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Teufelsacker (Mittelalter ca. 1340-1380)

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19.09.2006
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Teufelsacker (Mittelalter ca. 1340-1380)

Teufelsacker

Die Sonne stand schon tief, als ich die ersten vorgelagerten Hütten der Stadt Estavayer, durch das sich lichtende Laubwerk, erblickte. Der Wind frischte auf und es war ungewöhnlich kühl für den Spätsommer in diesem Land. Mein Weg war beschwerlich gewesen und der Hunger begann mich und mein Reittier zu plagen. Mit anderen Worten, ich war froh, nach vielen Meilen unsicherer Waldstraße und vor allem noch vor Einbruch der Dunkelheit, menschliche Behausungen anzutreffen. Wohl war mein Gemüt dennoch betrübt, ob der Tatsache, dass mich mein Weg schon nach Stäffis hätte führen sollen. Doch des Nachts trieben sich wunderliche Gestalten in den Wäldern herum und so beschloss ich, mir ein Quartier innerhalb der sicheren Stadtmauern zu suchen. Ich bog also von meinem eigentlichen Weg ab und ritt auf die nahe Stadt zu. Nach kurzer Zeit wurde das Walddickicht abgelöst von scheinbar gut bewirtschafteten Feldern und Äckern. Vielerorts sah ich Bauern die bei Anbruch der Dämmerung emsig ihre Feldgeräte auf Karren verluden, welche sie zumeist mit Ochsen oder auch von Hand in Richtung ihrer Gehöfte trieben. Ein wohliges Gefühl der Geborgenheit bemannte sich meiner, beim lang vermissten Anblick gottesfürchtiger Menschen und ihrer täglichen Arbeit. So ritt ich in gehobener Stimmung meines Weges und grüßte freundlich und vielleicht etwas überschwänglich einen Jeden, dem ich begegnete. Das hatte nicht selten skeptische Blicke seitens der Bauern zur Folge. Das Misstrauen dieser einfachen Menschen war mir auf meiner Reise schon zu Genüge begegnet und wohl auch nicht verwunderlich, gegenüber einem fahrenden Waffenträger, der sich nicht immer standesgemäß verhielt. So war ich eine viertel Stunde gemächlich unterwegs, als sich auf einem Hügel, vor der untergehenden Sonne, eine Ruine abzeichnete. Schwarz und unheimlich erschien sie gegen den Himmel. Sie lag inmitten einer weiten, verwahrlosten Fläche voller Unkraut und hochgewachsenen Sträuchern. Trotz des erbärmlichen Zustands war dem Gelände anzusehen, dass es einst bewirtschaftet und ein stattliches Gehöft gewesen sein musste. Unwillkürlich hielt ich an und betrachtete fasziniert, nicht ohne einen Anflug von Schauer, die Szenerie. So bemerkte ich gar nicht, wie das Getrappel von Hufen sich näherte. Erst als der Reiter neben mir zum stehen kam, wandte ich den Kopf. Dort saß ein recht wohlgenährter Mann, auf einem braunen Hengst. Er war vielleicht um die dreißig, gekleidet in ein grünes Gewand, dass nicht eben billig, jedoch auch nicht protzig wirkte. Auf dem runden, von einem wohlgestutzten Bart umrahmten Gesicht, trug er eine Stoffmütze, in der Art wie ich sie von Kaufleuten oder Beamten kannte. An seiner linken Flanke trug er ein schlichtes Schwert in schwarzer Scheide. Ein Lächeln umspielte seine dicken Lippen und die Augen hatte er zu Schlitzen verengt, da er gegen die Sonne, zur bereits erwähnten Ruine blickte. In der Dämmerung sah seine Gestalt höchst wunderlich aus. Doch schien er mir keine Bedrohung zu sein, zumal als er mit ungewöhnlich hoher kratziger Stimme zu sprechen begann. „Ein schaurig schöner Anblick... ein jedes mal, wenn ich hier vorbei komme. Jedoch am Tage, im Lichte Gottes, weit weniger unheimlich, das könnt ihr mir glauben mein Herr.„
„Ich will euch glauben, da es mir scheint als verschlüge es euch oft hierher oder ihr gar in der nahen Stadt euren Lohn verdient. Drum lasst mich euch eine Frage stellen, Herr...„
„Oh, verzeiht. Ich vergaß mich vorzustellen. Mein Name ist Vanello Asquini, Bürger und niederer Beamter aus Estavayer, wie ihr richtig vermutet habt und wenn ihr so freundlich währt mir euren Namen zu nennen, mein Herr, werde ich mich großzügig bei der Beantwortung eurer Fragen zeigen.„ Bei diesen Worten lächelte er breit und es war ihm anzusehen, dass sein Gemüt weniger förmlich war als seine Ausdrucksweise. Worauf ich ihm entgegnete.
„Meine seligen Eltern gaben mir den Namen Haldemar, nach meinem Großvater, Haldemar Kolonin. Ich bin fremd in dieser Gegend, auf der Durchreise sozusagen und suche eine Herberge in euerer vielgerühmten Stadt zu finden. Mein Herr Asquini, da ihr sagtet ihr würdet in selbiger leben, scheint es mir weise euch um Rat zu ersuchen: Wisst ihr ein anständiges Haus für solche Zwecke, dass ihr mir weisen könntet?„ Vanello Asquini schien erfreut und amüsiert über meine Antwort. Er hatte wohl gehofft das ich mich auf diese Art gehobener Konversation einlassen würde. Es glich einem Spiel, wiewohl es auch ein Test auf Herkunft und Bildung war. In jedem Fall schien er ungemein stolz auf seine bürgerliche Stellung zu sein und da ich ihm den nötigen Respekt erwiesen hatte und ihn auf seinem hohen Rosse lies, schien er mir lockerer zu werden und sein Interesse an Zerstreuung in der Unterhaltung unverhohlener zu zeigen. Er lachte: „Vielgerühmt? Der Ruhm vergangener Tage, das mag sein. Jedoch kommt mir wenig Gegenwärtiges in den Sinn, dessen sich unsere Stadt rühmen könnte. Doch ihr solltet euch besser Selbst ein Bild machen. Es wird mir ein Vergnügen sein euch ein warmes Bett zu weisen. Aber wir sollten uns eilen und den Blick von diesem gottlosen Ort wenden. Die Sonne neigt sich und die Torwächter haben Anweisung niemanden nach Anbruch der Dunkelheit einzulassen. Ich werde für euch bürgen, man kennt mich und so werdet ihr ohne Probleme Einlass finden.„ Ich bedankte mich höflich und wir ritten Seite an Seite weiter. Bereits hinter dem nächsten Hügel kamen die Stadtmauern in Sicht. Soweit ich es aus der Ferne beurteilen konnte, war Estavayer eine kaufmännische Kleinstadt, wie ich schon viele gesehen hatte. Die Befestigungen waren nicht sehr schwer und in keinem guten Zustand. Offensichtlich machte man sich kaum militärischen Sorgen. Ein breiter Fluss floss von Osten her durch die Stadt und schlängelte sich gen Westen, durch bebautes Land, bis er in einem fernen Wald verschwand. Es war klar, dass die Stadt seine Existenz auf dem Wasser gründete. Direkt am Fluss, an der Westseite der Stadt, erhob sich eine kleine Befestigungsanlage mit Bergfried und Turm. Von dort aus regierte der Landesfürst seine Untergebenen und Pächter, im Gegenzug für Schutz und Ordnung. In der Mitte der Stadt erhob sich, als einziges größeres Gebäude, die Stadtkirche und leise drangen ihre Glockenschläge zu uns herüber. Mein Begleiter war ins Schwätzen gekommen und erzählte hauptsächlich von sich und seiner, wohl übertriebenen, Gewichtigkeit in den bürokratischen Instanzen des Stadtwesens. Ich war froh das er kaum Fragen stellte und so beschränkte ich mich auf die Rolle, gelegentlich etwas einzustreuen, um seinen Redefluss am laufen zu halten. Auf diese Weise erfuhr ich in kurzer Zeit eine ganze Menge, über den wirtschaftlichen Zustand der Stadt und ihre offensichtlich bessere Vergangenheit. Der Handel ging schleppend voran und eine schwere Grippewelle hatte im letzten Winter vielen Bürgern und Bauern das Leben gekostet. Ein Trost für meinen Begleiter war, dass zumindest die Ernte dieses Jahr überraschend gut war und man so hoffte die leeren Stadtkassen aufzufüllen. Beim Thema Landwirtschaft kam mir erneut das verwahrloste Feld, mit seiner thronenden Ruine, in den Sinn. Ich fragte in einer kurzen Redepause: „Sagen sie, Herr Asquini, das Feld an dessen Rand wir uns trafen: Es erschien mir groß und fruchtbar, jedoch auch, als hätte es lange keinen Pflug gesehen. Es würde wohl viel abwerfen, bestellte man es richtig. Welcher Besitzer lässt es so verkommen?„ Hierauf wurde seine Miene dunkler, er seufzte und Sorgenfalten traten auf seine Stirn.
„Um die Wahrheit zu sagen mein Herr, war es eben jenes Stück Land, genauer die Frage der Bewirtschaftung, die ihr so treffend gestellt habt, welche mich geschäftlich zu später Stunde noch außerhalb der Stadtmauern hielt. Gehören tut es dem Fürsten, jedoch findet sich kein Bauer zur Pacht. Ich war ausgeschickt worden, einen tüchtigen, wenn auch zugezogenen Bauern namens Gislevert zur Bewirtschaftung zu überreden, jedoch ohne Erfolg.„
„Es erscheint mir seltsam, dass man einen erfahrenen Mann zu einem solchen Land erst überreden muss.„
„Führwahr, Unsereiner denkt so. Aber das Landvolk ist von jeher sehr abergläubisch und, wie soll ich sagen, fürchtet sich vor Feld und Ruine auf jenem Hügel.„
