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Stagehands

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02.01.2011
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Stagehands

Sergej steht vor dem Sprinter, mit der Zigarette im Mundwinkel, im Adidas-Trainingsanzug, Kapuze über dem Kopf, und verteilt ʼne Runde Kippen. König nennen wir ihn. Es ist halb fünf, ich kann meinen eigenen Atem sehen. Faxe sitzt auf dem Fahrersitz, ein Bein aus der geöffneten Tür hängend, in der Hand ʼne Dose MONSTER. Zwei Studenten stehen noch mit den Händen in den Pullitaschen auf dem dunklen Kundenparkplatz von REWE und sehen rüber zu mir, wie ich mit meinem Rucksack um die Schulter entlang gelaufen komme. Neben ihnen steht der Alte, den wir hinter seinem Rücken Zange nennen, Rob, der keinen Spitznamen hat, vielleicht weil er schwarz ist oder weil niemandem was Dummes eingefallen ist; bis vor ʼnem Monat war Rob im Knast, ich weiß auch nicht genau warum, vielleicht Körperverletzung oder BTM. Robs Vater ist Ami. Er selbst isʼ über einsneunzig, das viele Pumpen und ein wenig Stoffen lassen ihn aussehen wie The Rock. Über Robs rechter Augenbraue steht in klobigen Buchstaben tätowiert: T R U S T
»Ah«, sagt König, als er sich grinsend zu mir umdreht. »Rassie. Moi russki priatill.« Die Zigarette in seinem Mundwinkel leuchtet rot auf. Sergejs Nase ist platt und schief, seine Haare blond und kurz rasiert, seine Augen stechend und grün wie die Scherben einer Flasche Bier. »Messer-Pauli ist zu spät«, sagt Sergej. Er klopft mir auf die Schulter, zwinkert.
Ich spucke auf den Boden. »Nachui«, sage ich. »Sollen wir jetzt alle auf den warten?«
König zieht an der Zigarette, streckt den Rücken durch und blickt wieder mich an. »Kriegst schon früh genug Schaffe, bläd.«

Ich hab noch nie so viel Geld verdient. 1100 jeden Zwanzigsten, dazu Zuschläge: Wochenendaufschlag, Verpflegungspauschale. Ich fresse jeden Tag Burger King, Döner und Kentucky Fried Chicken, manchmal früh, Mittag, Abend. Wir gehen vier, fünf Tage auf Job. Den Rest hab ich frei. Wir arbeiten als Bühnenbauer, als Stagehands. Das heißt, wir fahren quer durchs Land, auf Messen, Konzerte und bauen Ton, Licht, Videoleinwände und Bühnendeko auf, manchmal stehen wir für ʼnen Fuffi bar Kralle vom Veranstalter auch ein bisschen Security.

Sergej ist fast zehn Jahre älter als ich, Anfang dreißig. Ich weiß, dass Sergejs Mutter letztes Jahr an Lungenkrebs gestorben ist, und dass ihn seine Freundin vor nicht allzu lang abserviert hat. Angeblich hatte sie eine Fehlgeburt. Hat mir Rob The Rock erzählt, gleich nachdem er aus dem Knast draußen war.
Ich öffne die Tür des Sprinters. Auf der Mittelbank döst ein Mittvierziger der Alki-Fraktion: blonde, lange Dreadlocks, dreckige Finger. Daneben sitzt ein kleiner, kräftiger albanischer Mann mit Porno-Mustache und dem Namen Fikret, der schon ein paarmal mit uns auf Job war, und zwei afrikanische Flüchtlinge, die letzte Woche Ärger gemacht haben sollen, die ich aber noch nicht kenne. Auf der Rückbank sitzt Steffi, streift sich eine Strähne ihrer blonden Haare hinters Ohr und lächelt mich an. Sie trägt ein viel zu weites Burzum-T-Shirt und Lippenpiercing.
»Servus Meister«, sage ich, nicke Fikret zu und steige hinter zu Steffi. »Messer-Pauli ist zu spät«, sage ich und setze mich.
»Hast du nichts Besseres zu sagen«, sagt sie, schüttelt den Kopf, lächelt und dreht ihr Gesicht weg von mir, um aus dem Fenster zu blicken. Sie knabbert auf ihrem Lippenpiercing. »Du Spasti«, sagt sie, immer noch lächelnd, und trinkt aus ihrer MONSTER-Dose.
»Du weißt, ich kann keine Frau so zurück beleidigen«, sage ich. »Faxe, Meister, wann gehtʼs los?«, rufe ich nach vorne, öffne meinen Rucksack und ziehe mir eine Dose Speedmaster heraus.
»Scheiß Kanake«, sagt Steffi zu mir und blickt noch aus dem Fenster. »Russland«, sagt sie, schüttelt langsam den Kopf und trinkt aus ihrer MONSTER. »Wie dumm kann man sein.«
»Wir lieben uns«, sage ich grinsend, drücke die Dose ein und trinke ʼnen Schluck. »Du und ich. Isʼ nur noch nichʼ bis zu dir durchgekommen.«
»Vergisses«, sagt Steffi.
»Du bist meine Göttin«, sage ich grinsend.
»Geh weg«, sagt Steffi.
»Du willst Messer-Pauli«, sage ich.
»Halt die Fresse«, sagt Steffi und schlägt mir mit dem Handrücken gegen den Oberschenkel, den Blick noch aus dem Fenster.

Von allen Kollegen ist Messer-Pauli der seltsamste. Ich schätze, er ist 34. Vielleicht ist er auch 30. Oder noch jünger. Steffi meint, er hat ein außergewöhnlich hübsches Gesicht. Würde man nur sein Gesicht sehen, würde man wahrscheinlich nicht checken, was mit ihm los ist. Er ist hager, fast so groß wie ich, trägt die langen, blonden Haare auf dem Hinterkopf zum Man Bun. Er trägt so eine Ray Ban-Brille. »Er wohnt noch bei seiner Mama«, hat Steffi erzählt. »Ich weiß nichʼ wie das geht, aber ich glaub, die schlafen da noch im selben Bett. Da gabʼs nur ein Schlafzimmer, als ich dort war. Und zwei Decken, zwei Kissen.«
Natürlich hab ich laut losgelacht. »Laber nicht«, hab ich gesagt. »Du verarschst mich.«
»Mach dich nicht über ihn lustig«, hat Steffi gesagt. »Ich meinʼs ernst«, hat sie gesagt und mir ihren Finger ins Gesicht gehalten. »Russland, du Arschloch. Ich ficke dich, wenn du das erzählst. Ich ficke dich in jedem Bestandteil. Ich ficke deine ganze Sippe und deine ganze saudumme slawinistische Kultur. Mit euren beschissenen Jogginganzügen.«

Messer-Pauli steigt als Letzter ein. Faxe hat den Motor schon angeschmissen, da seh ich ihn durch das Laternenlicht über den Parkplatz schlurfen. Als er die Schiebetür öffnet, dreht sich Faxe mit blutrotem Kopf um und schreit: »Fünf vor haben wir gesagt!« Dann: »Mann, ey! Dir ist dein Job schon wichtig, oder?«
Messer-Pauli blickt Faxe einen Moment regungslos an, dann greift er an die Karosserie, steigt wortlos ein, schultert den Rucksack ab und schiebt die Tür zu. Im Wagenlicht sehe ich an seiner Gürtelschlaufe an einem Karabiner ein Gipserbeil hängen. Er setzt sich vor mich, streift sich mit beiden Händen über den Kopf, bis hinter zum Man Bun. Beim Anschnallen wirft er mir nur einen kurzen Blick zu, aber an seinen weit aufgezogenen, glasigen Augen weiß ich gleich Bescheid, dass er schon ordentlich auf Amphe ist.
Faxe lässt den Motor hochdrehen, dann rollen wir über den Parkplatz. Als wir auf die Straße biegen, schlägt Faxe mit der flachen Hand und aller Kraft dreimal aufs Lenkrad. Keiner sagt was, und erst, als wir ein ganzes Stück auf der Autobahn sind, ist der Schock vergessen.

Es wird langsam hell draußen.
Die Autobahn zieht an uns vorbei.
Steffi ist eingeschlafen. Sie hat die Arme verschränkt und liegt mit der Kapuze über dem Kopf an die Fensterscheibe gelehnt.
Faxe lässt leise Rockabilly auf der Anlage laufen.
Vorne, auf dem Display der Mittelkonsole, steht: 6:40.
Alle pennen. Nur König sehe ich vorne auf seinem Sitz mit dem Fuß dribbeln. Das Licht des Handydisplays leuchtet in sein Gesicht. Die Luft ist abgestanden und die Klimaanlage surrt.

Wir kommen an der Konzerthalle an.
Faxe parkt bei den Trucks.
Messer-Pauli zieht die Schiebetür auf. Alle strecken sich auf dem Parkplatz. Mein Atem kondensiert. Die Sonne scheint leicht über die Bäume des angrenzenden Waldes. Ich bin verdammt müde. Der Asphalt glänzt gefroren. Ich zünde mir eine Gestopfte an. Steffi eine Selbstgedrehte. Zange raucht braune Zigarillos. König spuckt auf den Boden, nippt an seiner MONSTER-Dose und sagt: »Wann gehtʼs los, Chef?«
»Geht gleich los«, sagt Faxe und trinkt an seinem Thermobecher.
Er stiefelt zu einem der Trucks und quatscht mit einem der beiden Techniker, die davor stehen.
Hinter uns kommt der Sprinter mit der Crew aus Coburg. Sie machen Lichthupe. Wir alle drehen uns um und gucken. Ich sehe die Coburg-Crew im Auto lachen. Nur Zange hebt die Hand zum Gruß. Steffi dreht sich noch eine. »Der soll das noch einmal machen mit dem Licht und ich schlachte ihn auf, ich schwörʼs«, sagt sie mit zugekniffenen, geblendeten Augen.
Faxe kommt zurück. »Geht los«, sagt er.

Wenn wir arbeiten, bewegen wir uns anders. Wir sind schneller. Jeder Handgriff sitzt. Fleißige Ameisen. Ein Scherz hier, ein Scherz da. Lachen.
Steffi sagt: »Die zwei Neuen, die Schwarzen, werden getrennt, weil das letztes Mal nicht geklappt hat. Die wurden zum Loaden eingeteilt und es war halt weng kalt draußen. Die haben nix verstanden, und die haben bloß uns gesehen, wie wir gelacht haben beim Einpacken drinnen. Die haben gedacht, wir haben sie für die Scheißarbeit eingeteilt. Dann sind die einfach abgehauen. Faxe hat die grad noch so gekriegt. Hat die richtig belämmert, dass die zurückkommen.«
Wir loaden den Truck aus. Schwarze, fette Cases auf Rädern. Wir rollen das Case die Rampe runter, Steffi links, ich rechts.
»Heute sind die getrennt, damit das nicht mehr vorkommt«, sagt sie.
Wir schieben das Case rein. Die Halle ist locker fünfzehn Meter hoch. Ein Techniker mit weißem PSA-Helm und Warnweste bückt sich, schaut auf den Sticker mit der Nummer des Cases und sagt: »Licht auf die linke Seite.«
Ich schaue quer durch die Halle. Am anderen Ende ist einer der Schwarzen. Er schiebt mit König ein Case über die Rampe hoch auf die Bühne zum Backline-Stapel. Der Schwarze trägt seinen roten PSA-Helm nach Vorschrift. Aus unserer und der Coburg-Crew trägt von uns bis auf die Rigger niemand Helm.

Zange und The Rock kommen dazu und wir packen Trassen-Teile aus dem Truck und verschrauben sie mit fetten Stahlbolzen. Das dauert nicht lang.
Weil die Rigger noch nicht fertig sind, kommt Faxe zu uns und sagt: »ʼne Viertelstunde Raucherpause, ja?«
Er tippt auf sein Handgelenk.
Steffi hat schon den Filter zwischen den Lippen und das Paper mit dem DRUM-Tabak in der Hand. Über uns hängen die Rigger an ihren Seilen am Hallendach und machen die Motoranschlagpunkte für die Trassen. Ich höre Akkuschrauber und wie sie sich von einem Dachende zum anderen was zurufen. Irgendwas scheint nicht zu klappen.

Es ist hell draußen. Der Himmel eisblau. Im Sonnenschein ist es richtig warm. Der Sommer hat sich erst seit ein paar Wochen endgültig verabschiedet. Wir stehen in der Gruppe im Kreis, breitbeinig. Die Hände in den Hosentaschen, verschränkt oder an der Seite runterhängend. Alle mit den schwarzen T-Shirts unserer Firma. S3-Sicherheitsschuhe. Arbeitshosen. König hat ’ne Kippe in der Hand. Er geht ein Stück weg den Parkplatz entlang und telefoniert.
»Was isʼ mit ihm?«, frage ich.
Steffi schüttelt den Kopf. Sie raucht und schaut König nach. Ihr Gesicht ist spitz und ihre Lippen dünn. »Egal«, sagt sie.
»Mag der uns nicht mehr?«, sagt Zange.
Alle lachen.
Die Coburg-Crew hat einen alten Alki mit grauem Bart und Brille, die ihn intellektuell aussehen lässt. Er sagt: »Dem schmecken die Kippen da drüben besser.«
Alle lachen.
Der Student mit den Dreadlocks ist ruhig und schüchtern, deswegen wird er natürlich gestichelt. Er raucht eine Jin Ling-Zigarette. The Rock sagt: »Du weißt, dass die da fünfzig Prozent Fingernägel reintun?« The Rock sagt: »Bob Marley«, und tauft den Studenten damit. Alle lachen, der Student lächelt.
Ich erzähle: »Ich hab mal für Nena aufgebaut. Ihr Manager ist davor zu den Crewchiefs hin und hat befohlen, dass ihr niemand von uns ins Gesicht gucken darf. Keiner durfte der Schlampe ins Gesicht gucken, wenn die durch die Gänge gelaufen ist. Die ist verrückt geworden. Es hieß, man wird gefeuert, wenn man Nena ins Gesicht guckt. Dann isʼ die Alte raus auf die Bühne und hat erzählt, wie sehr sie sich freut, hier zu sein. Dass alle ihre Freunde sind. Drinnen war sie der kleine Hitler.«
Der alte, intellektuelle Alki sagt: »Bloß mit dem Schnauzbart unter den Achseln.«
Alle lachen.
König kommt zurück. »Gib mal Kippe«, sagt er zu mir und hält die Hand hin. Ich gebe ihm eine. »Danke«, sagt er und zündet sie sich an.
»Sergej«, sagt The Rock und lächelt.
König verdreht die Augen, mit der Kippe im Mund. Er atmet tief ein. »Jetzt nicht, Alter«, sagt er.
Er läuft wieder auf den Parkplatz und telefoniert. Seine Waden sind voller schwarzer Tribal-Tattoos.
Ich gehe in die Konzerthalle. Bei den Toiletten stelle ich mich ans Pissoir. Der Boden klebt. Graffiti an der Wand und auf dem Spiegel. Ein kleines, mit Filzstift gemaltes Hakenkreuz an der Decke. Aus eine der Kabinen höre ichʼs sniefen und räuspern. Ich schüttle ab, schnalle den Gürtel zu und bücke mich. Unter der Tür sehe ich zwei Paar S3-Sicherheitsschuhe. Die Tür geht auf und Messer-Pauli und einer der Coburg-Crew kommen raus. Ihre Augen sind glasig und sie schniefen. Keiner sagt was. Messer-Pauli ist einmal in die Psychiatrie gekommen, weil er in einem Zug eins seiner Messer rausgeholt hat. Eine Frau saß auf einem Zweier und wollte nicht auf den freien Platz durchrutschen. In seinem Rucksack haben die Bullen Crystal gefunden.

Faxe teilt Messer-Pauli, König und mich zum Licht ein. Das Licht steht links von der Bühne. Eine Technikerin kommt und sagt uns, wo die Moving Heads rankommen. Sie klebt die Stellen auf der Trasse mit Zumbe ab. Wir schieben ein Case vom Haufen vor zur Trasse. Messer-Pauli deckelt es ab. König und ich heben das Moving Head aus der Schaumstoffhülle und hängen es in die Trasse ein. Diese Lampen wiegen locker sechzig Kilo. Steffi rollt eine Kabelbox an und wir schließen das Licht an. Messer-Pauli klebt die Kabel mit Zumbe an die Trasse. Er kniet sich auf den Hallenboden. Ich sehe den kleinen Axthammer an seinem Gürtel. Daneben hat er locker fünf, sechs Schutzhüllen und leere Holster für Messer befestigt. Ich sehe den orangen Griff eines Mora-Messers.
König und ich gehen zurück zum Haufen und schieben das nächste Case zur Trasse.
Steffi bückt sich zu Messer-Pauli und sie reden was und lachen.
»Lass mal bald rauchen«, sagt König auf Russisch zu mir. Er schaut mich nicht an. »Und geh mir heute nicht auf den Sack«, sagt er.
»Ist ja gut«, sage ich. Ich hebe die Hände. »Zdes nikto ne khochet nikogo ubivat«, sage ich, was so viel heißt wie: »Niemand will hier jemanden umbringen.«

Gegen zwölf sind wir mit dem Licht fertig.
Die Techniker ziehen die Trassen mit den Motoren hoch an die Hallendecke.

Ich stehe auf dem Parkplatz vor der Halle und rauche mit zwei Muckie-Typen aus der Coburger Crew. Sie sind vielleicht Mitte dreißig und haben aufgedunsene, rote Köpfe. 3-mm-Cuts. Locker 150 Kilo. Auch ihre Haut ist rot. Der eine hat ein Rammstein-Tattoo auf dem Hals. Der andere hat eine so dunkle Solariumbräune, dass seine Haut fast aussieht wie die der Schwarzen. Sie unterhalten sich übers Stoffen. »Wenn deine Schnecke keinen gescheiten Arsch hat, baller ihr dreimal am Tag Sustanon in die Backen. Wenn sie nichʼ will, machʼs heimlich, damit du ’nen ordentlichen Arsch bekommst!«
Die beiden lachen.
Ein verdellter Volvo hält vor mir.
Steffi kurbelt das Fenster runter. »Wir fahren ins Hotel«, sagt sie, »willste mit, Russland?«
Bob Marley sitzt am Steuer.
Auf der Rückbank sitzen die beiden Schwarzen.

Das Hotel liegt im Industriegebiet. Die Straße ist breit und leer. Die Bäume auf dem Gehweg haben keine Blätter. Ich weiß nicht, wo wir sind. Thüringen? Betongraue, geduckte Gebäude mit Flachdächern. Ein JACK & JONES-Outlet mit abgeklebten Fensterscheiben und verwildertem Parkplatz. BURGER KING. Eine Reihe dreißig, vierzig Meter hoher, silberner Getreidesilos. Verrosteter Maschendrahtzaun.
Das Auto schaukelt bei jedem Schlagloch.
Bob Marley schaut zum Beifahrersitz.
Er fragt Steffi: »Warst du schon mal in Südostasien?«
Steffi murmelt irgendwas. Sie dreht sich eine Kippe. Bob Marley nickt. Dann schaut er wieder durch die Windschutzscheibe. An seinem Handgelenk hängen ein Dutzend vergilbter Festival-Bändchen.
Die Schwarzen sitzen neben mir auf der Rückbank. Sie flüstern etwas in ihrer Sprache. Sie riechen nach Parfum. In diesem Augenblick fällt mir auf, dass sie unter den schwarzen Firmen-T-Shirts Hemden tragen; die dunklen Hemdkragen schauen unter dem Rundhals ihrer T-Shirts hervor. Mein Sitznachbar merkt, dass ich ihn ansehe, kurz treffen sich unsere Blicke und wir nicken einander zu.
»All good?«, sage ich und mache Daumen-hoch.
»Yes«, sagt er, lächelt und zeigt mir Daumen-hoch. »All good.«
Bob Marley dreht sich zur Rückbank, er sagt, langsam und laut: »Möchte jemand Asiatisch?«
Steffi wirft mir einen Blick zu, ich grinse und weiß, dass wir uns nachher darüber lustig machen werden, dass wir vor Lachen brüllen werden.

Im Hotelzimmer hängt das Schild einer durchgestrichenen Zigarette an der Wand, und direkt darunter steht auf unserer Kommode ein Aschenbecher des Hotels. Es ist ein Viererzimmer, zweimal Stockbett. Bob Marley sitzt unten auf dem Bett und dreht sich eine Zigarette. Ich sitze gegenüber oben. Die Wände sind vor Nikotin vergilbt.
Ich lege mich auf die Matratze und schließe die Augen. Ich höre, wie Bob Marley seine Zigarette anzündet und inhaliert. Er schaut sich irgendein YouTube-Video an. Ich wünschte, es wäre ein schäbiger Porno. Darüber könnte ich mit Steffi lachen. Steffi ist ein nebenan im Zweibettzimmer der Frauen.
Ich öffne die Augen, nehme mein Handy und schreibe ihr: »Was geht, Prinzessin und Königin der PMZ?«
»Wo ist eigentlich König?«, frage ich Bob Marley.
Er sieht zu mir hoch und zuckt mit den Schultern.
»Bläd«, sage ich, lege mich auf den Rücken und schließe die Augen.

Abends ist Party. Zange steht im Aufenthaltsraum hinter der Rezeption an einem Metallstehtisch, nippt an einem Heineken und zieht an seinem Zigarillo. Hinter ihm hängt das Nicht-Rauchen-Schild. Ein CD-Spieler steht neben Zange. Es läuft Michael Wendler. Zwei der Coburger Bodybuilder sitzen auf dem Sofa und quatschen. Auch der intellektuelle Alki und zwei der Rigger sind da. Morgen Vormittag bauen wir ab; bis dahin haben wir Zeit.
Im Nebenraum steht Messer-Pauli mit Kö an einem Billard-Tisch. Steffi steht neben ihm. Das gibt mir den Rest. Ich spüre es in diesem Augenblick. Ich wusste nicht, dass es so ist, aber ich drehe mich um, gehe an der Rezeption vorbei und vor die Tür nach draußen. Ich stecke mir eine Kippe an. Es ist Herbst. Vorhin hat es geregnet. Der Himmel ist grau und vor mir ist eine Bundesstraße. Es riecht nach Autoabgasen und Regen. Gegenüber ist der Parkplatz einer der vielen geduckten Industriekomplexe. Die Zäune sind hoch. Ich rauche. Da ist ein Druck auf meiner Brust; ich schaue auf meine Hände: Lange, dünne Finger habe ich und vom Zumbe-Kleben auf den Moving Heads sind meine Handflächen schwarz verschmiert.
Ich spüre, dass mir die Tränen kommen.
Du bist so dumm, sage ich. Du bist so ein Arschloch.
Ich wische mir mit dem Handrücken übers Auge.
Ziehe an der Zigarette.
»Hey«, sagt eine Mädchenstimme hinter mir.
Es ist Steffi. Sie kommt aus dem Hotel über den Gehsteig. »Was machst du?«
»Nichts«, sage ich und schaue wieder zur Straße.
Sie steht neben mir und atmet.
Eine lange Stille entsteht zwischen uns beiden.
Ich höre sie atmen.
Ich sage nichts.
»Kommst du wieder rein?«, sagt sie.
»Ich dachte, du willst Messer-Pauli heiraten«, sage ich. »Und zwischen ihm und seiner Mutter im Bett liegen.«
Sie schlägt mich gegen die Schulter.
Und zwar hart – der Schmerz brennt tief in den Muskel.
»Ich hab dir gesagt, du sollst deine Fresse halten, du Stück Scheiße«, sagt sie.
Ich sehe ihr ins Gesicht und sie lächelt nicht.
»Also, ich geh jetzt wieder rein«, sagt sie.
Ihre langen Pulliärmel hat sie über die Handknöchel gezogen.
»Kommst du auch?«
»Ihr wollt da drin heiraten, oder?«, sage ich. »Du und Messer-Pauli. Am Billardtisch.«
Ich grinse.
Sie geht in Richtung Eingang, dreht sich um und wirft mir einen ausdruckslosen Blick zu. Dann geht sie zurück ins Hotel.
Ich atme tief ein und lege meine Hände auf mein Knie, beuge mich mit der Zigarette im Mund.
Ich atme tief ein und aus.
Bei mir war das so. Wenn du zuhause geweint hast, warst du schwul. Die einzigen, die geheult haben, waren Kinder, Frauen und Schwule. Wenn du ein Mann warst, und geheult hast, dachten die Nachbarn im Genossenschaftsbau, du bist ein Schwuler. Und so wurdest du anschließend behandelt: Wie ein Schwuler. Bis du gezeigt hast, dass du kein Schwuler warst. Das heißt, bis du demjenigen, der meinte, dich heulen gesehen zu haben, die Fresse poliert hast.

