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Totentanz

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28.05.2017
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Totentanz

Ungläubig starrte Keutsch auf das Ohr. Sein Verstand war in den ersten Sekunden nicht in der Lage, die Situation zu erfassen und das Bild des abgetrennten Körperteils, das sich so plötzlich in seinem Schoß befand, in Einklang mit der Realität zu bringen. Er versuchte zu verstehen was sich abspielte, konnte sich aber keinen Reim auf das Stück Fleisch und Knorpel machen. So drehte er sich halb zum Mann neben sich um und setzte an, ihn danach zu fragen, nur um festzustellen dass wohl eben jener der vormalige Besitzer des Ohrs gewesen war bevor es ihm - gemeinsam mit einem Teil seines Schädels - abhanden gekommen war.

Bevor Keutsch sich weiter mit der Situation auseinandersetzen konnte, flog die Tür des kleinen, trostlosen Raumes auf und ein dick in seinen mausgrauen Wollmantel eingehüllter, schmutziger und atemloser Mann stolperte hinein, schlug die Tür und brüllte mit heiserer Stimme: "Scharfschütze! Runter, Mann!" bevor er sich auf den Boden warf.

Die beiden krochen so tief an der harten Erde wie möglich in entgegengesetzte Ecken des Raumes, der wohl früher einmal der Familie die das Haus bewohnt hatte, als Wohn- und Esszimmer gedient haben mochte. Dort verharrten sie für einige Zeit bevor der Neuankömmling sich vorsichtig aufrichtete, in seine Tasche fasste, zwei bereits arg in Mitleidenschaft gezogene selbstgedrehte Zigaretten hervorkramte und eine davon in Keutsch' Richtung hielt.
Keutsch zuckte zusammen und deutete auf das schmutzige Fenster doch der andere Mann lächelte und sagte: "Keine Sorge Junge, der ist schon über alle Berge - die bleiben nie lange an einem Ort. Die Ari schießt sich sonst auf die ein und dann wars das für den."
Damit beugte er sich vorsichtig vor und warf Keutsch die Zigarette zu.

"Name?"

Der junge Soldat sah auf dem dreckigen Mantel des älteren Mannes ein halb erkennbares Rangabzeichen und bemühte sich möglichst schneidig zu klingen.

"Keutsch, Gefreiter, zweite Schützenkompanie, Herr Oberfeldwebel!"

"Berger reicht Junge, Berger reicht." brummte der Ranghöhere und steckte sich die verdeckt hinter seiner großen, groben Hand versteckt gehaltene Zigarette an.

Auch Keutsch hob seine auf und wollte sie sich in den Mund stecken als ihm dämmerte, dass das Ohr immer noch auf seinem Schoß lag. Mit einem Stoßseufzer hob er es auf und legte es dem Toten neben ihm auf die Uniform, ganz so als wolle er eine Leihgabe zurückgeben und den Mann nicht wecken.

"Armes Schwein, hats voll erwischt."

Man konnte es Berger an dass er bereits seinen Teil an Tod und Zerstörung gesehen hatte.

"Und, was hast du hier verloren Keutsch? Die Zweite müsste doch schon Richtung Norden weiter durchmarschiert sein?"

"Die haben uns... also mich und fünf andere... zu einem 'Spezialauftrag' abkommandiert. Und als wir die Mission erfüllt hatten waren die Russen zwischen uns und dem Rest der Kompanie - da gabs kein Durchkommen mehr. Also haben wir uns in den Westen der Stadt abgesetzt und versucht einen Bogen um die Russkis zu machen."

Berger nickte.

"Mir gings ähnlich - wurde auch abgeschnitten und musste die Beine in die Hand nehmen, sonst wär ich schon auf dem Weg in die Gefangenschaft."

Er schien zu schaudern bei der Vorstellung, schüttelte den Kopf und zog an seiner Zigarette.

"Und die restlichen Männer aus deinem Kommando - tot?"

Der magere, erschöpft wirkende Gefreite nickte.

"Ja, als wir also den Auftrag erledigt hatten, wurden wir beschossen und dabei haben die drei von den Kameraden erledigt, einen weiteren haben wir nur ein paar hundert Meter von hier verloren."

Keutsch stockte und Berger sah ihm direkt in die Augen bevor er ruhig fragte: "Und der letzte?"

"Letzte?"

"Du hast von dir und fünf Kameraden erzählt die auf die Mission geschickt wurden, aber nur vier Tote erwähnt."

Keutsch schaute kurz zu Boden.

"Der liegt doch hier?" deutete er auf den toten Mann neben sich.

"Netter Versuch Kleiner, aber der gehörte zu den Sturmpionieren, der war also nicht von deiner Truppe. Also?"

