Was ist neu

Trimpton

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19.06.2001
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Trimpton

TRIMPTON

Vorsichtig setzte Trimpton das letzte Streichholz ein. Er hielt den Atem an. Als er es geschafft hatte, lehnte er sich zufrieden zurück und betrachtete lächelnd sein neues Meisterwerk. Eine Nachbildung des Kölner Doms. Natürlich eine sehr viel kleinere Version. Wochen hatte er damit verbracht, ein Streichholz an ein anderes zu setzen. Trimpton hatte viel Geduld aufbringen müssen, doch nun... „Perfekt!“ flüsterte er leise. Das Modell würde einen Ehrenplatz in seinem Arbeitszimmer bekommen. Vielleicht direkt neben dem Taj Mahal? „Ja.“ Trimpton nickte. Dort würde der Dom seinen zukünftigen Platz bekommen.
Er hörte ein Geräusch. „Rodney?“ Er schüttelte den Kopf. „Du wirst mir doch jetzt keinen Ärger bereiten, oder?“ Rodney schmiegte sich eng an Trimptons Beine. „Schon gut, alter Junge.“ Der Kater sprang auf seinen Schoß. „Ja, Rodney. Es hat viel Zeit gedauert. Sehr viel Zeit. Doch nun...“ Er strich seinem Kater durch das nicht mehr ganz so glänzende Fell. Trimpton nahm Rodney in den Arm und stand auf. „Nun wird es aber Zeit für uns. Die anderen warten bestimmt schon.“

Die kleine Kirche wirkte verloren innerhalb der Häuserschluchten mit ihren riesigen Wohntürmen, die in den letzten Jahrzenten erbaut worden waren. Einer größer als der andere. Der Moloch hatte irgendwann begonnen, ein Eigenleben zu entwickeln. Ihn zu kontrollieren, war unmöglich geworden. Das wußten die Stadtoberen. Trimpton wußte es. Jeder wußte es. Und obwohl Jahr für Jahr mehr Menschen in die Stadt strömten, wurden es von Jahr zu Jahr weniger, die sich Trimptons Worte anhören wollten.
Er hatte aufgehört, von der Kanzlei aus zu sprechen. Stattdessen stellte er einen alten Holzstuhl mitten in den Gang. Er hatte auch aufgehört, aus der Bibel zu zitieren. Zwar betete er jeden Abend, wie man es von ihm verlangte, aber er tat es nur noch aus Gewohnheit, nicht aus Überzeugung. Viel lieber redete er mit den Leuten über ihre Probleme. Vorzugsweise mit denen, die ganz unten angelangt waren.

