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Tanz in der Nacht

Bas

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16.09.2018
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Tanz in der Nacht

Der Weg lag weiß schimmernd da, und kurz überlegte Gustaf, ob er hier, alleine im Mondschein, einen Schatten warf. Aber da war keiner, als er sich umsah, und für Gustaf schien darin eine tiefere Bedeutung zu liegen, denn er nickte kurz, und dieses Nicken war wie ein Achselzucken, wie ein: Achso, ein: Na, wenn das so ist, doch schon im nächsten Augenblick ging ein Ruck durch den bis dahin so schlafwandlerisch daherschreitenden Körper: Die Hände ballten sich zu Fäusten, die Adern auf den Unterarmen traten hervor, die Stirn stemmte sich gegen die Dunkelheit, als schwebte ein unsichtbares Hindernis in der Luft, eine Mauer, die es zu durchbrechen galt, und von jetzt an zählten andere Dinge, jetzt hieß es: Vorangehen, der Zukunft entgegen, und von Halm erzählte man sich, dass sie dort zu finden war.

Doch da tat sich die Nacht auf. Aus den Baumreihen drang Geraschel. Ein Reh, dachte Gustaf noch, aber bevor der Gedanke ganz zu Ende gedacht war, stolperte schon ein schwarzer Fleck auf den Weg: Vornübergebeugt, wie im Fallen stürzte er sich auf Gustaf, nahm ihm die Sicht und die Luft, dreckstarre Finger legten sich um Gustafs Hals und drückten zu. Gustaf schlug um sich. Schlug ins Dunkel, schlug ins Nichts, ein Schlag traf wohl auch sein Ziel, ein dumpfer Ton, ein kurzes Zusammensacken des Flecks, aber der Griff blieb, wo er war, und da spürte Gustaf, dass es bald vorbei sein würde. Jetzt verblassten auch die Sterne am Himmel. Verschwammen, wurden doppelt, Gustaf ließ sich fallen in die warme Umarmung des Fremden, dachte an das, was mal war …

Oh. Und wieder: Oh, nur ein schwacher Ton ins Dunkel. Wie ein Erkennen diesmal, wieder wie ein: Achso, ein: Wenn das so ist, und jetzt nahmen auch die Sterne wieder Form an, jetzt warfen auch die Bäume wieder Schatten, jetzt löste sich die Zwinge um Gustafs Hals. Und an seiner Hand lief warmes Blut hinab.
Irgendwie hatte er wohl sein Messer zu greifen bekommen. Hatte fest zugedrückt, als er auf Widerstand stieß. Hatte die Faust, die das Messer umschloss, im Kreis gedreht, geschüttelt und durchgebogen, als wollte er mit einem stumpfen Spaten den Acker umgraben, nur dass der Acker ein Mensch war und die Wurzeln Knochen. Und jetzt röchelte der Fremde genauso stumm, wie er eben noch über ihn hergefallen war, sein Leben aus. Lag in Gustafs Armen wie ein alter Kneipenfreund, so, als wollte er ihm, nach Schnaps und nach Bier stinkend, noch verraten, was da eben eigentlich geschehen war, und Gustaf hörte ganz genau hin, um auch ja nichts zu verpassen. Legte sein Ohr an die Lippen des Dahinraffenden, spürte den feuchten Atem, den Sabber, den Rotz, nur verstehen konnte er nichts, dazu war er jetzt selbst zu erschöpft. Und so fielen beide in ihren wohlverdienten Schlaf, zwei schwarze Flecken auf dem weiß schimmernden Weg.

***​

Das Reh sah ihn an. Ausdruckslos, mit hohlen, schwarzen Augen. Jede Sehne sprungbereit: Weiter, fort hier, nur der Kopf verharrte noch in Gustafs Richtung, während die Ohren schon nervös zuckten.