Keutz' Lippen zitterten, er zog nervös an seiner Zigarette bevor er leise zu sprechen begann:

"Schenk ist abgehauen als es ernst wurde. Er ist einfach weggelaufen als uns die Russen aufs Korn genommen hatten. Ich glaube der versteckt sich in der Nähe der Bahngleise."

"Und wo habt ihr die Kiste hingebracht?"

"Haben wir befehlsgemäß im Keller der alten Konservenfabrik hinter ein paar Holzpaletten versteckt - die findet keiner."

Der junge Gefreite blickte auf, den Ausdruck einer plötzlichen Erkenntnis auf dem Gesicht.

"Woher wissen Sie von einer Kiste? Ich habe nur gesagt wir hätten..."

Weiter kam er nicht weil ihn die Kugel aus Bergers Pistole, die er unter dem Mantel verborgen hatte direkt in die rechte Stirnseite traf. Er kippte langsam kopfüber während der andere Mann die Pistole wieder unter dem Mantel ins Holster schob, einen letzten Zug an seiner Zigarette nahm und langsam aufstand, während draußen vor dem Haus die Geräusche sich nähernder Fahrzeuge lauter wurden.

Berger öffnete die Tür und trat ins Freie, wo er bereits von mehreren Männern in Uniform und einem Kübelwagen erwartet wurde. Der Beifahrer stieg aus, hob den rechten Arm zum Gruß:

"Herr Obersturmführer."

"Wir wissen jetzt wo sich die Kiste befindet - ordnen Sie die Durchsuchung der Konservenfabrik, vor allem des Kellers, an. Sie sollte hinter ein paar Holzpaletten zu finden sein. Und Beeilung - die Zeit drängt, die Russen sind auf dem Weg und dürfen die Kiste unter keinen Umständen in die Hände bekommen - direkter Befehl aus Berlin."

"Jawohl Obersturmführer Berger."

Der Offizier bedeutete dem Rest der bereits abgesessenen Soldaten des nachfolgenden LKW, sich zur Abfahrt fertig zu machen und setzte sich in Richtung seines Wagens in Bewegung als sich Friedrich Karl Berger, SS-Obersturmführer und Agent der Abwehr, sich nochmal an ihn wendete:

"Noch etwas, Scharführer. Besorgen Sie mir eine anständige Uniform und lassen Sie den Schuppen mit dem Deserteur niederbrennen. Dann schicken Sie einen Trupp zu den Gleisen, dort finden Sie den letzten Mann."

Dann nahm er das Mauser K98k-Scharfschützengewehr, das er zuvor an die Wand gelehnt hatte, und bestieg ebenfalls den Kübelwagen.

 

Hallo epul,

herzlich willkommen!

Hallo zusammen,

hier eine erste Kurzgeschichtenveröffentlichung, ich hoffe auf euer Feedback (und dass die Story ankommt )

Bitte lösche das. Das erste Fenster ist ausschließlich dem Geschichtentext vorbehalten.
Auf Feedback braucht man hier auch nicht erst hoffen. ;)

Unter „Historik“ erwarte ich ein paar Fakten mehr als hier geboten wird. Den Zeitraum kann man erkennen, aber mehr Infos zum Ort, welche Bahnlinie, was für eine Fabrik, wie lautet die Bezeichnung (Modell) des Scharfschützengewehrs. Details halt.

Der Aufbau dieser Episode gefällt mir. Die Wende wird kurz eingeleitet, kommt dann doch etwas überraschend, also das hat mir gefallen.

In der Kürze ist es kaum möglich, sich mit dem Protagonisten zu identifizieren. Er bleibt doch recht fremd, so hält sich das Mitgefühl in Grenzen. Mehr als ein „aha, so,so“ bleibt am Ende, oder gar über das Ende hinaus, nicht von der Geschichte über.

Du hast ziemlich viele Kommafehler im Text.

So lange Sätze sind gestückelt besser lesbar:

Er versuchte zu verstehen was sich abspielte, konnte sich aber keinen Reim auf das Stück Fleisch und Knorpel machen und so drehte er sich halb zum Mann neben sich um und setzte an, ihn danach zu fragen, nur um festzustellen dass wohl eben jener der vormalige Besitzer des Ohrs gewesen war bevor es ihm - gemeinsam mit einem Teil seines Schädels - abhanden gekommen war.
Also öfter mal einen Punkt setzen.


Lieben Gruß

Asterix

 

Bitte lösche das. Das erste Fenster ist ausschließlich dem Geschichtentext vorbehalten.
Auf Feedback braucht man hier auch nicht erst hoffen. ;)

Sorry, hätte ich wissen können ;)

Unter „Historik“ erwarte ich ein paar Fakten mehr als hier geboten wird. Den Zeitraum kann man erkennen, aber mehr Infos zum Ort, welche Bahnlinie, was für eine Fabrik, wie lautet die Bezeichnung (Modell) des Scharfschützengewehrs. Details halt.

