwas Entsprechendes zu lesen, noch danach.
Ich denke nach wie vor, dass Hype-Realismus nicht das geeignete Mittel ist, die unmittelbare Wirklichkeit des Krieges zu beschreiben, sondern eher, was sie aus den Menschen macht,
Der Geschichte fehlt das Wesentliche: Das Grauen des Krieges ist nicht präsent.
Grauen kann keiner ertragen. Wie stellst du dir die Menschen vor, die solche Situationen erleben?
Das klingt nach: Nur wer etwas tatsächlich erlebt hat, kann realistisch davon erzählen. Dabei weisen wir Rechtfertigung der Autoren immer zurück, wenn sie sagen: „Aber das ist tatsächlich so passiert, das habe ich selbst erlebt.“ Manchmal, jimmysalaryman, schreibst du in deinen Kommentaren schlicht Müll.
Ach, was für eine Diskussion. Ich wiederhole mich vielleicht; meine Vorstellung von Literatur besteht nicht darin, mein eigenes Leben narzistisch zu spiegeln. Und die, die dabei waren und sind: können sie die Wirklichkeit wiedergeben?
Die Dämpfung entsteht aber einerseits durch Reflexion bspw. an den Wänden und andererseits dadurch, dass die Wände in Schwingung versetzt werden müssen, um den Schall überhaupt übertragen zu können. Das führt natürlich zu Energieverlust. Mit der Geschwindigkeit hat das nichts zu tun.
absolut korrekt wird das schon sein, was du schreibst, aber ich schildere nichts als ein Sinneseindruck und wenn der Leser den versteht, reicht es für meine Zwecke.
sprich politisch korrekt, was automatisch eine Schere im Kopf bedeutet. Das kann in einer politischen oder religiösen Diktatur notwendig sein, aber nicht hier, in diesem Land, wo man für ethisch oder politisch unkorrekte Texte nur einen Shitstorm und ev. einen Rauswurf aus dem Verlag riskiert. Diese letzte Reaktion sehe ich sehr nah an Zensur, die es laut Verfassung gar nicht geben darf. Andererseits verstehe ich, wenn ein Verlag vorm Feuilleton einknickt, weil er schließlich davon lebt, bei der Literaturkritik gut wegzukommen. Aber ein Autor muss sich von solchen Überlegungen befreien, jedenfalls zunächst schreiben, was ihm auf der Zunge liegt –
Den Finger in die Wunde legen, nicht wegschauen.
Besser wegen der verwendeten Mittel oder wegen des Themas selbst auf die Fresse bekommen, als einen selbstreferentiellen Text, der sich mit der Ästhetik toxischer Männlichkeit beschäftigt oder vor moralischen Überlegenheit trieft und kaum mehr zu sagen hat, als das, was man darf und was nicht.
Ich will jetzt nicht unbescheiden klingen, aber auch ich habe zum Beispiel die Ereignisse in Italien zu Beginn der Corona-Pandemie in einer Geschichte sofort zu verarbeiten versucht.
Ich erinnere mich gut an den Text, der leistet, was ich oben beschrieben habe.
Und da wird das literarisch oft zum Problem. Weil mit diesen politischen und moralischen Themen auch ein großes Sendungsbewusstsein einhergeht. Das hat oft zwei Dinge zur Folge:
-flache Figuren, die nur dazu da sind, die moralische Botschaft zu vermitteln.
-der Plot muss sich völlig der Botschaft unterordnen.
-die Handelnden sind eindimensional. Schwarzweiß, Gut gegen Böse ohne Zwischentöne.
ist ein Punkt, den ich nicht bedacht habe: Tiefe braucht Raum und Figuren, die greifbar sind, nicht als Klischee wahrgenommen werden. Das ist ein Manko des Textes, die Verklärung der Figuren, die als Personen im Schatten der Funktion bleiben. Leider!
Sobald ich eine Lösung habe, werde ich sie umsetzen.