Mörder. Das war das erste Wort, das ihm in den Sinn kam. Er hatte einen Menschen umgebracht, einen Fremden. Der ihn überfallen wollte, der ihn selbst fast umgebracht hätte, und jetzt stürmten die Bilder der Nacht wieder auf ihn ein: Der weiße Mond, die verblassenden Sterne, und immer wieder das Messer und der Fremde – warum bloß hatte der seinen Weg gekreuzt? Warum hatte er sich Gustaf ausgesucht, einen Landstreicher mit einem an einen Stock gebundenen Tuch über der Schulter und sonst nichts? Warum hatte er keine Postkutsche überfallen, eine prachtvollen Wagen, auf dem es sonst was zu holen gab? Er wollte ihn schütteln und ohrfeigen, anschreien, dass er ihm eine Antwort schuldig war, dass sie noch nicht fertig waren, aber er war ja tot, abgestochen, von ihm, von Gustaf. Vom Mörder-Gustaf.
Gustafs Atem überschlug sich. Stockte, setzte ganz aus, nur, um im nächsten Augenblick wieder loszuwirbeln: Er merkte jetzt ganz deutlich, wie er die Kontrolle verlor. Über seinen Körper, seine Gedanken. Wie sich etwas gefährlich abzulösen begann, das unbedingt an seinem Platz bleiben musste, damit die Welt sich weiterdrehen konnte, und da sprang er auf, und auch das Reh sprang davon, verschwand im Wald.

Jetzt war er allein. Aber wo war der andere? Wo war der Fremde? War es nicht hier gewesen? Ist es nicht genau hier, an dieser Stelle passiert, dass er zum Mörder-Gustaf wurde? Die Welt hatte noch anders ausgesehen in der Nacht, aber Gustaf meinte, sich genau erinnern zu können: An den kleinen Busch am Wegrand, daran, wie der Fremde fast drübergestolpert war, als er auf ihn zugestürzt kam … Aber da war keiner, als er sich umsah. Nur ein Schatten, eingebrannt in die Erde. Nicht schwarz, sondern rot, rot-braun, rost-braun, der Pfad hatte das Blut aufgesaugt, getrunken und geschluckt, mit ein wenig Stiefelscharren würde nichts mehr von dem Fleck übrig bleiben, nichts mehr auf das hindeuten, was in der Nacht geschehen war.
Vielleicht hatte er sich in den Wald gerobbt. Vielleicht war es noch nicht zu spät. Vielleicht konnte Gustaf seiner Spur folgen: Plattgedrücktem Moos und zerbrochenen Ästen, vielleicht konnte er ihm helfen und vielleicht konnte der andere ihm helfen zu verstehen – doch wozu? Wozu für Gewissheit sorgen? Wozu das Glühwürmchen einfangen, wo doch jeder weiß, wie hässlich es aus der Nähe ist? Und was waren schon Gedanken, jetzt, heute, würden sie ihn wohl noch ein wenig plagen, aber morgen würden sie dann schon blasser erscheinen, das wusste er, das hatte er schon oft beobachtet, und übermorgen … und danach … fast vergessen … nur ein schlechter Traum, eine nächtliche Fata Morgana … ein Taschenspielertrick … ein Witz … nicht der Rede wert … jetzt zählten andere Dinge. Halm … Halm … immer wieder kam ihm jetzt Halm in den Sinn: In Halm lag die Antwort, in Halm würde er Ruhe finden … in Halm lag die Zukunft … und so ging er dahin.

 

Jetzt, heute, würden sie ihn wohl noch ein wenig plagen, aber morgen würden sie dann schon blasser erscheinen, das wusste er, das hatte er schon oft beobachten können:

Versuch übers konjunktiefe thiudisk (so eine frühe [mittel]hochdeutsche Schreibweise (thiu [Volk, das tea-aitsch verlernten unsere Vorfahren rasch], disk [Sprache], )

lieber Bas,

und zudem Variationen zur vieldeutigsten und dennoch kürzestmöglichen Konjunktion/Präposition („ob“, ob mit oder ohne „als“, Jacke wie Hose), dass ich direkt mit der Tür ins Haus falle: Warum das (an sich entbehrliche) „können“ im Zitat vorne weg, wenn das doch überhaupt die Voraussetzung dafür ist, etwas zu beobachten. Bin ich blind, seh also nix, muss ich mich auf mein Ohrwerk oder Handwerk verlassen „können“.

Warum also nicht schlicht „hatte er schon oft beobachtet“?!