Ein paar Details mehr habe ich eingebaut, es war aber an sich bewusst so geplant dass es nicht unbedingt eine Rolle spielt wo sich das Ganze ereignet bzw. die Details vage gehalten sind.

Der Aufbau dieser Episode gefällt mir. Die Wende wird kurz eingeleitet, kommt dann doch etwas überraschend, also das hat mir gefallen.

Danke!

 

Hallo und herzlich willkommen hierorts,

epul,

Asterix hat schon einiges zum "historischen" Erzählen gesagt, das ein (oder auch mehrere) historisches Ereignis in Prosaform künstlerisch aufarbeitet. Das versuchstu bereits mit dem Titel, denn der

Totentanz
(dem frz. Danse macabre nachgebildet) taucht erstmals um 1410 in Frankreich in der bildenden Kunst auf als Reigen, den der Tod mit Menschen gleich welchen Alters und Standes tanzt. Deine Bemerkung
Ein paar Details mehr habe ich eingebaut, es war aber an sich bewusst so geplant dass es nicht unbedingt eine Rolle spielt wo sich das Ganze ereignet bzw. die Details vage gehalten sind.
zeigt mir an, dass Du ursprünglich eine solche Allegorie schaffen wolltest.

An sich kann einer wie ich nix gegen ausufernde Sätze haben, wenn sie denn korrekt gebildet werden. Und da hapert's oft an der Zeichensetzung (da sollte man Kleist nicht als Vorbild nehmen, der war eigentlich Dramatiker und nutzte die Zeichensetzung auch in seiner Prosa als Regieanweisung - etwa als (Atem?)Pause), selbst bei überschaubaren Satzkonstrukten, wie zu Anfang

Er versuchte zu verstehen[,] was sich abspielte, konnte sich aber keinen Reim auf das Stück Fleisch und Knorpel machen. So drehte er sich halb zum Mann neben sich um und setzte an, ihn danach zu fragen, nur um festzustellen[,] dass wohl eben jener der vormalige Besitzer des Ohrs gewesen war[,] bevor es ihm - gemeinsam mit einem Teil seines Schädels - abhanden gekommen war.
zeigt sich, dass die Abgrenzung Haupt- und Nebensatz nicht unbedingt gelingt. Das geschieht oft, da musstu selber schauen ... Kommas werden jetzt nur noch erwähnt, wenn ein anderer Fehler zugleich auftaucht.

Fraglich ist auch die Verwendung des Reflexivpronomens. Gut, in der ersten und/oder zwoten Person sind Personal- und Reflexivpronomen identisch (der Mann neben mir/dir), "sich" spräche eigentlich dafür, dass Keutsch "neben sich" selbst stünde ... Weiter unten gelingt's Dir korrekt

Hier nun

..., flog die Tür des kleinen, trostlosen Raumes auf und ein dick in seinen mausgrauen Wollmantel eingehüllter, schmutziger und atemloser Mann stolperte hinein, schlug die Tür und brüllte mit heiserer Stimme: ...
bezweifele ich stark, dass der Mann die Türe schlug und vermute eher, dass er sie "zu"schlug.

"Scharfschütze! Runter, Mann!"[,] bevor er sich auf den Boden warf.
(Die wörtl. Rede wird oft falsch abgeschlossen - geschieht oft, musstu selbst schau'n.)

Dort verharrten sie für einige Zeit[,] bevor der Neuankömmling sich vorsichtig aufrichtete, in seine Tasche fasste, zwei bereits arg in Mitleidenschaft gezogene[,] selbstgedrehte Zigaretten hervorkramte und eine davon in Keutsch' Richtung hielt.
(neben dem Komma vor der vorzeitigen Konjunktion sind die Teile des Attributs zur Zigarette gleichrangig und deshalb mit Komma zu trennen)

"Berger reicht[,] Junge, Berger reicht[...]"[,] brummte der Ranghöhere und steckte sich die verdeckt hinter seiner großen, groben Hand versteckt gehaltene Zigarette an.
(auch die Lautmalerei verdecken und verstecken könnte vermieden werden, bedeuten in dem Falle doch die Verben Gleiches)

Hier fehlt nun was (vermutlich "sehen")

Man konnte es Berger an[sehen,] dass er bereits seinen Teil an Tod und Zerstörung gesehen hatte.
(Komma nicht vergessen!)

"Und, was hast du hier verloren[,] Keutsch?