„Ich verstehe, daher dachtet ihr ein Zugezogener könnte sich eher auf eine Pacht einlassen, als ein Alteingesessener.„
„Just so war mein Gedanke und auch der unseres Fürsten, aber die Bünde unter den Bauern sind eng und ausgestoßen und gefürchtet wird wohl jener sein, der dieses Land bewirtschaftet. Ein Umstand, den vielleicht nur Zeit oder große Not wird ändern können.„
„Doch sagt mir: Was schreckt das Volk so vor jenem Land. Ich gebe zu, auch auf mich machte es einen unheimlichen Eindruck, jedoch sah ich nichts, was nicht mit Tatkraft und Geschick bezwungen werden könnte.„
„Und fürwahr, dergleichen gibt es dort auch nicht. Allein die Phantasie der Menschen ist es, die man nicht mit Sense oder Pflug beschneiden kann und welche die Geschichte mit Märchen verwebt. Um so, nicht zuletzt, Gründe zu finden für Schicksalsschläge aller Art. Anstatt diese zu sehen als das, was sie sind: Mahnung und Strafe, unserer Sünden wegen, wenden sich diese Narren ihrem heidnischen Aberglauben zu und verschmähen gutes Land. Teufelsacker nennen sie die verwilderten Felder und reden nur flüsternd von ihnen. Sprechen vom Geist des ehemaligen Besitzers, welcher Krankheit und Unglück bringen soll. Ein wahrer Jammer um die Einnahmen, die unsere Stadt so dringend bräuchte.„ Dann trat ein längeres Schweigen ein. Ich hatte meinem Begleiter wohl die gute Laune verdorben. Dennoch war mein Interesse geweckt und ich hakte weiter nach.
„Sagt mir, was ist geschehen und wann, an jenem Ort, dass er so einen gottlosen Namen erhielt? Aus meiner eigenen Heimat weis ich, dass viele der Geschichten, die sich die Bauern in langen Winternächten erzählen, auf wahren Ereignissen beruhen. Freilich nur noch undeutlich und verstümmelt zu erkennen.„
„Ich sehe, ihr seid fürwahr ein erfahrener Mann mit dem einfachen Volk, und ja, es gibt tatsächlich Ereignisse deren Wahrheit man nicht bestreiten kann und die als Nahrungen für die Mär vom Teufelsacker dienten. Doch sind sie lange vergangen und vor meiner Zeit geschehen. Ich kann euch nicht viel darüber sagen. Was ich vernommen habe ist, dass das Land, von dem wir sprachen, einst einem reichen Mann namens Gaujoin gehört hatte. Soweit ich mich erinnere, wurde er vom eigenen Bruder erschlagen, aber dessen Name ist mir entfallen. Die genauen Umstände weis ich nicht zu berichten und es ist mir auch ein Rätsel warum ausgerechnet jener und nicht einer der vielen anderen Morde, zum Ursprung all dieser Phantastereien wurde. Nun wollen wir aber nicht weiter davon sprechen. Seht, dort vorne ist das Stadttor und die ersten Sterne werden bereits sichtbar. Eile ist geboten.„
Das Torhaus, vor dem wir von der Stadtgarde angehalten wurden, war aus solidem Stein und mit einem schweren Eisengitter versehen, an dessen Winde gerade zwei Wachen beschäftigt waren. Doch sie erkannten meinen Gefährten und hielten inne. Ihr Vorgesetzter sprach mit Vanello. An mich wurde kein Wort gerichtet, nur misstrauische Blicke auf Reiter und Schwertgehänge geworfen. Was mein Gönner mit der Wache besprach verstand ich nur bruchstückhaft, aber nach kurzer Zeit verabschiedeten sich beide freundlich und auf Wink des Vorstehers ließen uns die, mit Hellebarden bewaffneten, Wachen passieren. Kaum waren wir in der Stadt, schloss sich langsam ratternd das schwere Fallgitter. Die kühle der Nacht war nun deutlich zu spüren. Erste Lichter entbrannten in den niedrigen, zumeist mit Stroh gedeckten, Häusern und auf dem Stadtwall wurden Fackeln entzündet. Das Leben hatte sich in die Stuben zurückgezogen und kein Mensch war auf der Straße zu sehen. Nur ein streunender Hund schlich auf der Suche nach Abfällen umher. Wir ritten die Hauptstraße entlang, in Richtung Stadtzentrum, auf den weithin sichtbaren Kirchturm zu. Je weiter wir ins Zentrum kamen, desto schlechter wurde die Luft, die aus den engen Seitengassen drang. Mangelnde Hygiene war wohl der Preis einer jeden Stadt, dachte ich bei mir, als wir auf dem verlassenen Marktplatz vor der Kirche anlangten. Hier hielt mein Begleiter an und wandte sich mir zu. „Ich bedaure, aber hier werden sich unsere Wege trennen. Der meine führt mich nach Westen, zum Bergfried. Dort werde ich schon erwartet und muss negativen Bericht abgeben, bevor ich mich zu Weib und Kindern begebe. Haltet euch einfach nach Osten, diese Straße dort geradeaus. Ihr werdet zu eurer Rechten das Wirtshaus „grüne Pforte„ finden. Der Wirt ist ein guter Gastgeber und hat für anständige Gäste immer ein Zimmer frei. Met und Bier, sowie gutes Essen gibt es dort auch und wenn es euch nach mehr Gespenstergeschichten dürstet, werdet ihr unter den Gästen den einen oder anderen finden der euch gern bedient. Ach ja, und sagt dem Wirt das ich euch geschickt habe, dann könnt ihr vielleicht auf Rabatt hoffen.„
„Ich danke euch vielmals Vanello Asquini und möge Gott euch und eure Familie segnen.„ Damit trennten wir uns und ich wandte mein Pferd nach Osten. Ich brauchte nicht lange zu reiten, da drang Musik, Gesang und vielerlei Gerede an mein Ohr. Auch war das Gasthaus hell erleuchtet und wohligere Gerüche von Trank und Speise verdrängten die unangenehme Gassenluft. Als ich näher kam, erkannte ich das zur Nordseite des zweistöckigen Hauses eine kleinere Stallung angelegt war. Ein junger Bursche lehnte auf einem Schemel und war offenbar eingenickt. Ich stieg ab und weckte ihn. Nach erstem Schreck, bei dem er fast stürzte, konnte ich mit einem bescheidenen Obolus seine Zweifel zerstreuen. Ich lud mein weniges Reisegepäck ab und warf es mir über die Schulter. Darauf führte der Bursche mein Pferd zu einer freien Stallung und begann ihm Heu zu bereiten. Ich war´s zufrieden und begab mich zum Vordereingang. Das knarrende Holzschild über der Tür, welches das Haus als „grüne Pforte„ auswies, wäre kaum nötig gewesen, denn tatsächlich war die Tür grün angestrichen worden. Selbige durchschritt ich und fand mich in einem großzügigen Raum wieder. Er war vollgestellt mit eichenen Tischen und Schemeln, auf denen Kerzen in verschiedenen Stadien brannten. An der Ostseite befand sich eine schmale Treppe. Gen Süden stand der Schanktisch und Regale voller Becher, tönerner Krüge und Flaschen. Eine offene Tür gab den Blick frei auf die Küche, wo allerlei Fässer und Zubehör standen und ein Kessel über einer Feuerstelle mit Abzug hing. Eine Magd stocherte mit einem Fleischspieß darin herum. Im Norden waren Tische und Stühle an den Rand geräumt und drei Spielleute, bewährt mit Drehleier, Flöte und Dudelsack sorgten für gehobene Stimmung unter den zahlreichen Gästen. Diese sangen, lachten oder redeten laut durcheinander, waren aber alle den Vaganten zugewannt und so bemerkte Niemand mein kommen. Ich begab mich zum Schanktisch, hinter dem der Wirt stand. Er war ein junger, kräftiger Mann gekleidet in ein langes und graues, schürzenartiges Gewand das die Flecken vieler verschütteter Biere trug. Er musterte mich mit scharfen Augen, die seinen Geschäftsinn verrieten und nicht ganz mit seiner, ansonsten freundschaftlichen Mine und Umgangsform korrespondierten.
„Einen schönen Abend edler Herr und willkommen in der grünen Pforte„ wurde ich begrüßt. „Ich sah euch noch nie in unsrer schönen Stadt. Sagt, womit kann ich einem Reisenden zu diensten sein?„
„Gott zum Gruß. Haldemar lautet mein Name. Fürwahr bin ich auf Reise und hatte das Glück, den Beamten Vanello Asquini vor den Toren dieser Stadt anzutreffen. Er wies mir dieses, euer Gasthaus, um ein Bett für die Nacht sowie Speis und Trank zu finden.„
„Ah, der gute Vanello hat euch geschickt. Für seine Freunde haben wir selbstredend ein Zimmer zu gutem Preise frei. Auch an Speis und Trank soll es euch bei uns nicht mangeln und wie ihr seht haben wir auch anderes zu bieten, wenn euch der Sinn danach steht..„ Damit wies er auf die Spielleute und die versammelte Gesellschaft.
„Doch sagt mir: Ihr werdet dies Gepäck kaum hierher getragen haben, habt ihr ein Lasttier das ebenfalls Herberge benötigt?„
„Dafür ist gesorgt, ich brachte es in euren Stall und entlohnte euren Knecht.„
„Das tatet ihr recht. Wohlan, folgt mir, ich will euch euer Zimmer weisen auf das ihr eure Last verstauen könnt.„
Damit ging er voran und ich folgte ihm die Treppe hinauf. Oben lag ein langer Flur, mit verschlossenen Türen zu beiden Seiten. Hier lebte wohl der Wirt mit seiner Familie und vermietete einige Zimmer. Am Ende des Ganges schloss er das Zimmer zur Linken auf und wies mich eintreten. Es war klein, aber gepflegt und mit einer Pritsche, sowie Tisch und Stuhl ausgestattet. Ein Fenster blickte nach Süden auf ein Häuserdach. Auch eine Waschschale mit Wasser stand auf dem Tisch. Ich legte mein Gepäck neben das Bett und nickte dem Wirt zu, der an der Tür gewartet hatte.