Behutsam legte Trimpton die schmutzigen alten Hände der Frau in seine. „Und keiner hat geholfen, nicht wahr?“ Die Frau schüttelte schluchzend den Kopf. „Das ist traurig.“ sagte er.
„Un... und was... soll ich jetzt tun?“ fragte ihn die Frau. Wie sie ihn ansah. So...
„Du wirst die Nacht erst einmal hier verbringen, Margaret. Und morgen werden wir weitersehen.“
„Danke, Pater.“
„Ja.“ Es tat ihm gut, ihr Lächeln zu sehen.
„Pater Trimpton?“
Er wandte sich Francois zu. „Ja, Francois?“ Er vemied es, auf die nackten Stümpfe zu sehen. Darin hatte er inzwischen Übung. Francois war einer der wenigen, die regelmäßig zu Trimpton in die Kirche kamen. Francois sagte nichts. „Francois?“
Der farbige alte Mann im Rollstuhl sah zu Trimpton. Er zögerte etwas. Doch schließlich sagte er: „Ist es falsch, etwas zu nehmen, was einem nicht gehört?“
Trimpton stöhnte. Oh nein, nicht schon wieder. Woche für Woche fragte ihn Francois das. Und Woche für Woche konnte er ihm nur den Rat geben: „Das mußt du für dich selbst entscheiden, Francois. Ich maße mir nicht an, dein Gewissen zu sein.“ Das hatte er längst hinter sich. Andere zu belehren.
Francois kramte etwas aus seinem verschlissenen Parka hervor. „Das habe ich heute gefunden. Und es für mich behalten, Pater.“ Er schüttelte den Kopf. „Habe es nicht wieder auf die Straße gelegt, wie sonst.“
„Was hast du da?“ fragte Trimpton. „Es sieht aus wie ein Buch.“ Aber das konnte nicht sein. Niemand benutzte mehr Bücher. Bücher durfte es gar nicht mehr geben..
„Ein Buch, ja.“ Francois nickte. „Zuerst habe ich mich nicht getraut, es aufzuheben. Aber alle sind achtlos dran vorbeigegangen.“
„Gibst du es mir?“ fragte Trimpton.
„Ich weiß nicht...“
„Nun gib es dem Pater schon!“ forderte ihn Mitch auf, ein obdachloser Analphabet.
Trimpton sah zu Mitch und sagte: „Nein, Francois soll es mir aus freien Stücken geben.“
Mitch winkte ab. „Bah, Bücher...“ Er stand auf und verließ die Kirche.
Trimpton hielt ihn nicht auf. Mitch kam und ging, wie er wollte. Trimpton war es gewöhnt. Er richtete seinen Blick wieder auf Francois. „Francois.“ Er bemerkte, wie Margaret ihre Hände faltete, fast, als ob sie...
„Hier.“ sagte Francois und hielt Trimpton das Buch hingegen. „Ich kann vermutlich sowiso nichts damit anfangen. Sie vielleicht schon.“
Trimpton nickte und nahm das Buch entgegen. „Vielen Dank, Francois.“ sagte er freundlich.

Trimpton zeigte Margaret die kleine Kammer mit der Liege. „Eine Decke liegt dort auf dem Stuhl. Siehst du?“ Sie nickte. „Schlaf dich aus. Und morgen früh...“ Er hielte inne.
„Was ist morgen früh, Pater?“ fragte Margaret.
„Nichts.“ sagte Trimpton. „Schlaf jetzt, einverstanden?“ Ohne eine Antwort abzuwarten verließ er den Raum. Als er draußen war, schimpfte er mit sich selbst. Idiot! Beinahe hatte er sich hinreißen lassen, Margaret zu versprechen, etwas für sie zu tun. Ein paar Anrufe erledigen. „Wen willst du denn anrufen?“ Trimpton holte tief Luft. Es gibt keinen mehr, den du anrufen kannst.

Er stellte seinen Kölner Dom neben das Taj Mahal. Nein... „Noch ein kleines Stückchen...“ Trimpton schob das Modell ein wenig nach links. Dann ging er zwei Schritte zurück. Ja. So ist es gut. Er sah zur Uhr. Fast zwei. „Hm.“ Trimpton schüttelte den Kopf. „So spät schon.“ Aber noch war er nicht müde. Auf dem Schreibtisch lag das Buch, welches er von Francois bekommen hatte. Trimpton hatte plötzlich ein merkwürdiges Gefühl, als er das Buch dort liegen sah. Auf der zerkratzten Metallplatte des Tisches. Der vergilbte Umschlag. „Das ist doch lächerlich, Carl.“ Kurz entschlossen nahm er das Buch und setzte sich in den Sessel, den vor ein paar Jahren jemand vor die kleine Kirche gestellt hatte. Trimpton hatte nicht nach dem Warum gefragt. Er war froh, den Sessel zu haben.
Er strich vorsichtig über den vergilbten Umschlag des Buches. Es stand kein Titel auf dem Buch. Auch wer es verfaßt hatte war anhand des Umschlages nicht in Erfahrung zu bringen. „Trau dich!“ befahl er sich selbst und schlug das Buch auf.