»Wo ist König?«, sage ich und stehe an der Tür zum Billardraum. Steffi steht in der Ecke, mit einer Göller-Bierflasche in der Hand, und Messer-Pauli steht am Billardtisch.
»Weiß nicht«, sagt Messer-Pauli.
Ich schaue zu Steffi. »König sollte bei uns im Zimmer sein. Und wo ist Faxe?«
Ich ziehe mir am Getränkeautomaten ein Göller. Dann gehe ich wieder raus aus dem Hotel. Diese gottverdammte Welt. Ich schaue auf die Industriekomplexe, aus deren Fensterfassaden jetzt grelles LED-Licht strahlt. Der Himmel ist am Dämmern und die Straßenlaternen leuchten. Da ist immer dieses Fernweh, diese Sehnsucht, abzuhauen. Aber wohin? Was tun? Nach Südostasien wie Bob Marley? Ich atme tief ein und aus. Manchmal kann ich meine Beine gar nicht stillhalten. Aber ich weiß nicht, wohin, ich weiß nicht mal, was ich will. Ich weiß nur, dass ich alles, wie es jetzt ist, nicht will. Dass alles anders sein muss. Ich kann es nicht beschreiben.
Steffi steht wieder hinter mir, im Eingang. »Jetzt komm halt wieder rein«, sagt sie. »Sei doch nicht so verdammt dramatisch!«
Ich drehe mich um und sehe ihr ins Gesicht.
»Ja«, sage ich, »ja, ich komme.«
Als ich an ihr vorbei durch den Hoteleingang laufe, schaut sie mir ins Gesicht, in die Augen. Sie zieht die Augenbrauen hoch und hat die Arme verschränkt. Sie trägt einen viel zu weiten, schwarzen Pulli mit Rammstein-Emblem auf der Vorderseite. Löcher am Ärmel.
Sie atmet tief ein.
Sie sitzt neben Bob Marley auf der Couch. Die Pumper sind weg, oben oder bei den Autos. Die beiden Schwarzen stehen an einem Stehtisch, rauchen und haben Göller-Bierflaschen in der Hand. Der intellektuelle Alki steht am Stehtisch neben ihnen, er gestikuliert und erzählt ihnen etwas auf Englisch. Bob Marley schaut mich an und ich schaue ihn an und nicke. Seine Augen und sein Gesichtsausdruck sehen aus, als ob er geheult hätte, und ich frage mich, was Steffi jetzt neben ihm will. Sie sieht mich an, mit ihren großen, grünen Augen, aber ich gebe ihr die kalte Schulter und gehe wieder zu Zange an den Stehtisch und stoße mit ihm an. »Wusstest du, dass Hitler hier nur einmal in der Stadt war und mit faulen Eiern beworfen wurde, und dass Hitler dann gesagt hat, hier her wird er nie wieder kommen? Darauf sind die Leute hier bis heute stolz«, sagt er.
»Nee«, sage ich, drehe mich um und sehe zur Couch. Bob Marley sitzt noch auf ihr, aber Steffi ist aufgestanden und geht zur Tür. König steht in der Tür zum Aufenthaltsraum, hinter ihm Faxe. Beide sehen blass und müde aus. Ich sehe, dass Steffi mit König redet, dann umarmt sie ihn. Sie sieht ihn an, nickt und umarmt ihn wieder lange.
Steffi dreht sich um und ruft zu Zange: »Mach mal aus!«
Zange dreht Wendler leise.
König steht da und sagt: »Mein Vater ist heute gestorben. In Russland.«
Er sieht in den Raum und niemand sagt was. Die plötzliche Stille ist ohrenbetäubend, raumfüllend. Der Rauch von Zigaretten steigt auf. Ich schaue in den Raum und niemand bewegt sich; alle sitzen wie eingefroren da und sehen zu König. Sergej König steht in der Tür. Er schaut uns an, aber bewegt sich nicht. Er sagt nichts. Er steht gerade da; sein drahtiger Körper. Ich merke, wie dieser Moment sich ausdehnt; wie aus einer Sekunde eine Minute wird, wie jeder Bruchteil eine Bedeutung, eine Schwere bekommt. Meine Ohren knistern.
Aus irgendeinem Grund brechen die beiden Afrikaner diese Erstarrung, dieses Stillstehen der Zeit. Sie tragen noch ihre Arbeitsshirts mit den Hemden drunter. Sie gehen hinter ihrem Stehtisch herum, durch den Raum. König schaut zu ihnen. Sie gehen zu ihm. Der erste reicht ihm die Hand und neigt den Kopf leicht. Er sagt etwas auf Englisch, aber wir alle verstehen. Sein Landsmann reicht König auch die Hand und neigt den Kopf. Dann stehen plötzlich alle auf, vom Sofa und den Tischen, und einer nach den anderen geht zu König, reicht ihm die Hand und sagt: »Mein Beileid« – Zange, Rob, der intellektuelle Alki, die Coburger, die Studenten. Auch ich. Dann legt Faxe Sergej die Hand auf die Schulter und beide gehen zu einer Couch. Sergej sitzt da, das Gesicht in seiner Hand. Sein Körper bebt; er weint. Ich sehe sein verzogenes, rotes Gesicht. Im Hintergrund spielt Wendler.
Steffi stellt sich neben mich.
»Scheiße«, sagt sie.
»Ja«, sage ich.
Jemand stellt Sergej eine Flasche Bier vor ihm auf den Tisch. Sergej heult, das Gesicht aufgedunsen, die kurzrasierten Haare, das Spinnennetz-Tattoo auf seiner Hand; da dringt etwas seltsam Weiches aus den Konturen seines Gesichts hervor, etwas, das ich bei ihm so noch nie gesehen habe. Es ist fast, als wird er ein anderer, als könne ich ihn nur noch schlecht erkennen.
»Er ist jetzt ganz allein«, sagt Steffi. »Er hat jetzt gar keinen mehr. Sein Vater war der letzte Verwandte, den er hatte. Jetzt hat er gar keinen mehr.«
»Ja«, sage ich.
Da spüre ich Steffis Finger an meiner Hand; ich schaue runter und sehe, wie ihre weißen, langen Finger meine berühren.
Ich sehe ihr ins Gesicht und sie sieht mir in die Augen.
»Lass uns woanders hingehen«, sagt sie und ihre Finger berühren meine nicht mehr.
»Ja«, sage ich.
Sie geht vor mir raus aus dem Aufenthaltsraum, weg von der Party.
Hinter der Rezeption, neben dem Treppenhaus, ist ein WC.
Steffi öffnet die Tür, schaut mir kurz in die Augen. Ich gehe hinter ihr rein und schließe die Tür ab. Wir beide hier drin: Das Klo, das Waschbecken. Die nackte LED-Lampe über uns. Steffi schaut mir in die Augen; viel direkter, als sie es sonst macht. Da ist etwas Fragendes an ihrem Blick; als ob die eine große Frage, die sie sich in ihrem Leben stellt, die ihr die Antwort auf alles gibt, in ihrem Blick wäre, und ihr Blick meinen Blick danach absucht. Ihre Wangen sind blass. Jetzt, wo ich ihr so nahe bin, fallen mir ihre leichten Sommersprossen auf. Ich küsse sie auf den Mund. Ihre Lippen sind so weich. Sie legt ihre Arme um mich. Wir küssen uns auf den Mund, schauen uns in die Augen.
»Hallo«, flüstere ich.
»Hallo«, flüstert sie.
Dann küssen wir uns mit Zunge. Sie schmeckt nach Aschenbecher, Wrigleys-Pfefferminzkaugummi und Bier. Ich spüre ihre Arme auf meinen Schultern, ihre Hände an meinem Kopf. Ich berühre die weiche Haut ihres Bauches, unter ihrem Shirt.
»Warte«, sagt Steffi.
Sie atmet tief ein. Sie schaut zum Boden.
Dann schließt sie die Augen.
Ihr Gesicht ist rot.
»Scheiße«, sagt sie und sieht mich an: Ihre Augen sind tränengefüllt.
»Was denn?«, sage ich.
Da steigt etwas in ihrem Gesicht auf; das gleiche Weiche, das aus Sergejs Konturen hervorgestiegen ist. Ihr Gesicht verzieht sich – ihr Kinn zuckt. Tränen laufen ihr aus den Augen. Sie weint.
Sie streicht sich mit dem Zeigefinger über eine Braue, den Blick zum Boden. Ihre schnappartige Atmung.
Auch mir kommen die Tränen.
Meine Augen werden heiß, ich bekomme einen Kloß im Hals.
Ich weine.
»Scheiße«, sagt Steffi.
Ich sehe ihr in die Augen.
»Ja«, sage ich und lache.
Mir läuft eine Träne die Backe herunter.
Das Weiche ist jetzt auch in mir; es zieht sich in mir zusammen. Ich weine.
Ich lache und wir schauen uns in die Augen.
»Scheiße«, sagt Steffi und schlägt mich gegen die Schulter, streicht sich über das Auge. »Du Arschloch.«
»Was denn?«, sage ich.
Meine Hose ist offen, ihr Top ist verrutscht.
Steffi wischt sich die Tränen aus den Augen, entriegelt die Tür, quetscht sich an mir vorbei und geht raus.

Aus irgendeinem Grund ist mir diese eine Sache im Gedächtnis geblieben: Wie sie und ich in diesem WC stehen; wie wir voreinander stehen, ganz nah beieinander; wie ich die Wärme ihrer Haut spürte, ihren Geruch roch, unser Atmen und Wimmern hörte, mir die Augen zuhielt; unsere Küsse und das Geräusch unseres Weinens; ich weiß nicht, warum ich an diesen kleinen Raum denken muss, an dieses seltsame, kindliche Gefühl aus seiner Rolle zu fallen und zu Weinen; da lag etwas Vorsprachliches zwischen uns, etwas Unaussprechliches, eine tiefe Wahrheit, die niemand von uns beiden auch nur denken wollte; eine Sprachlosigkeit und ein Schreck, wie die Dinge wirklich waren; als ob sie und ich in diesen wenigen Minuten die gewesen wären, die wir waren; rein, unschuldig; verletzt, traurig; ich weiß nicht, warum ich immer wieder an diese Szene denke, wenn ich nachts nicht schlafen kann, wenn meine Frau im Bett neben mir liegt und geräuschlos atmet, wenn ich bei Rot an der Ampel stehe, ich auf Job mit Arbeitshandschuhen am Förderband in den hohen, leuchtstoffrohrgrellen Hallen stehe; ich weiß es nicht.
Das ist etwas, hinter das ich nicht komme, das ich nicht begreife.

 

Kurz Ballast abwerfen, dann gehts gleich weiter.

kräftiger albanischer Mann mit Porno-Mustache und dem Namen Fikret

Einfach 'Albaner' im Textduktus, oder?

Daneben sitzt ein kleiner, kräftiger albanischer Mann mit Porno-Mustache und dem Namen Fikret, der schon ein paarmal mit uns auf Job war, und zwei afrikanische Flüchtlinge, die letzte Woche Ärger gemacht haben sollen, die ich aber noch nicht kenne. Auf der Rückbank sitzt Steffi

Dopplung

»Wir lieben uns«, sage ich grinsend, drücke die Dose ein und trinke ʼnen Schluck. »Du und ich. Isʼ nur noch nichʼ bis zu dir durchgekommen.«
»Vergisses«, sagt Steffi.
»Du bist meine Göttin«, sage ich grinsend.
»Geh weg«, sagt Steffi.
»Du willst Messer-Pauli«, sage ich.
»Halt die Fresse«, sagt Steffi und schlägt mir mit dem Handrücken gegen den Oberschenkel, den Blick noch aus dem Fenster.

Guter Dialog

trägt die langen, blonden Haare auf dem Hinterkopf zum Man Bun

Nach meinem Eindruck, würde er das Wort Man Bun nicht benutzen, sich wahrscheinlich über die 'langen Weiberhaare' lustig machen.

Ray Ban-Brille

Ray-Ban-Brille mit Bindestrich

»Er wohnt noch bei seiner Mama«, hat Steffi erzählt.

Wollte zu erst sagen, das Mama zu nett klingt und du lieber Mami schreiben sollst. Einen Satz später zeigt sich, dass sie ihn in Schutz nimmt. Also ergibt es Sinn, wie du es geschrieben hast.

Ich ficke dich in jedem Bestandteil

<3 Liebe ich

»Fünf vor haben wir gesagt!

Komma nach vor?

an seinen weit aufgezogenen, glasigen Augen weiß ich gleich Bescheid

Irritiert im übrigen Erzählton nicht so sehr, aber würde ich noch mal eine andere slangige Variante versuchen.

Bis hierhin rein sprachlich und von der Machart sehr sehr geil (und mit dem Zigga-Groove). Inhalt, Dramaturgie, Erzähltes checke ich jetzt weiter aus und auch, ob es sprachlich so gut bleibt :D
Bis gleich

 

»Messer-Pauli ist zu spät«, sagt Sergej.

Hier dachte ich beim Lesen noch: Alter, warum trägt der hier so gangster-dick auf und wollte dir empfehlen, zumindest diesen Namen/Charakter zu streichen. Im Nachhinein denke ich, du solltest in einem Satz recht weit am Anfang kurz ironisch auffangen, dass man als Leser das Gefühl hat, einen recht gewöhnlichen Job (Stagehand) als Mafia-Business verkauft zu bekommen. Ein kleiner Satz wie: "Nein, das war nicht der Pate II, auch wenn einige von uns sicher krasser ..." – irgendwie so was. Oder das Steffe sich lustig macht, dass sie nur von so kleinen 'Möchtegern-Gangstern' oder auch wirklich 'Gangstern' wie Messer-Pauli umgeben ist. Irgendetwas, dass das auffängt.

Es wird langsam hell draußen.
Die Autobahn zieht an uns vorbei.
Steffi ist eingeschlafen. Sie hat die Arme verschränkt und liegt mit der Kapuze über dem Kopf an die Fensterscheibe gelehnt.
Faxe lässt leise Rockabilly auf der Anlage laufen.
Vorne, auf dem Display der Mittelkonsole, steht: 6:40.
Alle pennen. Nur König sehe ich vorne auf seinem Sitz mit dem Fuß dribbeln. Das Licht des Handydisplays leuchtet in sein Gesicht. Die Luft ist abgestanden und die Klimaanlage surrt. Wir kommen an der Konzerthalle an.
Faxe parkt bei den Trucks.
Messer-Pauli zieht die Schiebetür auf. Alle strecken sich auf dem Parkplatz. Mein Atem kondensiert. Die Sonne scheint leicht über die Bäume des angrenzenden Waldes. Ich bin verdammt müde. Der Asphalt glänzt gefroren. Ich zünde mir eine Gestopfte an. Steffi eine Selbstgedrehte. Zange raucht braune Zigarillos. König spuckt auf den Boden, nippt an seiner MONSTER-Dose und sagt: »Wann gehtʼs los, Chef?«

Super schön beschrieben

»Der soll das noch einmal machen mit dem Licht und ich schlachte ihn auf, ich schwörʼs«

Wieder <3 Steffis Figurenzeichnung und Dialog ist einfach ein Traum

»Die zwei Neuen, die Schwarzen, werden getrennt, weil das letztes Mal nicht geklappt hat. Die wurden zum Loaden eingeteilt und es war halt weng kalt draußen. Die haben nix verstanden, und die haben bloß uns gesehen, wie wir gelacht haben beim Einpacken drinnen. Die haben gedacht, wir haben sie für die Scheißarbeit eingeteilt. Dann sind die einfach abgehauen. Faxe hat die grad noch so gekriegt. Hat die richtig belämmert, dass die zurückkommen.

Das ist sehr statisch vom Satzbau. Würde ich variieren. Nicht jeden Satz mit Die oder einem anderen Pronomen anfangen, sondern auch mal ganz anders.

Ansonsten finde ich das mit dem Rassismus im Text, dass da so ein ständiges Othering stattfindet und die Schwarzen die Dummen sind, auf jeden Fall als Alltagsrassismus gut eingefangen, aber dennoch nicht ganz unproblematisch, weil der Text dem so gar nichts entgegensetzt. Du wirst dir (wie ich finde zurecht) den Vorwurf anhören müssen, für das Authentische die Positionierung zu einem brisanten und wichtigen gesellschaftlichen und politischen Thema geopfert zu haben. Wenn es mein Text wäre, würde ich das in ganz subtilen Textschichten auffangen. Zum Beispiel könnte einfach mal einer der Prots, gegen dieses Othering was sagen, ohne dieses Element des Alltagsrassismus dadurch aus dem Text zu löschen und natürlich auch ohne zu dick aufzutragen. Authentisch wäre das schon auch; immerhin könnten einige der Figuren durch eigene Erfahrungen da sensibler sein. Klar wird immer gerne nach unten getreten. Aber dazu darf es ruhig auch ein Gegengewicht geben. Ich finde nicht, dass der Leser das allein tun muss. Und ich fänd es auch schade, wenn der Text dahingehend nur auf so eine survival of the fittest – friss-oder-stirb Logik hinausliefe, in der die anderen (auch der Bob-Marley-Stundent) ihre Härte immer erst beweisen müssten, bevor man sie vielleicht trotz ihres Stigmas für gerade noch okaye Menschen befindet. Ich denke auch, das wäre halbwegs einfach zu lösen, indem – wie gesagt – eben auch mal eine Figur etwas zurückrudert oder mal für so einen kurzen Moment die Fassade, die über dieser Einteilung liegt, erzittert (muss ja nicht mal rissig werden oder gar bröckeln). Das mal als pars pro toto für verschiedene im Text vorhandene Stellen.

»Du weißt, dass die da fünfzig Prozent Fingernägel reintun?«

Mega gut

The Rock sagt: »Bob Marley«, und tauft den Studenten damit. Alle lachen, der Student lächelt.
Dann isʼ die Alte raus auf die Bühne und hat erzählt, wie sehr sie sich freut, hier zu sein. Dass alle ihre Freunde sind. Drinnen war sie der kleine Hitler.«
Der alte, intellektuelle Alki sagt: »Bloß mit dem Schnauzbart unter den Achseln.«
Alle lachen.

So mies es auch ist. Von der Gedankenführung oder gerade der Schreibweise finde ich das unfassbar gelungen.

Messer- Pauli

Leertaste

Faxe teilt Messer-Pauli, König und mich zum Licht ein. Das Licht steht links von der Bühne. Eine Technikerin kommt und sagt uns, wo die Moving Heads rankommen. Sie klebt die Stellen auf der Trasse mit Zumbe ab. Wir schieben ein Case vom Haufen vor zur Trasse. Messer- Pauli deckelt es ab. König und ich heben das Moving Head aus der Schaumstoffhülle und hängen es in die Trasse ein. Diese Lampen wiegen locker sechzig Kilo. Steffi rollt eine Kabelbox an und wir schließen das Licht an. Messer-Pauli klebt die Kabel mit Zumbe an die Trasse. Er kniet sich auf den Hallenboden. Ich sehe den kleinen Axthammer an seinem Gürtel. Daneben hat er locker fünf, sechs Schutzhüllen und leere Holster für Messer befestigt. Ich sehe den orangen Griff eines Mora-Messers.
König und ich gehen zurück zum Haufen und schieben das nächste Case zur Trasse.
Steffi bückt sich zu Messer-Pauli und sie reden was und lachen.

Wieder eine Passage, die mir zu statisch ist; was ich fast ausschließlich mit den pronomenreichen Satzanfängen in Verbindung bringe.

»Lass mal bald rauchen«, sagt König auf Russisch zu mir.

Na, hier würde ich sagen: entweder er sagt es auch auf Russisch bzw. du schreibst es auf Russsisch und der Leser muss machen. Oder aber, er sagt es eben einfach auf Deutsch bzw. fügt, wie er das ja auch schon zuvor gemacht hat, noch ein blyat oder dergleichen ein. Da kannst du dem Text oder auch den Lesern vertrauen.

»Ist ja gut«, sage ich. Ich hebe die Hände. »Zdes nikto ne khochet nikogo ubivat«, sage ich, was so viel heißt wie: »Niemand will hier jemanden umbringen.«

Auch das würde ich nicht unbedingt übersetzen, auch wenns natürlich cool klingt.

»Möchte jemand Asiatisch?«
Steffi wirft mir einen Blick zu, ich grinse und weiß, dass wir uns nachher darüber lustig machen werden, dass wir vor Lachen brüllen werden.

Checke ich übertrieben

Lange dünne, Finger

Komma an der falschen Stelle, denke ich.

habe ich, und vom Zumbe-Kleben

hier würde ich das Komma weglassen

»Kommst du wieder rein?«, sagt sie.
»Ich dachte, du willst Messer-Pauli heiraten«, sage ich. »Und zwischen ihm und seiner Mutter im Bett liegen.«
Sie schlägt mich gegen die Schulter.
Und zwar hart – der Schmerz brennt tief in den Muskel.
»Ich hab dir gesagt, du sollst deine Fresse halten, du Stück Scheiße«, sagt sie.
Ich sehe ihr ins Gesicht und sie lächelt nicht.
»Also, ich geh jetzt wieder rein«, sagt sie.
Ihre langen Pulliärmel hat sie über die Handknöchel gezogen.
»Kommst du auch?«
»Ihr wollt da drin heiraten, oder?«, sage ich. »Du und Messer-Pauli. Am Billardtisch.«
Ich grinse.

Auch enormer Dialog. Steffi und der Prota sind wirklich hammer geil gezeichnet. Ich glaube auch, dass du schon lange mit der Steffi-Figur zu tun hast bzw. ihren Derivaten. Ich meine, ähnliche Frauenfiguren auch in anderen Texten von dir gelesen zu haben.

Sie zieht die Augenbrauen hoch und hat die Arme verschränkt. Sie trägt einen viel zu weiten, schwarzen Pulli mit Rammstein-Emblem auf der Vorderseite. Löcher am Ärmel.
Sie atmet tief ein.
Sie sitzt neben Bob Marley auf der Couch. D

Hier ist es fast schon Stilmittel. Aber ich würde die Satzanfänge auch hier wirklich variieren.

Meine Ohren knistern.

geil

aus seiner Rolle zu fallen
etwas Vorsprachliches

diese zwei letzten Dinge würde er – denke ich – mitnichten sagen. Egal, ob Zeit vergangen ist. Würde ich rausnehmen.

Trotz meiner Bedenken wegen des halbwegs unkommentierten, völlig dem Rezipienten überlassenen Othering ist das ein Text, den ich für extrem gelungen und stark halte. Wirklich ein tolles Teil. Da ist ein Eintauchen in diese Parallelwelt möglich; da sind fantastische Dialoge, starke Figuren; toller und zugleich bescheidener, nicht überkandidelter Konflikt. Für mich eine alternative Jugendlektüre, die auch Erwachsenen Spaß machen könnte.

Danke für das Lesevergnügung, mein Guter!
Carlo

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Morgen, @Carlo Zwei!

Ja erst mal vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren - ist ja schon ein längerer Text! Ich habe mich sehr gefreut und natürlich geschwitzt, als ich am Frühstückstisch gesehen hab, dass du kommentiert hast, hehe.