„Wünschen der Herr Speis und Trank auf sein Zimmer oder gedenken sie unten zu speisen?„
„Keine Umstände. Ich werde kommen, sobald ich mich gewaschen habe.„
Der Wirt verbeugte sich und schloss die Tür als er ging. Erst jetzt spürte ich meine Müdigkeit und die steifen Glieder von einem langen Ritt. Also streckte ich mich auf der Pritsche aus und schloss eine kurze Weile die Augen. Sicher wäre ich eingeschlafen, hätten nicht Hunger und Durst mich gequält. So raffte ich mich zusammen und wusch mir mit kaltem Wasser das Gesicht, um meine Sinne zu beleben. Erfrischt verließ ich das Zimmer und begab mich wieder in den großen Raum im Untergeschoss. Die Musik war leiser, der Dudelsack fortgelegt worden. Nur Flöte Leier und Laute untermalten die Gespräche, die sich unter den Gästen erhoben hatten. So blieb mein erneutes Eintreten nicht unbemerkt und hier und da verstummte man, um neugierige Blicke auf den Fremden zu werfen. Ich beachtete es nicht weiter und setzte mich an einen kleinen Tisch, nahe der Theke, etwas abseits der anderen Gäste. Sogleich kam der Wirt und fragte nach meinem Begehr. Ich bestellte einen Krug Bier und eine warme Mahlzeit, welche mir in Form eines Tellers Ragout und Brei gereicht wurde. Es erschien mir eine hervorragende Mahlzeit, auch wenn ich nicht sagen könnte ob dies auf die Qualitäten der Köchin oder meinem leeren Magen zurückzuführen war. Das Bier tat seine Wirkung, mein Magen war voll und so machte ich meine Beine lang und lauschte eine Zeit lang Klängen und Gesang der Spielleute. Nach einigen Tänzen erweckte eine, zur Laute gesungene, Ballade besonders mein Interesse. Es handelte sich um eine jener Volkslegenden, die Vanello auf unserer Fahrt angedeutet hatte. Der genaue Wortlaut ist mir nicht mehr im Gedächtnis, doch der Inhalt lautete wie folgt: Ein reicher Bauer hatte zwei Söhne, einen rechtschaffenen und einen durchtriebenen. Letzterer beging viele üble Taten und stand im Verdacht mit dem Leibhaftigem paktiert zu haben. Unglücklicherweise war jener Schlächter aber der Erstgeborene und so wäre das reiche Erbe auf ihn gefallen. Ein jeder in der Stadt fürchtete sich vor diesem Mann und so wollte man nicht zulassen, dass er auch noch Protektion durch Reichtum erhielt. Deshalb bedrängte das Volk den Vater. Es forderte ihn auf, seinen Sohn zu verstoßen und ihn somit zu enterben. Es folgte eine Aufzählung der ehrlosen Taten des Sohnes. Der Vater, konfrontiert mit so viel Schmach eigenen Blutes, rief den Sohn zu sich. Er schalt ihn, nicht länger sein Sohn, sondern des Teufels zu sein und verbannte ihn. Eines Nachts schließlich, kehrte der ergrimmte Teufelssohn zurück und rächte sich an seinem Vater auf grausame Weise. Er band dessen Eingeweide an einen Pfahl und jagte ihn so lange, mit einem glühenden Eisen um selbigen herum, bis er tot zusammenbrach. Nach diesem diabolischen Mord wurde er von dem jüngeren Bruder gestellt und auf dem Teufelsacker mit dem Schwert erschlagen. Zur Bestattung kam es nicht und es hieß, dass nicht einmal Hunde oder anderes Getier seine tote Hülle anrührten, ganz so als wäre sie vergiftet. Der Rest der Geschichte handelte hauptsächlich von unheimlichen Vorgängen am Ort der Tat und einem angeblichen bösen Geist des Erschlagenen. Es schien mir jedenfalls kein Wunder das die Bauern das Land mieden, wenn solcherlei Geschichten die Runde machten. Während des Vortrags waren viele der Gespräche verstummt. Die Spielleute waren wohl aus der Gegend und wussten womit sie ihre Zuhörer fesseln konnten. Nur ein alter Mann hatte angefangen leise zu lachen und auch wenn ich das folgende Gespräch, zwischen ihm und anderen Gästen, nicht verstehen konnte, hatte ich doch den Eindruck das er mit dem Inhalt des Liedes nicht einverstanden war und sich jetzt gegen seine Tischgenossen verteidigte. Diese fanden die Schauergeschichte wohl sehr treffend. Einige Minuten später schüttelte der Greis den Kopf und stand abwinkend auf. Demonstrativ setzte er sich, einige Tische weiter, allein hin. Mir schien dieser grauhaarige Mann, in seinem alten und vornehmen Gewand aus schwarzem Stoff, eigensinnig aber weise und es drängte mich, seine Meinung über das Gehörte zu erfahren. In diesem Sinne fasste ich mir ein Herz, nahm meinen Krug und ging zu seinem Tisch herüber. Bis ich direkt vor ihm stand bemerkte er mich nicht. In Gedanken versunken schien er zu sein, während er geradeaus starrte ohne dort etwas zu sehen. Dann wandte er mir seine, unter buschigen Brauen verborgenen, dunklen Augen zu. Sein Blick war erfüllt von einem Wiederspruch aus Strenge und Güte, und hätte einen König auf einen Platz, weit unter dem Seinen, verweisen können.
„Verzeiht das ich euch belästige. Mein Name ist Haldemar Kolonin. Ich bin hier fremd und hätte ein paar Fragen, sofern ihr es gestattet.„
Ohne ein Wort wies er mir Platz zu nehmen. Ich setzte mich und bestellte per Handzeichen zwei Bier.
„Nun, Haldemar Kolonin, sagt mir was euch her führt. In diese Stadt und vor allem an diesen Tisch.„
„Ich werde in Estavayer lediglich nächtigen und morgen meinen Weg nach Stäffis fortsetzen. Dort führen mich Geschäfte persönlicher Natur hin und ich möchte einen Verwandten besuchen. Doch hat dies wenig mit dem zu tun, was mich zu eurer Gesellschaft rief. Es wahr wohl eher die wenig tugendhafte Neugierde.„
„Wenig tugendhaft, wenn Zweifel an Glaube und Moral seine Folgen sind, vielleicht. Doch urteilt nicht zu schnell über eine Eigenschaft, die uns der Herr Gott gab, die Wahrheit über Mancherlei zu ergründen, das zuvor im Dunkeln lag. Viel Weises und Wahres seiner Werke wäre im Verborgenen geblieben ohne die Neugierde.„
„Verzeiht meine unbesonnene Rede. Es freut mich das ihr so denkt. Doch lasst mich erklären: Ich bin nun kaum einige Stunden in der Umgebung Estavayers und habe schon ungewöhnlich oft von einem Ort gehört, der die Menschen stark zu beschäftigen scheint. Zunächst sah ich ihn selbst, dann wurde mir näheres von Vanello Asquini berichtet und nun höre ich davon singen und es schien mir das auch ihr, darob in Streit geraten seit.„
„Ihr habt Vanello getroffen? Er ist von sich sehr eingenommen, aber hat zumindest genug Verstand nicht in den Teufelscanon einzustimmen, der hier gerade zum Besten gegeben wurde. Ihr habt recht, es ist die Lieblingsgeschichte der Menschen hier und das seit fast einem halben Jahrhundert. Alles Narren, ich habe eigentlich schon vor langer Zeit aufgehört mich diesem Geschwätz entgegenzustellen. Doch wie ihr seht, gelegentlich geht es mit mir durch. Hm, doch vielleicht ist an euch noch nicht jedes Wort verschwendet. Was also wollt ihr wissen?„
„Nun, die Wahrheit, würde ich sagen. Soweit ihr sie berichten könnt.„
In dem Moment kam unser Bier und mein Gesprächspartner nahm einen großen Schluck, wonach er sich den langen Bart abwischte. Die Spielleute hatten während unseres Gesprächs geendet und waren, nachdem sie Spenden der Zuhörer entgegengenommen hatten, gegangen. Ihnen folgte ein Großteil der Gäste und zurück blieben nur drei angetrunkene Herren, die sich nicht um uns scherten.
„Zunächst mal könnt ihr vergessen was ihr bisher gehört habt. Ich weis zwar nicht was Vanello euch erzählt hat, aber die Ballade war völliger Unsinn. Zusammengeschustert aus einigen Volkssagen und Geistergeschichten, welche wir unseren Kindern erzählen. Allein die Rache am Vater! Habt ihr das nicht erkannt? Es stammt aus dem Text eines fahrenden Bettelmönchs der hier vor einigen Jahren die Runde machte. Er kam aus dem Orient und erzählte diese und andere Grausamkeiten, welche die Osmanen angeblich an ihren christlichen Gefangenen verüben. Inwiefern dies der Wahrheit entspricht, weis ich nicht zu sagen, doch mit der Geschichte des Vatermordes hat es nichts zu tun. Es ist mir ein Rätsel weshalb der Volksmund solcherlei Sadistereien erfindet, wo doch die Wahrheit schon unchristlich genug ist.„
Darauf entgegnete ich:
„Wahrscheinlich aus eben jenem Grund. Der kleine Mann versucht die Taten, die mitten unter ihm geschehen, zu entfremden indem er sie verzerrt mit abstrakten Grausigkeiten die aus der Hölle oder einer weit entfernten Welt zu entstammen scheinen. Ich denke, so bezähmt er die Angst vor seiner direkten Umgebung.„
„Ein scharfsinniger Gedanke. Seit ihr ein Gelehrter?„
