Stadt der Hummer
Endlich war es soweit. Luigis Traum ging nach langem Warten in Erfüllung. In einer kleinen Stadt hatte er sich in den letzten Monaten mit seinem Ersparten ein kleines aber feines Lokal errichtet. Es hatte eine wunderschöne Lage. Vor dem Restaurant erstreckte sich ein großer Park mit vielen Bäumen, Sträuchern und Springbrunnen. Luigi bekam sogar die Erlaubnis dort Tische und Stühle für seine Gäste aufzustellen.
Schon vor einigen Wochen hatte er eine Stellenanzeige beim AMS aufgegeben. Noch am selben Tag bekam er schon einige Bewerbungen per E-Mail. Von diesen Bewerbungen nahm er eine fesche Rumänin als Kellnerin und drei Italiener für die Küche auf.
Doch das Geschäft lief nicht gerade gut. Die Gäste betrachteten die Fremdarbeiter skeptisch, beklagten sich über zu lange Wartezeiten, über das Essen und meinten dann auch noch, dass das Ganze zu teuer sei. Luigi fand fast alle Beschwerden für unangebracht, aber da er auf Nummer sicher gehen wollte, hatte er einige Abhörgeräte und sogar ein paar versteckte Kameras im ganzen Restaurant eingebaut, um die Fremdarbeiter zu beobachten. Doch Luigi hatte noch nichts Verdächtiges darauf entdeckt.
Als das Lokal schon fast in den Konkurs ging, riet ihm ein Freund es mit genmanipulierten Nahrungsmitteln zu versuchen. Sie waren bedeutend billiger und waren im Geschmack besser als die normalen Lebensmittel. Ab nun lief das Geschäft immer besser. Um die Erfolgskurve noch mehr zu erhöhen, beschloss Luigi exotische Leckerbissen wie Hummer und Miesmuscheln anzubieten. Dies wurde so gut angenommen, dass er sogar mehr Personal aufnehmen musste.
Eines Tages im Oktober bekam Luigi in aller Früh wieder eine Lieferung mit genmanipulierten Köstlichkeiten. Diesmal befanden sich auch Wachteleier darunter und dreizehn Kisten randvoll mit Hummer, denn heute war Hummertag angesagt.
Als die ersten Gäste eintrafen, wollten der Italiener und die rumänische Kellnerin die erste Kiste öffnen. Doch als die beiden Angestellten in den dunklen Lagerraum traten, erlebten sie ein blaues Wunder. Die Hummer waren aus den Stallkisten ausgebrochen und aus den angeblichen Wachteleiern waren Stinktiere geschlüpft. Einer der Hummer fiel von einem Regal herab und in den Ausschnitt der Kellnerin. Diese lief laut kreischend aus dem Lagerraum. Auch der Italiener wollte so schnell wie möglich flüchten, denn die Hummer machten einen relativ aggressiven Eindruck auf ihn. Doch es war zu spät.
Eines der Krebstiere hatte ihn ins Bein gezwickt. Der Mann schrie auf und humpelte mit dem Hummer am Bein aus der Vorratskammer. Luigi wurde von den Schreien angelockt und konnte seinen Augen nicht trauen. Die Stinktiere und Hummer waren im Begriff abzuhauen. Er wollte die Polizei rufen doch einer der Hummer hatte die Telefonkabel durchgebissen. Die Tiere liefen ins Lokal. Als die Gäste die Exoten erblickten, brach Chaos aus. Etliche fielen in Ohnmacht. Ob von dem Schrecken oder dem Gestank der Stinktiere war nicht abzusehen. Die Hummer attackierten die Leute. Einige wehrten sich mit Gabeln und Messern, aber ohne Erfolg.
Nachdem sich niemand mehr den Hummern und Stinktieren entgegenstellte, verließen sie das zerstörte Restaurant und liefen in den Park. Dort fühlten sich die Tiere besonders wohl. Die Hummer fällten mit ihren Zangen die Bäume und quartierten sich dort ein. Durch den Gestank der Stinktiere verfaulten die Blätter der Sträucher und Bäume.
Die genmanipulierten Hummer vermehrten sich in wenigen Tagen um das hundertfache ihrer ursprünglichen Zahl.
Die meisten Bewohner der Stadt waren bereits ausgezogen. Doch als es kälter wurde, kamen die Hummer aus dem Park und krabbelten in die Häuser um dort zu verweilen. Besonders Wohnungen und Geschäfte, die Kleidung verkauften, hatten es ihnen angetan. Nun verließen alle Menschen die Stadt und ab nun wurde sie nur noch von Hummern bewohnt, die sich weiterhin prächtig vermehrten.