Ansonsten finde ich das mit dem Rassismus im Text, dass da so ein ständiges Othering stattfindet und die Schwarzen die Dummen sind, auf jeden Fall als Alltagsrassismus gut eingefangen, aber dennoch nicht ganz unproblematisch, weil der Text dem so gar nichts entgegensetzt. Du wirst dir (wie ich finde zurecht) den Vorwurf anhören müssen, für das Authentische die Positionierung zu einem brisanten und wichtigen gesellschaftlichen und politischen Thema geopfert zu haben. Wenn es mein Text wäre, würde ich das in ganz subtilen Textschichten auffangen. Zum Beispiel könnte einfach mal einer der Prots, gegen dieses Othering was sagen, ohne dieses Element des Alltagsrassismus dadurch aus dem Text zu löschen und natürlich auch ohne zu dick aufzutragen. Authentisch wäre das schon auch; immerhin könnten einige der Figuren durch eigene Erfahrungen da sensibler sein. Klar wird immer gerne nach unten getreten. Aber dazu darf es ruhig auch ein Gegengewicht geben. Ich finde nicht, dass der Leser das allein tun muss. Und ich fänd es auch schade, wenn der Text dahingehend nur auf so eine survival of the fittest – friss-oder-stirb Logik hinausliefe, in der die anderen (auch der Bob-Marley-Stundent) ihre Härte immer erst beweisen müssten, bevor man sie vielleicht trotz ihres Stigmas für gerade noch okaye Menschen befindet. Ich denke auch, das wäre halbwegs einfach zu lösen, indem – wie gesagt – eben auch mal eine Figur etwas zurückrudert oder mal für so einen kurzen Moment die Fassade, die über dieser Einteilung liegt, erzittert (muss ja nicht mal rissig werden oder gar bröckeln). Das mal als pars pro toto für verschiedene im Text vorhandene Stellen.
Mega vielen Dank für dieses Feedback. Tatsächlich ist dieses Thema das Thema, bei dem ich mir beim Text am unsichersten war und gespannt war, wie das wirkt. Ich hab die Gefahr ein wenig gesehen, dass das so wirkt und ah, vllt hab ich das Teil ein wenig zu früh gepostet, schwitzendersmiley.
Ist extrem schwierig. Einerseits habe ich keinen Bock, in dem Text runterzutreten (im Sinne von Stiefel), und da Rassismus einfach einzubauen bzw. dass das Rezipienten so mitnehmen/lesen könnten. Ich hab so meine Erfahrung mit dem Stagehand-Business, und das Problem ist wohl, dass der Text nicht lange genug ist, dass die Handlung das Thema entschärfen könnte. Also, dass eine Verbrüderung und Eingliederung/Kollegenwerdung stattfindet, das ist in Anfängen ja bei den Figuren zu erkennen, als sie dann im Auto mitfahren und sich der ältere Kollege dann mit ihnen unterhält. Bzw.: Ich dachte, die Kurve ist geschafft, als die beiden praktisch den ersten Schritt gehen und den "unbeholfenen" Leuten dort ein wenig das Eis brechen, und die Beileidsbekundung, als Erstes aussprechen. Da dachte ich, ist das subtil geschafft, dass das Othering gewissermaßen aufgelöst wurde. Der Kernkonflikt mit den beiden ist ja, dass es ein Missverständnis auf der Arbeit gab, dass sie praktisch zum Loaden eingeteilt waren, aber das missverstanden haben bzw. vllt. wirklich Vibes gespürt haben, die den anderen nicht bewusst waren, dass sie sie aussenden. Es ist ja nicht, dass sie wegen ihrer Herkunft gemobbt werden, ich hoffe, das kam rüber, sondern weil es Probleme mit ihnen auf der Arbeit gab und es eben auch eine Sprachbarriere gibt. So etwas braucht natürlich ein paar Jobs, bis die Kollegen merken, ok, die sind in Ordnung, das war ein dummes Missverständnis. Also die Leute dort sind keine Arschlöcher und die sind es gewohnt, mit jedem zu arbeiten, deswegen möchte ich es eigentlich nicht toxischer darstellen, als es tatsächlich ist. Ich muss mal schauen, wie ich das hinbekomme!

Vielleicht wird schon ein wenig etwas entschärft, wenn ich den beiden Namen gebe und der Prot sie praktisch mit den Namen benennt, das holt sie ein wenig mehr aus diesem "Fremden" heraus ...

Ja, schwierig, auf einer gewissen Art war dieser Text ein Schnellschuss und ich hoffe, ich bereue das nicht gewisser Maßen

edit: Feinjustierung - an dieser Stelle habe ich das Fette eingefügt:
(Hoffe, das dreht das Gesamtbild womöglich etwas mehr so, wie ich es möchte.)

Die Schwarzen sitzen neben mir auf der Rückbank. Sie flüstern etwas in ihrer Sprache. Sie riechen nach Parfum. In diesem Augenblick fällt mir auf, dass sie unter den schwarzen Firmen-T-Shirts Hemden tragen; die dunklen Hemdkragen schauen unter dem Rundhals ihrer T-Shirts hervor. Mein Sitznachbar merkt, dass ich ihn ansehe, kurz treffen sich unsere Blicke und wir nicken einander zu.
»All good?«, sage ich und mache Daumen-hoch.
»Yes«, sagt er, lächelt und zeigt mir Daumen-hoch. »All good.«

Bob Marley dreht sich zur Rückbank, er sagt, langsam und laut: »Möchte jemand Asiatisch?«
Steffi wirft mir einen Blick zu, ich grinse und weiß, dass wir uns nachher darüber lustig machen werden, dass wir vor Lachen brüllen werden.

kräftiger albanischer Mann mit Porno-Mustache und dem Namen Fikret

Einfach 'Albaner' im Textduktus, oder?
Besser!

»Messer-Pauli ist zu spät«, sagt Sergej.

Hier dachte ich beim Lesen noch: Alter, warum trägt der hier so gangster-dick auf und wollte dir empfehlen, zumindest diesen Namen/Charakter zu streichen. Im Nachhinein denke ich, du solltest in einem Satz recht weit am Anfang kurz ironisch auffangen, dass man als Leser das Gefühl hat, einen recht gewöhnlichen Job (Stagehand) als Mafia-Business verkauft zu bekommen. Ein kleiner Satz wie: "Nein, das war nicht der Pate II, auch wenn einige von uns sicher krasser ..." – irgendwie so was. Oder das Steffe sich lustig macht, dass sie nur von so kleinen 'Möchtegern-Gangstern' oder auch wirklich 'Gangstern' wie Messer-Pauli umgeben ist. Irgendetwas, dass das auffängt.
Ah, du hast es falsch verstanden! :D Jeder von denen, oder sagen wir: viele, bekommen ja einen Spitznamen auf der Arbeit. Pauli ist einfach messerverrückt. Es wird ja beschrieben, allerdings erst danach im Text, dass er an seiner Hose überall Messer trägt, und es auch schon mal einen Vorfall mit einem Messer in einem Zug gab. Deswegen der Spitzname.

Daneben sitzt ein kleiner, kräftiger albanischer Mann mit Porno-Mustache und dem Namen Fikret, der schon ein paarmal mit uns auf Job war, und zwei afrikanische Flüchtlinge, die letzte Woche Ärger gemacht haben sollen, die ich aber noch nicht kenne. Auf der Rückbank sitzt Steffi

Dopplung
Wird gekürzt!

trägt die langen, blonden Haare auf dem Hinterkopf zum Man Bun

Nach meinem Eindruck, würde er das Wort Man Bun nicht benutzen, sich wahrscheinlich über die 'langen Weiberhaare' lustig machen.
Du hast Recht!

Wieder eine Passage, die mir zu statisch ist; was ich fast ausschließlich mit den pronomenreichen Satzanfängen in Verbindung bringe.
Hast Recht! Wahrscheinlich, weil auch kein Konflikt stattfindet, sondern das ein sehr Beschreibender Absatz ist. Irgendwie stehe ich ja da drauf, über Leute zu lesen, die Arbeiten und man bekommt mit, was sie machen, deswegen wohl der Absatz.

an seinen weit aufgezogenen, glasigen Augen weiß ich gleich Bescheid

Irritiert im übrigen Erzählton nicht so sehr, aber würde ich noch mal eine andere slangige Variante versuchen.
Ich probiere es!

»Lass mal bald rauchen«, sagt König auf Russisch zu mir.

Na, hier würde ich sagen: entweder er sagt es auch auf Russisch bzw. du schreibst es auf Russsisch und der Leser muss machen. Oder aber, er sagt es eben einfach auf Deutsch bzw. fügt, wie er das ja auch schon zuvor gemacht hat, noch ein blyat oder dergleichen ein. Da kannst du dem Text oder auch den Lesern vertrauen.
»Ist ja gut«, sage ich. Ich hebe die Hände. »Zdes nikto ne khochet nikogo ubivat«, sage ich, was so viel heißt wie: »Niemand will hier jemanden umbringen.«

Auch das würde ich nicht unbedingt übersetzen, auch wenns natürlich cool klingt.
Da arbeite ich auch noch drüber, vielen Dank

»Möchte jemand Asiatisch?«
Steffi wirft mir einen Blick zu, ich grinse und weiß, dass wir uns nachher darüber lustig machen werden, dass wir vor Lachen brüllen werden.

Checke ich übertrieben
:D

»Kommst du wieder rein?«, sagt sie.
»Ich dachte, du willst Messer-Pauli heiraten«, sage ich. »Und zwischen ihm und seiner Mutter im Bett liegen.«
Sie schlägt mich gegen die Schulter.
Und zwar hart – der Schmerz brennt tief in den Muskel.
»Ich hab dir gesagt, du sollst deine Fresse halten, du Stück Scheiße«, sagt sie.
Ich sehe ihr ins Gesicht und sie lächelt nicht.
»Also, ich geh jetzt wieder rein«, sagt sie.
Ihre langen Pulliärmel hat sie über die Handknöchel gezogen.
»Kommst du auch?«
»Ihr wollt da drin heiraten, oder?«, sage ich. »Du und Messer-Pauli. Am Billardtisch.«
Ich grinse.

Erweitern ...

Auch enormer Dialog. Steffi und der Prota sind wirklich hammer geil gezeichnet. Ich glaube auch, dass du schon lange mit der Steffi-Figur zu tun hast bzw. ihren Derivaten. Ich meine, ähnliche Frauenfiguren auch in anderen Texten von dir gelesen zu haben.
Haha, geil. Ja, wahrscheinlich hast du recht :D Es gibt ja immer prägende Figuren für einen im Reallife, oder eine gewisse Anzahl davon, die einen auch inspirierend, und die dann in Texten öfter vorkommen

Sie zieht die Augenbrauen hoch und hat die Arme verschränkt. Sie trägt einen viel zu weiten, schwarzen Pulli mit Rammstein-Emblem auf der Vorderseite. Löcher am Ärmel.
Sie atmet tief ein.
Sie sitzt neben Bob Marley auf der Couch. D

Hier ist es fast schon Stilmittel. Aber ich würde die Satzanfänge auch hier wirklich variieren.
Du hast Recht, vielen Dank für die Anmerkung

Meine Ohren knistern.

geil
schön!

aus seiner Rolle zu fallen

etwas Vorsprachliches

diese zwei letzten Dinge würde er – denke ich – mitnichten sagen. Egal, ob Zeit vergangen ist. Würde ich rausnehmen.
Ja, shit, das habe ich mir schon gedacht :D Ich bin da echt oft im Zwiespalt, einerseits haben meine Figuren einen gewissen Sprech, andererseits kommt dann wahrscheinlich zigga durch und hat Bock, was Geiles Sprachliches zu sagen/lesen ... Aber ich werde hier mit Kürzungen experementieren

Trotz meiner Bedenken wegen des halbwegs unkommentierten, völlig dem Rezipienten überlassenen Othering ist das ein Text, den ich für extrem gelungen und stark halte. Wirklich ein tolles Teil. Da ist ein Eintauchen in diese Parallelwelt möglich; da sind fantastische Dialoge, starke Figuren; toller und zugleich bescheidener, nicht überkandidelter Konflikt. Für mich eine alternative Jugendlektüre, die auch Erwachsenen Spaß machen könnte.


Danke für das Lesevergnügung, mein Guter!

Carlo, es war mir ein Fest. Danke noch mal für die sehr netten Worte und es freut mich natürlich sehr, dass es dir so gut gefallen hat! Ich habe nicht jede Anmerkung von dir kommentiert, aber glaube mir, alles gelesen und notiert, wird bei der Überarbeitung umgesetzt.

 

Ich hab noch nie so viel Geld verdient. 1100 jeden Zwanzigsten, dazu Zuschläge: Wochenendaufschlag, Verpflegungspauschale. Ich fresse jeden Tag Burger King, Döner und Kentucky Fried Chicken, manchmal früh, Mittag, Abend.

Moin Zigga,

das wäre meine attack sentence. Alles vorher wirkt wie die Einführungsrunde in das Milieu. Da wäre ich vorsichtig, sonst wirkt das schnell, als würde der Text nur das Personal vorstellen, das schräge Personal, aber damit dann nichts wirklich anfangen, weißte?

Sergej ist fast zehn Jahre älter als ich, Anfang dreißig. Ich weiß, dass Sergejs Mutter letztes Jahr an Lungenkrebs gestorben ist, und dass ihn seine Freundin vor nicht allzu lang abserviert hat. Angeblich hatte sie eine Fehlgeburt. Hat mir Rob The Rock erzählt, gleich nachdem er aus dem Knast draußen war.
Ich öffne die Tür des Sprinters. Auf der Mittelbank döst ein Mittvierziger der Alki-Fraktion: blonde, lange Dreadlocks, dreckige Finger. Daneben sitzt ein kleiner, kräftiger albanischer Mann mit Porno-Mustache und dem Namen Fikret, der schon ein paarmal mit uns auf Job war, und zwei afrikanische Flüchtlinge, die letzte Woche Ärger gemacht haben sollen, die ich aber noch nicht kenne. Auf der Rückbank sitzt Steffi, streift sich eine Strähne ihrer blonden Haare hinters Ohr und lächelt mich an. Sie trägt ein viel zu weites Burzum-T-Shirt und Lippenpiercing.
»Servus Meister«, sage ich, nicke Fikret zu und steige hinter zu Steffi. »Messer-Pauli ist zu spät«, sage ich und setze mich.
Hier mal ein Beispiel: der tragische Sergej, doppelt tragisch, Mutter und Fehlgeburt. Bob the Rock hat gesessen. Mittvierziger aus der Alki-Fraktion. Porno-Mustache Fikret. Messer Pauli. Die Blonde mit dem Burzum-Shirt. Das alles in einem Absatz! Und es ist im Grunde noch nichts wirklich passiert. Da hat sich kaum was bewegt, du stellst das Personal nur vor.
»Du weißt, ich kann keine Frau so zurück beleidigen«, sage ich. »Faxe, Meister, wann gehtʼs los?«, rufe ich nach vorne, öffne meinen Rucksack und ziehe mir eine Dose Speedmaster heraus.
Wenn sie es weiß, warum wiederholt er das dann? Er müsste einfach gar nicht reagieren, weil sie es ja weiß, dass er sie nicht beleidigen kann. Oder?

»Scheiß Kanake«, sagt Steffi zu mir und blickt noch aus dem Fenster. »Russland«, sagt sie, schüttelt langsam den Kopf und trinkt aus ihrer MONSTER. »Wie dumm kann man sein.«
Auch das sie das direkt so sagt. Ich denke auch immer, Kanaken sind doch keine Russen, oder? Also früher hab ich nie einen Russen oder Polen Kanake genannt. Kanaken sind doch eher alles, was nach Typus "Südländisch" aussieht, oder? Also jedenfalls hier im Rheinland! Da wird beim rassistischen Beleidigen noch schön differenziert, haha. Das wirkt halt sehr ausgestellt, sehr hart. Warum soll sie so wirken? Weil sie die spröde, abgefuckte Alte im Bunde sein soll? Da würde ich es viel eher gut finden, wenn sie diejenige wäre, die einfach von Anfang an als total kompetent dargestellt und eingeführt wird.
»Mach dich nicht über ihn lustig«, hat Steffi gesagt. »Ich meinʼs ernst«, hat sie gesagt und mir ihren Finger ins Gesicht gehalten. »Russland, du Arschloch. Ich ficke dich, wenn du das erzählst. Ich ficke dich in jedem Bestandteil. Ich ficke deine ganze Sippe und deine ganze saudumme slawinistische Kultur. Mit euren beschissenen Jogginganzügen.«
Auch hier, das sie das sagt: slawinistische Kultur. Wenn sie jetzt vorher über Foucault oder Derrida diskutiert haben, dann kaufe ich das, aber so ... es wirkt auch zu drüber. Wenn sie einfach nur sagt: Mach dich nicht über ihn lustig. Das wirkt souverän. Das andere eher erzwungen, als würdest du einen Typen kreiren wollen, also einen Charaktertypen nach Schema, und das hast du doch gar nicht nötig.
Wir loaden den Truck aus
Haha, das ist krass. Loaden klingt so mega-denglisch, würde man das echt so sagen? Ich bin ja schon schlimm mit dem denglisch, aber ... nee.
Wir kommen an der Konzerthalle an.
Würden die nicht eher Location sagen?

Zange und The Rock kommen dazu und wir packen Trassen-Teile aus dem Truck und verschrauben sie mit fetten Stahlbolzen. Das dauert nicht lang.
Hier geht es los. Der Leser, der keinen Plan von backstage oder Bühne hat, der denkt sich: Was machen die eigentlich so den ganzen Tag? Und hier zeigst du es. Aber leider nur einen kurzen Absatz. Was hinter den Bühnen oder: ohne Bühne passiert, ist doch eine Sache, die man ansonsten nie sieht. Da will ich wissen: wie riecht es, wie schmeckt es, ist es staubig, ist es leer, wie ist die Akustik, wie fühlt sich eine leere Halle an, wie reden die mit anderen Gewerken, was wird da aufgebaut, und warum nicht was anderes?
Ich hab mal für Nena aufgebaut. Ihr Manager ist davor zu den Crewchiefs hin und hat befohlen, dass ihr niemand von uns ins Gesicht gucken darf. Keiner durfte der Schlampe ins Gesicht gucken, wenn die durch die Gänge gelaufen ist. Die ist verrückt geworden. Es hieß, man wird gefeuert, wenn man Nena ins Gesicht guckt. Dann isʼ die Alte raus auf die Bühne und hat erzählt, wie sehr sie sich freut, hier zu sein. Dass alle ihre Freunde sind. Drinnen war sie der kleine Hitler.«
Der alte, intellektuelle Alki sagt: »Bloß mit dem Schnauzbart unter den Achseln.«
Das ist cool. So was, diese Roadie-Sprache, was die erlebt haben, genau richtig, nicht zu viel, nicht zu cool, genau so was würde man erzählen. Hammer.

Bei mir war das so. Wenn du zuhause geweint hast, warst du schwul. Die einzigen, die geheult haben, waren Kinder, Frauen und Schwule. Wenn du ein Mann warst, und geheult hast, dachten die Nachbarn im Genossenschaftsbau, du bist ein Schwuler. Und so wurdest du anschließend behandelt: Wie ein Schwuler. Bis du gezeigt hast, dass du kein Schwuler warst. Das heißt, bis du demjenigen, der meinte, dich heulen gesehen zu haben, die Fresse poliert hast.
Das könnte auch so eine Story sein, die er erzählt in der Runde, dann wirkt es nicht so an den Leser gerichtet, weißte?

Da ist immer dieses Fernweh, diese Sehnsucht, abzuhauen. Aber wohin? Was tun?
Ja, das ist so die Prämisse, aber natürlich darf er das nie so konkret sagen, es muss zwischen den Zeilen suggeriert werden: Aussichtslosigkeit, Heimatlosigkeit. Dann bekommt sein Blick in die Ferne Schwerkraft.
Aus irgendeinem Grund ist mir diese eine Sache im Gedächtnis geblieben: Wie sie und ich in diesem WC stehen; wie wir voreinander stehen, ganz nah beieinander; wie ich die Wärme ihrer Haut spürte, ihren Geruch roch, unser Atmen und Wimmern hörte, mir die Augen zuhielt; unsere Küsse und das Geräusch unseres Weinens; ich weiß nicht, warum ich an diesen kleinen Raum denken muss, an dieses seltsame, kindliche Gefühl aus seiner Rolle zu fallen und zu Weinen; da lag etwas Vorsprachliches zwischen uns, etwas Unaussprechliches, eine tiefe Wahrheit, die niemand von uns beiden auch nur denken wollte; eine Sprachlosigkeit und ein Schreck, wie die Dinge wirklich waren; als ob sie und ich in diesen wenigen Minuten die gewesen wären, die wir waren; rein, unschuldig; verletzt, traurig; ich weiß nicht, warum ich immer wieder an diese Szene denke, wenn ich nachts nicht schlafen kann, wenn meine Frau im Bett neben mir liegt und geräuschlos atmet, wenn ich bei Rot an der Ampel stehe, ich auf Job mit Arbeitshandschuhen am Förderband in den hohen, leuchtstoffrohrgrellen Hallen stehe; ich weiß es nicht.
Das ist etwas, hinter das ich nicht komme, das ich nicht begreife.
Würde ich komplett rausnehmen, be radical. Das alles liegt ja schon in dem Text drin, und so wirkt es wie das berühmte letzte Wort, und auch, als würdest du alles vorher erklären noch so nachträglich. Hast du gar nicht nötig.

Also. Extreeeemst viele Namen. Kommt mir bisweilen - no offense - ein wenig wie die Stagehands Freak Show Edition vor. Mir fehlt vor allem das Stagehands-Leben. Was tun die, was machen die, wer sind diese Leute, warum machen sie den Job, den sie machen und keinen anderen, warum kommen sie immer wieder, warum gibt es keine Alternativen, was ist das Geile an diesem Leben, wie fühlt man sich, nach dem man eine Bühne oder Licht oder P.A aufgebaut hat? Gucken die abends noch den Act oder verbringen Zeit alleine, was macht man da? Du baust das durch eine Gruppe auf, aber ich kriege von denen kaum einen zu fassen. Am ehesten Steffi. Das sind einfach zu viele Charaktere, und alle verkrachter als der andere, Knackis, Drogies, Alkis, Pumper. Das wirkt sehr ausgestellt und auch, als seien das irgendwie Pappfiguren in der Manege, Personal, das dazugehören muss, weil, ja weil! Ich denke, vielleicht lieber auf ein, zwei Charaktere wirklich konzentrieren.

Ich sehe es so, dass er einen kleinen Hafen findet, wenn er mit Steffi zusammen ist. Das sie zusammen eine Einheit bilden, dass aus ihnen etwas hätte werden können, ein Paar, eine Familie, eine Zukunft. Nachträglich erklärst du dann, dass er ständig an sie denkt, weil er jetzt in einem anderen Leben steckt, und das nimmt dieser story arch einfach vollkommen die Gravität und Dramatik. Es müsste eine emotionale Insel sein zwischen den beiden, und beide wissen aber nie, wie es weitergeht, sie haben einen Job nach dem anderen, aber leben immer in dieser Schwebe, und so gehst du raus, so entlässt du den Leser. Nur eine Idee. Auch den Tod von Sergejs Vater; warum? Das erzeugt so eine künstliche Fallhöhe. Dadurch geraten sie nachher in diese seltsam empfindsame Stimmung, an die er immer noch denken muss, wahrscheinlich Jahre später. Aber ich komme mir betrogen vor, weil erstens ist dieses Gefühl mir im Nachhinein erklärt worden, und zweitens denke ich, warum braucht es erst diesen Tod, um etwas in Gang zu setzen? Tode sind immer Katalysatoren, aber das brauchst du hier nicht, denke ich, du nimmst dem Text nichts, wenn du es auslässt. Es könnte der letzte Abend der Tour sein, und sie wissen nicht, ob sie sich beim nächsten Job wieder sein, sie necken sich ja die ganze Zeit über, finden dann zueinander, und beide wissen, sie kehren wieder zurück, ja zu was? Irgendeiner weit entfernten Heimat, die aber nicht besonders vielversprechend ist, eigentlich will keiner so richtig zurück, man will on the road bleiben. Das würde auch in sich logischer mit ihrem Job sein, wo sie ja eben genau das sind, hin und hergerissen.