„Oh nein, ich gebe zu, der Gedanke ist mir nicht in diesem Moment gekommen. Ich hatte das Glück Latein zu lernen und einige interessante Schriften zu studieren. Aus einer von ihnen stammte meine Überlegung.„
„Ein ehrlicher Mann dazu. Ihr müsst wissen, dass zu erkennen war lange Jahre mein Beruf. Als oberster Richter sprach ich das Recht über diese Stadt. Und in eben dieser Funktion kam ich in Kontakt mit jenen Ereignissen, die der Ursprung der Legende vom Teufelsacker sind.„
„Es war also ein Gerichtsfall, dem ihr vorsaßet?„
„Ja genau, und aus diesem Grunde kenne ich auch die gesamte Geschichte aus erster Hand. Aber lasst mich von Anfang an beginnen: Es war im Jahr 1320 unseres Herrn. Die Zeiten waren damals besser für unsere Stadt. Der Handel blühte und die Felder waren gut bestellt. Viele kleine Bürger und selbst Bauern kamen in dieser Zeit zu Reichtum. Einer von ihnen war der freie Landmann Gaudulf. Er besaß gutes Land westlich der Stadt, auf der Nordseite des Flusses. Es gehört noch heute zu den ergiebigsten. Daneben hatte er Weide, auf der Herden von Kühen und Schafen grasten. Sein Weib Frolaica gebar ihm zwei Söhne, Frotbert und Gaujoin. Sie starb jedoch im Kindbett, bei der Geburt von Frotbert. Im Jahre 1340 wurden die Zeiten schlechter. Der Landesfürst starb bei einem Jagdunfall und da er keine Nachkommen hatte wurde sein Neffe auf den Thron gehoben. Er war ein schlechter Herrscher. Ein Kriegstreiber der, der Völlerei verfallen war und die Steuern drastisch erhöhte, um seinen Luxus und seine Paranoia zu finanzieren. Das einzig Nützliche aus seiner Regierungszeit ist wohl die Stadtmauer, welche jedoch heute in schlechtem Zustand ist. Brave Bürger, wie Gaudulf, hatten es schwer unter seiner Herrschaft. Bauern denen ihr Land selbst gehörte brachten den Staatskassen nicht viel und so versuchte der Fürst, mit unlauteren Mitteln, diese zu ruinieren und zurück in die Pacht zu zwingen. So hatte Gaudulf unter vielen Schicksalsschlägen zu leiden und verarmte zusehends. Sein jüngerer Sohn Frotbert unterstützte ihn zwar, war aber nicht in der Lage viel für seinen Vater zu tun, da sein Sold bei der Stadtgarde bescheiden war. Anders der ältere Sohn Gaujoin. Er war ein skrupelloser und dadurch sehr erfolgreicher Geschäftsmann und arrangierte sich mit dem Fürsten. So kam er zu gutem Land, jenem, dass ihr in seinem heutigen Zustand saht. Auch die Überreste seines prächtigen Gehöfts sind noch zu sehen. Während der Vater also immer ärmer wurde, kam der Sohn zu Reichtum. Im Jahr 1343 brach ein besonders harter Winter über unser Land herein. Ein Großteil des Viehs erfror und viele mussten hungerleiden. Nun war der alte Gaudulf völlig ruiniert und musste sich erneut in Knechtschaft begeben. Seinen Magen füllte jedoch selbst diese Maßnahme nicht und Frotbert konnte ihm nicht helfen. So tat der Vater, was wohl ein Jeder getan hätte. Er begab sich zu seinem Sohn Gaujoin und bat ihn um Hilfe. Eines Abends also stand er vor dessen Gehöft und klopfte an die Tür. Der Sohn bat seinen eigenen Vater nicht einmal hinein, sondern fragte nur schroff was er wolle. Dieser erklärte seine Lage, die dem Sohn ja kaum unbekannt sein konnte, und bat ihn, der Familienbande wegen, um finanzielle Hilfe oder zumindest um eine Kuh, mit deren Hilfe er den Winter überstehen könnte. Doch Gaujoin war ein hartherziger Mann geworden, der Bettler verachtete und nie Almosen gab. Er wies seinen Vater ab. Darauf sagte der Vater zum Sohn: Jetzt muss ich, vom Hunger getrieben, den Leuten ihre Sachen stehlen; da sollte ich lieber bei dir stehlen, denn du hast Besitz und Leben nächst Gott von mir. Darauf geriet Gaujoin außer sich. Beschimpfte den alten Mann und bedrohte ihn gar mit dem Tode, sollte er es wagen seinen Besitz anzurühren. Dann jagte er ihn fort. Der Vater war zutiefst gekränkt, dass sein eigen Fleisch und Blut ihn dermaßen behandelte. Es war kalt und der Hunger plagte ihn. So ging er hin und führte dem Sohn, aus Not und Wut, eine Kuh fort.„
Hier hielt mein Tischgenosse inne und griff nach seinem Becher. Während er trank sagte ich wie zu mir selbst:
„Mir scheint dies kein wirkliches Verbrechen zu sein. Der Sohn ist wohl der eigentliche Täter, da er seinen Vater zu einer solchen Tat zwingt. Darüber hinaus sind mir Gesetze bekannt, welche Diebstahl unter Gewissen Umständen erlauben.„
„Ich weiß nichts über das Stadtrecht eurer Heimat, aber in unserem Fall war es eindeutig. Unser Gesetz billigt die Entwendung fremden Eigentums nur dann, wenn besondere Umstände vorliegen. Wie zum Beispiel bei einer schwangeren Frau oder einem Durchreisenden oder Fuhrmann. Doch Vater und Sohn waren Bauern von Stand und zudem sesshaft. Moral und Anstand hätten hier gebieten sollen und nicht das weltliche Gesetz. Und dazu hätte es auch nicht kommen müssen. Lasst mich also fortfahren:
Der Diebstahl blieb nicht lange unentdeckt. Ein Knecht vermisste die Kuh, kaum eine Stunde nach der Tat und erstattete sofort Bericht. Gaujoin brauchte freilich nicht lange zu überlegen wer der Dieb war und machte sich sogleich in Waffen auf den Weg. Zu Pferde hatte er seinen alten Vater, mit der Kuh im Schlepptau, bald eingeholt. Er sprang vom Pferd, schlug ihn zu Boden und band ihn. So schleppte er den Vater kurzerhand in die Stadt und brachte ihn als Dieb vor die Justiz, welcher ich damals vorstand. Kurz nachdem die beiden ankamen, stürzte auch schon der junge Frotbert hinterher. Da Gaujoin seinen Gefangenen öffentlich und gefesselt durch die Stadt geführt hatte, war die Neuigkeit schnell an das Ohr Frotberts gedrungen und er war sogleich zum Gericht geeilt. Noch war alles keine offizielle Anklage, sondern ein Familienzwist und im Gespräch der beiden Brüder erfuhr ich den Tatbestand nur als Zuhörer, nicht als Richter. Frotbert suchte zu beruhigen und ließ sich von beiden Seiten den Hergang berichten. Nachdem er im Bilde war, redete er auf Gaujoin ein und versuchte ihn von einer Anklage abzubringen. Er sagte: Das kann doch nicht dein Ernst sein, dass du unseren Vater zu Tode bringst, denn wenn du das tätest, würdest du Gott beleidigen und unsere ganze Nachkommenschaft entehren! Alle umstehenden stimmten ihm zu, doch das führte nur dazu, dass sich Gaujoin immer mehr versteifte und weiter auf sein Recht beharrte. Frotbert gab es schließlich auf den Bruder mit Worten zur Vernunft zu bringen und ging fort, um Freunde und Waffen zu holen, damit er den Bruder notfalls mit Gewalt hindern könnte. Nachdem er gegangen war, drängte Gaujoin mehr als zuvor auf mich ein, ihm Recht zu verschaffen. Die Beweislage war eindeutig und wegen des hohen Wertes einer Kuh, handelte es sich um ein Kapitalverbrechen, dass mit dem Tode bestraft wurde. Es war eine gespannte Situation. Die Öffentlichkeit hatte schnell Wind von der Sache bekommen und drängte sich vor den Toren des Gerichts. Wenn der Bruder in Waffen zurück käme, würde es schon bald ein Blutbad geben. Doch einen Freispruch konnte ich auch nicht verantworten. Das währe ein Freibrief für Viehdiebe gewesen und die Eindeutigkeit des Verbrechens lies mir kaum einen Ermessensspielraum. Alles kam darauf an das Gaujoin keine Anklage erheben würde. So versuchte ich ein letztes Mal mit ihm zu reden. Ich bedrängte ihn mit moralischen Einwenden. Sagte ihm, er würde schlimmes Unrecht an der Kirche Gottes verüben und mahnte ihn an sein Seelenheil. Aber sein Herz war nicht zu erweichen. Er erwiderte: Als mein Vater mich aus der Hausgewalt entließ und mir das mir zukommende Vermögen aushändigte verlor er jeden Anspruch auf das Kindesgut. Ich habe ein eigenes Haus und eine eigene Familie die ich selbst ernähre, kein Gesetz verpflichtet mich dazu meinem Vater zu helfen. Das Recht dieser Stadt wurde gemacht um Familien wie die meine und deren Eigentum zu schützen und nicht irgendeine Sippschaft. Zeigt also nicht mit dem moralischen Finger auf mich, wenn ich einfordere was ihr versprecht.
Durch diese, seine Rede war ich geschlagen. Ich musste gewähren, worauf er Bestand. Nach geltendem Recht konnte bei handhafter Tat keine höhere Blutgerichtsbarkeit angerufen und das Urteil sofort gesprochen und vollstreckt werden. Ich eröffnete das Verfahren und verurteilte Gaudulf zum Tod durch den Strang.„
Eine Pause entstand. Die letzten Gäste standen auf, zahlten, und verließen schwankend das Lokal. Wir saßen eine Zeitlang schweigend. Der alte Richter starrte geradeaus, aber eigentlich blickten seine Augen in sein innerstes. Was er sah, schien ihn traurig zu machen. Ich wagte nicht etwas zu sagen, sondern wartete, bis er von sich aus fortfahren würde. Schließlich schien er seine Gedanken abzuschütteln und griff zu seinem Becher, der aber inzwischen leer war. Dann sagte er:
