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Tauschobjekt Freddie

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22.05.2009
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Tauschobjekt Freddie

Endlich. Endlich hatte es geschneit. Zwei Tage vor Weihnachten hatte sich über Nacht eine geschlossene Schneedecke über die Felder und Wiesen gestülpt.

Yolanda stürmte mit ihrem abgegriffenen Teddy im Arm aufgeregt die Treppe hinunter. „Mama, es hat geschneit. Darf ich raus zum Schneemann bauen? Ich nehme auch Herrn Müller mit“, schlitterte Yolanda auf ihren Socken um die Ecke in die Küche. Ihre Mutter war mit den Frühstücksvorbereitungen beschäftigt und stellte gerade die Kaffemaschine an. Sie schaute über ihre Schulter: „Meinst du nicht, dass du erst ein Mal frühstücken solltest?“ „Oh, Mama, ich hab noch gar keinen Hunger und Herr Müller muss doch sowieso raus. Bitte, darf ich?“ bettelte Yolanda. „Okay, aber zieh‘ dich warm an. Es ist bitterkalt draußen“, erwiderte ihre Mutter, während sie den Topf für die Eier aufsetze, „bis ich fertig bin mit allem, dass wird wohl noch eine halbe Stunde dauern.“ „Danke, danke“, rief Yolanda, die bereits wieder auf dem Weg nach oben war.

Auf der Treppe zog sie schon das Oberteil ihres Schlafanzuges aus. Sie öffnete nur kurz die Tür zu ihrem Zimmer, warf das zu einem Knäuel zusammengeknüddelte Oberteil zusammen mit ihrem Teddy auf ihr Bett. Anschließend ging es auf direktem Weg ins Badezimmer, um schnell ein, zwei Tropfen Wasser ins Gesicht zu werfen. Zähne putzen? Darauf konnte heute verzichtet werden. Die dafür benötigten 5 Minuten würden von ihrer kostenbaren Schneemann Bauzeit abgehen. Mit halb heruntergezogener Schlafanzughose ging es zurück in ihr Zimmer, wo sie diese gegen eine Jeans und einen ihrer dicken Fleecepullover eintauschte. Jetzt konnte es losgehen. Aber nein, ihr Teddy musste natürlich mit. Sie zerrte diesen unsanft zwischen Kopfkissen und Bettdecke hervor, wo dieser nach seinem Flug gelandet war.

Wieder ging es in einem Affenzahn die Treppe runter. Am Hundekorb legte sie einen Zwischenstopp ein „Komm, Herr Müller, Gassi gehen,“ forderte sie den Dackel auf. Sie schlüpfte in ihre Jacke und setze ihre Pudelmütze auf. Ihren Schal wickelte sie ihrem Teddy um. Sie öffnete die Tür zum Garten und Herr Müller erkundete vorsichtig auf seinen krummen Dackelbeinen die schneebedeckte Rasenfläche. 30 cm Neuschnee – Herr Müller versank fast. Sein wedelnder Schwanz stob die Schneekristalle in die klare Luft. Wie kleine Wirbelstürme begleiteten sie Herrn Müller auf dem Weg durch den Garten.
Yolanda war schnell in ihre gefütterten Gummistiefel geschlüpft und stapste nun durch den Schnee. Sie legte eine kleine Decke auf einen der Kaminholzstapel und setze ihren Teddy ab. Dann formte sie einen Schnellball, um diesen dann auf dem Rasen durch den Schnee zu rollen. Herr Müller kläffte den immer größer werdenden Schneeball aufgeregt an, um diesen zum gemeinsamen Tollen und Spielen aufzufordern. „Platz!“ befahl Yolanda Herrn Müller und zeigte gleichzeitig in Richtung Holzstapel, wo bereits ihr Teddy saß, „so werden wir ja nie fertig.“ Herr Müller zog beleidigt seine Rute ein und dackelte zum Holzstapel, um dort wie befohlen Platz zu machen. Währenddessen rollte Yolanda unentwegt ihre Schneekugel vor sich her.