Für mich wäre das ein Roman-Thema, ganz ehrlich. Herzlichen Glückwunsch zur Empfehlung, ist verdient.

Gruss, Jimmy

 

Moin @jimmysalaryman,

vielen Dank dir erstmal fürs Lesen und Kommentieren!

Ich hab noch nie so viel Geld verdient. 1100 jeden Zwanzigsten, dazu Zuschläge: Wochenendaufschlag, Verpflegungspauschale. Ich fresse jeden Tag Burger King, Döner und Kentucky Fried Chicken, manchmal früh, Mittag, Abend.
Moin Zigga,

das wäre meine attack sentence.

Ist ein Punkt!

Alles vorher wirkt wie die Einführungsrunde in das Milieu. Da wäre ich vorsichtig, sonst wirkt das schnell, als würde der Text nur das Personal vorstellen, das schräge Personal, aber damit dann nichts wirklich anfangen, weißte?
Sergej ist fast zehn Jahre älter als ich, Anfang dreißig. Ich weiß, dass Sergejs Mutter letztes Jahr an Lungenkrebs gestorben ist, und dass ihn seine Freundin vor nicht allzu lang abserviert hat. Angeblich hatte sie eine Fehlgeburt. Hat mir Rob The Rock erzählt, gleich nachdem er aus dem Knast draußen war.
Ich öffne die Tür des Sprinters. Auf der Mittelbank döst ein Mittvierziger der Alki-Fraktion: blonde, lange Dreadlocks, dreckige Finger. Daneben sitzt ein kleiner, kräftiger albanischer Mann mit Porno-Mustache und dem Namen Fikret, der schon ein paarmal mit uns auf Job war, und zwei afrikanische Flüchtlinge, die letzte Woche Ärger gemacht haben sollen, die ich aber noch nicht kenne. Auf der Rückbank sitzt Steffi, streift sich eine Strähne ihrer blonden Haare hinters Ohr und lächelt mich an. Sie trägt ein viel zu weites Burzum-T-Shirt und Lippenpiercing.
»Servus Meister«, sage ich, nicke Fikret zu und steige hinter zu Steffi. »Messer-Pauli ist zu spät«, sage ich und setze mich.

Erweitern ...
Hier mal ein Beispiel: der tragische Sergej, doppelt tragisch, Mutter und Fehlgeburt. Bob the Rock hat gesessen. Mittvierziger aus der Alki-Fraktion. Porno-Mustache Fikret. Messer Pauli. Die Blonde mit dem Burzum-Shirt. Das alles in einem Absatz! Und es ist im Grunde noch nichts wirklich passiert. Da hat sich kaum was bewegt, du stellst das Personal nur vor.
Ja, Shit, du hast natürlich irgendwo Recht. War mir bis gerade gar nicht so bewusst, dass das so wirken könnte. Ich glaube, ich wollte diese Welt anhand der Figuren zeigen, irgendwo ist das ja auch wichtig zu erfahren, dass dort nicht 08/15 Handwerker einfach auf die Arbeit fahren, sondern dass das wirklich ein Mikrokosmus ist, das klingt jetzt romantisiert, und wahrscheinlich ist es das auch von mir haha, aber irgendwo ist das ja auch ein Mikrokosmos, in dem sich Menschen sammeln, die irgendwo abseits der bürgerlichen Normen laufen, gerade auch Knackis, wo bekommen die schon einen Job? Du kennst das Stigma und Problem vielleicht, wegen deinem Workshop in eurer JVA, ich kenne mich da jetzt nicht 1000% mit aus, aber habe schon mitbekommen aus erster Hand, dass der Bühnenbau eben auch Leuten mit Knastvergangenheit eine Jobmöglichkeit bietet. Also, es ist schon ein wenig ein bunter Haufen, aber ich wollte natürlich keine Modern Freak Show daraus machen! :D Aber ja, ist ein Problem des Textes, dass Figuren vorgestellt werden, und es bei dieser Vorstellung bei vielen bleibt, man da nicht den Menschen dahinter in der Tiefe mitbekommt. Wenn das gerade eine Vorstellung ist, die sehr aufs Außergewöhnliche fokussiert ist, kann das den Touch einer Freakshow bekommen, von einem Vorführen, ja, das war natürlich gar nicht meine Absicht oder Motivation, aber ja, ich muss dir zustimmen ...

»Du weißt, ich kann keine Frau so zurück beleidigen«, sage ich. »Faxe, Meister, wann gehtʼs los?«, rufe ich nach vorne, öffne meinen Rucksack und ziehe mir eine Dose Speedmaster heraus.
Wenn sie es weiß, warum wiederholt er das dann? Er müsste einfach gar nicht reagieren, weil sie es ja weiß, dass er sie nicht beleidigen kann. Oder?
Ist hier anders gemeint gewesen, als du es auffasst - es ist natürlich ein Spiel zwischen den beiden, ein Flirt, sie beleidigt ihn lächelnd, er macht den Gentleman und schießt natürlich nicht so zurück, aber gibt was zurück - so war es gemeint. Wenn es nicht so rüberkam, muss ich noch mal über die Stelle

»Scheiß Kanake«, sagt Steffi zu mir und blickt noch aus dem Fenster. »Russland«, sagt sie, schüttelt langsam den Kopf und trinkt aus ihrer MONSTER. »Wie dumm kann man sein.«
Auch das sie das direkt so sagt. Ich denke auch immer, Kanaken sind doch keine Russen, oder? Also früher hab ich nie einen Russen oder Polen Kanake genannt. Kanaken sind doch eher alles, was nach Typus "Südländisch" aussieht, oder? Also jedenfalls hier im Rheinland! Da wird beim rassistischen Beleidigen noch schön differenziert, haha. Das wirkt halt sehr ausgestellt, sehr hart. Warum soll sie so wirken? Weil sie die spröde, abgefuckte Alte im Bunde sein soll? Da würde ich es viel eher gut finden, wenn sie diejenige wäre, die einfach von Anfang an als total kompetent dargestellt und eingeführt wird.
Haha, ja, es ist falsch! Aber ich hab das erlebt, gerade, wenn es im Spaß gesagt wird, wenn es halt derbe zugeht, man sich kennt, vielleicht da ein Flirt involviert ist, wird mal sowas rausgehauen, du sagst selbst, wie dumm das eigentlich ist, bei den Beleidigungen immer ethnisch korrekt zu beleidigen, hier ist das eher als Flirt gemeint gewesen von meiner Seite aus, also als sowas, wo man nicht klar einordnen kann, aber sie scheißt halt drauf, ob das jetzt die richtige Beleidigung ist

»Mach dich nicht über ihn lustig«, hat Steffi gesagt. »Ich meinʼs ernst«, hat sie gesagt und mir ihren Finger ins Gesicht gehalten. »Russland, du Arschloch. Ich ficke dich, wenn du das erzählst. Ich ficke dich in jedem Bestandteil. Ich ficke deine ganze Sippe und deine ganze saudumme slawinistische Kultur. Mit euren beschissenen Jogginganzügen.«
Auch hier, das sie das sagt: slawinistische Kultur. Wenn sie jetzt vorher über Foucault oder Derrida diskutiert haben, dann kaufe ich das, aber so ... es wirkt auch zu drüber. Wenn sie einfach nur sagt: Mach dich nicht über ihn lustig. Das wirkt souverän. Das andere eher erzwungen, als würdest du einen Typen kreiren wollen, also einen Charaktertypen nach Schema, und das hast du doch gar nicht nötig.
Ja, verstehe ich, das war/ist auch so ein Wackelkandidat bei mir. Manchmal hab ich das schon erlebt, dass Leute, wo man es jetzt nicht wirklich erwartet, plötzlich mit so einem Wort kommen, manchmal dann auch halb falsch verwendet, wie hier, so war es intendiert, aber es kann auch eigenartig wirken, ja

Wir loaden den Truck aus
Haha, das ist krass. Loaden klingt so mega-denglisch, würde man das echt so sagen? Ich bin ja schon schlimm mit dem denglisch, aber ... nee.
Sagt man wirklich. Zumindest in dem Mikrokosmos, der diese Story inspiriert hat - vielleicht auch etwas Firmenbezogenes? Mir kam es tatsächlich wie ein Fachbegriff der Branche vor, wie Rigger, ich glaube, das gibt es gar nicht, offiziell, ich hab da nie im Duden nachgeschlagen, aber das ist ein gängiger Begriff dort

Wir kommen an der Konzerthalle an.
Würden die nicht eher Location sagen?
Ja, ginge auch, dann müsste ich halt später noch mal irgendwie spezifizieren, welche Location das jetzt ist

Zange und The Rock kommen dazu und wir packen Trassen-Teile aus dem Truck und verschrauben sie mit fetten Stahlbolzen. Das dauert nicht lang.
Hier geht es los. Der Leser, der keinen Plan von backstage oder Bühne hat, der denkt sich: Was machen die eigentlich so den ganzen Tag? Und hier zeigst du es. Aber leider nur einen kurzen Absatz. Was hinter den Bühnen oder: ohne Bühne passiert, ist doch eine Sache, die man ansonsten nie sieht. Da will ich wissen: wie riecht es, wie schmeckt es, ist es staubig, ist es leer, wie ist die Akustik, wie fühlt sich eine leere Halle an, wie reden die mit anderen Gewerken, was wird da aufgebaut, und warum nicht was anderes?

Ja krass, dass du hier mehr sehen möchtest, ich dachte schon, das hier sei zu viel, weil das irgendwie auch technisch beschrieben ist und ich immer den Glauben habe, die allermeisten interessieren sich nicht dafür. Ich lese auch sau gern über Leute, die einfach arbeiten, wo man mitbekommt, was sie machen, wie das funktioniert, wo der Schuh drückt. Vllt baue ich das aus. Ich finde aber, man bekommt auch schon viel mit: Dass sie sau lange zu den Jobs fahren, wie viel sie verdienen, wie oft sie arbeiten, wie so ein Aufbau aussieht und dass sie nach den Aufbaus, wenn sie eine Nacht dort bleiben, ein bisschen feiern. Aber hey, freut mich, ich baue sowas gerne aus

Ich hab mal für Nena aufgebaut. Ihr Manager ist davor zu den Crewchiefs hin und hat befohlen, dass ihr niemand von uns ins Gesicht gucken darf. Keiner durfte der Schlampe ins Gesicht gucken, wenn die durch die Gänge gelaufen ist. Die ist verrückt geworden. Es hieß, man wird gefeuert, wenn man Nena ins Gesicht guckt. Dann isʼ die Alte raus auf die Bühne und hat erzählt, wie sehr sie sich freut, hier zu sein. Dass alle ihre Freunde sind. Drinnen war sie der kleine Hitler.«
Der alte, intellektuelle Alki sagt: »Bloß mit dem Schnauzbart unter den Achseln.«

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Das ist cool. So was, diese Roadie-Sprache, was die erlebt haben, genau richtig, nicht zu viel, nicht zu cool, genau so was würde man erzählen. Hammer.
Freut mich!

Bei mir war das so. Wenn du zuhause geweint hast, warst du schwul. Die einzigen, die geheult haben, waren Kinder, Frauen und Schwule. Wenn du ein Mann warst, und geheult hast, dachten die Nachbarn im Genossenschaftsbau, du bist ein Schwuler. Und so wurdest du anschließend behandelt: Wie ein Schwuler. Bis du gezeigt hast, dass du kein Schwuler warst. Das heißt, bis du demjenigen, der meinte, dich heulen gesehen zu haben, die Fresse poliert hast.
Das könnte auch so eine Story sein, die er erzählt in der Runde, dann wirkt es nicht so an den Leser gerichtet, weißte?
Da ist immer dieses Fernweh, diese Sehnsucht, abzuhauen. Aber wohin? Was tun?
Ja, das ist so die Prämisse, aber natürlich darf er das nie so konkret sagen, es muss zwischen den Zeilen suggeriert werden: Aussichtslosigkeit, Heimatlosigkeit. Dann bekommt sein Blick in die Ferne Schwerkraft.
Ja, du hast recht. Es gibt diese Ebene im Text, in der der Leser direkt angesprochen, mit einbezogen wird, wie auch in dem von dir kritisierten "Nachwort" ... das ist immer, ich sage mal: handwerklich, ich weiß nicht, ich bin mir da immer unsicher, manchmal mag ich das total gerne in Texten, da hat das eine sehr emotionale Ebene, aber manchmal wirkt es faul und wie schlechter Stil, dass die Dinge einfach so mit mir als Leser kommuniziert werden, dass der Autor es sich auch einfach herausnimmt, den Film kurz platzen zu lassen, und mich mit irgendwas vollzuschwafeln. Ja, ich bin hin und her gerissen.
Vllt ist der Text zu kurz, insgesamt, um etwas aufzubauen, damit ich dieses Fernweh, diese Sehnsucht in den Subtext und dann in so einer Szene heraufbeschworen bekomme, das ist gerade meine Sorge

Aus irgendeinem Grund ist mir diese eine Sache im Gedächtnis geblieben: Wie sie und ich in diesem WC stehen; wie wir voreinander stehen, ganz nah beieinander; wie ich die Wärme ihrer Haut spürte, ihren Geruch roch, unser Atmen und Wimmern hörte, mir die Augen zuhielt; unsere Küsse und das Geräusch unseres Weinens; ich weiß nicht, warum ich an diesen kleinen Raum denken muss, an dieses seltsame, kindliche Gefühl aus seiner Rolle zu fallen und zu Weinen; da lag etwas Vorsprachliches zwischen uns, etwas Unaussprechliches, eine tiefe Wahrheit, die niemand von uns beiden auch nur denken wollte; eine Sprachlosigkeit und ein Schreck, wie die Dinge wirklich waren; als ob sie und ich in diesen wenigen Minuten die gewesen wären, die wir waren; rein, unschuldig; verletzt, traurig; ich weiß nicht, warum ich immer wieder an diese Szene denke, wenn ich nachts nicht schlafen kann, wenn meine Frau im Bett neben mir liegt und geräuschlos atmet, wenn ich bei Rot an der Ampel stehe, ich auf Job mit Arbeitshandschuhen am Förderband in den hohen, leuchtstoffrohrgrellen Hallen stehe; ich weiß es nicht.
Das ist etwas, hinter das ich nicht komme, das ich nicht begreife.

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Würde ich komplett rausnehmen, be radical. Das alles liegt ja schon in dem Text drin, und so wirkt es wie das berühmte letzte Wort, und auch, als würdest du alles vorher erklären noch so nachträglich. Hast du gar nicht nötig.
Haha, ich schwöre dir, beim Schreiben dieses Absatzes dachte ich mir: Das wird Jimmy nicht gefallen. Ja, ist ein Punkt, es ist das gleiche Problem wie das vorletzte, ich denke mir, so eine Instanz, so ein Nachblick kann noch mal ein wenig Knistern heraufbeschwören, die Dinge in noch eindeutigerem Licht stellen und ein gutes Nachgefühl erzeugen; aber gleichzeitig denke ich, das müsste aus der Story selbst kommen, aus den Figuren und der Handlung, dann wäre dieses Nachgefühl viel mächtiger
Also. Extreeeemst viele Namen. Kommt mir bisweilen - no offense - ein wenig wie die Stagehands Freak Show Edition vor.
Mir fehlt vor allem das Stagehands-Leben. Was tun die, was machen die, wer sind diese Leute, warum machen sie den Job, den sie machen und keinen anderen, warum kommen sie immer wieder, warum gibt es keine Alternativen, was ist das Geile an diesem Leben, wie fühlt man sich, nach dem man eine Bühne oder Licht oder P.A aufgebaut hat? Gucken die abends noch den Act oder verbringen Zeit alleine, was macht man da? Du baust das durch eine Gruppe auf, aber ich kriege von denen kaum einen zu fassen. Am ehesten Steffi. Das sind einfach zu viele Charaktere, und alle verkrachter als der andere, Knackis, Drogies, Alkis, Pumper. Das wirkt sehr ausgestellt und auch, als seien das irgendwie Pappfiguren in der Manege, Personal, das dazugehören muss, weil, ja weil! Ich denke, vielleicht lieber auf ein, zwei Charaktere wirklich konzentrieren.
Ich sehe es so, dass er einen kleinen Hafen findet, wenn er mit Steffi zusammen ist. Das sie zusammen eine Einheit bilden, dass aus ihnen etwas hätte werden können, ein Paar, eine Familie, eine Zukunft. Nachträglich erklärst du dann, dass er ständig an sie denkt, weil er jetzt in einem anderen Leben steckt, und das nimmt dieser story arch einfach vollkommen die Gravität und Dramatik. Es müsste eine emotionale Insel sein zwischen den beiden, und beide wissen aber nie, wie es weitergeht, sie haben einen Job nach dem anderen, aber leben immer in dieser Schwebe, und so gehst du raus, so entlässt du den Leser. Nur eine Idee. Auch den Tod von Sergejs Vater; warum? Das erzeugt so eine künstliche Fallhöhe. Dadurch geraten sie nachher in diese seltsam empfindsame Stimmung, an die er immer noch denken muss, wahrscheinlich Jahre später. Aber ich komme mir betrogen vor, weil erstens ist dieses Gefühl mir im Nachhinein erklärt worden, und zweitens denke ich, warum braucht es erst diesen Tod, um etwas in Gang zu setzen? Tode sind immer Katalysatoren, aber das brauchst du hier nicht, denke ich, du nimmst dem Text nichts, wenn du es auslässt. Es könnte der letzte Abend der Tour sein, und sie wissen nicht, ob sie sich beim nächsten Job wieder sein, sie necken sich ja die ganze Zeit über, finden dann zueinander, und beide wissen, sie kehren wieder zurück, ja zu was? Irgendeiner weit entfernten Heimat, die aber nicht besonders vielversprechend ist, eigentlich will keiner so richtig zurück, man will on the road bleiben. Das würde auch in sich logischer mit ihrem Job sein, wo sie ja eben genau das sind, hin und hergerissen.

Für mich wäre das ein Roman-Thema, ganz ehrlich.

Ja, mega gute Einschätzungen und Vorschläge, vielen Dank dir dafür. Du rennst offene Türen ein, ich stimme dir zu, vielleicht sind das hier drei Liter Wasser, das ich in ein 0,3l-Glas füllen möchte, wenn das mehr Platz hätte, könnte ich die Nebenrollen besser ausfüllen und ihnen den Pappkameradstatus nehmen, ich könnte Emotionalität erzeugen, ohne mit einem Tod kommen zu müssen. Wahrscheinlich wäre das die bessere Story, wenn man das so angehen würde, gebe ich dir recht. Wäre glaube ich eine andere Story, eine 2.0-Version sozusagen, hier hab ich das versucht, alles auf 20 Seiten zu pressen, das Lebensgefühl als Stagehand, die kleine Romanze. Schwierig. Ich weiß ja nie, ob mir eine Story von mir richtig gefällt oder gar nicht, ich bin da so hart hin und her gerissen. Same here. Einerseits denke ich mir, geil, diese Welt kennen sicher viele nicht und könnte interessant sein. Andererseits, ja, ich stelle das schon ein bisschen als Freakshow da, haha, kann man so lesen, IST ES JA AUCH, denke ich mir, aber halt auch nicht nur, ja, schwierig, da sind halt ganze Leben, Schicksale dahinter, warum jetzt jemand einen Messerfetisch entwickelt und die immer bei sich tragen muss oder 80kg Muskelmasse aufbauen muss. Ach, ich weiß nicht :D Bin unentschlossen! Mal mag ich meine Sachen, mal hasse ich sie, haha. Aber gute Rückmeldung, gracias dafür.

Beste Grüße
zigga

 

Ich glaube, ich wollte diese Welt anhand der Figuren zeigen, irgendwo ist das ja auch wichtig zu erfahren, dass dort nicht 08/15 Handwerker einfach auf die Arbeit fahren, sondern dass das wirklich ein Mikrokosmus ist, das klingt jetzt romantisiert, und wahrscheinlich ist es das auch von mir haha, aber irgendwo ist das ja auch ein Mikrokosmos, in dem sich Menschen sammeln, die irgendwo abseits der bürgerlichen Normen laufen, gerade auch Knackis, wo bekommen die schon einen Job?

Noch mal ich kurz: Nee, das ist total klar, und man liest auch die Intention heraus, aber es ist so geballt am Anfang, das es so auf mich gewirkt hat. Ist immer schwer, so zu sagen, wie man das selber lesen möchte, man ist ja nicht der Autor, deswegen halt wirklich die Lesersicht. Ich glaube aber, du könntest diese Charaktere besser zeigen, in dem du sie agieren lässt, in dem du zeigst, wie sie als Team funktionieren und so, da steckt so viel drin. Ist vielleicht auch der Perspektive geschuldet, weil das verführt, so einen riesigen Resonanzraum aufzumachen, der voller kleiner, geiler, bizarrer Typen und Details ist, ich verstehe das total und es zuckt einen immer in den Fingern. Ich denke halt aber auch, auf was liegt hier der Fokus? Auf den beiden, Steffi und Russland, und auf ihrer flirrenden, schwebenden Beziehung? Dann würde ich da den Fokus enger führen. Das kommt drauf an. Du hast das mit den Dialogen doch super drauf, da könntest du das so aufziehen, nur mal ein Beispiel, ohne das die einzelnen Charaktere so direkt eingeführt werden vom Erzähler.
Einerseits denke ich mir, geil, diese Welt kennen sicher viele nicht und könnte interessant sein. Andererseits, ja, ich stelle das schon ein bisschen als Freakshow da, haha, kann man so lesen, IST ES JA AUCH,
Nee, die Welt an sich, mega, da will ich mehr von lesen, wie gesagt, ROMAN, ich denke, es ist einfach dieses sehr komprimierende Element, was in seiner Dichte mir persönlich! etwas too much ist, ist immer Geschmackssache, oder?

Gruss, Jimmy

 

@jimmysalaryman Danke dir für die erneute Rückmeldung!

Ich glaube aber, du könntest diese Charaktere besser zeigen, in dem du sie agieren lässt, in dem du zeigst, wie sie als Team funktionieren und so, da steckt so viel drin.
That's the point. Da hast du Recht. Ich schaue mal, ob ich das umsetzen kann, ist aber ein guter Punkt

Nee, die Welt an sich, mega, da will ich mehr von lesen, wie gesagt, ROMAN, ich denke, es ist einfach dieses sehr komprimierende Element, was in seiner Dichte mir persönlich! etwas too much ist, ist immer Geschmackssache, oder?
:D Ja, Roman, da ist halb was Anderes in der Schmiede, aber prinzipiell hätte ich da voll Bock drauf, hat mich inspiriert, was du meintest, wie deine Vorstellung ist von Steffi und dem Prot:
Ich sehe es so, dass er einen kleinen Hafen findet, wenn er mit Steffi zusammen ist. Das sie zusammen eine Einheit bilden, dass aus ihnen etwas hätte werden können, ein Paar, eine Familie, eine Zukunft. Nachträglich erklärst du dann, dass er ständig an sie denkt, weil er jetzt in einem anderen Leben steckt, und das nimmt dieser story arch einfach vollkommen die Gravität und Dramatik. Es müsste eine emotionale Insel sein zwischen den beiden, und beide wissen aber nie, wie es weitergeht, sie haben einen Job nach dem anderen, aber leben immer in dieser Schwebe, und so gehst du raus, so entlässt du den Leser. Nur eine Idee. Auch den Tod von Sergejs Vater; warum? Das erzeugt so eine künstliche Fallhöhe. Dadurch geraten sie nachher in diese seltsam empfindsame Stimmung, an die er immer noch denken muss, wahrscheinlich Jahre später. Aber ich komme mir betrogen vor, weil erstens ist dieses Gefühl mir im Nachhinein erklärt worden, und zweitens denke ich, warum braucht es erst diesen Tod, um etwas in Gang zu setzen? Tode sind immer Katalysatoren, aber das brauchst du hier nicht, denke ich, du nimmst dem Text nichts, wenn du es auslässt. Es könnte der letzte Abend der Tour sein, und sie wissen nicht, ob sie sich beim nächsten Job wieder sein, sie necken sich ja die ganze Zeit über, finden dann zueinander, und beide wissen, sie kehren wieder zurück, ja zu was? Irgendeiner weit entfernten Heimat, die aber nicht besonders vielversprechend ist, eigentlich will keiner so richtig zurück, man will on the road bleiben. Das würde auch in sich logischer mit ihrem Job sein, wo sie ja eben genau das sind, hin und hergerissen.