„Seid so gut mein junger Freund und bestellt mir noch etwas zu trinken. Ich bin ein alter Mann und meine Kehle ist solch lange Rede nicht mehr gewohnt.„
Ich bestellte noch einen Krug und wartete, bis er getrunken hatte. Schließlich fuhr er fort.
„Nachdem Gaudulf verurteilt worden war, nahmen die Wachen sich seiner an. Sie legten ihn in Ketten und führten ihn zum Richtplatz, welcher damals noch der Markt war. Der arme Mann wehrte sich nicht. Er hatte den resignierten Blick nach unten gewand, als man ihn durch die Straßen führte. Die Menge die dem Zug folgte wurde immer größer und viele konnten nicht fassen was dort geschah. Alle kannten Gaudulf und viele mochten ihn. Da wurden viele Rufe laut, über Ungerechtigkeit und den verderbten Sohn. Als wir am Galgen anlangten war das Seil schon geknüpft und die Falltür geprüft. Dann wurde der Verurteilte hinauf geführt, während der Pfarrer aus der Bibel las. Als er geendet hatte betrat der Scherge das Galgenpodest. Er war bei der Verhandlung dabei gewesen und kannte den Hergang. Als er schließlich neben dem Knienden stand und seines Amtes wallten sollte, gebot er der aufgebrachten Menge zu schweigen. Als es still geworden war rief er lauthals: Was meint ihr? Ich halte es für vernünftig, dass unter den hier Anwesenden der schlimmste Übeltäter das Urteil vollstreckt. Alle riefen zustimmend, dass die Rechtsordnung und das Gebot der Vernunft dies erforderten, und der Scherge rief wieder: Der ist´s, der Teufelssohn, der dem Vater den Strick gedreht hat! Damit zeigte er auf Gaujoin, der unbewegt in vorderster Reihe stand. Stille trat ein und für einen Augenblick meinte ich, dass dies die Rettung sei. Jedoch, nach kurzer Starre, erstieg der Sohn festen Schritts den Galgen. Seine Miene war verbissen, aber bemüht dem Vater nicht in die Augen zu sehen. Dieser blickte seinem Erstgeborenen fest ins Gesicht. Er zerrte den Vater auf die Beine, stellte ihn auf die Falltür und legte ihm den Strick um den Hals. Dann ging er wortlos zum Auslöser. Gaudulf schloss die Augen und murmelte ein Gebet, als sein Sohn den Hebel betätigte. Die Falltür schwang, der Vater stürzte ins Leere und brach sich mit einem Knack das Genick. Die Menge schrie auf und starrte dann fassungslos auf den leblosen Körper. Noch bevor die meisten realisiert hatten was geschehen war, schwang sich Gaujoin auf sein Pferd und ritt davon.
Der Scherge durchschnitt das Seil und legte den Toten auf die Erde. Nun erhob sich wildes Stimmengewirr und viele verfluchten die Tat. Jedoch wusste keiner was zu tun sei, da formell dem Mörder nicht beizukommen war. Da waren plötzlich viele Hufe zu hören und aus Süden kamen sechs Reiter in Waffen die Straße hinauf. An ihrer Spitze erkannte ich gleich den jungen Frotbert. Er stieg vom Pferd und rannte entsetzt auf die Leiche des Vaters zu, beugte sich über sie und vergoss bittere Tränen. Ein Freund kam zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter und sprach kurz mit ihm. Da entbrannte grimme Wut im Angesicht Frotberts und ich ahnte wovon er soeben erfahren hatte. Er schwang sich auf sein Pferd und ritt mit seinen Freunden in wildem Galopp dem Bruder hinterher. Es war wohl allen Anwesenden, an jenem Tage klar, was nun geschehen würde: Der Bruder sann auf Rache und niemand würde sie ihm verwähren.
Des Nachts stand der Hof Gaujoin´s in Flammen und er selbst lag mit gespaltenem Schädel auf dem Feld. Frau und Kind fand man nicht. Keiner weis ob sie in den Flammen umkamen oder flohen, sie wurden aber nie mehr gesehen. Ebenso Frotbert. Zwar wurde sein Name nur im Lob ausgesprochen und ein jeder gönnte ihm die Rache, dennoch war er vor dem Gesetz ein Mörder und Brandstifter und ich hätte auch ihn zum Strick verurteilen müssen, hätte man ihn gefasst. Die Leiche Gaujoins ließ man an Ort und Stelle liegen, so wie man es mit Verbrechern tut. Es ist allerdings nicht wahr, dass kein Hund sie angerührt hätte. Es war schon bald nichts mehr von ihr übrig, außer ein paar Knochen.
Von da an nahm die Legende ihren Lauf. Unmittelbar nach den Geschehnissen wollte natürlich niemand das Feld bepachten und so gingen die Jahre ins Land. Das Unkraut begann zu wuchern, wie die Phantasie der Menschen und dann kam 1348 die Pest und raffte einen Großteil der Bürger dahin. Als diese Plage verging, war kaum noch jemand am Leben der sich an die wahren Begebenheiten erinnern konnte. Jetzt gab es nur noch Gruselgeschichten und als man auch noch meinte, die Pest habe auf jenem Land ihren Anfang genommen, bestand endgültig keine Hoffnung mehr auf Besinnung. So, jetzt wissen sie soviel wie ich und mehr als alle anderen. Mehr gibt es über den Teufelsacker nicht zu sagen.„
Erneut schwiegen wir und ich betrachtete die fast herunter gebrannte Kerze in ihren letzten Zügen. Als sie erlosch fragte ich den Greis:
„Fühltet ihr euch schuldig für das Geschehene?„
„Ach... Schuld?! Ich würde es so nicht sagen. In meiner Zeit als Richter hatte ich viele Entscheidungen zu fällen, die dem Gesetz mehr als dem Gewissen geschuldet waren. Und ich werde Rechenschaft über sie ablegen müssen, vor dem höchsten Richter. Ich habe aber stets versucht mit Bedacht zu Urteilen, was auch bedeutet, dass man zumal das Wohl vieler über das des Einzelnen stellen muss. Die Gesetze, die ich umgesetzt habe, sind weltliche Gesetze. Gemacht zum Erhalt einer Gemeinschaft, die sich selbst zerfleischen würde zwänge man ihr keine Ordnung auf. So ist es unvermeidbar das es zu Konflikten kommt mit den sittlichen Gesetzen des Gewissens. Gaujoin schien kein Gewissen zu kennen, doch war er ein vorbildlicher Bürger. Sein Vater war ein gerechter Mann und dennoch endete er am Strang. Innerhalb einer Familie gelten die üblichen sozialen Verhaltensweisen nicht, denn sie ist eine Einheit. In Notzeiten muss einer für den anderen einspringen, ganz gleich, was Richter oder Pfarrer dazu sagen. Gaujoin erkannte diese Notgemeinschaft nicht an und war darum ein Verbrecher vor Gott, aber nicht vor mir. Ihr seht, auch Schuld ist differenziert.„
Damit stand er auf und reichte mir die Hand. Ich stand ebenfalls auf und gab ihm die meine.
„Ich danke euch für eure Offenheit und Weisheit, die ein Stück meines Weges erhellt hat.„ So sprach ich zum Abschied und der Richter ging seiner Wege. Ich sank auf meinen Schemel zurück und trank die Reste meines Bieres. Vieles ging mir durch den Kopf, doch ich war zu müde und geschafft um es in eine klare Form zu bringen. Also stand ich auf und zahlte den Wirt aus. Dann ging ich in mein Zimmer und legte mich, so wie ich war, in mein Bett. Der blasse Mond schien durch das Fenster und es dauerte nicht lange bis ich in einen tiefen Schlaf viel.
Ich wusste nicht wie weit der Tag vorangeschritten war, als mich das Treiben auf der Straße weckte. Ich fühlte mich erholt und hungrig. Mein erster Blick viel aus dem Fenster und ein blauer Himmel versprach einen warmen Spätsommertag. Nach der Morgentoilette begab ich mich, schon mit meinem Gepäck beladen, nach unten und genehmigte mir frisches Brot und einen Apfel zum Frühstück. Der Wirt fragte, dem Anstand halber, nach meiner Nachtruhe und ob ich noch länger bleiben oder abreisen wolle. Eine Floskel, wie mir schien, denn seinen scharfen Augen war mein Gepäck kaum entgangen. Ich verneinte höflich, bedankte mich für alles und gab ihm ein paar Münzen extra, worauf er offensichtlich erpicht war. Dann schulterte ich meine Sachen und verlies das Gasthaus. Auf der Straße herrschte einiger Betrieb und auch der Stallbursche war emsig bei der Arbeit. Auf Geheiß führte er mein Pferd heraus und sattelte es. Nachdem ich alles verstaute hatte saß ich auf und trabte den selben Weg zurück, den ich gekommen war. Auf dem Marktplatz hielt ich inne und schaute mich nach einem Galgen um, doch dies war nicht mehr der Richtplatz. Die gestrige Geschichte schien mir heute fast wie ein Traum. Schon bald lagen die Stadttore hinter und weite Felder vor mir. Überall waren die Bauern bei der Arbeit und viele sangen dabei. Eine leichte Briese brachte angenehme Kühle und ich fühlte mich gut. Schließlich kam ich zu dem verwilderten Feld mit seiner thronenden Ruine. Ich hielt an und betrachtete noch einmal alles wie gestern. Und ich dachte: Vanello hatte recht; Am Tage, im Lichte Gottes, ist es weit weniger unheimlich.