Oder hier ein Mix aus Indikativ nebst Konj. II und I

Die Hände ballten sich zu Fäusten, die Adern auf den Unterarmen traten hervor, die Stirn stemmte sich gegen die Dunkelheit, als schwebte da ein unsichtbares Hindernis in der Luft, eine Mauer, die es zu durchbrechen galt, und von jetzt an zählten andere Dinge, jetzt hieß es: Vorangehen, der Zukunft entgegen, und von Halm erzählte man sich, dass sie dort zu finden sei.
(Das abschließende „dass“ ermöglicht zudem gefahrlos den Indikativ „dass sie dort zu finden ist“, wie auch hier statt
Uff, aber der Griff ließ nicht nach, und da spürte Gustaf, dass es bald vorbei sein würde.
„… und da spürte Gustaf, dass es bald vorbei ist“, wobei das „bald“ (denn „jetzt“ war vordem einmal „bald“, aber gerade jetzt nicht mehr und verwies bereits auf Zukunft – dass es bald vorbei ist“. Bei den dann folgenden „als-wollte“-Konstrukten gehts doch ...

Hier desgleichen

Wozu für Gewissheit sorgen, wozu das Glühwürmchen einfangen, wo doch jeder wusste, wie hässlich es aus der Nähe war?

So, jetzt sammel ich erst einmal die „Vorläufer“ ein, also

in Bälde
auf dem Felde,

Friedel

 

Hey Friedel @Friedrichard,

der verflixte Konjunktiv, egal ob I, II oder III, immer bricht er mir das Bein :shy:

Weil ich aber nicht ganz schlau werde aus deinem Kommentar (hat weniger mit deinem Kommentar zu tun als damit, dass "ganz schlau" ein Zustand ist, der wohl eher im Sagenbereich anzusiedeln wäre), noch mal eine kurze Nachfrage:

Die Hände ballten sich zu Fäusten, die Adern auf den Unterarmen traten hervor, die Stirn stemmte sich gegen die Dunkelheit, als schwebte da ein unsichtbares Hindernis in der Luft, eine Mauer, die es zu durchbrechen galt, und von jetzt an zählten andere Dinge, jetzt hieß es:

Sind die fetten da jetzt korrekt oder ... ?

Wozu für Gewissheit sorgen, wozu das Glühwürmchen einfangen, wo doch jeder wusste, wie hässlich es aus der Nähe war?

Und liegt hier der Fehler im "war", das eigentlich ein "ist" sein müsste?

Danke schon mal für die Rettung, genieß den Regen und den Tag,

Bas

 

Die Hände ballten sich zu Fäusten, die Adern auf den Unterarmen traten hervor, die Stirn stemmte sich gegen die Dunkelheit, als schwebte da ein unsichtbares Hindernis in der Luft, eine Mauer, die es zu durchbrechen galt, und von jetzt an zählten andere Dinge, jetzt hieß es:
Moin Bas,

Du fragst

Sind die fetten da jetzt korrekt oder ... ?

a) vorm „als“ allemal

und b) mit dem fantastischen „unsichtbaren Hindernis“ werd ich Konj. irrealis empfehlen, „schwebte“, „gälte“ (oder „gölte“ - nicht lachen, Konj. II wird dann vom Partizip „gegolten“ abgeleitet, gegrinst hab ich dennoch).

Hierzu

Wozu für Gewissheit sorgen, wozu das Glühwürmchen einfangen, wo doch jeder wusste, wie hässlich es aus der Nähe war?
fragstu
Und liegt hier der Fehler im "war", das eigentlich ein "ist" sein müsste?
Selbst wenn man so spricht, das Problem ist die Zeitenfolge innerhalb des Satzes, die mit dem „wo“ aus dem Präs. ins Prät. springt. Wo wäre ein Problem, es ein wenig „zeitloser“ und zugleich „gegenwärtiger“ zu gestalten als ist der Gezeitenwechsel mitten im Satz „… sorgen … einfangen … weiß … ist“?

Danke schon mal für die Rettung, genieß den Regen und den Tag,
Welche Rettung?

Den Tag genieß ich -
aber hier regnet nix ...