Beste Grüße
zigga

 

Hey @zigga,

ich habe nicht den ganzen Text gelesen, irgendwann hatte ich einfach keinen Antrieb mehr. Ich glaube, das kam daher, weil der Text für mich so ein bisschen auf der Stelle getreten ist. Da ich nicht zu Ende gelesen habe, kann es sein, dass sich das später ändert.

Im Grunde fing es schon mit dem ersten Absatz an, da hab ich mich schon ein bisschen durchgequält, weil es mir einfach zu viel Beschreibungen waren und wirklich viele Leute: Sergej = König, das Ich, Faxe, zwei Studis, der Alte = Zange, Rob, Messer-Pauli ... und die bekommen dann alle auch noch eine Beschreibung verpasst ... das sind echt ne Menge Infos und ich finde die überdenkenswert, weil es jetzt auch nicht so ist, dass sich da bei mir wirklich irgendwelche Bilder einstellen würden. Kam mir eher ein bisschen vor als würdest du mir einen Jahrmarkt beschreiben, aber wir würden mit keinem der Fahrgeschäfte fahren.

Ich öffne die Tür des Sprinters.
Ich glaube, das ist die erste Aktion in dem ganzen Text, ziemlich weit hinten.

Irgendwann fing ich auch an deinen Ich-Erzähler merkwürdig zu finden, wie er da so detailliert, aber gleichzeitig auch unterkühlt und distanziert beschreibt. Mir kam das irgendwie seltsam "schizo" vor und vielleicht soll auch das genauso sein, aber zwischendruch dachte ich, es geht ja doch wohl um ihn und Steffi, aber das war alles so versteckt unter diesen für mich so unglaublich vielen Details. Warum beschreibt der denn alles so genau? Ich habe gerade eine Fantasygeschichte für meinen Sohn geschrieben und stand vor Problemen, die ich in deinem Text auch sehe. Es gibt auch ein zuviel an Setting. Dein Setting sind vielleicht die Leute und keine andere Welt, aber mMn ist dein Problem hier ein ähnliches. Wie kreeiere ich diese Atmosphäre in der meine Geschichte spielt, ohne das die Geschichte verschwindet? Das ist hier für meinen Geschmack passiert, das war, glaube ich der Grund, warum ich nicht weitergelesen habe irgendwann, weil ich eben eine Geschichte lesen wollte und nicht nur das Worldbuilding dazu. Kann sein, dass ich dir total unrecht tue, weil ich ja eben nicht zu Ende gelesen habe und natürlich ist es auch eine Frage des Geschmacks, aber mich interessiert ja am Ende auch, ob andere meine Texte mögen/gerne lesen und wenn ja, warum oder warum nicht. Darum hoffe ich, du kannst mit meinem Kommentar trotz allem etwas anfangen. Für mich ist es eine Frage, wie du deine Geschichte konstruierst und einzelne Teile gewichtest, nicht, wie du sie schreibst, deinen Schreibstil finde ich toll, den Rhythmus, die Bilder etc., darum ist das alles natürlich Kritik auf hohem Niveau :-)

Viele Grüße
Katta

 

Moin @Katta!

Danke dir erstmal herzlichst fürs halbe Lesen.

Kann sein, dass ich dir total unrecht tue, weil ich ja eben nicht zu Ende gelesen habe und natürlich ist es auch eine Frage des Geschmacks, aber mich interessiert ja am Ende auch, ob andere meine Texte mögen/gerne lesen und wenn ja, warum oder warum nicht. Darum hoffe ich, du kannst mit meinem Kommentar trotz allem etwas anfangen.
Für mich ist es eine Frage, wie du deine Geschichte konstruierst und einzelne Teile gewichtest, nicht, wie du sie schreibst, deinen Schreibstil finde ich toll, den Rhythmus, die Bilder etc., darum ist das alles natürlich Kritik auf hohem Niveau :-)

Ja, dir hat das nicht getaugt, da sind dir zu viele Figuren am Anfang und du bist nicht reingekommen, entweder war das nichts für dich oder der Text ist handwerklich schlecht aufgebaut - Danke dir für deine Rückmeldung!

Ich bin bloß bei Kommentatoren, die den Text nicht komplett gelesen haben, mittlerweile immer zwiegespalten. Ich meine, niemand ist zu etwas gezwungen, und manchmal, wenn der Text richtig unlesbar ist, verstehe ich das. Ich finde das nur persönlich mittlerweile schwierig, weil ich schon einige Texte, in die ich nicht gleich reingekommen bin, weitergelesen habe, weil ich dem Autor irgendwie vertraut habe (waren aber auch alles Publikationen, also, da habe ich auch einem gewissen Verlagsprozedere vertraut ...), und dann ergaben sich für mich doch einige Male großartige Leseerlebnisse, gerade, weil das Dinge waren, die ich, hätte ich an dem Tag eine geringe Aufmerksamkeitsspanne oder einfach wenig Geduld gehabt, nicht hätte weiterlesen können. Also, wie auch immer, ich nehme deine Rückmeldung natürlich an und bedanke mich noch mal für deine Mühen, vielleicht liegt es am Text.

Beste Grüße
zigga

 

Hey @zigga,

oje, ich glaube, da hast du mich falsch verstanden, was vermutlich leicht war, meine Familie wollte mit mir das Abendbrot vorbereiten und ich wollte den Kommentar dann noch schnell abschicken.

Also, ich hab mehr als nur den Anfang gelesen (ist das falsch rübergekommen?), aber ja, dein Beginn hat es mir schon schwer gemacht. Ich fand den auch beispielhaft für den Rest des Textes. Ich habe jetzt noch mal geguckt, eigentlich bin ich recht weit gekommen, ich habe aufgehört, als der Vater von dem einen stirbt. Da gings dann irgendwie so weiter wie vorher und ich hatte das Gefühl, der Text tritt auf der Stelle. Ich habe jetzt noch mal zu Ende gelesen, war ja auch gar nicht mehr so viel, und ja, ok, da kommt dann doch die Situation mit Steffi aufm Klo, das, was ich irgendwie dachte, worum es in dem Text geht und worauf ich die ganze Zeit gewartet habe. Aber ganz ehrlich mir dauert das zu lange - also für ne KG. Ja, bei nem Roman bin ich da auch geduldiger, aber ne KG funktioniert für mich da auch noch mal anders. Ich finde es ist zu viel Worldbuilding, zu viel Setting. Und ich mag das Setting, ich mag die Kollegen, die du da vorstellst, die Stagehand-Arbeit. Ich mag wie du das schreibst, wie du denen gegenübertrittst, aber ich muss wieder an Fantasy denken, mMn versuchst du deine ganze Welt in diese KG zu packen und da sage ich: Weniger ist mehr! Das Setting und die Figuren das müsste man mMn viel mehr strecken, aber dann bist du eigentlich schon bei nem Roman. Am Ende gehts ja um seine Beziehung zu Steffi und was die für Auswirkungen auf ihn hat, heute noch ... aber du erzählst von König und Messer-Pauli und haste nicht gesehen und alle werden bis ins Detail beschrieben, wie sie übers Stoffen reden und was nicht alles und da frag ich mich schon: wozu das alles? Oder ist das ein Psychogramm? Soll ich mir herleiten, was er für ein Typ ist aufgrund seiner Beschreibungen? Glaube ich nicht oder zumindest hab ich es so nicht gelesen. Vielleicht gehts auch nicht um Steffi, sondern tatsächlich darum, einfach nur das Millieu darzustellen. Ja, ist dir dann gelungen, aber mir persönlich fehlte in diesem Fall dann die Geschichte.

Ich habe den Text ziemlich weit gelesen, weil ich vieles an dem Text mag, aber ja, irgendwann war ich zu ungeduldig, weil ich nicht wusste, wo du hinwillst. Ich dachte an Steffi, aber dann gab es so unglaublich viel drumherum und dann wars mir zuviel und ich bin ausgestiegen. An einem anderen Tag hätte ich vielleicht weitergelesen, aber mein Eindruck wäre vermutlich derselbe. Tut mir aber leid, dass dir mein Kommentar irgendwie quer liegt. War auf jeden Fall nicht meine Absicht, dir da irgendwie gegens Bein zu pinkeln.

Viele Grüße
Katta

 

Moin @Katta

Tut mir aber leid, dass dir mein Kommentar irgendwie quer liegt. War auf jeden Fall nicht meine Absicht, dir da irgendwie gegens Bein zu pinkeln.
Nee, alles gut.
Ich habe jetzt noch mal zu Ende gelesen, war ja auch gar nicht mehr so viel, und ja, ok, da kommt dann doch die Situation mit Steffi aufm Klo, das, was ich irgendwie dachte, worum es in dem Text geht und worauf ich die ganze Zeit gewartet habe. Aber ganz ehrlich mir dauert das zu lange - also für ne KG.
Ich finde es ist zu viel Worldbuilding, zu viel Setting.
Ich mag wie du das schreibst, wie du denen gegenübertrittst, aber ich muss wieder an Fantasy denken, mMn versuchst du deine ganze Welt in diese KG zu packen und da sage ich: Weniger ist mehr! Das Setting und die Figuren das müsste man mMn viel mehr strecken, aber dann bist du eigentlich schon bei nem Roman.
Danke für deine weiteren Erläuterungen, mir ist nun mehr klar! :aua:

Über meine Intention schweige ich natürlich wie ein Grab :D Also, das muss der Text schon aus sich heraus schaffen oder auf eine andere Art funktionieren/gefallen, meine Meinung.

Ja, ist notiert, ernst gemeint vielen Dank für deine Leseeinschätzung! Hatte ja auch Jimmy angemerkt, dass es ein wenig viel Figuren sind, gerade am Anfang. Ich bin mir da noch nicht sicher, was mir gefällt und wo ich den Text sehe. Der Text ist so frisch, ich muss sammle mal Feedback und lese den in ein paar Wochen noch mal, oft sieht man dann ja klarer und weiß, ob das für einen passt oder ob Kommentatoren den richtigen Hinweis gegen haben. Ist auch wichtig, dass du sagst, was dir nicht gefällt, deswegen sind wir ja alle hier. Sind denke ich legitime Punkte, die du ansprichst!

Wünsche dir einen schönen Abend!
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @zigga,

ich fand das Reinkommen in den Text nicht ganz einfach, wegen der vielen Namen (+ Spitznamen) und Charakterisierungen und dem möglichst authentischen Erzählstil, bei dem man sich schon etwas konzentrieren muss, aber daran habe ich mich im Verlauf gewöhnt.
Ich finde das eine interessante Studie eines Milieus, in dem ich mich nicht auskenne, daher war das für mich einfach interessant zu sehen, wie der Alltag solcher Stagehands aussieht / aussehen kann. Im Verlauf shiftete der Fokus dann etwas von der Arbeit auf die Charaktere, und das fand ich dann auch spannend zu sehen, dass diese 'harten Gestalten' natürlich auch Menschen wie du und ich sind, mit denselben Sehnsüchten und Ängsten und so. Fand ich also eine angenehme Mischung aus Milieu und Menschlichem.
Gerade bzgl. der Beziehung zwischen Russland und Steffi stecken da ein paar wirklich starke und schöne Stellen drin. Da hat mich das Ganze auch etwas an Philippe Djian erinnert.
Es kam hier auf, dass das Ganze auch was Längeres werden könnte: Finde ich im Grunde auch, teilweise ist es schon ziemlich komprimiert, aber ich weiß nicht, so kurz hat es auch was. Ich persönlich fände es ein bisschen länger optimal, also dass die stark komprimierten und angerissenen Sachen noch etwas ausgeführt werden. Aber für mich müsste das kein 300-Seiten-Roman werden.
Ich hab mir jetzt nicht so viel rauskopiert, weil ich mit dem Lesen so beschäftigt war.
Hier bloß ein paar Sachen:

Sergej ist fast zehn Jahre älter als ich, Anfang dreißig. Ich weiß, dass Sergejs Mutter letztes Jahr an Lungenkrebs gestorben ist, und dass ihn seine Freundin vor nicht allzu lang abserviert hat. Angeblich hatte sie eine Fehlgeburt. Hat mir Rob The Rock erzählt, gleich nachdem er aus dem Knast draußen war.
Ein Bsp. für eine ziemlich komprimierte Stelle - viele Infos auf wenig Raum.

»Wir lieben uns«, sage ich grinsend, drücke die Dose ein und trinke ʼnen Schluck. »Du und ich. Isʼ nur noch nichʼ bis zu dir durchgekommen.«
»Vergisses«, sagt Steffi.
»Du bist meine Göttin«, sage ich grinsend.
»Geh weg«, sagt Steffi.
»Du willst Messer-Pauli«, sage ich.
»Halt die Fresse«, sagt Steffi und schlägt mir mit dem Handrücken gegen den Oberschenkel, den Blick noch aus dem Fenster.
Starke Stelle, die mich dann richtig reingezogen hat.

Da ist etwas Fragendes an ihrem Blick; als ob die eine große Frage, die sie sich in ihrem Leben stellt, die ihr die Antwort auf alles gibt, in ihrem Blick wäre, und ihr Blick meinen Blick danach absucht.
Auch starke Stelle, aber ich glaube, du meinst, dass sie bei ihm die Antwort sucht, richtig? Bei dieser Formulierung sucht sie streng genommen ihre Frage auch bei ihm (?).

Stark fand ich auch, wie Russland da steht und fühlt, dass irgendwie alles anders sein müsste. Das kannst du gut: große, mehr gefühlte als artikulierte Themen rüberbringen, ohne dafür viele Worte zu brauchen. Auch so Verhältnis-/Beziehungssachen bloß durch kleine Beobachtungen von Blicken oder Gesten..

Hat Spaß gemacht zu lesen.
Und Glückwunsch zur Empfehlung!

Viele Grüße
Maeuser

 

Hallo @zigga

Ich hatte vor Tagen schon eine ellenlange Rückmeldung am Start, aber dann hab ich wohl leider zu lange gewartet mit abschicken und die ist jetzt irgendwo in den Untiefen des Internets verschwunden. Wie dem auch sei: Jetzt also die verkürzte Version, mal schauen, ob mir noch alles wieder einfällt, was ich angemerkt hatte.

Gleich vorneweg: Ich finde, das Ding rockt! Habe ich sehr gerne gelesen. Bin sehr gerne in dieses Millieu der Stagehands eingetaucht. Das sind ja alles so Charaktere die sich eher am Rand der Gesellschaft bewegen (Drogenkonsum etc.) und auch eher so gescheiterte Existenzen. Sowas lese ich einfach total gerne und in diesem Fall finde ich es wirklich gut und authentisch gemacht. Mir gefällt auch der Ausdruck, Stagehands, davon hatte ich bisher noch nie gehört, aber der klingt gut und auch sehr treffend.

Finde, Du hast einen tollen Schreibstil. Also das lässt sich super lesen, ich bin nirgends gestolpert. Treffende, meist kurze Sätze, ist alles auf den Punkt geschrieben, finde ich. Du hast mich also nicht nur inhaltlich sondern auch mit der Verpackung abgeholt. Die Charaktere waren mir sympathisch, inkl. dem Erzähler, ich mochte auch die vulgäre Ausdrucksweise. Ich lese da eine Empathie für diese Leute aus dem Text (glaube, Du hattest irgendwo erwähnt, Du warst selbst mal als Stagehand tätig oder kennst Dich da zumindest aus, ich finde, das merkt man deutlich). Also insgesamt eine wirklich runde Sache.

Noch ein paar Anmerkungen/Details die mir aufgefallen sind:

Rob, der keinen Spitznamen hat
Hier habe ich nicht verstanden, wieso der Erzähler sagt, dass Rob keinen Spitznamen hat. Denn der hat ja einen, 'Rob the Rock' oder später auch schlicht 'The Rock'. Das ist doch ein Spitzname, oder? Ausserdem bieten sich ja da Dutzende Möglichkeiten für einen Namen an, bei seinen Eigenschaften:
vielleicht weil er schwarz ist oder weil niemandem was Dummes eingefallen ist; bis vor ʼnem Monat war Rob im Knast, ich weiß auch nicht genau warum, vielleicht Körperverletzung oder BTM. Robs Vater ist Ami. Er selbst isʼ über einsneunzig, das viele Pumpen und ein wenig Stoffen lassen ihn aussehen wie The Rock. Über Robs rechter Augenbraue steht in klobigen Buchstaben tätowiert: T R U S T
Da habe ich mich echt gewundert, wieso keinem ein Name für Rob eingefallen sein sollte. Für mich ist 'The Rock' auch der markanteste Charakter (neben dem Prot und Steffi) in deiner Geschichte, also den sehe ich am plastischsten vor mir von der ganzen Truppe. Ausserdem habe ich mich hier gefragt, wieso es dem Erzähler so wichtig ist zu betonen, dass Rob nur 'ein wenig' stofft ... Würde der nicht einfach sagen, der Rob, der stofft, Punkt? Was ist das auch, ein wenig stoffen? Nur jedes vierte Training, oder was? Ich denke, entweder stofft man, oder dann eben nicht. Kenne mich da aber nicht aus, ist mir nur ins Auge gesprungen.

Daneben sitzt ein kleiner, kräftiger albanischer Mann mit Porno-Mustache und dem Namen Fikret, der schon ein paarmal mit uns auf Job war
Also ich weiss nicht. Porno-Mustache und dann der Name gleich 'Fikret'. Ich fand den etwas drüber, etwas klischeehaft. Der Fikret taucht in deiner Geschichte auch nie wieder auf, der hat nur hier einen Ultrakurzauftritt, als der Erzähler in den Sprinter steigt. Ich würde mir überlegen, den zu streichen. Denn ganz ehrlich: Ich habe mich hier kurz dabei erwischt, die anderen Charaktere zu hinterfragen, also ob ich die wirklich ernst nehmen kann oder soll, weil der Fikret einfach zu platt wirkt und ich mich gefragt habe, ob das eher in so eine parodistische Richtung gehen soll. Tut es dann aber nicht.

Mir waren es nicht zu viele Charaktere. Ich hatte beim ein oder anderen eher das Gefühl, dass die bisschen schabloniert wirken, also wie der Fikret. 'Rob the Rock' scheint mir so einer zu sein. Knasti, gross, muskulös, stofft, Gesichtstattoo. Scheint mir so das ein mal eins des Antihelden zu sein, direkt aus irgendeinem Gangster-/Knasti-Film entsprungen. Aber ok, er ist immerhin schwarz :D Bei Messer-Pauli ist es eher der Name, den ich klischeehaft finde, aber der passt ja doch ziemlich gut, wie man später rausfindet. Also ich finde, das ist schon etwas eine Gratwanderung, ist Dir aber gelungen.

Sie trägt ein viel zu weites Burzum-T-Shirt und Lippenpiercing.
Solche Details gefallen mir sehr. Finde ich toll. Allerdings: Sie trägt ein Lippenpiercing. Sagt man das so? Noch nie gehört.

Zu Beginn dachte ich noch, dass mir in dem Text etwas zu viele Markennamen vorkommen, aber ich denke, dass passt gut ins Millieu der Stagehands. Trotzdem finde ich es etwas exzessiv. Kann aber gut sein, dass das nur ich bin.

Wenn wir arbeiten, bewegen wir uns anders. Wir sind schneller. Jeder Handgriff sitzt. Fleißige Ameisen. Ein Scherz hier, ein Scherz da. Lachen.
Ja, da hätte ich gerne etwas mehr aus dem Arbeitsalltag der Stagehands erfahren. Also was machen die da genau? Der Text erzählt ja mehr das Drumherum, nicht direkt von der Arbeit selbst. Das fand ich etwas schade. Ich bin mir sicher, auch wenn das jetzt nicht nach Rocketscience klingt, dass es spannend wäre, etwas mehr Infos diesbezüglich zu bekommen, die Handgriffe, paar Tricks vielleicht, was macht man als erstes, was ist das Wichtigste etc. pp. Man erfährt so bisschen was, im Verlaufe der Geschichte, aber nichts wirklich Konkretes. Was stellen sich da für Schwierigkeiten? Ist der Erzähler nicht auch stolz auf seinen Job und würde da bisschen was mehr erzählen, dass dem Leser irgendwie schmackhaft machen oder vielleicht als etwas Besonderes verkaufen?

Der andere hat eine so dunkle Solariumbräune, dass seine Haut fast aussieht wie die der Schwarzen.
Das wirkt auch drüber auf mich. Klar, ist eine Überzeichnung vom Erzähler, aber ist mir fast etwas too much. Also das ist doch gar nicht möglich, dass die Haut vom Solarium so dunkel werden kann? Kommt drauf an, wie schwarz diese Schwarzen sind, aber dennoch: Seine Haut müsste unendlich verschrumpelt sein, wie eine Echse müsste der aussehen. Ungesund as fuck. Dann wäre vielleicht das eher ein Bild, dass der Erzähler von ihm hat. Aber ist natürlich nur mein Eindruck.

Es läuft Michael Wendler.
Bitte nicht :D Hören die sowas? Oder läuft das einfach im Radio? Kein Protest, von niemandem? Den Dreck kann man sich doch nicht anhören, haha.

Da ist immer dieses Fernweh, diese Sehnsucht, abzuhauen. Aber wohin? Was tun? Nach Südostasien wie Bob Marley? Ich atme tief ein und aus. Manchmal kann ich meine Beine gar nicht stillhalten. Aber ich weiß nicht, wohin, ich weiß nicht mal, was ich will. Ich weiß nur, dass ich alles, wie es jetzt ist, nicht will. Dass alles anders sein muss. Ich kann es nicht beschreiben.
Nun ja, fand ich etwas sehr naheliegend mit dem Abhauen, dem Fernweh. Ist doch meist so der erste Gedanke, wenn einem was in seinem eigenen Umfeld, in seiner eigenen kleinen Welt nicht passt, oder? Zumindest meinem Empfinden nach. Den letzten Satz würde ich streichen, denn wieso kann er es denn nicht beschreiben? Er hat es ja gleich zuvor direkt beschrieben, was er tun möchte, welche Wünsche da in ihm drinnen sind. Vielleicht habe ich es auch nicht richtig verstanden, wer weiss.

Aus irgendeinem Grund brechen die beiden Afrikaner diese Erstarrung, dieses Stillstehen der Zeit. Sie tragen noch ihre Arbeitsshirts mit den Hemden drunter. Sie gehen hinter ihrem Stehtisch herum, durch den Raum. König schaut zu ihnen. Sie gehen zu ihm. Der erste reicht ihm die Hand und neigt den Kopf leicht. Er sagt etwas auf Englisch, aber wir alle verstehen. Sein Landsmann reicht König auch die Hand und neigt den Kopf.
Fand ich interessant, dass die beiden Afrikaner, die ich so bisschen als Outsider, als Fremdlinge, in dieser Gruppe wahrnehmen, als erstes eine rationale Handlung zeigen und dem König kondolieren. Die beiden sind für mich so die Ruhepole in dieser bunten Truppe, es hat für mich an der Stelle also super gepasst. Irgendjemand hatte oben in einem der Kommentare auch was von Rassismus geschrieben, das habe ich persönlich aber überhaupt nicht wahrgenommen. Also wenn ist das sehr subtil, denke ich.

da dringt etwas seltsam Weiches aus den Konturen seines Gesichts hervor, etwas, das ich bei ihm so noch nie gesehen habe. Es ist fast, als wird er ein anderer, als könne ich ihn nur noch schlecht erkennen.