 

Hallo Skalde,

schön, eine Mittelaltergeschichte, zumindest zeitlich triffst du damit genau meinen Geschmack.

Leider hat mich deine Geschichte im Nachhinein etwas "unbefriedigt" zurückgelassen.
Warum das so ist, würde ich dir gerne mitteilen, allerdings kann ich dir nur meine bescheidene Meinung und Vorschläge anbieten und hoffe, du kannst damit etwas anfangen.

Zuerst ist mir der ungewöhnliche Stil aufgefallen. Mit ungewöhnlich meine ich, dass er für mich durch oft umständliche Formulierungen und eine künstlich wirkende Sprache in den Dialogen (ich weiß, zumindest einmal war es gewollt, die Sache mit dem "Bildungstest" fand ich auch sehr gelungen!)
ziemlich antiquiert vorkam.
Vielleicht hast du genau das beabsichtigt, aber bei mir funktioniert das leider nicht.
Ich fand den Text so stellenweise recht anstrengend zu lesen.

Mir ist aufgefallen, dass du die Anrede "Ihr" und "Euch" immer klein geschrieben hast, und zweimal hast du stattdessen "Sie" geschrieben, das könntest du vielleicht noch angleichen. Und ein paar Absätze könnten vielleicht auch nicht schaden ...

Was den historischen Kontext angeht: ist dein Estavayer das Estavayer-le-Lac in der Schweiz? Berichtige mich, wenn ich jetzt Blödsinn rede, aber ich dachte Stäffis und Estavayer seien der gleiche Ort, bzw. Stäffis einfach die deutsche Bezeichnung für die Stadt?
Deine Beschreibung der Stadt, die mir übrigens gut gefallen hat, ähnelt jedenfalls der Stadt in der Schweiz ...

Inhaltlich lässt mich deine Geschichte ein wenig zwiegespalten zurück: Die Idee, die Legende um einen umheimlichen Schauplatz aufzugreifen und richtigzustellen, finde ich interessant, aber letzendlich ist das ganze etwas handlungsarm, da das meiste nur erzählt wird. Ich als Leser erlebe relativ wenig, bekomme von den Gefühlen der Menschen nicht soviel mit, wie ich gerne möchte.
Aber vielleicht war das auch gar nicht deine Intention?

Zwei Sachen sind mir noch aufgefallen:

Er war ein schlechter Herrscher. Ein Kriegstreiber der, der Völlerei verfallen war und die Steuern drastisch erhöhte, um seinen Luxus und seine Paranoia zu finanzieren.
Paranoia finde ich zu modern, es passt irgendwie nicht zum Rest des Textes ... vielleicht würde etwas wie Vergnügungssucht besser passen, auch wenn es nichts mit Paranoia zu tun hat?
Die Gesetze, die ich umgesetzt habe, sind weltliche Gesetze. Gemacht zum Erhalt einer Gemeinschaft, die sich selbst zerfleischen würde zwänge man ihr keine Ordnung auf. So ist es unvermeidbar das es zu Konflikten kommt mit den sittlichen Gesetzen des Gewissens. Gaujoin schien kein Gewissen zu kennen, doch war er ein vorbildlicher Bürger. Sein Vater war ein gerechter Mann und dennoch endete er am Strang. Innerhalb einer Familie gelten die üblichen sozialen Verhaltensweisen nicht, denn sie ist eine Einheit. In Notzeiten muss einer für den anderen einspringen, ganz gleich, was Richter oder Pfarrer dazu sagen. Gaujoin erkannte diese Notgemeinschaft nicht an und war darum ein Verbrecher vor Gott, aber nicht vor mir. Ihr seht, auch Schuld ist differenziert.„
Diesen gesamten Absatz finde ich gedanklich zu modern, er passt meiner Meinung nach nicht ins Mittelalter, vielleicht liegt das auch einfach an den Fremdwörtern ...