Nichts. Nur eine leere Seite. Trimpton blätterte weiter. Auch die nächsten Seiten waren leer. Soll das ein Witz sein? Da war nichts. Überhaupt nichts. Ein leeres Buch? Er hörte, wie etwas an der Tür kratzte. „Rodney!“ Trimpton stand auf und legte das Buch zur Seite. Dann ging er zur Tür und öffnete sie. „Wo hast du dich denn die ganze Zeit herumgetrieben, hm?“ Er nahm den Kater in den Arm und setzte sich wieder in den Sessel. Während er Rodney streichelte, sah er zu dem Buch. Ein Buch mit leeren Seiten. „Ein Buch ohne Sinn, Rodney.“ Als ob er ihn verstanden hätte, schnurrte der Kater. Trimpton lächelte. „Ja.“ Irgendwann war Trimpton eingeschlafen. Rodney sprang auf den Tisch und schlich sich vorsichtig an das Buch heran. Als ihn nur noch wenige Zentimeter von dem Buch trennten, wich er plötzlich fauchend zurück, sprang vom Tisch und versteckte sich unter einem der Regale. Dort blieb Rodney zitternd sitzen, sein Blick ängstlich auf das Buch gerichtet.

Am nächsten Morgen gab es Trimpton auf, seinen Kater unter dem Regal hervorzulocken. „Was ist denn nur mit dir los?“ Rodney fauchte und zeigte seine Krallen. „Dann eben nicht.“ sagte Trimpton verärgert. Erst als er die Tür öffnete, rannte Rodney schnell aus dem Zimmer. Möchte wissen, was mit dem los ist, dachte Trimpton. Er streckte sich. Der Sessel war zwar bequem, aber zum Schlafen denkbar ungeeignet. Er gähnte.“Na dann.“ Ob Margaret noch schlief? Bevor er sein Arbeitszimmer verließ, sah er noch einmal zu dem Buch. Ein Buch mit leeren Seiten! Unglaublich. Kopfschüttelnd schloß er die Tür hinter sich.

„Der Kaffee ist gut?“
„Er wärmt.“ sagte Margaret.
„Gut.“ Trimpton lächelte. Margaret und er saßen in der kleinen Küche und frühstückten. Draußen war es noch immer dunkel. Aber das lag an den riesigen Hochhäusern. Er deutete auf die belegten Brote. „Du kannst dir welche mitnehmen, wenn du willst.“
„Danke.“
„Keine Ursache. Hast du gut geschlafen?“
„Ja.“ Margaret nahm eines der Brote und biß hinein.
Trimpton nickte. „Nimm alle mit, wenn du willst.“
„Ja, danke.“
Er goß ihr Kaffee nach. „Wenn du heute abend nichts findest. Dann komm einfach hierher. Hörst du?“
Margaret legte das Brot auf den Teller. Ihre Hände umfaßten die warme Tasse. „Warum tun Sie das eigentlich, Pater?“
„Was tue ich, Margaret?“ Er sah sie erstaunt an.
Sie hustete und nahm einen Schluck aus der Tasse. „Das alles hier.“
„Das...“ Er verstand. „Oh.“ Wie sehr wünschte er sich jetzt eine Zigarette genießen zu dürfen, aber... „Ich weiß nicht, Margaret. Vielleicht um zu helfen, hm?“
„Aber es sind Menschen wie Mitch, Francois, Lara und ich, Pater.“
„Das weiß ich, Margaret. Ich weiß. Aber andere kommen hier nicht mehr her.“
„Muß ich das verstehen?“
Trimpton räusperte sich. Was soll ich darauf antworten? „Weißt du, Margaret. Es gab mal Zeiten, da habe ich vor hunderten von Menschen von einem Gott geredet, der...“ Er lächelte. „Hm... Zu dieser Zeit war er noch da. Verstehst du?“ Sie sagte nichts, sah ihn nur verständnislos an. Es war zwecklos. „Ich tue es, um Leuten wie dir zu helfen, Margaret.“
Margaret nickte. „Es ist ein schönes Gefühl, zu wissen, daß es Menschen wie Sie gibt, Pater.“
„Ja.“ Trimpton stand auf. Aus einer der Schubladen holte er einen Plastikbeutel hervor und gab ihn Margaret. „Für die Brote. Das beste wird sein, du versteckst den Beutel unter deiner Jacke.“