Da steigt etwas in ihrem Gesicht auf; das gleiche Weiche, das aus Sergejs Konturen hervorgestiegen ist. Ihr Gesicht verzieht sich – ihr Kinn zuckt. Tränen laufen ihr aus den Augen. Sie weint.

Das Weiche ist jetzt auch in mir; es zieht sich in mir zusammen. Ich weine.
Ich fand das gut gemacht, wie dieses Weiche, von König auf Steffi und den Prot überspringt. Es sind ja die Emotionen, die Härte ist plötzlich weg, sie können ihren Gefühlen für einmal freien Lauf lassen, müssen nicht mehr die Harten markieren, können in diesem Moment sich selbst sein. Die Mauern fallen. Aber gleich darauf werden sie natürlich direkt wieder hochgezogen. Fand ich gut gelungen.

Den letzten Absatz bräuchte es für mich gar nicht mehr. Weiss nicht, der gibt mir jetzt nicht unbedingt viel. Meiner Meinung nach könnte auch direkt vor dem schon Schluss sein, das wäre für mich trotzdem ein rundes Erlebnis. Die Szene auf dem Klo mit dem Prot und Steffi hat mir übrigens sehr gut gefallen. Für mich eine der stärksten Passagen des Textes. Deshalb wäre das für mich ein guter Abschluss. Aber klar, schauste selbst, ist ja dein Text und ich will Dir nix vorschreiben, nur meinen Eindruck schildern. Also alles in allem fand ich den Text sehr gut und habe ihn wirklich gerne gelesen.

Grüsse,
d-m

 

Hallo @Maeuser,

vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren!

ich fand das Reinkommen in den Text nicht ganz einfach, wegen der vielen Namen (+ Spitznamen) und Charakterisierungen und dem möglichst authentischen Erzählstil, bei dem man sich schon etwas konzentrieren muss, aber daran habe ich mich im Verlauf gewöhnt.
Ja, muss ich mal schauen ... merkten schon ein paar an, vllt muss ich da mal nachschrauben!

Ich finde das eine interessante Studie eines Milieus, in dem ich mich nicht auskenne, daher war das für mich einfach interessant zu sehen, wie der Alltag solcher Stagehands aussieht / aussehen kann.
Im Verlauf shiftete der Fokus dann etwas von der Arbeit auf die Charaktere, und das fand ich dann auch spannend zu sehen, dass diese 'harten Gestalten' natürlich auch Menschen wie du und ich sind, mit denselben Sehnsüchten und Ängsten und so. Fand ich also eine angenehme Mischung aus Milieu und Menschlichem.
Freut mich
Gerade bzgl. der Beziehung zwischen Russland und Steffi stecken da ein paar wirklich starke und schöne Stellen drin. Da hat mich das Ganze auch etwas an Philippe Djian erinnert.
Nice - Betty Blue, eines der besten Liebesromane, wenn ma das so nennen kann, die ich gelesen habe

Es kam hier auf, dass das Ganze auch was Längeres werden könnte: Finde ich im Grunde auch, teilweise ist es schon ziemlich komprimiert, aber ich weiß nicht, so kurz hat es auch was.
Ja, schön zu hören. Da liegt ja ein gewisser Glaube drin, dass das Stoff für mehr sein könnte - aber in der Kürze hat das auch was für mich.

Ich persönlich fände es ein bisschen länger optimal, also dass die stark komprimierten und angerissenen Sachen noch etwas ausgeführt werden. Aber für mich müsste das kein 300-Seiten-Roman werden.
Ja - die einen sagen, weniger Worldbuilding, die anderen mehr :D Ich muss echt mal nachdenken!

Sergej ist fast zehn Jahre älter als ich, Anfang dreißig. Ich weiß, dass Sergejs Mutter letztes Jahr an Lungenkrebs gestorben ist, und dass ihn seine Freundin vor nicht allzu lang abserviert hat. Angeblich hatte sie eine Fehlgeburt. Hat mir Rob The Rock erzählt, gleich nachdem er aus dem Knast draußen war.
Ein Bsp. für eine ziemlich komprimierte Stelle - viele Infos auf wenig Raum.
Right

»Wir lieben uns«, sage ich grinsend, drücke die Dose ein und trinke ʼnen Schluck. »Du und ich. Isʼ nur noch nichʼ bis zu dir durchgekommen.«
»Vergisses«, sagt Steffi.
»Du bist meine Göttin«, sage ich grinsend.
»Geh weg«, sagt Steffi.
»Du willst Messer-Pauli«, sage ich.
»Halt die Fresse«, sagt Steffi und schlägt mir mit dem Handrücken gegen den Oberschenkel, den Blick noch aus dem Fenster.

Erweitern ...
Starke Stelle, die mich dann richtig reingezogen hat.
Schön

Da ist etwas Fragendes an ihrem Blick; als ob die eine große Frage, die sie sich in ihrem Leben stellt, die ihr die Antwort auf alles gibt, in ihrem Blick wäre, und ihr Blick meinen Blick danach absucht.
Auch starke Stelle, aber ich glaube, du meinst, dass sie bei ihm die Antwort sucht, richtig? Bei dieser Formulierung sucht sie streng genommen ihre Frage auch bei ihm (?).
Ja, stimmt ... danke fürs Bescheid geben

Stark fand ich auch, wie Russland da steht und fühlt, dass irgendwie alles anders sein müsste. Das kannst du gut: große, mehr gefühlte als artikulierte Themen rüberbringen, ohne dafür viele Worte zu brauchen. Auch so Verhältnis-/Beziehungssachen bloß durch kleine Beobachtungen von Blicken oder Gesten..
Freut mich sehr

Danke, hat mich gefreut, Maeuser

Guten Abend @deserted-monkey

Ich hatte vor Tagen schon eine ellenlange Rückmeldung am Start, aber dann hab ich wohl leider zu lange gewartet mit abschicken und die ist jetzt irgendwo in den Untiefen des Internets verschwunden. Wie dem auch sei: Jetzt also die verkürzte Version, mal schauen, ob mir noch alles wieder einfällt, was ich angemerkt hatte.
Das ist mir auch mal passiert :D

Gleich vorneweg: Ich finde, das Ding rockt!
Hey, das hat mich echt gefreut. Ich versuche ja immer sehr neutral und professionell zu bleiben, aber ich bin auch nur ein Mensch, und wenn das jemand mag, freut man sich natürlich

Habe ich sehr gerne gelesen. Bin sehr gerne in dieses Millieu der Stagehands eingetaucht. Das sind ja alles so Charaktere die sich eher am Rand der Gesellschaft bewegen (Drogenkonsum etc.) und auch eher so gescheiterte Existenzen. Sowas lese ich einfach total gerne und in diesem Fall finde ich es wirklich gut und authentisch gemacht. Mir gefällt auch der Ausdruck, Stagehands, davon hatte ich bisher noch nie gehört, aber der klingt gut und auch sehr treffend.
Freut mich und danke dass du es so feedbackst, im Sinne von, dass es dein Genre ist und für dich passt. Ich denke, man muss auch diese Liebe grundsätzlich für diese Welt mitbringen, dass so ein Text zünden kann - yeah

Finde, Du hast einen tollen Schreibstil. Also das lässt sich super lesen, ich bin nirgends gestolpert. Treffende, meist kurze Sätze, ist alles auf den Punkt geschrieben, finde ich. Du hast mich also nicht nur inhaltlich sondern auch mit der Verpackung abgeholt. Die Charaktere waren mir sympathisch, inkl. dem Erzähler, ich mochte auch die vulgäre Ausdrucksweise. Ich lese da eine Empathie für diese Leute aus dem Text (glaube, Du hattest irgendwo erwähnt, Du warst selbst mal als Stagehand tätig oder kennst Dich da zumindest aus, ich finde, das merkt man deutlich). Also insgesamt eine wirklich runde Sache.
Ja, geil, ich freue mich. Danke für das Lob

Rob, der keinen Spitznamen hat
Hier habe ich nicht verstanden, wieso der Erzähler sagt, dass Rob keinen Spitznamen hat. Denn der hat ja einen, 'Rob the Rock' oder später auch schlicht 'The Rock'. Das ist doch ein Spitzname, oder? Ausserdem bieten sich ja da Dutzende Möglichkeiten für einen Namen an, bei seinen Eigenschaften:

vielleicht weil er schwarz ist oder weil niemandem was Dummes eingefallen ist; bis vor ʼnem Monat war Rob im Knast, ich weiß auch nicht genau warum, vielleicht Körperverletzung oder BTM. Robs Vater ist Ami. Er selbst isʼ über einsneunzig, das viele Pumpen und ein wenig Stoffen lassen ihn aussehen wie The Rock. Über Robs rechter Augenbraue steht in klobigen Buchstaben tätowiert: T R U S T
Da habe ich mich echt gewundert, wieso keinem ein Name für Rob eingefallen sein sollte. Für mich ist 'The Rock' auch der markanteste Charakter (neben dem Prot und Steffi) in deiner Geschichte, also den sehe ich am plastischsten vor mir von der ganzen Truppe. Ausserdem habe ich mich hier gefragt, wieso es dem Erzähler so wichtig ist zu betonen, dass Rob nur 'ein wenig' stofft ... Würde der nicht einfach sagen, der Rob, der stofft, Punkt? Was ist das auch, ein wenig stoffen? Nur jedes vierte Training, oder was? Ich denke, entweder stofft man, oder dann eben nicht. Kenne mich da aber nicht aus, ist mir nur ins Auge gesprungen.
Du hast Recht. Werde das ändern - gefällt mir auch nicht mehr, irgendwie passt es nicht

Daneben sitzt ein kleiner, kräftiger albanischer Mann mit Porno-Mustache und dem Namen Fikret, der schon ein paarmal mit uns auf Job war
Also ich weiss nicht. Porno-Mustache und dann der Name gleich 'Fikret'. Ich fand den etwas drüber, etwas klischeehaft. Der Fikret taucht in deiner Geschichte auch nie wieder auf, der hat nur hier einen Ultrakurzauftritt, als der Erzähler in den Sprinter steigt. Ich würde mir überlegen, den zu streichen. Denn ganz ehrlich: Ich habe mich hier kurz dabei erwischt, die anderen Charaktere zu hinterfragen, also ob ich die wirklich ernst nehmen kann oder soll, weil der Fikret einfach zu platt wirkt und ich mich gefragt habe, ob das eher in so eine parodistische Richtung gehen soll. Tut es dann aber nicht.
Ja, verstehe ich voll - ganz ehrlich: Mir ist das mit dem Namen, dass man das dumm verstehen kann, erst nach dem Posten aufgefallen. In dem Sinne gefällt mir das auch nicht. Werde ich auch ändern, danke für das Anmerken!

Mir waren es nicht zu viele Charaktere. Ich hatte beim ein oder anderen eher das Gefühl, dass die bisschen schabloniert wirken, also wie der Fikret. 'Rob the Rock' scheint mir so einer zu sein. Knasti, gross, muskulös, stofft, Gesichtstattoo. Scheint mir so das ein mal eins des Antihelden zu sein, direkt aus irgendeinem Gangster-/Knasti-Film entsprungen. Aber ok, er ist immerhin schwarz :D Bei Messer-Pauli ist es eher der Name, den ich klischeehaft finde, aber der passt ja doch ziemlich gut, wie man später rausfindet. Also ich finde, das ist schon etwas eine Gratwanderung, ist Dir aber gelungen.
Hey, vielen Dank. Bedeutet mir was. Ich habe mir ja große Mühe gegeben mit den Figuren und allem, und wenn das so bei dir funktioniert - freut es mich natürlich sehr. Wenn es nicht funktioniert, klatscht mir aber gerne auf die Finger.

Sie trägt ein viel zu weites Burzum-T-Shirt und Lippenpiercing.
Solche Details gefallen mir sehr. Finde ich toll. Allerdings: Sie trägt ein Lippenpiercing. Sagt man das so? Noch nie gehört.
Ja, du hast Recht, das tragen klingt eigenartig, :D

Zu Beginn dachte ich noch, dass mir in dem Text etwas zu viele Markennamen vorkommen, aber ich denke, dass passt gut ins Millieu der Stagehands. Trotzdem finde ich es etwas exzessiv. Kann aber gut sein, dass das nur ich bin.
Schön! Schraube ich vllt etwas runter

Wenn wir arbeiten, bewegen wir uns anders. Wir sind schneller. Jeder Handgriff sitzt. Fleißige Ameisen. Ein Scherz hier, ein Scherz da. Lachen.
Ja, da hätte ich gerne etwas mehr aus dem Arbeitsalltag der Stagehands erfahren. Also was machen die da genau? Der Text erzählt ja mehr das Drumherum, nicht direkt von der Arbeit selbst. Das fand ich etwas schade. Ich bin mir sicher, auch wenn das jetzt nicht nach Rocketscience klingt, dass es spannend wäre, etwas mehr Infos diesbezüglich zu bekommen, die Handgriffe, paar Tricks vielleicht, was macht man als erstes, was ist das Wichtigste etc. pp. Man erfährt so bisschen was, im Verlaufe der Geschichte, aber nichts wirklich Konkretes. Was stellen sich da für Schwierigkeiten? Ist der Erzähler nicht auch stolz auf seinen Job und würde da bisschen was mehr erzählen, dass dem Leser irgendwie schmackhaft machen oder vielleicht als etwas Besonderes verkaufen?
ja, mega interessant. die einen mögen mehr Wordbuildung, die anderen sagen, auf jeden Fall weniger. also, ich könnte da noch ein wenig nachlegen, aber ja, ich muss tatsächlich mal ein wenig Abstand gewinnen zum Text, er ist sehr frisch, ich hab gerade einen Text redigiert, der ist mehr als 2 Jahre alt, und erst jetzt hab ich so eine richtig neutrale Einstellung, sag ich mal, und kann den noch mal neutral bearbeiten, weil man doch immer ziemlich tief drin steckt ... vielen Dank für die Anmerkung, ist notiert!
Aber: Ich finde, man erfährt schon ein wenig etwas, oder? Also, wie sie die Sachen aufbauen, dass sie da ewig hinfahren, in Hotels pennen, da abends auch ein wenig Party machen ...

Der andere hat eine so dunkle Solariumbräune, dass seine Haut fast aussieht wie die der Schwarzen.
Das wirkt auch drüber auf mich. Klar, ist eine Überzeichnung vom Erzähler, aber ist mir fast etwas too much. Also das ist doch gar nicht möglich, dass die Haut vom Solarium so dunkel werden kann? Kommt drauf an, wie schwarz diese Schwarzen sind, aber dennoch: Seine Haut müsste unendlich verschrumpelt sein, wie eine Echse müsste der aussehen. Ungesund as fuck. Dann wäre vielleicht das eher ein Bild, dass der Erzähler von ihm hat. Aber ist natürlich nur mein Eindruck.
Ja, ist drüber, vielen Dank fürs Feedbacken, ändere ich

Es läuft Michael Wendler.
Bitte nicht :D Hören die sowas? Oder läuft das einfach im Radio? Kein Protest, von niemandem? Den Dreck kann man sich doch nicht anhören, haha.
Haha

Da ist immer dieses Fernweh, diese Sehnsucht, abzuhauen. Aber wohin? Was tun? Nach Südostasien wie Bob Marley? Ich atme tief ein und aus. Manchmal kann ich meine Beine gar nicht stillhalten. Aber ich weiß nicht, wohin, ich weiß nicht mal, was ich will. Ich weiß nur, dass ich alles, wie es jetzt ist, nicht will. Dass alles anders sein muss. Ich kann es nicht beschreiben.
Nun ja, fand ich etwas sehr naheliegend mit dem Abhauen, dem Fernweh. Ist doch meist so der erste Gedanke, wenn einem was in seinem eigenen Umfeld, in seiner eigenen kleinen Welt nicht passt, oder? Zumindest meinem Empfinden nach. Den letzten Satz würde ich streichen, denn wieso kann er es denn nicht beschreiben? Er hat es ja gleich zuvor direkt beschrieben, was er tun möchte, welche Wünsche da in ihm drinnen sind. Vielleicht habe ich es auch nicht richtig verstanden, wer weiss.

Gekauft

Aus irgendeinem Grund brechen die beiden Afrikaner diese Erstarrung, dieses Stillstehen der Zeit. Sie tragen noch ihre Arbeitsshirts mit den Hemden drunter. Sie gehen hinter ihrem Stehtisch herum, durch den Raum. König schaut zu ihnen. Sie gehen zu ihm. Der erste reicht ihm die Hand und neigt den Kopf leicht. Er sagt etwas auf Englisch, aber wir alle verstehen. Sein Landsmann reicht König auch die Hand und neigt den Kopf.
Fand ich interessant, dass die beiden Afrikaner, die ich so bisschen als Outsider, als Fremdlinge, in dieser Gruppe wahrnehmen, als erstes eine rationale Handlung zeigen und dem König kondolieren. Die beiden sind für mich so die Ruhepole in dieser bunten Truppe, es hat für mich an der Stelle also super gepasst. Irgendjemand hatte oben in einem der Kommentare auch was von Rassismus geschrieben, das habe ich persönlich aber überhaupt nicht wahrgenommen. Also wenn ist das sehr subtil, denke ich.
Ja, das freut mich besonders. Meine härteste Kritikerin, meine Freundin, hat mir da auch Feuer unterm Arsch gemacht. Also, es freut mich, dass du das so gelesen hast - denn so war es von mir intendiert. Also, ich hab das einfach beobachtet, dass das manchmal so passiert, und ich fand die beiden auch, obwohl sie natürlich als Störenfriede eingeführt werden, eigentlich die "normalsten" (kein Freund von diesem Begriff) bzw. ruhigsten oder wie du es besser sagst: der Ruhepol von allen sind. Nee, freut mich, dass du es so liest, so habe ich es gemeint. Der Rassismus, ja, tricky, es ist halt etwas vorgefallen und die Leute sind skeptisch, das kann als Rassismus vom Leser interpretiert werden, ich bin da gerade tatsächlich hart am Überlegen, wie ich das handle und löse ...


da dringt etwas seltsam Weiches aus den Konturen seines Gesichts hervor, etwas, das ich bei ihm so noch nie gesehen habe. Es ist fast, als wird er ein anderer, als könne ich ihn nur noch schlecht erkennen.

Da steigt etwas in ihrem Gesicht auf; das gleiche Weiche, das aus Sergejs Konturen hervorgestiegen ist. Ihr Gesicht verzieht sich – ihr Kinn zuckt. Tränen laufen ihr aus den Augen. Sie weint.

Das Weiche ist jetzt auch in mir; es zieht sich in mir zusammen. Ich weine.
Ich fand das gut gemacht, wie dieses Weiche, von König auf Steffi und den Prot überspringt. Es sind ja die Emotionen, die Härte ist plötzlich weg, sie können ihren Gefühlen für einmal freien Lauf lassen, müssen nicht mehr die Harten markieren, können in diesem Moment sich selbst sein. Die Mauern fallen. Aber gleich darauf werden sie natürlich direkt wieder hochgezogen. Fand ich gut gelungen.
Freut mich


Den letzten Absatz bräuchte es für mich gar nicht mehr.
Auch guter Punkt. Ist häufiger gefallen, deswegen hat es für mich krasses Gewicht. Ich denke stark darüber nach.

War ein sehr guter Kommentar - viele Dank dir, Monkey!

Beste Grüße
zigga

 

Alles schon gesagt,

bester @zigga weit und breit,

und doch weiß ich so recht gar nicht, wem ich zu diesem gelungenen Stück Literatur aus der Arbeitswelt gratulieren und wen ich ansprechen soll – dem Erzähler oder dem Schrift„führer“, der es als Hand-werker um einiges schwieriger hat als der Mund-Werker, dessen Produkt zum einen Ohr eindringt und ungehindert wieder auswandern kann - aber schon im ersten Satz

Sergej steht vor dem Sprinter, mit der Zigarette im Mundwinkel, im Adidas-Trainingsanzug, Kapuze über dem Kopf, und verteilt ʼne Runde Kippen
erkenn ich nicht die Notwendigkeit eines Kommas in der Aufzählung, die zugleich eine Hierarchisierung der Grade an Gewichtung des jeweiligen „Gutes“ beimisst - „Zigarette“ (sinnigerweise fällt mir „Ernte xy“ ein, wäre Sergej aber ein Viehhirte wäre mein Vorschlag natürlich „Marlboro“ oder ein zürnender Mensch das HB-Männchen),

lieber zigga!

Doch zurück zum ersten Komma

Sergej steht vor dem Sprinter, mit der Zigarette im …
das extrem in Kleistschen Texten zu finden ist und tatsächlich im Theaterwesen „Atem“- bzw. Sprechpausen „diktieren“ sollen und erst sein „Nach“folger
… im Mundwinkel, im Adidas-T… -
ist für eine „klassische“ Aufzählung, die durch Satzzeichen voneinander zu trennen sind.

König nennen wir ihn.
Hm, als Hausname (oder Titel) okay, aber als Spitz-N. empfehl ich Gänsefüßchen ...

… bis vor ʼnem Monat war Rob im Knast, ich weiß auch nicht genau[,] warum, vielleicht Körperverletzung oder BTM.

Hier
Sergejs Nase ist platt und schief, seine Haare blond und kurz rasiert, seine Augen stechend und grün wie die Scherben einer Flasche Bier.
sollte der Schreiber um nacktem Naturalismus vorzubeugen von sich aus den Wechsel von der singulären Nase entweder „seine Haare“ in den durchaus möglichen pluralen Haar(schopf) = „sein Haar“ dem „ist“-Zustand anpassen, dem sich die Augen („das Auge“ ist immer nur eines)

Sergej ist fast zehn Jahre älter als ich, Anfang dreißig. Ich weiß, dass Sergejs Mutter letztes Jahr an Lungenkrebs gestorben ist, und dass ihn seine Freundin vor nicht allzu lang abserviert hat.
Komma weg!

Und in dieser Passage

»Vergisses«, sagt Steffi.
»Du bist meine Göttin«, sage ich grinsend.
»Geh weg«, sagt Steffi.
»Du willst Messer-Pauli«, sage ich.
»Halt die Fresse«, sagt Steffi und schlägt mir mit dem Handrücken gegen den Oberschenkel, den Blick noch aus dem Fenster.
Wird spätestens an Anfang wie Ende klar, wie sehr das Ausrufezeichen eine bedrohte Art ist … wie auch hier
»Laber nicht«, hab ich gesagt.

»Ich weiß nichʼ[,] wie das geht, …[...]aber ich glaub, die schlafen da noch im selben Bett.

»Der soll das noch einmal machen mit dem Licht und ich schlachte ihn auf, ich schwörʼs«, sagt sie mit zugekniffenen, geblendeten Augen.
!

Messer-Pauli steigt als Letzter ein.
Empfehl ich mit Minuskel, weil ich es als den letzten einer Gruppe von „Einsteigern“ sehe

Die wurden zum Loaden eingeteilt und es war halt weng kalt draußen.
¿Weng? Kenn ich nur aus dem Ruhr-Chinesisch

Jemand stellt [vor] Sergej eine Flasche Bier vor ihm auf den Tisch.

Es ist fast, als wird er ein anderer, als könne ich ihn nur noch schlecht erkennen.
Das Spiel mit Konj. I „könne“ mit dem Indikatiefen „wird“ ist m. E. entbehrlich dank der Art des Modalverbes „können“ (abgesehen davon, dass „werden“ selbst als Modalverb genutzt werden kann) und warum nicht schlicht „als erkenn(t)e ich ihn nur noch schlecht.“

Ich bezweifel allerdings, dass eine schlichtere Seele als wir es sind in Konjunktiefen abtaucht.