Zum Schluss noch etwas positives: das Ende hat mir gut gefallen, dass er den Gedanken vom Anfang aufgreift, lässt das Ganze irgendwie schön rund wirken.

So, ich hoffe, du fühlst dich jetzt nicht entmutigt wegen der ganzen Meckerei ... Persönlich würde mich noch interessieren, ob es diese Legende wirklich gibt?

Viele Grüße,
Meari

PS: da ich anscheinend die erste Kritikerin bin: ein herzliches Willkommenvon mir!

 

Hallo Meari.
Zunächst einmal danke für deine Kritik (vor allem so schnell; hätte ich gar nicht erwartet). Jetzt zu den einzelnen Punkten, die du angesprochen hast:
Das Familiendrama, dass ich schildere, gab es wirklich. Allerdings nicht exakt in dem Ablauf. Es entstammt aus der lateinischen Chronik eines Franziskaners, namens Johannes von Winterthur (ca. 1343 erschienen so weit ich weiß).

Das mit den Orten Estavayer-le-Lac und Stäffis hat mich auch irritiert als ich nachgesehen habe. Durchaus möglich das ich die Quelle falsch interpretiert habe.

Das mit dem Stil in den Dialogen ist natürlich letztlich Geschmackssache. Ich war bemüht eine, für damalige Verhältnisse, zeitgemäße Ausdrucksform zu finden. Mit anderen Worten: Es soll antiquiert klingen.
Eigentlich wollte ich nur ein Bild von der Atmosphäre im Mittelalter und einigen Denkweisen verschiedener Schichten wiedergeben. Daher kommt es, dass es zeitweilig ein bisschen schleppend voran geht. Da geb ich dir recht. Ich bin nun mal begeistert von der Zeit und merke manchmal gar nicht, dass eigentlich nicht viel passiert :)
Ich hab sogar schon versucht das ganze spannender zu machen als es eigentlich ist. In eben jenen Passagen, welche dir völlig richtig, als zu modern erschienen. Solche Gedanken hätte man damals nicht im Ansatz geäusert. Auch die indirekte Kritik am Fürsten ist schon sehr gewagt.

Was den Punkt betrifft, dass die Figuren zu gefühlsarm erscheinen:
Muss ich dir recht geben. Das Problem liegt hier darin, dass ich persöhnlich gern Erzählungen lese und nicht viel Erfahrung im Geschichten schreiben besitze. In der Regel habe ich meistens wissenschaftliche Artikel geschrieben. Ist also recht unbekanntes Terrain für mich.

So ich glaub das wars soweit. Also nochmal danke und freut mich das dir die Zeit gefällt. Schätze ich werd mich storymäsig häufiger in der Region bewegen.

 

Hallo Skalde,

jetzt komme ich endlich mal dazu, auch etwas von dir zu kritisieren. Das sollst du aber nicht als Retour-Kutsche auffassen.
Da der Text ziemlich lang ist und auch sehr wenig Absätze hat, habe ich das Leser immer noch hinausgeschoben. Das ist übrigens schon der erste Kritikpunkt. Den Text solltest du durch Absätze auflockern, das liest sich leichter. Vielleicht hast du daher erst eine Kritik erhalten.

So, nun erst einmal zum Text selbst. Du hast für mich sehr ausführlich die Gegend, die Arbeit der Bauern, den Ritt des Prot beschrieben. Wie ich finde zu ausführlich. Statt der vielen Beschreibung hätte es mehr Handlung bedurft, wie schon Meari erwähnt hat.
Irgendwie hatte ich am Ende das Gefühl, dass da eigentlich zwei Geschichten in einer stecken. Die Legende selbst, etwas ausgebaut mit Dialogen und Handlungen, also nicht erzählt, wäre schon ein spannendes mittelalterliches Erlebnis für sich gewesen.
Aber da ich inzwischen weiß, dass du lieber eine neue Geschichte verfasst, statt an der alten herumzudoktern, könnte ich dir raten, diesen Teil herauszunehmen und zu einer Hinrichtungsgeschichte oder auch "Beziehungsgeschichte" auszubauen. Ich finde, die Geschichte um deinen Prot irgendwie eher als Beiwerk zu der eigentlichen Handlung, dem Konflikt zwischen Vater und Sohn und der anschließenden Hinrichtung und Rache.
Überlege es dir mal, ob du nicht aus diesem kleinen Teil etwas machen kannst. Auch hier kannst du die Lebensumstände der damaligen Zeit hineinbauen, wie arm die Bauern lebten, dass es aber auch da Unterschiede gab, die Qualen, die sie durch die Fürsten erleben mussten, sowie die Justiz in dieser Epoche.

Noch ein kurzer Satz zu der Rechtschreibung. Hier stehst du vor allem mit dass und das auf dem Kriegsfuß, sowie mit der Zeichensetzung. Falls du an genauen Stellen Intersse hast, lass es mich wissen.

Ich hoffe, du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen. Ich lese nämlich gern Mittelaltergeschichten, vor allem Krimis aus dieser Zeit. Übrigens. so etwas könntest du auch aus dem Mittelteil machen. *smile* (Verlange wohl etwas zu viel, oder?)

Habe die Geschichte gern gelesen, ob wohl die Sprache etwas schwierig war.

Viele Grüße
bambu

 

Hallo Bambu

Du meine Güte, damit hatte ich ja schon gar nicht mehr gerechnet.
Nett von dir dich mit meiner, mittlerweile älteren, Geschichte zu befassen.

Schon während ich schrieb fiel mir auf, dass ich mich in zu detailierten Schilderungen erging (zumindest im Verhältniss zur Handlung). Aber die Geschichte war mir irgendwie ein Herzensprojekt und zwar insbesondere in ihrer Detailfülle. Ich wollte einen möglichst relistischen Einblick der Zeit geben, sowohl was die Orte als auch das Denken der Menschen betrifft, dafür hab ich die Langamigkeit in kauf genommen. Deshalb diente ja auch ein reales Ereigniss als Blaupause. Du hast also ganz recht, die Geschichte des Prots ist mehr Rahmen, in den die eigentliche Erzählung eingefügt ist, als Kernstory. Vielleicht währe es wirklich keine schlechte Idee aus den einzellnen Bausteinen separate Storys zu machen. Auf die Weise könnte ich den Leser wahrscheinlich näher an Geschehen und Feeling der Zeit heranbringen. Ich werde es in betracht ziehen. An der Geschichte selbst werde ich nicht mehr großartig rumdoktorn. Dafür hab ich schon zuviele andere Ideen in welche einfließen kann, was ich hier dazulerne. Na ja und ausserdem, wie schon gesagt, ist mir die Story in ihrer Langatmigkeit und Ereignisslosigkeit ganz lieb, so wie sie ist :)
Was nicht heist das ich Kritik nicht berücksichtige. Ich werde bemüht sein in der nächsten Kg meine hier gemachten Fehler nicht zu wiederholen. (dafür lieber andere machen :) )
Danke nochmal für deine Meinung.

Gruß, Skalde.

 

Hallo Skalde,

die Thematik, die du gewählt hast - den wahren Usprung einer "Gruselgeschichte" zu ergründen, hat mir sehr gut gefallen. Weniger gefallen hat mir die Umsetzung.

Wie Bambu schon erwähnt hat, fand auch ich deine Geschichte manchmal viel zu ausführlich. Zum Beispiel, als du das Aussehen des Gasthauses schilderst oder auch das Aussehen mancher Personen. Ich finde, dass diese Dinge für die Geschichte nicht unbedingt wichtig ist und sie würde sehr gewinnen, wenn du dich von der einen oder anderen Passage trennen könntest. Das Erzähltempo wäre damit höher und die Geschichte spannender. So war sie mir manchmal etwas langweilig und ich habe mir gewünscht, dass es endlich einmal zur Sache geht.

Mit dieser altertümlichen Sprache konnte ich persönlich nicht viel anfangen - zum Einen, weil sie sich einfach umständlich liest. So wird heute nicht mehr geschrieben. Zum Anderen hat sich natürlich auch das eine oder andere "moderne" Wort eingeschlichen und das passt für mich dann einfach nicht mehr zusamme.

Zwei "Logikfehler" sind mir auch aufgefallen:
Nachdem du erwähnst, dass das Ereignis schon ein halbes Jahrhundert zurückliegt, erscheint mir unglaubwürdig, dass der Protagonist auf einen Richter trifft, der das Urteil gefällt hat. Der Richter muss zum damaligen Zeitpunkt mindestens 20 Jahre - vermutlich älter - gewesen sein. Er müsste also zu dieser Zeit schon mindestens 70 Jaher alt sein - und zur damaligen Zeit war es eine Seltenheit, dass jemand ein derart hohes Alter erreichte. Selbst vierzigjährige Männer galten schon als sehr alt.