Plötzlich hielt sie inne und blieb mit gespitzten Ohren stehen. Ein leises Weinen oder ein ähnliches Geräusch hatte sie gehört. Sie sah zu Herrn Müller hinüber, aber dieser hatte seine Schnauze tief in den Schnee gesteckt, um prustend kleine Muster in diesen zu zeichnen. Yolanda sah sich um, aber außer ihr und Herrn Müller war niemand im Garten. Doch dann wurde ihr klar, woher das Geräusch kam und ging zögernd voller Erstaunen Richtung Holzstapel. „ Freddie ? Weinst du?“ „Ja“, kam es schluchzend zurück. Yolanda nahm ihren Teddy tröstend in den Arm, um dann ungläubig zu fragen „Aber warum? Und seit wann kannst du sprechen?“ „Ich bin ja so traurig und enttäuscht!“ erwiderte Freddie.

Yolanda strich beruhigend über Freddies fast kahlen Kopf, denn das braune Samtvelourfell war an dieser Stelle durchs Alter ganz dünn geworden. Dann kramte sie ein Papiertaschentuch hervor, um die aus Freddies Knopfaugen hervorquellenden Tränen zu trocknen. „Wieso bist du enttäuscht? Und von wem?“ „Na, von Dir!“ schluchzte Freddie noch immer. Ungläubig sah Yolanda ihren Teddy an. „Aber was habe ich gemacht?“ Freddie seufzte tief und schluckte die Tränen herunter. „Du willst mich eintauschen gegen eine Barbiepuppe! Und das nach so vielen Jahren. Nie habe ich etwas gesagt, wenn du mich durch die Gegend geworfen hast. Selbst als du mich ein Mal bei Klara einfach so vergessen hast, habe ich nicht aufgemuckt. Aber jetzt, jetzt soll ich einfach so am Heiligabend gegen eine rosa Puppe namens Barbie eingetauscht werden. Da kann ich einfach nicht mehr den Mund halten.“

Betroffen zuckte Yolanda zusammen. Freddie hatte nicht ganz unrecht. Ihre Eltern hatten ihr nach langem Betteln versprochen, dass sie Weihnachten eine Barbie bekommen würde. Sie hatten aber auch darauf hingewiesen, dass der Weihnachtsmann dafür als Tausch ihren alten abgewetzten Teddy, den sie vor 4 Jahren zu Weihnachten bekommen hatte, zurückhaben möchte. Sie sei schließlich schon 6 Jahre und alt genug, um ohne Teddy auszukommen. Keiner hatte überlegt, ob das umgekehrt auch zutraf. Yolanda fasste einen Entschluss. Nein, sie würde nicht auf Freddie verzichten, das konnte sie ihrem Teddy einfach nicht antun. Lieber ein weiteres Jahr ohne Barbie, obwohl alle anderen Mädchen in ihrer Klasse bereits eine hatten. Gerade wollte sie ihren Entschluss Freddie mitteilen, als sie ihre Mutter rufen hörte „Yolanda, komm jetzt rein. Das Frühstück ist fertig! Du kannst später weiterbauen!“

Yolanda packte ihre Sachen zusammen und forderte Herrn Müller auf „Komm, bei Fuß. Wir müssen wieder rein. Futtern!“ Herr Müller stand auf, schüttelte ein paar Schneeflocken aus seinem Fell und folgte Yolanda durch den Garten. Im Haus angekommen ging Herr Müller direkt in sein Körbchen, um sich etwas Aufzuwärmen. Yolanda zog ihre Stiefel aus, hängte Ihre Jacke an die Garderobe und packte Mütze und Schal in die entsprechende Schublade. Dann schlenderte sie mit Freddie im Arm langsam in die Küche. „Mama ?“ „Ja, Yolanda, setz dich doch. Hast du dir die Hände gewaschen?“ „Hmmh.“ „Dann setz dich, damit wir frühstücken können.“ „Du, Mama, wenn ich doch lieber Freddie behalten möchte und nicht die Barbie, wäre das schlimm? Wäre der Weihnachtsmann dann enttäuscht?“ Yolanda setzte sich auf ihren Stuhl und goss sich Milch in die Müslischale. Ihre Mutter schenkte gerade Kaffee in ihren Becher und blickte sie erstaunt an. „Wo kommt denn der Sinneswandel her?“ „Freddie ist ganz traurig und enttäuscht. Der hat sogar eben geweint“, erklärte Yolanda ihrer Mutter. „Guck mal , wie traurig er aussieht,“ hielt Yolanda ihren Teddy hoch. Ihre Mutter nahm Freddie, schob ihre Brille zurück und betrachtete ihn ganz genau. „Oh, ja. Das sieht wirklich so aus als hätte er geweint. Vielleicht sollten Papa und ich noch einmal mit dem Weihnachtsmann sprechen. Der hat bestimmt nichts dagegen. Papa und ich klären das schon, keine Sorge.“ gab sie Yolanda ihren Teddy zurück. Yolanda zwickte Freddie vorsichtig in die Seite, was dieser mit einem ganz leisen Brummen beantwortete. Beruhigt frühstückte Yolanda zu Ende.