Sie atmet tief ein. Sie schaut zum Boden.
Ist „Boden“ da nicht zwodeutig, a) auf dem wir feste stehen (dann wäre „zu Boden“ der Standard) oder der Speicher als Boden ...

hier

Sie streicht sich mit dem Zeigefinger über eine Braue, den Blick zum Boden.

aber auch hier gilt „auf zum Boden“ oder „hinab zum Boden“ der auch als „sie blickt hinauf zum Boden“

Der Abschluss schließlich lässt mich drüber nachdenken, an der nach wie vor sehr fragmentierten „Theorie kommunikativen Handelns“ nochmals zu arbeiten von dem beredten Schweigen über die Geste, dem Symbol und seine Wirkung über Generationen hinweg

, wenn ich bei Rot an der Ampel stehe, …
dem Laut und der mehr oder weniger konsequenten Anwendung in seiner jeweiligen Bedeutung und den Begriff. Schau ich mal

Glückwunsch zur Empfehlung!,


Friedel

 

Bester @Friedrichard weit und breit,

vielen Dank dir wie immer fürs "Flusenlesen" - die Kommas sind nachgeschraubt, auch einige der von dir kritisierten sprachlichen Fauxpas - allerdings muss ich natürlich ein wenig darauf schauen, dass das Erzählte zum Erzähler passt, also dass ich mich in den Grenzen der Sprache aufhalte, auch wenn ich glaube ich das sowieso im Text schon an ein paar Stellen aktuell gesprengt habe. Vielen Dank dir!

Servus @Henry K.,

vielen Dank dir für den sehr ausführlichen Kommentar! Ich steige direkt ein:

Habe versucht, es möglichst systematisch und sachlich anzugehen - und mich vielleicht etwas reingesteigert :-D
Haha, ja :D Aber hey, ich sehe daran nichts Negatives

Handlung:


In der Story berichtet ein junger Mann russischer Abstammung, genannt “Rassie/Russland”, von einem Arbeitstag beim Bühnenbau. Noch vor Tagesanbruch trifft er seinen Chef und seine Kollegen auf einem Parkplatz und in einem Van brechen sie gemeinsam zum entfernt gelegenen Arbeitsort auf. Die Gruppe besteht aus verschiedensten Charakteren, deren gemeinsamer Nenner ist, dass sie bis auf zwei Studenten nicht zur Mitte der Gesellschaft gehören.


Bei der Halle, wo die Bühne zu präparieren ist, stossen weitere Kollegen dazu, und gemeinsam mit weiteren Technikern und Bühnenbauern geht es an die Arbeit. Diese verläuft routiniert und reibungslos, wobei einige neben Energy-Drinks auch noch weitere Aufputschmittel benötigen, um bei der Stange zu bleiben.


Nach der Arbeit fahren Teile der Gruppe gemeinsam in ein Hotel, das in einem tristen Industriegebiet liegt. Dort wird offenbar, dass der Erzähler in Steffi, die einzige Frau in der Gruppe, verliebt ist. Allerdings hat er einen Nebenbuhler namens Messer-Pauli und es bleibt unklar, wen von beiden Steffi favorisiert.


Abends wird eine kleine Party in einem Aufenthaltsraum des Hotels abgehalten. Die Situation wird unterbrochen, als die Gruppe erfährt, dass der Vater von Sergej, auch “König” genannt, in Russland verstorben ist. Es kommt zu einem betretenen Moment, der von zwei afrikanischen Flüchtlingen gebrochen wird, die ebenfalls Teil des Arbeitstrupps sind und die zuvor von den anderen mit Misstrauen beäugt wurden. Jetzt sind sie es, die Sergej als erstes ihr Beileid aussprechen. Die anderen schliessen sich an und Sergej kann seiner Trauer, die er, wie jetzt klar wird, den ganzen Tag mit sich herumgetragen hat, freien Lauf lassen und weinen.


Der Erzähler und Steffi verlassen im Anschluss dieser Szene die Gruppe und schliessen sich in einem WC ein, wo sie sich küssen und beginnen auszuziehen. Jedoch unterbrechen beide ihre Annäherung und brechen ebenfalls in Tränen aus. Als sich ihre Stimmung wieder gefangen hat, setzen sie nicht fort, was sie begonnen haben, sondern gehen wieder zur Gruppe.


Zum Ende der Geschichte wird klar, dass der Arbeitstag bereits lange zurückliegt. Der Erzähler berichtet, wie er in verschiedenen Situationen mit Wehmut an den Moment mit Steffi im WC zurückdenkt.

Ja, Alter, 1A Beschreibung :D Schön, dass du es so gelesen hast, wie ich es mir gedacht hatte.

Sprache & Milieu:


Die Erzählung selbst erfolgt in einem nüchternen Berichtsstil im Präsens, der mit Milieu-Elementen gesprenkelt ist. Davon zu unterscheiden ist die Sprache der einzelnen Figuren, die in der sehr häufig verwendeten direkten Rede zum Ausdruck kommt. Dieser Sprech ist eindeutig in Milieusprache gehalten, wobei sich mehrere angrenzende Milieus überlagern:


  1. Milieu der Bühnenbauer (“Stagehands”): “Loaden”, “Cases”, “Rigger”, “Zumbe”, “Moving-Heads”
  2. Milieu der Russlanddeutschen/Deutschrussen: “Bled”, “Rassie”, Sätze/Sprichworte auf Russisch
  3. Milieu der Flüchtlinge und Arbeitsmigranten: Kurze Phrasen wie “All good?” auf Englisch und Zeichensprache
  4. Milieu der linken Studenten (und der bürgerlichen Mitte): “Möchte jemand Asiatisch?”
  5. Milieu der Bodybuilder: “Pumper”, “Stoffen”, “Sustanon ballern”
  6. Milieu von Jugendlichen, mutmasslich nicht aus Akademikerhaushalten: “Russland, du Arschloch. Ich ficke dich …”, “ich schlachte ihn auf”
  7. Milieu von Drogenkonsumenten und Trinkern: “auf Amphe”, “Alki”, Nennung spezifischer Biernamen, praktisch alle Figuren rauchen
  8. Milieu von Verbrechern: “Knast”, “BTM”
  9. Milieu des Niedriglohnsektors und der Arbeiterklasse allgemein: “Fuffi bar Kralle”, “Kriegst schon früh genug Schaffe”, “Wir gehen vier, fünf Tage auf Job”
  10. Milieu von Rock & Metal: Burzum-/Rammstein-Logos
Ich sag dir wie es ist, ich dachte einen langen Moment, nachdem ich den Komm zum ersten Mal gelesen habe, dass das eine KI geschrieben hätte haha :D Also, du hast dir echt viel Mühe gegeben, und den Text wirklich ins Haar auseinandergefädelt, vielen Dank dafür

Den einzelnen (Sprach)Milieus ist gemeinsam, dass sie von einem niedrigeren Bildungsniveau künden bzw. dass sie wenig formell, sondern umgangssprachlich-roh sind (mit Ausnahme des Studenten, der sich in der für ihn neuen Umgebung gemäss der Konventionen der Mittelschicht mit Beleidigungen, Witzen und Kommunikation generell zurückhält – wofür er von den Figuren, die in dem beschriebenen Milieu zuhause sind, gefoppt wird).
Richtig!

Speedmaster (sic, wahrscheinlich gemeint Speedstar)
Haha, ja, du hast Recht ... das heißt echt Speedstar

Dazu kommen prominente (Band)Namen, die hier auch als Marke zu lesen sind: The Rock, Burzum, Rammstein (zwei Mal, als Tattoo des einen Bodybuilders und auf dem Pulli von Steffi, was ihre Milieus verschränkt), Michael Wendler … Die beiden Bands und Michael Wendler weisen einige Figuren tendenziell dem politisch rechten Spektrum zu, was wiederum dazu passt, dass sowohl der linke Student, als auch die afrikanischen Flüchtlinge sowie der Albaner der Gruppe mehr oder weniger klar ausgegrenzt werden (der Albaner wird nach seiner Einführung wieder aus der Story herausgeschnitten).
Ja, kann man so lesen, du hast Recht. Wobei ich das nicht so gemeint habe und ich glaube, wenn man Leute so verurteilen würde, die das hören, Ausnahme ist Burzum, unrecht tun würde, denke ich. Also, es gibt eine Menge Leute, die Wendler hören, aber keine Ahnung von seinem Telegram-Channel haben

Wenn man nur einen Blick auf diese beiden Marken-/Namen-Auflistungen wirft, so hat man bereits eine stichhaltige Milieu-Eingrenzung bei der Hand und kann sich ein recht gutes Bild der Figuren sowie der Umgebung machen.
Super!

Welchen grossen Wert als Identifikationsmerkmal Marken innerhalb der beschriebenen Milieus spielen, zeigen die vom Text bewusst vorgenommen Unterscheidungen: So ist es dem Erzähler wichtig zu berichten, dass er einen Speedmaster-Energy-Drink trinkt, während drei andere Figuren Monster gewählt haben. Das macht die Marke Monster zum Standard im Gesamt-Milieu und der Erzähler weicht von diesem Standard ab.
Monster ist auch einfach teurer! Und ich wollte den Erzähler so zeichnen, dass er nicht versteht, weswegen er jetzt 65ct mehr ausgeben soll für den gleichen Geschmack

Der Erzähler ist einerseits voll im von ihm beschriebenen Milieu zu Hause. Nicht nur verwendet er in seinem Bericht souverän technische Fachbegriffe, er beherrscht auch den Slang, um mit den anderen Figuren in ihrer Sprache zu reden. So redet er mit Sergej, dem anderen Russischsprechenden, teilweise auf Russisch, und mit Steffi kommuniziert er viel über derbe, scherzhaft gemeinte Beleidigungen, wie es einige Jugendliche häufig tun, um ihre Unsicherheit und ihre mangelnde Welterfahrung zu überspielen. Auch sein übriges Verhalten zeugt von Selbstsicherheit im Milieu der anderen. Beispiel:


Ich spucke auf den Boden. »Nachui«, sage ich. »Sollen wir jetzt alle auf den warten?«

Schön, dass es so rübergekommen ist

Ein anderes Beispiel ist seine Anekdote über einen Job für die Sängerin Nena. Dass er sie zum Besten gibt, zeigt seinen Status in der Gruppe: Er wagt es, für einen relativ langen Moment die ganze Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und beweist den anderen durch den Inhalt der Anekdote seine Erfahrung auf dem gemeinsamen Feld.
Stimmt ja, du hast Recht

Offen bleibt indes, ob sich der Erzähler in Wahrheit verstellt, wenn er die milieu-typischen Verhaltensweisen an den Tag legt. Wie sein Bericht des Tages (also die Story selbst), insbesondere der Teil zum Ende hin, zeigt, ist er sehr wohl zu Selbstreflektion, Zugewandtheit ohne Bruch durch Ironie und einer gehobenen Sprache fähig. Auch inhaltlich dreht sich dieser letzte Teil der Story darum, dass er selbst und andere Figuren (Steffi und Sergej) weiche, im Milieu nicht sanktionierte Seiten von sich unterdrücken. Ein Rückblick in die Kindheit des Erzählers, wo er davon berichtet, dass man bei ihm zu Hause nicht weinen durfte, unterstreicht diese These.
Verstellen - ja du hast Recht, das kann man rauslesen. Vllt kicke ich die "gehobene" Sprache zum Ende hin raus - das ist irgendwie ein Bruch mit der Erzählstimme, da kommt zu sehr ein Anteil von mir durch. Aber ja, mir ging es darum, also der Turn sollte sein, dass es eine Situation gibt, wo die harte Schale wegknackt, wo sichtbar wird, was sich unter ihren Verdeckungen verbirgt

Andererseits brechen auch in der Sprache seines Berichts Milieu-Elemente durch. So wählt der Erzähler beispielsweise den Ausdruck “fressen”, wenn er von seinen häufigen Mahlzeiten bei Fast-Food-Restaurants spricht. Das zeigt, dass er auch in der Gegenwart noch mit dem Milieu von damals verbunden ist - oder dass er dieses Milieu ansprechen will. In diesem Fall käme die Story einem Outing gleich, schliesslich handelt sie von tabuisierten, gefühlsbetonten Verhaltensweisen wie Weinen.
Ja genau, so meinte ich es

So oder so ist es vor dem beschriebenen Hintergrund am wahrscheinlichsten, dass der Erzähler einen Reifeprozess durchlebt hat, der noch nicht abgeschlossen ist. Er scheint aus dem Milieu zu stammen, von dem der Hauptteil der Story handelt, scheint dieses Milieu aber – durch Bildung und gewonnene Welterfahrung – ein gutes Stück weit hinter sich gelassen zu haben.
Stimmt, kann man so lesen! So hart hatte ich es nicht durchdacht haha. Ja, mal sehen, ich glaube, dass ich den letzten Teil schrotten werde, also den letzten Absatz

Es ist in Hinblick auf die Bewertung der Story wichtig, genau zwischen literarischen Konflikten der Figuren und ihren geschilderten Problemen sozialer und persönlicher Natur zu unterscheiden. So hat beispielsweise die Figur Messer-Pauli problematische Lebensumstände sowie eine auffällige Persönlichkeit; er hat aber innerhalb der Story keinen Konflikt. Auch die beiden afrikanischen Flüchtlinge haben/hatten schwere Anpassungsprobleme, müssen aber keine Probleme lösen. Dasselbe gilt mit winzigen Abstrichen für alle Figuren ausser dem Erzähler.
Da hast du Recht, ja

(Eventuell kann man Sergej einen Konflikt innerhalb des Plots attestieren, wobei die Story dieser Figur in keinster Weise folgt, wodurch er bis zur Enthüllung, dass sein Vater verstorben ist, lediglich als missmutige und sich zurücknehmende Figur erscheint. Daneben hätte – so wie die Story derzeit ist – vor allem der Student das Potenzial, einen Konflikt auszutragen, aber diese literarische Möglichkeit bleibt ungenutzt: Er wird zwar anfangs als Aussenseiterfigur präsentiert, findet jedoch schnell einen Platz, der ihm genug Schutz und Ruhe vor den neuen Umständen sichert, um diesen leisen Anfangskonflikt direkt zu lösen.)
Ja, den hätte ich noch mehr ausreizen können, du hast Recht. Evtl schraube ich hier noch

Noch einmal zusammenfassend: Alle Figuren sind durch ihren sozialen Stand und die geschilderte Arbeit im Niedriglohnsektor in einer mehr oder weniger prekären Lage. Dazu kommen die physisch belastenden und auch sonst unangenehmen Arbeitsumstände (früh Aufstehen, schmuckloses Hotel usw.). Konflikte durchleben sie indes, bis auf den Erzähler, nicht. Im Gegenteil: Zumindest die routinierten “Stagehands” bewegen sich in der Situation wie Fische im Wasser und haben Mittel und Wege gefunden, möglichst reibungslos zu bestehen.
Ja stimmt!
Zu Konflikten: Da habe ich natürlich etwas "gewagt". Also, mir war schon klar, dass ich jetzt nicht mit einem Konflikt starte und der zum Ende hin gelöst wird, sondern dass das subtiler, langsamer, ruhiger vor sich geht. Solange das Interesse oben bleibt beim Leser, was ich schlecht einschätzen konnte/kann, ist das in Ordnung für mich. Ich glaube für mich als Leser wäre das ok, weil ich die Welt interessant fände, und es ist ja schon zu Beginn irgendwie Sprengstoff riechbar, würde ich sagen, aber ich kann mich natürlich irren, das müsst ihr mir feedbacken

Figuren allgemein:


Trotz ihrer überschaubaren Länge wimmelt die Story von Figuren. Mindesten 20 Personen tauchen auf, einige ohne wirkliche Rolle. Dies sorgte einerseits dafür, dass die Welt der “Stagehands” prall gefüllt ist, sodass der Leser einen Eindruck der Mannigfaltigkeit der Charaktere erhält, die sich in ihr herumtreiben. Andererseits verwässert diese Figurenfülle die Handlung, denn auch wenn die Story dem Erzähler folgt, so wechselt rein sprachlich-grammatikalisch andauernd der Agens bzw. das Subjekt/Objekt, von dem die Rede ist. Mal tut die eine Figur dies, dann sagt die andere über jene das, dann wieder wird auf die Sachebene gewechselt und eine Szenerie beschrieben, beispielsweise hier:

Ja das stimmt!

Diese Erzählweise macht es dem Leser extrem schwer, einen roten Faden zu finden und die Geschichte vor dem inneren Auge ablaufen zu lassen, schliesslich muss er sich permanent neue Figuren oder Dinge in den Positionen Subjekt/Objekt vorstellen. Dies wäre anders, wenn der Plot der Story konsequent auf den Erzähler bezogen wäre, indem sie seinen Handlungen folgt. In diesem Fall könnte sich der Leser anfangs an dessen Fersen als Agens heften und dort dann bleiben.
Ja, ist eine Idee

Dass der Erzähler nur ein schwaches Bindeglied zwischen den anderen Figuren bzw. in Hinblick auf die Handlung ist, liegt auch daran, dass er relativ wenig tut. Man erlebt ihn also nicht “durch die Tat”, bestehen seine Handlungen doch zu einem grossen Stück lediglich aus verbalen Äusserungen (“ich sage”, “ich erzähle” …) sowie aus Beobachtungen und anderen Sinneswahrnehmungen:

  • 12 Mal “sehe ich” o. Ä.
  • 1 Mal “ich ihn ansehe”
  • 7 Mal wird dem Erzähler ein Blick geworfen oder er registriert einen Blick
  • 10 Mal “schaue ich”
  • 3 Mal “ich höre”
  • 2 Mal Wort “Augenblick”
  • 6 Mal Beschreibung von Augen
Dazu spielt das Weinen eine zentrale Rolle (4 Mal “weinen”, 1 Mal “heulen”), das ja ebenfalls die Augen betrifft und ebenfalls keine Handlung im klassischen Sinne ist.
Kann ich nicht ganz zustimmen - also würde er jetzt nur zuhause sitzen oder auf einer Parkbank und beobachten, wäre er handlungsarm. Aber hier macht er doch eine Menge, zumindest in meiner Auffassung, es ist halt sein Arbeitsalltag. Weinen ist mit Sicherheit auch eine Tätigkeit, sie ist ja ein emotionaler Ausnahmezustand. Also ich glaube, ich weiß, welchen Punkt du im Auge hast, ich glaube, du wünschst dir mehr Stringenz, dass es die eine Handlung gibt, die er verfolgt, ich denke, dir sind die Nebelkerzen links und rechts zu irreführend am Text

Problematisch für Lesefluss und Textverständnis ist auch die Verwendung von zwei Namen für viele Figuren; einerseits erfährt man ihren “echten” Namen und dann noch einen Spitznamen. Macht es diese Doppelung eh schon schwer, die Figuren zuzuordnen, so wird dies durch die Inkonsequenz in der Verwendung noch verstärkt.
Das stimmt! Ändere ich vllt
Einerseits ist das real so, andererseits sollte das die Zwiegespaltenheit der Figuren zeigen, die äußere Schale und das innere Selbst, zum Schluss zeigt sich ihr weicher Anteil ja, den sie zu verdeckt versucht haben

Zwei Studenten stehen noch mit den Händen in den Pullitaschen auf dem dunklen Kundenparkplatz von REWE und sehen rüber zu mir, wie ich mit meinem Rucksack um die Schulter entlang gelaufen komme.


Dann heisst es:


Auf der Mittelbank döst ein Mittvierziger der Alki-Fraktion: blonde, lange Dreadlocks, dreckige Finger.

Letzterer ist ne andere Figut!

Aber ja, viele Figuren :D

Auch der Student könnte noch stärker von der eingespielten Truppe abgegrenzt werden. Es könnte zu kleinen Tauglichkeitsproben kommen, sodass er dann – anders als die Afrikaner – doch irgendwie schnell integriert wird.
Gute Idee!

n könnte noch den Afrikanern mehr Raum geben – sie müssten dann stärker ausserhalb der Gruppe stehen, alleine exotischen Kram essen usw. Das würde die Trauerszene extrem verstärken. Der Student könnte anfangs versuchen, mit ihnen zu bonden, aber abblitzen.
Auch gute Idee!

Ja, vielen herzlichen Dank für deinen Input und deine Einschätzungen! Ich muss mal schauen, wie und ob ich an dem Teil noch was schraube bzw. grundlegend umstelle. Es stimmt, die zwei Schwachpunkte der Story sind a) viele Figuren und b) unklarer, womöglich später Konflikt. Ich glaube, ich muss das Teil in nem halben Jahr noch mal ansehen, oft hab ich dann einen neutraleren Blick und weiß, was mir gefällt und was nicht. Grundsätzlich sehe ich das gerade so, dass ich auf jeden Fall zu tief im Jungle bin und nichts neutral einschätzen kann! :D, aber ich sehe das gerade so, ja, der Leser wird mit den vielen Figuren herausgefordert, ABER, und vllt ist das dumm oder ich versuche gerade ein wenig zu verteidigen, wenn man als Außenstehender, Neuer auf so einen Job fahren würde, wäre man überfordert! Viele Namen, viele Gesichter, man würde so peu a peu reinkommen. Vllt sollte man so was in Literatur nicht machen, eigentlich predige ich das gelegentlich, aber gerade finde ich es so gut, gerade mit dem Gefühl der Überforderung, aber es ist ja auch ein Text, der funktionieren muss, du siehst, ich bin völlig unschlüssig und gerade überfordert!

Also danke dir für deine sehr tiefe, sehr gute Analyse!

Beste Grüße
zigga

 

Moin @zigga,

ist ja schon einiges über den Text geschrieben worden, allerdings möchte ich dir mein Gefühl schildern, das ich direkt nach dem Lesen habe: Ich war in einer anderen Welt unterwegs, hab diese Welt riechen, schmecken und fühlen können und das ist so ganz anders als mein normaler Alltag und gerade deshalb hat das einen erstaunlichen Sog erzeugt. Ich wollte mehr darüber wissen, über die Personen, die Hintergründe und wie sie durchs Leben gehen. Und ich hatte auch nicht den Eindruck, dass es zu viele Namen waren oder dass der Text auf der Stelle tritt und nicht vorankommt, stattdessen war das wie eine Musikimprovisation, die mich überrascht und neue Erlebnisse für mich bereithält. Wollte da gar nicht aufhören zu lesen und Roman trifft es da gut, würde ich verschlingen. Gerade weil du einerseits einen eigenen Sound hast, der wirklich zur Welt passt und andererseits finde ich es glaubwürdig, das liegt an den Beschreibungen, den Fachwörtern wie beispielsweise Trassen und auch den Dialogen, die sich für mich echt lesen. Bin froh, dass @Carlo Zwei den Text empfohlen hat, hat mich abgeholt und auch berührt. Spannend finde ich auch die Kontraste: Ein Leitmotiv sind die Zigaretten und das Nikotin und das andere Motiv ist das Weinen, die Tränen. Das funktioniert, gibt deinen Figuren eine Mehrdimensionalität und ich finde es schwierig zu sagen, weshalb das so klappt, aber ich glaube es ist dieser Widerspruch, dieser Bruch mit Stereotypen. Hat mir gut gefallen. Zudem hatte ich auch den Eindruck, dass die Art der Zigaretten schon auch eine Charakterisierung der Figuren darstellt. Habe selbst keine Ahnung von Zigarettenmarken, aber habe mir die Mühe gemacht, Jin Ling zu googeln und finde es da faszinierend, dass es da oft Fälschungen gibt, die unter sehr schlechten Produktionsbedingungen hergestellt werden und häufig Rattenkot und weitere Schadstoffe enthalten können. Schön, wie sich da eine weitere Ebene entfaltet und mich als Leser belohnt oder zumindest hatte ich diesen Leseeindruck. Hammer!