In dem Moloch außerhalb seiner kleinen Kirche kam sich Trimpton immer verloren vor. Er mochte es nicht, unterwegs zu sein. Doch einmal im Monat zwang er sich, an den zahlreichen Müllbergen vorbeizugehen. So viel Müll, so viel Elend. So viele Menschen. Er stand vor dem Laden, in dem er sich seine Vorräte besorgte. Trimpton sah sich noch einmal um. Hm... Verdammte Paranoia. In letzter Zeit hatte er das Gefühl gehabt, verfolgt zu werden. „Das bekommt wahrscheinlich mit der Zeit jeder.“ murmelte er und betrat den Laden.
„Carl! Schön, Sie zu sehen!“
„Hallo Harold.“
Harold schloß die Gittertür auf und kam aus seiner Kammer hervor. „Sie waren ja lange nicht mehr bei mir.“
„Nun, einmal im Monat, Harold. Oder?“
„Ja.“ sagte Harold und lachte. „Wie immer das Übliche?“
Trimpton schluckte. „In diesem Monat muß ich wohl auf die Beilage für Rodney verzichten.“
„Oh... verstehe. Aber wissen Sie was?“
„Harold?“
„Da Sie mein einziger Stammkunde sind... bezahlen Sie es beim nächsten Mal. Hm?“
„Können Sie sich das leisten?“
„Können Sie sich es denn leisten, Carl?“ Harold ging zum Fenster und zeigte auf eines der Hochhäuser. „Wie lange können Sie das noch so machen?“
„Was?“
„Wie soll das denn weitergehen, Carl?“ Trimpton wollte etwas sagen, aber Harold winkte ab. „Nein!“ sagte er vorwurfsvoll. „Ich meine, das ist ja nicht schlecht, was Sie machen. Sich für die da draußen einsetzen.“
„Für die da draußen, Harold?“
„Sie wissen was ich meine!“
„Ja, natürlich weiß ich das, aber...“
„Wenn Sie sich entschließen würden, zu einer dieser großen Kirchen zu gehen. Glauben Sie nicht, das würde was bringen?“ Harold zuckte mit den Schultern. „Aber was soll das. Diese Diskussion führen wir jedes Mal, Carl.“
„Und jedes Mal läuft es auf das selbe hinaus, oder?“
„Hm.“ Harold winkte ab. „Ich verstehe Sie nicht. Aber was verstehe ich schon.“ Er packte die Sachen für Trimpton in eine große Tüte. „Wissen Sie was, Carl?“
„Was?“
„Bestellen Sie Rodney einen schönen Gruß von mir.“
Trimpton nickte. „Vielen Dank, Harold. Dann bis in einem Monat!“
„Ja, Pater.“
„Ja. Auf Wiedersehen, Harold.“
„Bis nächsten Monat, Carl.“

Trimpton stellte die Tüte ab. „Francois?“ Da stand nur der Rollstuhl, aber... „Francois?“ rief er verunsichert. Der Rollstuhl stand direkt vor den Stufen, die zum Eingang der kleinen Kirche führten. Er hob die Tüte wieder auf. Was soll das? Wo ist... Francois?