Schöne Wochenmitte wünscht der

Friedel

 

Hey @Friedrichard,

jetzt hat es klick gemacht. Auch wenn ich mich noch vor dem "gälte" sträube (vom gölten will ich gar nicht erst anfangen :schiel:). Aber was gült schon meine niedere Meinung gegen die holde Grammatica :chaosqueen:

Danke für die erneute Rückmeldung, genieß den Tag, ob mit Regen oder ohne, und bis bald!

Bas

 

Ich noch mal, wenn ich darf, denn selbst würde-Konstruktionen haben ihre Berechtigung (selbst wenn ich gelegentlich den Vergleich mit dem engl. would wähle, das ja wesentlich mehr bedeutet als unser "würde", denn der Konj. von werden hat nix mit der "Würde" zu tun. Ist halt nur das Ergebnis einer standardmäßigen Umlautung in den Konjunktiv.

Tschüss & bis bald

Friedel

 

Hey @Bas

Immer wieder schön, wie du die Leserschaft in eigentümliche Welten entführst, wo man oftmals nicht so recht greifen kann, was denn eigentlich anders ist als in unserer vertrauten Welt. Merk-würdige Dinge geschehen oft in deinen Texten, wiederum oftmals schwer Fassbares, und in diesem Text ist das nicht nur eine Eigenschaft der Geschichte, sondern es es geht auch dem Protagonisten so.
Ich bin bisher zwei, drei Mal in meinem Leben aus einem Traum erwacht, in dem ich jemanden (das Opfer war jeweils unbestimmt) umgebracht hatte. Dieses Gefühl der Schuld! Warum bloss habe ich das getan? Insofern war ich nah an deinem Prota, insofern habe ich das sehr gerne gelesen, dieses Verwischen von Gewissheiten: Was am Abend zuvor höchst real war, verblasst zu einem Geschehen, das keine Rolle mehr spielt, vielleicht gar nie stattgefunden hat. Ja, das spricht mich an.

Ansonsten will ich zur Geschichte, zum Plot nicht viel sagen, das müsste man jetzt im ganzen Kontext beurteilen und als alleinstehende Kurzgeschichte funktioniert der Text nicht so recht, unter anderem, weil Namen erwähnt werden, die man nicht zuordnen kann. Aber eben, der Kontext würde die Wahrnehmung wohl verändern.

Das Eigentümliche in deinen Geschichten habe ich ja oben lobend erwähnt und auch, dass man es oftmals schwer fassen kann. Hier bei diesem konkreten Text habe ich allerdings den Eindruck, dass die Mittel zu offensichtlich sind, und in der Fülle auch ein wenig auf den Keks gehen, sorry, für den harten Ausdruck. All die "da" (7x) und "jetzt" (15x) und die Satzanfänge mit "Und"! Und da geschah es, dass mir der Text an einigen Stellen zu biblisch daherkam, zu gewollt. Im Folgenden erwähne ich ein paar konkrete Stellen, ich glaube, es bräuchte nicht viel, um diesen Eindruck der Gemachtheit abzuschwächen.

Der Weg lag weiß schimmernd da, und kurz überlegte Gustaf, ob er hier, alleine im Mondschein, einen Schatten warf. Aber da war keiner
Da beginnt es schon mit diesem kleinen Wörtchen.
für Gustaf schien darin eine tiefere Bedeutung zu liegen, denn er nickte kurz, und dieses Nicken war wie ein Achselzucken, wie ein: Achso, ein: Na, wenn das so ist,
Das las sich für mich widersprüchlich. Achselzucken ist keine typische Reaktion auf tiefere Bedeutung. Kann man ja bewusst setzen, solche Widersprüche, aber hier macht es für mich nicht so recht Sinn.
schwebte da ein unsichtbares Hindernis
Das könnte man zum Beispiel streichen.
und von Halm erzählte man sich, dass sie dort zu finden ist. Doch da geschah es, dass sich die Nacht auftat.
Vielleicht der erste Satz doch im Konjunktiv, aber ohne "dass"? Dann hast du auch keine Doppelung im nächsten Satz.
Doch da geschah es, dass sich die Nacht auftat.
Ist mir zu biblisch, zu aufgesetzt.
Ein Reh, dachte Gustaf noch, aber bevor der Gedanke ganz zu Ende gedacht war, stolperte schon ein schwarzer Fleck auf den Weg
Ein Beispiel dafür, dass der Text noch auf Füllwörter abgeklopft werden könnte.
ein kurzer Zusammensacken
kurzes
Uff, aber
Mochte ich nicht, dieses comichafte.