Sergej steht vor dem Sprinter, mit der Zigarette im Mundwinkel, im Adidas-Trainingsanzug, Kapuze über dem Kopf, und verteilt ʼne Runde Kippen. König nennen wir ihn.
Bin gut in den Text gekommen und finde es gelungen, dass dieser Sound den ganzen Text über beibehalten wird.
Neben ihnen steht der Alte, den wir hinter seinem Rücken Zange nennen, Rob, der keinen Spitznamen hat, vielleicht weil er schwarz ist oder weil niemandem was Dummes eingefallen ist; bis vor ʼnem Monat war Rob im Knast, ich weiß auch nicht genau warum, vielleicht Körperverletzung oder BTM.
Ich kaufe das dem Erzähler ab, ich vertraue ihm und das liegt an seinem Sound, an seiner Bewertung, die bei einer Figur mit einer anderen Wahrnehmung ganz anders ausfallen würde. Das macht die Perspektive interessant und lesenswert für mich.

Über Robs rechter Augenbraue steht in klobigen Buchstaben tätowiert: T R U S T
Fehlt hier ein Punkt hinter Trust?
Wir gehen vier, fünf Tage auf Job. Den Rest hab ich frei. Wir arbeiten als Bühnenbauer, als Stagehands. Das heißt, wir fahren quer durchs Land, auf Messen, Konzerte und bauen Ton, Licht, Videoleinwände und Bühnendeko auf, manchmal stehen wir für ʼnen Fuffi bar Kralle vom Veranstalter auch ein bisschen Security.
Spannend! Das ist was ganz eigenes, habe ich so vorher noch nicht gelesen und sorgt automatisch für Interesse.
»Du willst Messer-Pauli«, sage ich.
»Halt die Fresse«, sagt Steffi und schlägt mir mit dem Handrücken gegen den Oberschenkel, den Blick noch aus dem Fenster. Von allen Kollegen ist Messer-Pauli der seltsamste.
Mir gefällt wie dein Text fließt, die Übergänge sind gelungen und das meinte ich weiter oben mit der Musikimprovisation, das eine geht in das andere über und erzeugt einen richtig guten Lesefluss.

Er setzt sich vor mich, streift sich mit beiden Händen über den Kopf, bis hinter zum Man Bun.
Ich habe auch klare Bilder vor Augen, kann die Figuren anhand ihres Aussehens unterscheiden, was es mir ermöglicht hat mich gut auf die vielen Charaktere einzulassen.
Ich zünde mir eine Gestopfte an. Steffi eine Selbstgedrehte. Zange raucht braune Zigarillos.
Hier wieder die Unterscheidung und auch eine Charakterisierung, wenn ich das richtig lese.
Wir loaden den Truck aus. Schwarze, fette Cases auf Rädern. Wir rollen das Case die Rampe runter, Steffi links, ich rechts.
Ich finde es passend, dass er die englischen Wörter verwendet, das passt zu seiner Denkweise, zu seinem Vokabular und zählt auch darauf ein, dass ich den Erzähler als glaubwürdig wahrnehme.

Der Schwarze trägt seinen roten PSA-Helm nach Vorschrift. Aus unserer und der Coburg-Crew trägt von uns bis auf die Rigger niemand Helm.
Mir gefällt, wie du durch diese Unterschiede die Figuren deutlicher zeichnest, sie voneinander abgrenzt und ich mir als Leser meine eigene Schlussfolgerung bezüglich ihrer Persönlichkeit ziehen kann. Das schaue ich mir ab, gefällt mir richtig gut.
Es ist hell draußen. Der Himmel eisblau. Im Sonnenschein ist es richtig warm.
Hier bin kurz gestolpert, weil ich eisblau und warm nicht so zusammenbekommen habe.
Der Student mit den Dreadlocks ist ruhig und schüchtern, deswegen wird er natürlich gestichelt. Er raucht eine Jin Ling-Zigarette.
Klar wird er gestichelt und er raucht Jin Ling, interessant. Dieser Detailreichtum ist ein großes Plus in dem Text.
Gegen zwölf sind wir mit dem Licht fertig.
Die Techniker ziehen die Trassen mit den Motoren hoch an die Hallendecke.
Das meinte ich weiter oben mit den Fachwörtern, die für Glaubwürdigkeit sorgen.
Das Auto schaukelt bei jedem Schlagloch.
Ich erlebe diese Welt mit meinen Sinnen, lese so etwas gerne.
Sie riechen nach Parfum.
Hier habe ich mich gewundert, dass du das Parfum nicht spezifizierst, weil ja sonst immer Marken und Details verwendet werden.

Zange steht im Aufenthaltsraum hinter der Rezeption an einem Metallstehtisch, nippt an einem Heineken und zieht an seinem Zigarillo. Hinter ihm hängt das Nicht-Rauchen-Schild.

Ich stecke mir eine Kippe an. Es ist Herbst. Vorhin hat es geregnet. Der Himmel ist grau und vor mir ist eine Bundesstraße. Es riecht nach Autoabgasen und Regen. Gegenüber ist der Parkplatz einer der vielen geduckten Industriekomplexe. Die Zäune sind hoch. Ich rauche. Da ist ein Druck auf meiner Brust; ich schaue auf meine Hände: Lange, dünne Finger habe ich und vom Zumbe-Kleben auf den Moving Heads sind meine Handflächen schwarz verschmiert.
Kommt richtig Atmosphäre auf und ich habe Empathie mit deiner Figur, er ist mir ganz nah und ich mag ihn.

Ich schaue in den Raum und niemand bewegt sich; alle sitzen wie eingefroren da und sehen zu König. Sergej König steht in der Tür. Er schaut uns an, aber bewegt sich nicht. Er sagt nichts. Er steht gerade da; sein drahtiger Körper. Ich merke, wie dieser Moment sich ausdehnt; wie aus einer Sekunde eine Minute wird, wie jeder Bruchteil eine Bedeutung, eine Schwere bekommt. Meine Ohren knistern.
Schöne Technik, dass du die Zeit ausdehnst, das haut richtig rein bei mir. Stark!

Steffi dreht sich um und ruft zu Zange: »Mach mal aus!«
Zange dreht Wendler leise.
Im Hintergrund spielt Wendler.
Mich wundert, dass sie nur leiser drehen, wenn sie doch sagt, dass ausgemacht werden soll. Und später läuft dann im Hintergrund Wendler.

Jemand stellt Sergej eine Flasche Bier vor ihm auf den Tisch. Sergej heult, das Gesicht aufgedunsen, die kurzrasierten Haare, das Spinnennetz-Tattoo auf seiner Hand; da dringt etwas seltsam Weiches aus den Konturen seines Gesichts hervor, etwas, das ich bei ihm so noch nie gesehen habe. Es ist fast, als wird er ein anderer, als könne ich ihn nur noch schlecht erkennen.
Auch hier wieder die Technik des Kontrastierens: Das Spinnennetz-Tatoo und die Tränen. Ja, das fesselt mich.

Insgesamt ein Text, der mich noch weiter beschäftigen wird und die Empfehlung sehe ich als absolut verdient an.

Beste Grüße
MRG

 

Hallo @MRG,

und vielen lieben Dank fürs Lesen und Kommentieren. Dein Kommentar hat mich natürlich sehr gefreut, der geht runter wie Öl und pusht mich wie Soma! :D Nein, freut mich einfach, dass der Text so auf dich gewirkt hat und du ihn gerne gelesen hast. Mir fällt es zur Zeit ein wenig schwer, zu schreiben und dran zu bleiben, auch wenn ich das möchte, das ist das berühmte lack of motivation, wahrscheinlich sitze ich zu viel allein am Rechner oder wieso auch immer, aber wenn ich lese, dass jemandem das gefällt, motiviert mich das und hat einen belebenden Impact auf mich. Also schon mal dafür dankeschön. Also ich würde das fast so stehen lassen, ich hoffe, das wirkt nicht undankbar, wenn meine Antwort so kurz ausfällt, so ist es nicht gemeint. Du analysierst meine Story einfach sehr schön und gekonnt, ich kann alles unterschreiben, was du schreibst, es ist immer wieder interessant zu sehen, wie andere die eigenen Stories lesen und es freut mich natürlich, wenn jemand das genaus so liest, wie ich es gemeint habe, und jemand da auch eine positive Lesezeit hatte und genauso Bock auf dieses Mikrouniversum, das Sujet hat, wie ich es habe. Freut mich auch, dass du schreibst, das als Roman würdest du verschlingen. Ich haue ja auch Stories hier raus, wie wahrscheinlich jeder, um so anzutesten, was kommt bei gewissen Leuten gut an, wo könnte man was Längeres draus machen. Da hab ich auf jeden Fall auch ein Faible für dieses Universum, irgendwo hat dieses Lowlife auch etwas Abenteuerliches, eine gewisse Freiheit. Also, auch chapeau an deine Analyse, das setzt ebenso einiges an Wissen und Sprachgefühl voraus. Wir lesen uns!

Beste Grüße
zigga

 

Lieber @zigga ,

ich zähle mich ja zu deinen sozusagen Fans, denn meist, so meine Erfahrung, liegen mir deine Geschichten sehr. Klar, dass ich unbedingt, nach meiner etwas längeren Untätigkeit hier bei den Wortkriegern, endlich diese Geschichte lesen musste.
Ich kann die Empfehlung, zu der ich dich nachträglich herzlich beglückwünsche, nur zu gut nachvollziehen. In deiner Geschichte spürte ich einen Sog, dass ich unbedingt weiterlesen mochte und nicht, weil du es so spannend gemacht hast und ich unbedingt erfahren wollte, wie es weitergeht, sondern weil du eine seltsam abgedriftete Stimmung erzeugst, in der ich noch eine Weile sein mochte, weil so fremdartig und du mir das Gefühl vermittelt hast, dass ich jetzt dabei sein darf, um ein wenig mehr von dieser Welt zu erfahren, zu erleben. Irgendwie so eine letzte Chance, jetzt etwas miterleben zu dürfen, was später dann mir verschlossen sein wird. Klingt irgendwie blöd, wie ich es beschreibe, weiß ich, aber so sind meine Gedanken im Moment dazu. Vielleicht kannst du ja trotzdem damit etwas anfangen.

Ich bin beeindruckt, wie sehr du Atmosphäre zu erschaffen vermagst und wünschte, mir gelänge wenigstens ein Stück davon auch in meinen Geschichten. Das ist eine deiner Stärken, dass du deine Figuren immer einbettest in ihre Welt. Auch hier empfinde ich es wie einen Film noir, aber mir kommt auch noch ein anderer Gedanke, wenn ich an Filme denke: Die Verfilmung von Sven Regeners Roman Magical Mystery oder: die Rückkehr des Karl Schmidt wäre ein Beispiel.
Auch, wenn der Film zum Teil einfach eine wunderbare Satire ist und ich reichlich lachen musste, ist aber eine Gemeinsamkeit, die ich bei diesem Film und deiner Story entdecke: Diese Figuren, die eigentlich stets am Limit leben, kurz davor sind, wegzukippen ins Koma, ob nun wegen des Alkohols oder der Drogen, die eigentlich in jedem Moment explodieren könnten, weil sie ihre Eigenheiten nur höchst mühsam unterm Deckel halten können. Da schwebt eine Art von Irrsinn über allem und der Gefahr, dass man eben nicht im Voraus erkennen kann, wann da etwas aus den Figuren herausbrechen und sich Bahn verschaffen wird.
In deiner Geschichte geht es ein Stück weiter, da läuft auch immer noch eine Art Gefahr mit. Man ahnt als Leser, dass manche deiner Figuren sich nur so verhalten und gebremst aufführen, weil sie wissen, dass sie in Gefahr sind, wenn sie sich nicht gegenüber den anderen zurücknehmen. Latent schwebt über allen diese Möglichkeit, dass einer der Beteiligten komplett ausrastet und gewalttätig wird. Und zwar nicht, weil sich zwischenen deinen Figuren die Aggression hochschaukelt, sondern weil in diesen Figuren etwas festgehalten ist, dass nur des passenden Triggers bedarf, um von der Leine gelassen zu werden.
Das macht deinen Text so dicht und faszinierend für mich, dass du diese Stimmung erzeugst. Für mich bist du der Meister der Erzeugung von düsterer Atmosphäre.

Was mich ebenfalls beeindruckt hat, ist wie du die Liebesgeschichte angehst. Zunächst dieses verbal aufeinander Losgehen der beiden und man ahnt zwischen den Zeilen, dass das ihre besondere Art der Beachtung/Zuwendung ist. Aber du hältst es noch eine ganze wohl dosiert lange Weile in er Schwebe. Erst als dein Protogonist eifersüchtig reagiert, wird klar, dass er einen Narren an Steffi gefressen hat und da viel mehr ist als nur Kameradschaft bei der Arbeit zwischen den beiden.
Diese Wendung, dass der Tod von Sergejs Vater die beiden aufweicht und ihnen Raum gibt, sentimental zu sein, Emotionen rauszulassen und gleichsam sich auch gegenseitig voreinander zu öffnen, ist gut ausgedacht. Ich denke immer viel braver direkt, wenn ich eine Liebesbeziehung schildern sollte, und bewundere daher, wie geschickt du die Figuren agieren lässt und daraus eine Liebesbeziehung herstellst. Das schüchtert mich fast ein wenig ein, wie gut du das aufbaust und zwischen den beiden zum Ausbruch bringst.
Für mich ist diese Geschichte insoweit auch ein Lehrstück darüber, wie man Liebe, Verliebtheit darstellen kann.

seine Augen stechend und grün wie die Scherben einer Flasche Bier.
Toller Satz.
König nennen wir ihn.
Ich habe das als Zitat rauskopiert, weil ich mich gefragt habe, ob es bei der Figur von Sergej dieses Spitznamens bedurfte. Er wirkt für sich als sehr starke Persönlichkeit und da bringt sein Spitzname keine zusätzliche Wichtigkeit hervor. Du wechselst auch innerhalb der Geschichte immer mal zwischen König und Sergej hin und her und ich konnte nicht erkennen, ob das eine Bedeutung hatte bis auf die, dass du nicht immerzu den Namen wiederholen wolltest. Also quasi nur zur Abwechselung.
Vielleicht übersehe ich einen tieferen Hintergedanken? Aber mein Vorschlag wäre eigentlich der, dass du bei Sergej bleibst, der ist stark genug.

Vielleicht auch an dieser Stelle noch eine kleine Kritik: Im ersten Teil der Geschichte führst du quasi alle Figuren ein und ich hatte etwas Probleme, mir all die unterschiedlichen Akteure zu merken bzw. sie voneinander zu unterscheiden. Ich habe keinen Verbesserungsvorschlag parat, wie man es eleganter lösen kann.
In dem Film Magical Mystery kommt die sog. Truppe nach und nach zusammen, quasi werden sie eingesammelt und das benötigt etwas Zeit bis sie alle im Bus sitzen. Vielleicht wäre es eine Idee, hier dies ähnlich zu gestalten und damit den einzelnen Figuren etwas mehr Raum zu geben, um sie kennenzulernen. Aber das ist jetzt für dich unter Umständen auch nicht sehr hilfreich.
Ich weiß, es ist immer irre leicht, zu kritisieren, ohne konkrete Angebote zu machen, wie man es ändern könnte.

Sergej ist fast zehn Jahre älter als ich, Anfang dreißig.
Ich habe mich gefragt, ob ich das wissen muss. Ich denke eher nicht.
»Hast du nichts Besseres zu sagen«, sagt sie,
Guter Dialogsatz.
»Wir lieben uns«, sage ich grinsend, drücke die Dose ein und trinke ʼnen Schluck. »Du und ich. Isʼ nur noch nichʼ bis zu dir durchgekommen.«
Klasse formuliert. Schön flapsig.
»Ich weiß nichʼ wie das geht, aber ich glaub, die schlafen da noch im selben Bett. Da gabʼs nur ein Schlafzimmer, als ich dort war. Und zwei Decken, zwei Kissen.«
Super gemacht. Mit dieser Info schaffst du es, dass man als Leser zum Mitgeheimnisträger wird. Man ist sofort mit im Boot.
»Russland, du Arschloch. Ich ficke dich, wenn du das erzählst. Ich ficke dich in jedem Bestandteil. Ich ficke deine ganze Sippe und deine ganze saudumme slawinistische Kultur. Mit euren beschissenen Jogginganzügen.
Gute Sätze. Erfrischender Dialog, also hier kleiner Monolog natürlich. Aber ja eingebettet in einen Dialog.
Messer-Pauli steigt als Letzter ein.
Den Satz würde ich streichen. Der Leser braucht ihn nicht.
Als wir auf die Straße biegen, schlägt Faxe mit der flachen Hand und aller Kraft dreimal aufs Lenkrad. Keiner sagt was, und erst, als wir ein ganzes Stück auf der Autobahn sind, ist der Schock vergessen.
Wieso jetzt die Insassen sich in einem Schockzustand befinden, kann ich nicht nachvollziehen.
Die Autobahn zieht an uns vorbei.
Etwas ungenau. Wie wär es, wenn die Leitplanken vorbei ziehen?
»Der soll das noch einmal machen mit dem Licht und ich schlachte ihn auf, ich schwörʼs«, sagt sie mit zugekniffenen, geblendeten Augen.
Super Dialog wieder. Ich mag diesen ironischen Blick auf sie. Sie macht einen auf Powerfrau und man spürt, da steht ziemlich wenig dahinter, wenn es drauf ankommt.
es war halt weng kalt draußen.
? weng
. Schwarze, fette Cases auf Rädern. Wir rollen das Case die Rampe runter,
Wir rollen "das Case" , ich würde vom Gefühl her "Cases" nehmen, weil es ja einige Cases sind, die sie bewegen müssen.

Übrigens, das füge ich hier mal ein, finde ich die Fachsprache ganz sinnig eingesetzt, sie suggeriert dem Leser, dass man mitten in dem Arbeitsvorgang steckt. Über Berufe zu schreiben, sagte schon Stephen King, ist immer interessant.

Der alte, intellektuelle Alki sagt: »Bloß mit dem Schnauzbart unter den Achseln.«
Alle lachen.
Witzig.
»Ist ja gut«, sage ich. Ich hebe die Hände. »Zdes nikto ne khochet nikogo ubivat«, sage ich, was so viel heißt wie: »Niemand will hier jemanden umbringen.«
Ich glaube, man könnte die Übersetzung auch weglassen, denn da er vorher die Hände hebt, ist es irgendetwas Entschuldigendes, Beschwichtigendes, was er sagt. Ich habe sämtliche Kritiken, die du bisher erhalten hast, nicht gelesen, vielleicht gibt es hier bereits eine Fraktion, die es stehenlassen möchte und eine andere, der ich angehöre. Es ist aber, ehrlich gesagt, reinste Geschmackssache.
Sustanon in die Backen.
Das musste ich erstmal googeln. Hab irgendwo gelesen, dass man es nur alle paar Wochen spritzen soll.
Bob Marley dreht sich zur Rückbank, er sagt, langsam und laut: »Möchte jemand Asiatisch?«
Steffi wirft mir einen Blick zu, ich grinse und weiß, dass wir uns nachher darüber lustig machen werden, dass wir vor Lachen brüllen werden.
So ganz klar ist mir nicht, weshalb "Asisatisch" zum Lacherfolg führen wird.
Im Nebenraum steht Messer-Pauli mit Kö an einem Billard-Tisch. Steffi steht neben ihm. Das gibt mir den Rest. Ich spüre es in diesem Augenblick.
Er ist einen Tick zu schnell in diesem Modus. Vielleicht sollte sie noch etwas tun, z.B. Messer-Pauli so einen tiefen Blick zuwerfen oder über etwas herzlich lachen, was er sagt oder so, bevor seine Eifersucht ausbricht?
Und ich würde entweder "Ich spüre es in diesem Augenblick" streichen oder so integrieren:
Das gibt mir in diesem Augenblick den Rest.
Bei mir war das so. Wenn du zuhause geweint hast, warst du schwul. Die einzigen, die geheult haben, waren Kinder, Frauen und Schwule. Wenn du ein Mann warst, und geheult hast, dachten die Nachbarn im Genossenschaftsbau, du bist ein Schwuler. Und so wurdest du anschließend behandelt: Wie ein Schwuler. Bis du gezeigt hast, dass du kein Schwuler warst. Das heißt, bis du demjenigen, der meinte, dich heulen gesehen zu haben, die Fresse poliert hast.
Ein Absatz, der etwas dazwischengeschoben wirkt und trotzdem, so meine Vermutung, die Vorbereitung für das Weinen sein soll, dass dann Sergej heimsuchen wird. Allerdings weiß man dann als Leser, dass der Tod des Vaters so wuchtig reinschlägt in Sergejs Leben, dass keiner auch nur im Traume auf die Idee käme, ihn jetzt für schwul zu halten.

Die plötzliche Stille ist ohrenbetäubend, raumfüllend.
Toller Satz.
Er steht gerade da; sein drahtiger Körper.
Mich hat das Wort "gerade" nicht perfekt abgeholt, ich hätte "aufrecht" genommen. Aber ist auch wiederum Geschmackssache und du weißt ja, sind alles nur Vorschläge.
da dringt etwas seltsam Weiches aus den Konturen seines Gesichts hervor, etwas, das ich bei ihm so noch nie gesehen habe. Es ist fast, als wird er ein anderer, als könne ich ihn nur noch schlecht erkennen.
Auch, wenn ich mir noch konkreter wünschte, zu erfahren, was das Weiche ist, oh ja, ich weiß, wie verflucht schwierig diese Passage zu schreiben war, bin ich dann doch mit dem "schlecht erkennen" zufrieden zu stellen.
Da ist etwas Fragendes an ihrem Blick; als ob die eine große Frage, die sie sich in ihrem Leben stellt, die ihr die Antwort auf alles gibt, in ihrem Blick wäre, und ihr Blick meinen Blick danach absucht.
Gut beschrieben, diese Aufmerksamkeit, die sich plötzlich ungebremst auf ihn richtet und auch gut als Vorlauf für die nachfolgende Zuneigung.
Ich küsse sie auf den Mund. Ihre Lippen sind so weich. Sie legt ihre Arme um mich. Wir küssen uns auf den Mund, schauen uns in die Augen.
»Hallo«, flüstere ich.
»Hallo«, flüstert sie.
Klasse, dieses "Hallo". So einfach und doch verflucht vielsagend.
und zu Weinen
hm...ich würde hier "weinen" schreiben.
Aus irgendeinem Grund ist mir diese eine Sache im Gedächtnis geblieben: Wie sie und ich in diesem WC stehen; wie wir voreinander stehen, ganz nah beieinander; wie ich die Wärme ihrer Haut spürte, ihren Geruch ro
Dieser gesamte Absatz wäre eigentlich nicht nötig. Er würde nicht vermisst werden, wenn du ihn streichen würdest. Aber ich glaube zu verstehen, weshalb du ihn drinlassen möchtest. Er rundet das alles noch etwas ab.
Ich kann dir versichern, dass du alles, was du in diesem Absatz sagst, bereits supergut in der Geschichte untergebracht hast. Aber:
Das ist etwas, hinter das ich nicht komme, das ich nicht begreife.
schon allein wegen dieses gelungenen letzten Satzes in der Geschichte, würde ich den gesamten Absatz drin lassen.

Ich hoffe, meist geht es einem ja so, dass man den Zugang zu fertigen und schon eine Weile existierenden Geschichten nicht mehr unvermittelt hat, dass ich dich mit meinem Feedback nicht gelangweilt oder gar genervt habe, weil ich Dinge anspreche, die vielleicht schon in jeder zweiten Kritik erwähnt wurden. Aber nur drei Zeilen zu einer tollen Geschichte als Feedback zu geben, hielte ich für eine Beleidigung des Autors.

Lieben Gruß

lakita

 

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