Das Zweite war Frotberts Auftritt am Ende zu Pferde - die Familie hat Probleme durch den Winter zu kommen, ist also fast am Verhungern - und dann soll er ein Pferd besitzen? Pferde waren doch zu jener Zeit Luxus und nur besser gestellte Menschen konnten sich eines leisten.

Leider ist deine Geschichte sehr fehlerhaft. Weiter unten habe ich dir einige aufgelistet, aber das sind bei Weitem nicht alle. Du solltest deine Geschichte dringend überarbeiten.
Auch die Anführungszeichen bei der wörtlichen Rede setzt du nie richig.

Textkram:

Nach kurzer Zeit wurde das Walddickicht abgelöst von scheinbar gut bewirtschafteten Feldern und Äckern.

Warum "scheinbar"? Es muss ja mit Sicherheit zu sagen sein, ob sie gut bewirtschaftet sind oder nicht.

Ein Lächeln umspielte seine dicken Lippen und die Augen hatte er zu Schlitzen verengt, da er gegen die Sonne, zur bereits erwähnten Ruine blickte.

Das "bereits erwähnten" könntest du hier streichen. Der Leser weiß ja, dass du sie bereits erwähnt hast und wird die Ruine nicht innerhalb weniger Sätze vergessen haben. :)

Mein Name ist Vanello Asquini, Bürger und niederer Beamter aus Estavayer, wie ihr richtig vermutet habt und wenn ihr so freundlich währt mir euren Namen zu nennen

wärt

Er hatte wohl gehofft das ich mich auf diese Art gehobener Konversation einlassen würde.

gehofft, dass ("dass" wird immer dann verwendet, wenn es kein Artikel ist und nicht durch die Wörter dieses/welches oder jenes ersetzt werden kann.)

In jedem Fall schien er ungemein stolz auf seine bürgerliche Stellung zu sein und da ich ihm den nötigen Respekt erwiesen hatte und ihn auf seinem hohen Rosse lies, schien er mir lockerer zu werden und sein Interesse an Zerstreuung in der Unterhaltung unverhohlener zu zeigen.

"Scheinen" scheint eines deiner Lieblingsworte zu sein. :) Es ist in dieser Geschicht bis dahin sicherlich schon das fünfte, das ich lese. An manchen Stellen z. B. auch an dieser, kann es gestrichen werden.

Mein Begleiter war ins Schwätzen gekommen und erzählte hauptsächlich von sich und seiner, wohl übertriebenen, Gewichtigkeit in den bürokratischen Instanzen des Stadtwesens.

Das "wohl übertriebenen" klingt hier so, als würde der Mann selbst finden, dass seine Gewichtigkeit übertrieben ist. In Wirklichkeit ist das ja der Gedanke deines Protagonisten. Ich würde also lieber in einem gesonderten Satz schreiben: Ich war mir sicher, dass der Mann übertrieb.

Ich war froh das er kaum Fragen stellte und so beschränkte ich mich auf die Rolle, gelegentlich etwas einzustreuen, um seinen Redefluss am laufen zu halten.

Ich war froh, dass

An mich wurde kein Wort gerichtet, nur misstrauische Blicke auf Reiter und Schwertgehänge geworfen.

Es klingt seltsam, wenn der Protagonist, der hier ja ein Ich-Erzähler ist, von sich selbst als "Reiter" spricht. Warum sagt er nicht: ... sie warfen mir und meinem Schwertgehänge nur misstrauische Blicke zu?

Die kühle der Nacht war nun deutlich zu spüren.

Kühle (groß - du verwendes es ja hier als Nomen.)

Ich war´s zufrieden und begab mich zum Vordereingang.

war

Es erschien mir eine hervorragende Mahlzeit, auch wenn ich nicht sagen könnte ob dies auf die Qualitäten der Köchin oder meinem leeren Magen zurückzuführen war.

könnte, ob

Er band dessen Eingeweide an einen Pfahl und jagte ihn so lange, mit einem glühenden Eisen um selbigen herum, bis er tot zusammenbrach.

Wie - er hat erst die Eingeweide an den Zaun gebunden und ihn dann herumgejagt? :D So liest sich das missverständlich.

Die Spielleute waren wohl aus der Gegend und wussten womit sie ihre Zuhörer fesseln konnten.

wussten, womit

Sein Blick war erfüllt von einem Wiederspruch aus Strenge und Güte, und hätte einen König auf einen Platz, weit unter dem Seinen, verweisen können.

Widerspruch

Verzeiht das ich euch belästige.

Verzeiht, dass

Ihr müsst wissen, dass zu erkennen war lange Jahre mein Beruf.

wissen, das (nur ein s)

Ein Kriegstreiber der, der Völlerei verfallen war und die Steuern drastisch erhöhte, um seinen Luxus und seine Paranoia zu finanzieren.

Ein Kriegstreiber (Komma), der (Kein Komma) der...

Der alte Richter starrte geradeaus, aber eigentlich blickten seine Augen in sein innerstes.

Innerstes (groß)

Was er sah, schien ihn traurig zu machen.

Und hier wieder dein Lieblingswort.

Lieben Gruß, Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bambu

Danke für deine ausfürliche Kritik. Zumal die Geschichte nicht mehr die neueste ist.
Zu der Detailfülle und dem Sprachstil hab ich glaub ich schon in der vorherigen Antworten genug gesagt.
Was die Logikfehler betrifft: Mit ca. 70 Jahren für den Richter habe ich auch gerechnet. Du hast zwar recht das dieses Alter sehr selten war - aber unmöglich war es auch wider nicht. (kenne Berichte von zumeist Mönchen oder hohen Kirchendienern die auch schon mal die achtzig überschritten haben)
Das mit dem Pferd hab ich beim schreiben schlicht übersehen. Ich red mich jetzt mal geschickt aus der Affäre :) Da er halt bei der Stadtwache arbeitet, hat er es mal flott aus dem Stall stibizt... oder so ähnlich.
Das mit dit den Eingeweiden am Zaun ist schon ganz richtig so. Hab ich mir auch nicht ausgedacht, stammt wirklich aus (sehr parteiischen) Berichten von Möchen auf den Kreuzzügen. Erst schneidet man den Bauch auf, dann kommen die Eingeweide an den Pfahl und dann jagt man das Opfer darum herum, bis sich der Darm daran aufwickelt. Nicht nett, ich weis.

Danke das du dir die Mühe gemacht hast einige Fehler rauszusuchen. (Du meine Güte, die hatten sich ja echt gehäuft; frag mich glatt wie ich manche davon übersehen konnte.)
Und du hast recht, das Wörtchen "schien" ist voll mein Ding und häufig unnötig. Passiert mir immer dann, wenn ich ausdrücken will das es sich beim Geschilderten um den ganz subjektiven Eindruck des Prots handelt.

Ok, also danke noch mal und schöne Grüße.
Skalde.

 

Das mit dit den Eingeweiden am Zaun ist schon ganz richtig so. Hab ich mir auch nicht ausgedacht, stammt wirklich aus (sehr parteiischen) Berichten von Möchen auf den Kreuzzügen. Erst schneidet man den Bauch auf, dann kommen die Eingeweide an den Pfahl und dann jagt man das Opfer darum herum, bis sich der Darm daran aufwickelt. Nicht nett, ich weis.

Tag Skalde nochmal,

ok, ich wusste das nicht, dass das so gemacht wird. Aber ich habe das in deiner Geschichte auch nicht so verstanden wie du es oben erklärst.
Ich dachte eher er jagt ihn zuerst herum, tötet ihn und hängt dann die Eingeweide (z. B. neben Darm auch Herz etc.) an einen Pfahl.
Also ich finde die Stelle in deiner Geschichte ein wenig missverständlich. :)

Edit: Sorry, ich sehe gerade, dass ich wirklich ungenau gelesen habe. Tut mir Leid. Aber vielleicht wäre Darm anstatt Eingeweide das klarere Wort.

 

Tach Basti

Nett von dir, dich meiner Einstiegsgeschichte zu widmen.

Schön das es dir theamtisch gefallen hat, muss es glaub ich auch, um der Geschichte überhaupt was abgewinnen zu können, denn meine magelnde Schreiberfahrung plus Begeisterung zur Thematik hat zu anstrengenden Längen geführt. ;)
Ach ja, die Fehlerchen... vor allem Kommasetzung ist echt nicht mein Ding. Ich hab nur grad nicht den Nerv, die alten Geschichten zu überarbeiten, da ich mal in die Gänge kommen muss um was neues zu fabrizieren.
(Hab mittlerweile schon strafbar lange nichts mehr gepostet.)

schöne Grüße, Skalde.

 

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