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Theater am Freitagabend

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12.03.2018
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Theater am Freitagabend

Ich gehe am Freitag in das Theater. Es ist die letzte Vorstellung für einige Monate. Es ist eine neue Interpretation von Romeo und Juliet. Weil wir davon nicht genug haben. Ich mag das Theater. Es ist die letzte Vorstellung für einige Monate. Danach kommen keine Vorstellungen mehr von diesem Stück. Für einige Monate mindestens. Daher gehe ich diesen Freitag. Weil ich diese Vorstellung noch sehen will.
Ich könnte sie mir auch nächstes Jahr angucken. Ich hab ja noch einiges an Lebenszeit. Aber ich sehe es mir diesen Freitag an. Vielleicht sterbe ich ja in den nächsten Monaten. Dann würde ich es sicherlich bereuen mir nicht diese Vorstellung angesehen zu haben. Vielleicht bringe ich mich um in den nächsten Monaten. Dann würde ich es bestimmt bereuen. Diese Vorstellung verpasst zu haben. Das Leben ist mir schließlich nicht garantiert.
Hoffentlich fällt die Vorstellung nicht aus. Es ist nicht garantiert, dass sie nicht spontan abgesagt wird. Letztendlich ist nichts garantiert. Das Leben erst recht nicht. Außer der Tod natürlich. Er ist sicher. Auf ihn ist Verlass. Also gehe ich lieber diesen Freitag in das Theater.
Doch die Menschen. Sie haben Angst vor dem Tod. Sie hoffen auf die Unsterblichkeit. Sie hoffen auf die Garantie, sie könnten auch nächstes Jahr in das Theater gehen und die Vorstellung am Freitag verpassen. Vielleicht gehen sie auch nicht nächstes Jahr. Sie haben schließlich Zeit. Jede Menge Zeit. Vielleicht gucken sie sich die allerletzte Vorstellung dieses Stückes an. Vielleicht warten sie auf noch eine Neuinterpretation des Stückes. Aber vielleicht, nur vielleicht, gucken sie sich es auch gar nicht an. Wozu denn. Sie haben ja Zeit. Also gehe ich lieber diesen Freitag in das Theater.

 

Hallo moura,
Dein Text packt große Themen an. Zeit, Leben, Tod, Vergänglichkeit. Und das in ein paar wenigen Zeilen, die inhaltlich kaum etwas bieten, außer die mehrfach hin und hergewendete Überlegung, warum man ins Theater gehen soll. Dann ist der Text aber auch in sprachlicher Hinsicht gar nicht dem entsprechend, worum es geht. Ich schaue nur mal in den Anfang:

Ich gehe am Freitag in das Theater. Es ist die letzte Vorstellung für einige Monate. Es ist eine neue Interpretation von Romeo und Juliet. Weil wir davon nicht genug haben. Ich mag das Theater. Es ist die letzte Vorstellung für einige Monate. Danach kommen keine Vorstellungen mehr von diesem Stück. Für einige Monate mindestens. Daher gehe ich diesen Freitag. Weil ich diese Vorstellung noch sehen will.
Das ist so schnoddrig und nüchtern und klingt lustlos, als würde den Autor oder die Autorin das Thema nicht interessieren. Ich dachte am Anfang an den Tonfall mancher Kabarettisten, die eine Bildungsmüdigkeit vorgaukeln und den Theaterbetrieb mit ihrer gelangweilten Art auf die Schippe nehmen. Dazu müsste aber dann eine Pointe kommen. Kommt aber nicht. Stattdessen der Rekurs auf die großen Dinger Tod und Vergänglichkeit und das funktioniert in dem Tonfall und in der dünnen Faktenlage nicht. Das bräuchte also entweder ein ganz anderes Konzept, das ins Komische übergeht, oder sprachlich mehr Pulver, oder inhaltlich mehr Butter, oder alles zusammen.
Sorry, ich habe noch vergessen, Dich hier willkommen zu heißen! Hallo also und gute Zeit auf der Wortkriegerseite!
Herzliche Grüße
rieger

 

Hallo, moura

Ich habe Deinen Text einfach angefangen zu lesen und keine Sekunde nach unten gescrollt, sodass ich nicht wusste, wie schnell er vorbeigehen würde.