da spürte Gustaf, dass es bald vorbei ist.
war
Und an seiner Hand
Und jetzt steckte das Messe
In der Menge zu viel.
Das Reh sieht ihn an.
Warum der Wechsel zum Präsens? Später, wenn das Reh wegläuft, geschieht das wieder in der Vergangenheit.
Der ihn überfallen wollte, der ihn selbst fast umgebracht hätte, und jetzt stürmten auch die Bilder der Nacht wieder auf ihn ein
kann weg
aber er war ja tot, abgestochen wie ein Schwein.
Würde ich weglassen, zu floskelhaft und es passt ja auch gar nicht, weil es nicht stimmt. Er wurde im Kampf abgestochen, beinahe versehentlich.

Lieber Gruss
Peeeperkorn

 

Hi @Bas

und @Peeperkorn: "biblisch" hätte ich auch sagen wollen. Obwohl es stilistisch eigentlich gar nicht mal stimmt, aber wenn wir alle wissen, was gemeint ist, dürfte es als Charakterisierung nicht ganz daneben sein.
Streichen tät ich das hier jedenfalls unbedingt auch:

Doch da geschah es,
ganz sicher stärker, wenn es weg ist.

Aufgesetzt oder nicht: In diesem Fall empfinde ich einen Bruch zwischen vor und nach den drei Sternchen. Im ersten Teil find ich diesen Stil sauber ausgestaltet , im zweiten klingt mir ein etwas anderer Ton an:

Er merkte jetzt ganz deutlich, wie er die Kontrolle verlor.
Diese Reflexionsebene gibt es im ersten Teil so nicht (oder?). Am nächsten dran kommt so was hier:
Ein Reh, dachte Gustaf noch,
statt der unmittelbareren Möglichkeit:
-- Ein Reh - aber bevor der Gedanke usw.
oder gar
-- Ein Reh - aber da stolperte schon ein shwarzer Fleck auf den Weg.
Das bleibt hier im ersten Teil ein Reden von Gedanken, während im zweiten Gustaf über die Gedanken nachdenkt. (Dazu dann die vielen Fragen, die er sich stellt.)
Also, wirkt ganz anders, für mich in der Wirkung ein Stilbruch, der sich vielleicht durchs Aufwachen erklären lässt -- wirkt aber halt trotzdem so.

Möglicherweise fänd ich es besser, wenn das Aufwachen nicht so deutlich herausgestellt wäre und die Unklarheit offesiver in der Schwebe bliebe. Denn in der Schwebe bleibt sie ohnehin, heißt unterm Strich, dass die ganze Szene bleibt für mich unklar bleibt, ich krieg das nicht sortiert: Was ist geträumt, was nicht? Ist alles geträumt und doch nur das Reh alleine wirklich? Wenn also das Aufwachen eine Art Erklärung sein sollte, wäre es eine Überlegung wert, das rauszunehmen, denn sie bleibt ohnehin unvollständig - und das muss (in meinen Augen) gar kein Mangel sein.

Noch kurz eine Begriffskritik: "Mörder" trifft ja nicht zu, kann aber einen Hintergrund aus der zweiten Geschichte haben (die ich jetzt nicht vor Augen habe). Du wirst du was dabei gedacht haben (?).

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo @Peeperkorn,

Immer wieder schön, wie du die Leserschaft in eigentümliche Welten entführst, wo man oftmals nicht so recht greifen kann, was denn eigentlich anders ist als in unserer vertrauten Welt. Merk-würdige Dinge geschehen oft in deinen Texten, wiederum oftmals schwer Fassbares, und in diesem Text ist das nicht nur eine Eigenschaft der Geschichte, sondern es es geht auch dem Protagonisten so.
Ich bin bisher zwei, drei Mal in meinem Leben aus einem Traum erwacht, in dem ich jemanden (das Opfer war jeweils unbestimmt) umgebracht hatte. Dieses Gefühl der Schuld! Warum bloss habe ich das getan? Insofern war ich nah an deinem Prota, insofern habe ich das sehr gerne gelesen, dieses Verwischen von Gewissheiten: Was am Abend zuvor höchst real war, verblasst zu einem Geschehen, das keine Rolle mehr spielt, vielleicht gar nie stattgefunden hat. Ja, das spricht mich an.