Du schreibst, du wolltest eine personale von Akulina machen. Das ist dir nicht gelungen. Das ist auktorial. Eine personale sollte sprachlich nahe an deiner Hauptfigur sein. Das ist nicht die Sprache von Akulina, das ist poetisiert.
auch ein guter Punkt: die Sprache bleibt die des Autors, muss unmittelbarer als Akulina wahrgenommen werden, vielleicht ein Ansatz, der sich lohnt.
Gerade neulich habe ich "Tadellöser&Wolf" gesehen. Keine Ahnung, ob du das kennst, eine Familiengeschichte im zweiten Weltkrieg. Da wurden die Gänge in den Keller als Teil des Alltags gezeigt, ganz unaufgeregt, was ich auch etwas befremdlich fand. Da waren sogar Betten für die Kinder, die wurden gleich wieder schlafen gelegt. Auch von meiner Oma habe ich ähnliches gehört. Das ist auch eine Form von Grauen für mich, dass das irgendwann einfach Alltag war.
Wie kann man den Schrecken ertragen? Im Ersten Weltkrieg haben die Soldaten in den Gräben bekanntlich vereinzelt mit ihren Feinden zusammen Weihnachten gefeiert.
Bei der Art der Umsetzung schließe ich mich aber meinen Vorgängern an. Zu viel Zuckerguss auch für mich, ein wenig mehr Komplexität könnte nicht schaden.
Hast du sicher recht, wenngleich das mit der Komplexität auch bei Tadelloser&Wolf wohl nicht gegeben ist.
Allerdings hättest du mMn dann die Perspektive klarer gestalten müssen: zB aus der klaren Sicht eines Kindes oder einer erwachsenen Person, für die diese Sicht authentisch ist. So war mir deine Erzählposition nicht ganz klar, sie war leicht fluide, und das hat der Abwehrmechanismus-Lesart Steine in den Weg gelegt.
Wichtiger Ansatz. Macht zB Grass in der Blechtrommel, wird dann aber eine andere Geschichte. Vielleicht kein Kind, sondern eine behinderte Akulina mit einem autistischen Sohn, so was eben. Oder, ums total komplex zu machen (meine ich jetzt gar nicht so spöttisch wie es klingt): ein Transmann.
Und, zweitens, so schätze ich den Text ein, muss es einen Bruch in dieser Perspektive des Verdrängten geben. Alles ist wie mit Zuckerguss übergossen beschrieben - aber an einer Stelle, oder an mehreren, musst du damit brechen.
Auch das ist ein Punkt, den ich sehe: für einen Moment den Guss entfernen, könnte klappen.
Erst dadurch entlarvt sich für den Leser die Sicht durch den Filter der Verdrängung und man versteht die Intention des Textes und die Psychodynamik deiner Figur. Ansonsten musst du dich den harten Kritikpunkten, die genannt wurden, noch oft entgegenstellen und der Text verleitet, ihn völlig falsch zu lesen.
sehr konstruktiv: falls ich den Text noch einmal anfasse, werde ich diesen Rat aufgreifen! Dankeschön!
Vielleicht eine so ausgeartete, kollektive Gewalterfahrung, dass es schwierig ist, ohne diese Erfahrung authentisch darüber erzählen zu können, und auch schwierig, diese Erfahrung durch eine andere, in unserer Gesellschaft gemachte, herzuleiten. Vielleicht eine der schwierigsten Themen, worüber man erzählen kann, wenn man es nicht am Leib erlebt hat.
na ja, dem Text lag nicht die Idee zugrunde, möglichst authentisch zu klingen, der sollte schon unscharf sein, aber ja, vielleicht der derzeit unpassende Weg, was sich aber ändern mag, wenn die Öffentlichkeit durch die Berichterstattung abstumpft.
Welche Hoffnung meinst Du denn? Die Hoffnung für uns Deutsche, die weit weg genug sind? Oder die Hoffnung für die Menschen in Butscha, die vergewaltigt werden, gefoltert werden, vom Rad geschossen werden? Würdest Du auch sagen, dass man nicht in Russophobia verfallen soll, wenn Du selbst in Butscha gewesen wärst? Oder kannst Du das nur sagen, weil Du so weit weg bist, dass Du die Angst locker verdrängen kannst?