Zwei Tage später.. ein leiser Glockenschlag schwebte durch das Haus. Bescherungszeit! Yolanda , festlich gekleidet in einem roten Samtkleid, schnappte sich aufgeregt ihren Teddy. „Keine Sorge, ich tausche dich nicht ein,“ drückte sie ihn tröstend an ihre Brust, „auch wenn du nicht mehr mit mir sprichst.“ Vorsichtig machte sich Yolanda auf den Weg ins Wohnzimmer, öffnete ganz langsam die Tür und lugte durch den Spalt ins Zimmer. Dort stand ein geschmückter Weihnachtsbaum. Über und über mit roten Kugeln behängt. Die Kerzen waren angezündet. Davor standen ihre Eltern, ebenfalls festlich gekleidet, und sahen sie mit erwartungsvollen Augen an. „Hereinspaziert ! Der Weihnachtsmann ist schon wieder weg, aber er hat ein paar Geschenke für dich hier gelassen,“ zeigte Yolandas Papa mit einladender Geste auf den kleinen Haufen von Geschenken unter dem Tannenbaum. Zögernd trat Yolanda ein, immer noch ihren Teddy festumklammernd. „Oh, bekomme ich doch was?“ schaute sie ihre Eltern fragend an. „Ja, wir haben nochmal mit dem Weihnachtsmann gesprochen und der hat gesagt, dass es völlig okay sei, wenn du Freddie noch behalten willst.“ „ Freddie, hast du das gehört?“ sprach Yolanda mit ihrem Teddy während sie bereits das erste Geschenk auspackte. Die Schleife gelöst, das bunte Papier abgestreift lag in dem Karton vor ihr eine wunderschöne Barbie in einem rosa Ballkleid mit Perlen in ihrem aufgesteckten blondem Haar. „Ich werde sie Marie nennen“, teilte Yolanda ihren Eltern mit. Dann flüstere sie Freddie zu. „Keine Angst. Du bist immer noch der einzige, der in meinen Bett schlafen darf, auch wenn du nicht ganz so hübsch bist wie Marie, aber das ist nicht so wichtig.“ Yolanda hatte das Gefühl, dass Freddie ihr kurz zugezwinkert habe. „ Kommt, dann lasst uns jetzt Essen“, bat Yolandas Mutter zu Tisch.

Stunden später. Yolanda lag bereits eingekuschelt im Bett als sie einen feuchten Schmatzer auf die Wange bekam. „ Danke, Yolanda. Danke!“ hörte sie leise. Oh, Freddie spricht wieder, dachte Yolanda noch bevor sie eingeschlafen war.

 

hm, violina, erst mal fragte ich mich, ob ich nicht aus versehen die falsche kategorie anklickte, so alltäglich war die situation. insgeheim erwarte ich hier elfenarmeen, bedrohte welten und böse zauberer. dass hier "nur" ein teddy das fantastische element ist, freut mich, noch besser fände ich, wenn er nicht weinen würde. das ist mir zu arg. zum schluss dann die friedliche koexistenz von teddy und barbie, okay, in der geschichte wars weihnachten, da darf das wohl sein. :) amüsant fand ich die vorstellung vom dackel, der im schnee verschwindet.

Schneemann Bauzeit
Schneemannbauzeit oder Schneemann-Bauzeit, am besten vielleicht was ganz andres wie weniger Zeit zum Schneemann bauen...
grüße

 

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