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Spätsommer-Albtraum
Es ist Mittwoch, der 28. August. Die Menschen stöhnen unter knapp dreißig Grad schwül-warmer Gewitterluft. In brütender Sonnenglast wartet mein dunkel lackiertes Auto bar jeglichen technischen Schnickschnacks wie etwa automatisch herbeigeführter humaner Temperaturen auf mich, um mit mir sechs Kilometer Heimweg zu bewältigen.
Nachdem ich die polnische Klimaanlage (je eine Handkurbel an Fahrer- und Beifahrertür) vorbereitet habe, genieße ich für einen Moment den lauen Fahrtwind in meinen schweißverklebten Haaren, bis mir mit einem Griff in die Hemdtasche bewusst wird, dass mir die nervenstärkenden Grundgenussmittel ausgegangen sind. Der Blick auf meine von innen mit Schwitz(Schweiß-)wasser beschlagene Armbanduhr führt zu keiner Aufklärung dieser prekären Situation. Erst die von der Hitze weich gewordenen Plastikzeiger meiner Autouhr, die soeben den verzweifelten Kampf gegen die Schwerkraft auf Sechzehn-Uhr-Position beendet haben, beruhigen mich.
Keine Panik!, denke ich. Du hast noch genügend Zeit, dir ein paar Kippen zu kaufen.
Kurz vor meinem trauten Heim halte ich am Supermarkt an und betrete nichts ahnend die teutonische Spätsommerhölle.
Das Erste, was mir ins Auge sticht, war, dass das Management von BRUTTO eine neue Kleiderordnung herausgegeben hat: Alle Angestellten tragen rote Kittel. Na ja, das ist Geschmackssache, aber wenigsten sieht man die Schmutzflecken nicht mehr so deutlich.
Der in Ehren ergraute, fast weiße Marktleiter ist gerade dabei, die neuesten Angebote in der Obst- und Gemüsetheke zu verstauen: Walnüsse und Mandarinen, das Kilo für je 1,49 Euro. Dass der Mann sich neuerdings einen Vollbart (beinahe einen Rauschebart) hat wachsen lassen, macht mich zwar stutzig. Ich denke aber nicht weiter darüber nach.
Auch die nächste Warnung in Form einer Lautsprecherdurchsage ignoriere ich: "Meine Damen und Herren, bald ist es wieder so weit. Treffen Sie jetzt Vorsorge! Unsere Backwarenabteilung hält schon heute ein vielfältiges Angebot für Sie bereit. Schauen Sie doch mal vorbei!"
Was brauche ich Backwaren? Zigaretten sind jetzt das A und O, weshalb ich zielstrebig auf die Kassen zueile und in Gelächter ausbreche, was mir den einen oder anderen unverständlichen Blick einbringt.
In den Sonderangebotskörben des letzten Ganges liegen ganze Heerscharen von Gewürzspekulatius-Tüten und Lebkuchen-Packungen zu einem unwahrscheinlichen Spottpreis und von wahrscheinlich derart steinerner Qualität (es konnte sich nur um Reste aus dem Vorjahr handeln), dass es jedem raffgierigen Dentallaboranten die Euro-Zeichen in die Augen treibt.
Aber an der Kasse bricht mir der kalte Angstschweiß aus. Als mir die Kassiererin mit einem freundlichen Lächeln zum Abschied ein "Frohes Fest" wünscht, wird mir eines klar: Weihnachten kommt unaufhaltsam näher, steht quasi schon vor der Tür. Und ich habe noch kein einziges Geschenk.