Ich hoffe, dein Furor hat sich etwas gelegt. Meinst du etwa, man müsse jetzt alle Russen hassen, so wie man früher kollektiv alle Deutschen, Juden, wen auch immer gehasst hat?
Menschen, die an etwas für sie sehr wichtiges glauben, tendieren leider immer dazu, anderen diesen Glauben aufzuzwängen oder im Extremfall mit Gewalt durchzusetzen und wenn das nicht funktioniert, Andersgläubige zu vernichten.
Ja, das stimmt und deshalb ist es erlaubt Frames aufzubauen, die richtige Haltung zu fordern, sonst wird er vom (Shit-)Storm angegriffen?
Für mich ist daher die Realität in Kriegszeiten das, was objektiv am Wahrscheinlichsten ist und für das ich überprüfbare Annahmen machen kann.
Tja, nur du weißt so gut wie ich, dass in Kriegszeiten auch überprüfbare Annahmen auf wackligen Füßen stehen, weil jeder Seite Wahrheiten generiert. Erinnerst du dich an den Golfkrieg und die Massenvernichtungswaffe Saddam Husseins? Übrigens ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg.
Damit heißt das nicht, dass alles von der anderen Seite im Einzelfall "wahr" ist, aber das realistische Gesamtbild ist sicher nicht dasjenige, welches gerade von der russischen Seite gemalt wird.
ganz bestimmt nicht, das ist klar
Und hier wieder der Textbezug: Wenn die Botschaft ist, lieber nicht so genau hinsehen, sondern Hoffnung haben, ist das eine, die ich gerade angesichts des aktuellen Geschehens als moralisch/ethisch nicht richtig empfinde.
Ich wollte in diesem Text eher die Verarbeitungsmethoden des Schreckens durch die Betroffenen zeigen. (klingt jetzt sehr technisch.)
Ich glaube schon zu wissen, was Du meinst. Die Dinge, das Grauen beim Namen nennen, ohne metaphorische Beschreibungen, aber dennoch Atmosphäre schaffen.
Ob das jetzt ein Gryphius-Effekt ist, weiß ich nicht.
Ach, das mit dem Gryphius-Effekt war nur eine Gedankenstütze für mich, mithilfe der ich meine Absicht benannt habe.
Mache Dich frei, lass das Ding zwei, drei Wochen ruhen und setze Dich noch einmal dran. Ich denke, es verübelt Dir keiner hier, wenn er/sie erst in ein paar Wochen eine Antwort bekommt. Wir wissen ja, dass Du fleißig bist.
eher paar Monate, aber selbst jetzt wage ich mich nicht ran und schreibe lieber an anderen Projekten.
n Deutschland gibt es eine literarische Tradition der Suche nach Sinntiefe und Sprachgewalt bzw. Sprachschönheit. Statt einfach nur auf anspruchsvolle, interessante und spannende Weise unterhalten zu wollen, strebten und streben viele deutsche Literaten nach Höchstem und Tiefstem. Und nicht selten kommt ziemlicher Quark dabei heraus.
Gibt es auch in anderen literarischen Traditionen und ist per se nicht verwerflich. Und ehrlich gesagt ist gegen Tiefe, Anspielungsreichtum und Ästhetik nichts einzuwenden aus meiner Sicht. Es sei denn, man hat eine Abneigung gegen Tradiertes und Beziehungsreichtum, auch zu Literatur, die nicht allein der Unterhaltung dient.
Das erste Problem ist meiner Ansicht nach die Weichzeichnung des Textes (der Zuckerguss, wie Du es nanntest), weil Du Deiner Message gerecht werden möchtest.
mm, wurde oft gesagt, mag sein, war hier vielleicht nur problematisch eingesetzt, der Zuckerguss.
Aber frage Dich einmal selbst, wie viel gute Literatur bei dem Versuch herausgekommen ist, den Menschen Mut zu machen? Bereits die Prämisse Deines Textes ist Kitsch. Stelle Dir Literatur vor mit den Prämissen/ Mottos: Am Ende wird alles gut / Liebe ist stärker als Hass / Die wahre Liebe findet immer einen Weg / Wenn Du Dich bemühst, werden alle Deine Träume wahr / Die Gerechtigkeit wird siegen
Gar nicht so selten wie du es behauptest: nehmen wir Romeo und Julia: sie gehen unter, aber ihre Liebe bleibt. Oder Faust: die Seele schwebt am Ende zum Himmel.