Danke dafür, das hat mir dieses und jenes zu Denken gegeben. Zuerst ist es natürlich schön, zu lesen, wie du die Eigentümlichkeit der Geschichten wahrnimmst, das „schwer Fassbare“.
Mich faszinieren solche „Nicht-ganz-da-Stadien des Bewusstseins“: Rausch, Traum, Wahn, diese Ecke. Diesen nächtlichen Überfall hier habe ich kurz vorm Einschlafen „erlebt“, da, wo die Traumbilder schon anfangen, im Kopf rumzuspinnen, man aber noch so einen kleinen Rest Bewusstsein hat. Deshalb finde ich es auch spannend, dass du in dem Zusammenhang hier deine Traumerfahrung erwähnst.

Ich war auch schon mal Mörder in einem Traum, und Mann, ich wünschte, es wäre nicht so gewesen. Nicht, dass ich da täglich dran denken müsste und deshalb mit geducktem Kopf durch die Straßen irre, aber ich habe diese Erinnerung, dieses Schuldgefühl, noch sehr lebendig und schmerzhaft vor Augen.

Ansonsten will ich zur Geschichte, zum Plot nicht viel sagen, das müsste man jetzt im ganzen Kontext beurteilen und als alleinstehende Kurzgeschichte funktioniert der Text nicht so recht, unter anderem, weil Namen erwähnt werden, die man nicht zuordnen kann. Aber eben, der Kontext würde die Wahrnehmung wohl verändern.

Ja, ich dachte mir schon, dass das so wahrgenommen wird. Ich habe die Namen jetzt mal gestrichen, ich denke, die braucht es gar nicht, so funktioniert der Text gleich ein wenig mehr als eigenständige Geschichte.

Ich habe damals (ungeplant) mit dem Ende der Geschichte begonnen, und da bringt Gustaf sich selbst um. Vermutlich vor allem deshalb, weil so ein Selbstmord für den Geschichtenautor der ultimative Notausgang ist – Moment, was könnte denn als nächstes passieren … Keine Ahnung … Na gut, dann bringt der Protagonist sich eben um. Aber weil ich da auch schon bemerkt habe, wie bequem ich es mir damit mache, hatte ich dann zumindest den Anspruch, herauszufinden, wie es so weit kommen konnte, psychologisch logisch. So sind dann die Vorgänger entstanden und dieser Teil hier war für mich das fehlendes Puzzlestück, um die Ereignisse des letzten Teils … na, zumindest ein Stück weit einzuordnen.

Davon unabhängig war meine Hoffnung aber auch, dass der "unbeabsichtigte Mord" und das damit verbundene Schuldgefühl schon genug Stoff für eine gelungene Kurzgeschichte hergibt. Ganz eng verbunden mit der Sorge, dass es zu wenig sein konnte :shy:

Hier bei diesem konkreten Text habe ich allerdings den Eindruck, dass die Mittel zu offensichtlich sind, und in der Fülle auch ein wenig auf den Keks gehen, sorry, für den harten Ausdruck. All die "da" (7x) und "jetzt" (15x) und die Satzanfänge mit "Und"! Und da geschah es, dass mir der Text an einigen Stellen zu biblisch daherkam, zu gewollt.

Danke dafür, auch für die „Härte“, das hat die Dringlichkeit, da was zu ändern, noch mal verdeutlicht. Klar weiß ich um diese Mittel, nur fühlen die sich schon so natürlich an bei dieser Art von Geschichte, dass ich da wohl ein wenig zu unachtsam und großzügig war mit dem … Salz. Ich hoffe, mit deinen Hinweisen ist es jetzt wieder ein wenig bekömmlicher geworden.

Bis bald!