Ich war zuerst verwundert, dann abgeneigt, dann neugierig. Der Klang Deines Stücks (möchte ich es nennen) ist richtiggehend zwanghaft. Die kurzen Sätze, die unangemessenen Befürchtungen. Da hatte ich eigentlich gedacht, dass noch viel mehr kommt. Eine richtige Handlung. Ich war enttäuscht, dass dem nicht so war.

Das ist eigentlich gut. Ich weiß nicht, ob Du noch mehr machen musst. Dass ich über das plötzliche Ende enttäuscht bin, zeigt v.a., dass ich Deine Geschichte gerne gelesen habe. Allerdings würde auch ich sagen, dass hier irgendwas fehlt.

Obwohl Du Dich recht einfach hältst, sind mir ein paar Fehler aufgefallen, bzw. unschöne Formulierungen:

Weil wir davon nicht genug haben.

Also, erstmal stehe ich dem mit gemischten Gefühlen gegenüber, dass Du plötzlich "wir" schreibst. Und das auch nur in einem einzigen Satz. Wer soll denn das sein? Warum ist es sonst nur "ich"? Außerdem ist das doch nicht der Grund, aus dem Deine Prota ins Theater geht. Sie geht doch ins Theater, weil es die letzte Gelegenheit sein könnte. Dieses "weil" ganz am Anfang führt mich auf eine völlig falsche Fährte. Ich dachte, Du erzählst mir gleich etwas über Theaterleidenschaft. Aber das tust Du gar nicht. Der Satz passt nicht.

Dann würde ich es sicherlich bereuen mir nicht diese Vorstellung angesehen zu haben.

In diesem Satz ist die Wortstellung nicht so schön, und es fehlt ein Komma. Ich würde vorschlagen: "Dann würde ich es sicherlich bereuen, mir diese Vorstellung nicht angesehen zu haben."

Vielleicht bringe ich mich um in den nächsten Monaten.

Hier liegt für mich der wesentliche Grund darin, weshalb ich sofort angefangen habe, Deine Prota zu pathologisieren. Erst einmal finde ich die ständige, massive Befürchtung, zu sterben, unangemessen. Mit den kurzen, sich im Kreis drehenden Sätzen wirkt das regelrecht zwanghaft. Die Befürchtung, sich umbringen zu können, ist noch viel unangemessener. Das hat man schließlich selbst in der Hand. Ist Deine Prota also suizidal?

Ich glaube, es ist nicht schlimm, dass Deine Prota diese Ängste hat. Darum dreht sich schließlich die ganze Geschichte. Aber ich glaube, es ist schlimm, dass ich diese Gedanken habe. Du möchtest schließlich etwas Allgemeingültiges sagen. Du möchtest doch nicht, dass ich denke: "Was für eine gestörte Person!" Du möchtest, dass ich denke: "Ja, verdammt! Ich sollte heute das tun, was ich schon immer machen wollte." D.h., Du möchtest eine Aussage transportieren, die nicht nur für gestörte Leute gilt.

Wie kannst Du das erreichen? Das ist, glaube ich, was Deiner Geschichte fehlt: die Identifikationsfläche. Ich kann die Argumente Deiner Prota zwar rational irgendwie nachvollziehen, aber ich fühle nichts dabei. Ich stürze nicht emotional in die Geschichte. Ich kann sie mir als Person nicht vorstellen (womöglich ist sie sogar ein Mann), weil ich nichts über sie oder ihn erfahre. D.h. auch, dass ich all das, was mir unbequem erscheint, mühelos von mir weisen kann. Weil ich überhaupt nicht involviert bin. Du musst den Leser involvieren. Dann kannst Du Deine Ziele erreichen. Und das erreicht man üblicherweise mit einem Charakter, mit dem sich die Leser/innen identifizieren können.