"Die haben uns... also mich ...
(Hier behaupten die Auslassungspunkte, dass zumindest ein Buchstabe am vorhergehenden Wort fehle. Da wäre ein Apostroph sinnvoller und sparsamer. Also besser in diesen Fällen zwischen Wort und Auslassungspunkten eine Leerstelle ... Musstu selber gucken ...

Hier spielt Dir offensichtlich die nachlassende Konzentration eine Streich in der Namensumwandlung

Keutz' Lippen zitterten, ...
Deutsch ist nicht nur Deutz!

Der Offizier bedeutete dem Rest der bereits abgesessenen Soldaten des nachfolgenden LKW, sich zur Abfahrt fertig zu machen[,] und setzte sich in Richtung seines Wagens in Bewegung[,] als sich Friedrich Karl Berger, SS-Obersturmführer und Agent der Abwehr, sich nochmal an ihn wendete:
Am Anfang wird das Ende des Inifinitivsatzes verpasst, am Ende leitet die vergleichende Konjunktion einen vollständigen Satz ein.

Erstaunlich, dass in diesem relativ kurzen Erstling die Konzentration nachlässt, wahrscheinlich aber schon zu Anfang zu wünschen übriglässt. Anders als in mündlicher fällt in der schriftlichen Erzählung jede Schwäche auf ...

Nix für ungut

Friedel

 

Hallo epul,

der Text ist spannend geschrieben, szenisch aufgebaut, sodass man sich die Situation plastisch vorstellen kann. Der Feldwebel, der sich als SS-Mann entpuppt, die Menschenverachtung des Krieges, die Enthemmung der Menschen. Könnte also eine richtig gute Geschichte werden, verspricht einiges und hält das Versprechen am Ende leider nicht. Warum? Weil das Ende wie ein Anfang wirkt, mir nicht klar wird, was es mit der Kiste und dem SS-Sonderkommando auf sich hat. Schade, sehr schade. Bad, very bad. Oder ist der Text Teil eines größeren Ganzen, das du uns vorenthältst?

Paar Textstellen:

nur um festzustellen dass wohl eben jener der vormalige Besitzer des Ohrs gewesen war bevor es ihm - gemeinsam mit einem Teil seines Schädels - abhanden gekommen war.
finde ich umständlich formuliert, hätte man mehr Sätze draus machen könnem dann wärs prägnanter geworden

verdeckt hinter seiner großen, groben Hand versteckt
die Dopplung ist unschön und unnötig

Man konnte es Berger an dass er bereits seinen Teil an Tod und Zerstörung gesehen hatte.
anmerklen? Aber: den Satz bräuchte es nicht, wenn du zum Beispiel seinen Gesichtsausdruck beschreibst

"Netter Versuch Kleiner, aber der gehörte zu den Sturmpionieren, der war also nicht von deiner Truppe. Also?"
netter Versuch, das klingt nicht nach 40er Jahre

und setzte sich in Richtung seines Wagens in Bewegung als sich Friedrich Karl Berger, SS-Obersturmführer und Agent der Abwehr, sich nochmal an ihn wendete:
auch hier fände ich zwei Sätze besser

viele Grüße
Isegrims

 

Hallo epul

Hat mir gefallen, was du geschrieben hast. Gefallen hat mir vor allem die Idee, die ziemlich verwickelt ist. Deine Geschichte verdeutlicht, warum Geschichten manchmal langweilen, obschon sie spannend sind. Wenn eine spannende Geschichte nirgends überrascht, dann denke ich zuletzt oft: Ist zwar spannend, kann mich aber doch nicht begeistern. – Was dann fehlt ist ein Umschwung. Dass sich in deiner Geschichte die Helden als Desserteure erweisen und der vermeintlich russische Scharfschütze als deutscher Offizier, macht die Geschichte also komplett.

Ein paar Anmerkungen noch:

Man konnte es Berger an[sehen,] dass er bereits seinen Teil an Tod und Zerstörung gesehen hatte.

Was soll man sich da konkret vorstellen? Ist eine leere Phrase, ja?

Mangel Nr. 2: die Beistriche.

Und dann wäre da noch die Unterteilung. Du schreibst Leerzeilen, die nichts sagen. Es gibt jedoch zwei Stellen, wo Leerzeilen Abschnitte kennzeichnen könnten. Ich meine konkret: Wenn Berger hereinkommt, und noch einmal dann, wenn er wieder hinausgeht, verstreicht Zeit, die nicht erzählt werden muss. Bei solchen Übergängen kann eine Leerzeile alles sagen, ohne dass man mit Worten langweilt. Das erfordert aber, dass Leerzeilen nur vorkommen, wenn auch wirklich Abschnitte wechseln.

Wie gesagt: Mir hat die Geschichte gefallen.

Wünsche einen schönen Tag
Gruß teoma

 

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