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Sonnenaufgang mal anders gesehen

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22.08.2001
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Sonnenaufgang mal anders gesehen

Ich weiß es noch genau. Und jetzt gehen wir nebeneinander und können nichts sagen, weil uns dieselben Gedanken durch den Kopf rauschen. Zumindest hoffe ich, dass du genau daran denkst. Ich würde ja gerne fragen, aber das würde irgendwie peinlich klingen. "das letzte Mal als ich nachts mit dir eine Landstraße entlang ging, da kannte ich dich kaum." presse ich dann doch heraus. Du nickst nur abwesend. Die Vögel zwitschern und es wird langsam hell. Wir gehen so nebeneinander her und die Strasse scheint kein Ende zu nehmen. Ich denke an Blümchentapeten, weil es schwul ist und du denkst wahrscheinlich an deinen scheinbar viel zu kleinen Schwanz. Das ist irgendwie dein größtes Problem.
Aber jetzt gehe ich neben dir und wir stehen beide neben uns. Und später werde ich wieder wie ein Stein in deinem Bett liegen und gehen, wenn der Wecker klingelt. Dann gehe ich zum Bus und kein Mensch ist auf der Strasse und kein Mensch hat gemerkt, dass ich es bin, die morgens um halb 7 Sonntags an der Bushaltestelle steht und wartet. Es ist wahnsinnig kalt.
Früher hast du mich auch immer darum gebeten nicht zu gehen, jetzt würdest du alles dafür tun, mich nicht sehen zu müssen. Aber so ist das.
Du sagst, dass du aufhören möchtest zu rauchen. Ich verkneife mir eine spöttische Bemerkung. Wir wissen beide, dass du das sowieso nicht könntest. Du bist einfach zu schwach, aber das ist nicht schlimm.
Ich habe das Gefühl, dass du jetzt jemanden brauchst, der dich umarmt. Aber da ich es nicht genau weiß, lasse ich es lieber. Ich möchte dir nicht auf die Pelle rücken, denn ich weiß wie unangenehm das ist. Ausserdem würdest du so eine Art von Zärtlichkeit sowieso nie wieder von mir bekommen.
Meine Füße tun weh und wenn ich an den Heimweg denke, wird mir ganz schwindelig. Ich würde am liebsten ohnmächtig in den Graben fallen. Auch, weil du dich dann wenigstens einmal mit mir beschäftigen würdest. Sonst bin ich dir ja sowieso egal.
Ich bin wütend. Auf mich, auf dich. Dass ich überhaupt hierher gehen konnte. Dass ich dich je getroffen habe, dass ich mich je in dich verliebt habe, dass du mir gesagt hast, dass wir uns nie trennen würden. Denn das alles war so leer, wie diese Strasse, auf der wir mit wunden Füßen laufen. Und irgendwie fällt mir auf, dass alles, was aus deinem Mund kommt leer ist. Man darf nicht daran glauben und man darf nicht vertrauen. Man darf nur hoffen, nicht zu sehr enttäuscht zu werden. Das ist eigentlich alles. Und ich kann mich nicht mehr halten, so sehr muss ich plötzlich lachen. Denn ich wüßte gerne, wie viele Mädchen du in letzter zeit hattest. Nach mir. Obwohl ich das Beste war. Hast du zumindest gesagt. Aber ich vergaß, es ist ja alles leer...

 

Hat mir richtig gut gefallen.
Das war erst die zweite zweite-Person Geschichte, die ich hier gesehen habe, und der erste Beweis dafür, dass man so auch eine gute Geschichte schreiben kann. Aber auch die eiskalte Wende vom lahmen, romantischen Anfang, zum Boden der Tatsachen kam richtig gut. Besonders der Satz mit den Blümchentapeten.
Habe nichts auszusetzen. Mach weiter so!

 

Hi!
Die Geschichte hat ein bestimmtes Flair, das Du gut rüberbringst. Die Blümchentapeten-Stelle finde ich angenehm verwirrend bzw interpretationsfähig. Und das einfach so eingestreut.
freue mich auf die nächste Geschichte von Dir!
a.e.c.

 

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