Hallo @erdbeerschorsch,

freut mich sehr, dich unter meiner Geschichte zu sehen. Noch lieber wäre es mir natürlich, eine neue Geschichte von dir lesen zu können, aber hey, kein Druck. Aber trotzdem. Bitte.

Noch kurz zur „Bibelhaftigkeit“:

ganz sicher stärker, wenn es weg ist.

Habe ich eingesehen und gestrichen, jetzt heißt es: „Doch da tat sich die Nacht auf.“ Immer noch nicht ganz entbibelisiert, ich weiß, aber hoffentlich bekömmlicher.

Möglicherweise fänd ich es besser, wenn das Aufwachen nicht so deutlich herausgestellt wäre und die Unklarheit offesiver in der Schwebe bliebe. Denn in der Schwebe bleibt sie ohnehin, heißt unterm Strich, dass die ganze Szene bleibt für mich unklar bleibt, ich krieg das nicht sortiert: Was ist geträumt, was nicht? Ist alles geträumt und doch nur das Reh alleine wirklich? Wenn also das Aufwachen eine Art Erklärung sein sollte, wäre es eine Überlegung wert, das rauszunehmen, denn sie bleibt ohnehin unvollständig - und das muss (in meinen Augen) gar kein Mangel sein.

Ich habe darauf jetzt mal insofern reagiert, dass er nicht mehr superdeutlich aufwacht, also nicht mehr wortwörtlich. Vorher hieß es ja, „das war das erste Wort, das ihm in den Sinn kam, als er aufwachte“. Jetzt kommt es ihm einfach in den Sinn, er ist einfach wieder bei Bewusstsein, auf welche Weise auch immer.

Falls dein Kommentar aber eher auf den Grundinhalt des zweiten Parts abzielt, darauf, dass jetzt nicht einfach Dinge geschehen, sondern dass Gustaf die Dinge jetzt denkt, ganz konkret, hm, ja, dann kann ich das auch gut nachvollziehen. Da sag ich dann aber auch ganz ehrlich, dass ich nicht wüsste, wie ich das anders umgesetzt bekommen soll. Noch nicht, ich denke aber mal darüber nach, denn ich sehe schon auch, was du meinst.

Noch kurz eine Begriffskritik: "Mörder" trifft ja nicht zu, kann aber einen Hintergrund aus der zweiten Geschichte haben (die ich jetzt nicht vor Augen habe). Du wirst du was dabei gedacht haben (?).

Warum trifft der Begriff für dich nicht zu? Ich vermute einfach mal, weil er den Mord in deinen Augen nicht vorsätzlich begangen hat, es eher ein Unfall, Notwehr war? Ja. Aber erfahrungsgemäß fällt man doch, wenn man eh schon in keinem guten mindset ist, über sich selbst eher selten milde Urteile. Deshalb kann ich mir auch sehr gut vorstellen, dass Gustaf sich selbst für einen Mörder hält. Oder meinst du etwas anderes?

Danke fürs Vorbeischauen!

Bas

 

Hi @Bas,

Diese Frage:

Warum trifft der Begriff für dich nicht zu? Ich vermute einfach mal, weil er den Mord in deinen Augen nicht vorsätzlich begangen hat, es eher ein Unfall, Notwehr war?
will ich mal schnell beantworten: So meine ich das. Und dann schließt sich an:

Ja. Aber erfahrungsgemäß fällt man doch, wenn man eh schon in keinem guten mindset ist, über sich selbst eher selten milde Urteile.
Dagegen habe ich wirklich gar nichts einzuwenden. Aber ich überlege natürrlich weiter, warum ich dem Gustaf meinen Einwand mache und da fällt mir dann als Begründung ein, dass er schon - wenn ich meine undeutliche Erinnerung an die vorangehenden teile heranziehe - eine bemerkenswert enge Beziehung zu seinem Messer hat, und das ist möglicherweise der Punkt, warum ich den Gustaf nicht für einen halte, der so reagieren würde. Oder vielleicht läuft es am Ende sogar wieder nur auf die Reflexionsfrage hinaus: Ist Gustaf der Typ für die bohrende Selbstkritik, die die Selbstzuschreibung der Tat als Mord voraussetzen würde?

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

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