Ich hoffe, ich konnte Dir weiterhelfen. Make it work!

Viele Grüße,
Maria

 

Hallo moura,

Zunächst einmal könnte man sich streiten, ob Dein Text überhaupt eine Geschichte ist, denn es gibt überhaupt keine Handlung. Der gesamte Text ist ein Monolog, in dem der Protagonist einen Entschluss begründend faßt. Das Wort "Geschichte" stammt laut Wikipedia vom Althochdeutschen "giskiht" ab, was "Ereignis" oder "Geschehen" bedeutet. In Deinem Text "geschieht" oder "ereignet" sich aber nichts.

Wenn man darüber hinwegsieht, spricht der Text eine sehr interessante Thematik an, nämlich die der Vergänglichkeit. Vertreten wird vom Protagonisten eine "Lebe den Moment"- und "Lebe jeden Tag als sei er Dein letzter"-Philosophie, eine natürlich sehr oberflächliche. Dementsprechend finde ich das sprachlich ziemlich gut umgesetzt, der einfache und kindisch-trotziger Stil paßt ganz gut dazu.

Weil wir davon nicht genug haben.
Mein absoluter Lieblingssatz! Herrlich ironisch und irgendwie den Nagel auf den Kopf treffend. Es stimmt zwar, was TeddyMaria sagt, daß es mit dem Thema direkt nicht wirklich was zu tun hat, aber er macht den Protagonisten interessanter: Warum gibt er einer Sache einen so hohen Stellenwert, wenn er sie eigentlich nicht als etwas besonderes empfindet? Eine Antwort auf diese Frage wäre vielleicht noch schön.

Vielleicht bringe ich mich um in den nächsten Monaten.
Den Satz verstehe ich irgendwie nicht. Von einem naiven, einfältigen Protagonisten bin ich ausgegangen, nun reißt mich dieser Satz voll raus. Er spricht über die Möglichkeit des Selbstmordes, und zwar nicht verzweifelt oder niedergeschlagen, sondern ganz trocken, als sei es nichts. Dadurch kommt er pervers rüber, und das paßt irgendwie nicht ins Bild.

Ich hoffe, Du kannst mir meinem Feedback etwas anfangen und wünsche Dir viel Glück in diesem Forum!

Viele Grüße,

Theodor

 

Vielen Dank für die schnellen und vielen Rückmeldungen. Wie ja bereits in euren Antworten erwähnt ist das nicht nur meine erste "Kurzgeschichte" auf diesem Forum, sondern auch generell die Erste die ich je schrieb.
Ich will hier nicht irgendwas rechtfertigen oder erklären, sondern mich einfach nur bedanken für die konstruktive und sehr berechtigte Kritik.
Es ist doch noch schön so etwas im Internet finden zu können. :)

LG Levin

 

Hallo moura, ich mag ja wirklich sehr kurze "Kurzgeschichten". So wie ich im Grunde viel mehr Gedichte als Romane mag. Vielleicht auch, weil man schneller auf einen Punkt kommt und trotzdem, wenn sie gut sind, die Form, Metrik (meinetwegen auch Schwingungen) genießen kann. Ich fand freilich die ultrakurzen, abgehackten Sätze etwas nervig. So etwas Ähnliches hatte ich mal bei Dürrenmatt Kurzgeschichten gelesen. Hier will jemand originell sein, dachte ich damals. Wenn es ein innerer Monolog gewesen wäre- dann hätte ich eher sogar Endlos-Sätze ohne Interpunktion passender gefunden. Die Intention der Geschichte finde ich gut, die Umsetzung - da muss ich Theodor zustimmen - ist freilich ausbaufähig, weil etwas zu konstruiert und dadurch überfrachtet: "Vielleicht bringe ich mich um."

 

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