Vielleicht ein Manko des Textes, dass die Leute im Keller überleben.
Umgekehrt bedeutet das nicht, Literatur müsse die Welt grundsätzlich als Jammertal zeichnen. Aber wenn man so leichtfüßig über die brutalen Aspekte des Krieges hinwegtänzelt, wie Dein Text es tut, werden viele Leser das als verlogen und scheinheilig empfinden.
starker Vorwurf, aber da er von dir kommt kann ich ihn einordnen. Ja, diese Wirkung habe ich nicht beabsichtigt mit dem Text.
Benignis "Das Leben ist schön" und von Tormes "Pans Labyrinth".
kenne ich beides nicht.
Überlebenswillen, Hoffnung, Mitmenschlichkeit, Trost und Fantasie als eine Seite des Menschseins zu sehen. Eine Seite, die vielleicht, hoffentlich, selbst in den schlimmsten Zeiten irgendwo da ist, mag sie auch noch so versteckt sein.
tröstlich, dass du diesen Aspekt siehst und lieben Dank für deinen wohlwollenden Kommentar!
ch habe mich aber auch gefragt, ob man diese Intention überhaupt umsetzen kann und sollte, wenn ein Krieg, das Leid der Menschen, der Schrecken so nah und so unmittelbar sind. Und wenn die Stimmung insgesamt so hochgekocht ist wie derzeit. Ich weiß es nicht.
wird vermutlich der Grund für das Hochkochen der Emotionen in den Kommentaren zu dem Text.
Also jetzt denkt einfach mal dran, bitte, dass auf der anderen Seite vom Wlan ein Mann hockt, den wir mögen und kein Gegner, ein Kerl, der nichts weiter wollte, als eine Geschichte zu schreiben zu einem Krieg, der ihm zu schaffen macht.
Ach, Novak:herz:
Krieg bedeutet eine existentielle Bedrohung. Deine Figuren sind der Situation ausgesetzt und müssen darauf reagieren. Sie müssen die aktuelle Lage verarbeiten. Sie können auf die Gefahr ihres Lebens keinen Einfluss nehmen.
Ordnung und Normalität in Extremsituationen zu bewahren hilft zu überleben. Ja!
Recht allgemeine Wörter wie "Zeit, Hoffnung, Frieden, Verzweiflung, Sinn, Rosa, Winter, Poltern, Vibrieren" könntest du komplett streichen. Stattdessen kleine Details erwähnen. Wenn ich den von dir beschriebenen Gryphius-Effekt korrekt verstehe, das Grauen in eine poetische Sprache zu fassen, lese ich daraus den alten lyrischen Anspruch, ein echtes "Konzentrat" der Wirklichkeit zu sein. Lyrik ist Fokus.
guter Aspekt, den werde ich bei einer möglichen Überarbeitung nutzen.
Ich hatte ja eine ganz andere Idee für den ersten Teil: Die Flucht gar nicht erwähnen, sondern über Bomben schreiben. Über die technischen Details, geschrieben wie ein Naturtext über Hechte oder Bäume. Also eine Faszination für das technische Wunderwerk einer Explosivwaffe ausdrücken.
super Idee, ich mutiere zu Anton Hofreiter! Aber ja, das wäre eine kreative Herangehensweise.
Ich wünsche dir viel Freude am Samstagswidmen zur Stärkung deiner Bildungsbürgerlichkeit (*grins, #shirindavid_reads_thomasmann, #RTL2_literatur)
:D
Schau'n wir mal, ob ich "Gretchen" mal wieder aufleben lass im Tierpark bei den Truthühnern ...
danke dir Friedel und hoffe, das mit den Truten hat gehühnert.

Euch allen vielen Dank und entschuldigt für die so sehr verspätete Antwort.

Viele Grüße aus der frühherbstlichen Taunuskälte vor dem Waschlappemwinter
Euer
Isegrims

 

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