Francois saß auf einer den Bänke. Und neben ihm Margaret, Mitch, Lara und die anderen. Und direkt vor dem Altar...
„Wer sind Sie?“ fragte Trimpton. Er stellte die Tüte auf eine Bank und ging auf die Gruppe zu, die um den Altar standen, und über ihnen an der Decke... „Wer sind Sie?“ fragte er erneut.
Ein Mann mit einem grauen Mantel kam ihm entgegen. „Sind Sie Pater Carl Trimpton?“ Der Mann hatte schulterlanges Haar und...
Seine Zähne, dachte Trimpton. Fast schwarz...
„Sind Sie Pater Carl Trimpton?“ fragte der Mann erneut.
„Mitch?“ Trimpton sah zu Mitch. „Mitch!“ Doch so wie Margaret, Lara, Fancoius und die anderen saß Mitch teilnahmslos auf der Bank.
„Machen Sie sich um Mitch keine Sorgen, Pater!“ sagte der Mann.
„Wer sind Sie? Was haben Sie in meiner...“
„Nein, Pater Carl Trimpton.“ unterbrach ihn der Mann. „Wir sind nicht hier, um Ihnen Ärger zu bereiten.“
„Und warum dann?“
Der Mann holte ein Buch unter seinem grauen Mantel hervor. „Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?“
Trimpton stockte der Atem. Dieser vergilbte Umschlag. Es sieht aus wie das Buch, was Francois gefunden hat. „Nein.“ sagte er leise. „Habe ich nicht.“
„Ja.“ sagte der Mann und steckte das Buch wieder weg. „Das dachte ich mir.“
„Wer sind Sie?“
„Das ist unwichtig, Pater.“
„Ist es das? Ich komme in meine Kirche... und meine...“ Trimpton deutete auf Mitch und die anderen. „Sie sitzen da wie versteinert. So etwas gibt es bei mir nicht mehr. Das ist längst vorbei!“
„Ja, Pater.“ Der Mann lächelte. „Natürlich... bei Ihnen nicht mehr.“
„Sagen Sie mir nun, wer Sie sind?“
„Um ehrlich zu sein... wir kommen von...“
Trimpton lachte. „Oh, sagen Sie nicht, Sie kommen von... nein... Sie....“
„Nein, Pater Trimpton. Wir kommen nicht von einer der großen Kirchen.“
„Und was wollen Sie dann hier?“
„Es ging nur um das Buch, Pater Trimpton. Es ging nur um das Buch, welches ich Ihnen gezeigt habe.“
„Nun, ich kenne so ein Buch nicht!“
„Ja, natürlich nicht.“ Der Mann nickte kurz zu seinen Leuten. Diese verließen die Kirche. „Wir... Ich werde Sie beobachten, Pater!“
Trimpton nickte. „Ja, das tun Sie ja schon die ganze Zeit! Nicht wahr?“
„Übertreiben Sie es nicht!“
„Ich bin nicht derjenige, der übertreibt, Mister...“
Der Mann sah zu Francois, Mitch und den anderen. „Was glauben Sie eigentlich, was mit denen geschehen wird, wenn Sie nicht mehr da sind? Irgendwann?“
Trimpton lächelte. „Besser, Sie gehen jetzt!“
„Pater?“
„Was?“
Der Mann schüttelte den Kopf. „Es ist ein Buch verloren gegangen.“ Er sah Trimpton an. „Und wenn sich herausstellen sollte, daß sich dieses Buch bei Ihnen...“
„Wie kommen Sie eigentlich darauf, daß sich so ein Buch bei mir befinden würde?“
„Bücher sind gefährlich!“ Der Mann packte Trimpton am Arm. „Das wissen Sie doch, oder? Sie wissen doch, daß es Bücher nicht mehr geben darf!“
Trimpton versuchte, gelassen zu wirken. „Wer weiß das nicht?“
„Ja. Ein jeder weiß das, Pater!“ Der Mann ließ ihn los. „Ich werde Sie beobachten!“
„Das sagten Sie bereits!“
„Sie sind ein mutiger Mann. Ein Mann mit Hoffung!“ Der Mann sah zu Margaret, Francois, Mitch, Lara und den anderen. „Wie lange werden Sie das hier durchstehen?“
„Solange ich muß!“
„Hm.“ Der Mann nickte. „Ich werde Sie in Auge behalten, Pater.“
„Nur zu!“ sagte Trimpton trotzig. „Ich werde weitermachen. Wie bisher!“
„Natürlich!“ Der Mann lächelte und zwinkerte Trimpton zu. „Wir sehen uns!“ Dann verließ er die kleine Kirche.

Als der Mann im grauen Mantel die Kirche verlassen hatte, fielen Francois und die anderen aus ihrer Starre.
„Was ist hier geschehen? Francois?“ Trimpton sah ihn verzweifelt an. „Was?“
Margaret betrachtete ihre zitternden Hände. „Etwas sehr seltsames, Pater!“
„Was?“

Das Modell des Kölner Doms war... „Perfekt, Rodney! Perfekt!“ Trimpton strich über das nicht mehr ganz so glänzende Fell seines Katers. „Vielleicht wird sich in nächster Zeit was ändern, Rodney!“ Trimpton dachte an Margaret. Natürlich hatte er ihr wieder die Liege zur Verfügung gestellt. Rodney war unruhig. „Was hast du denn, hm?“ Trimpton sah zu dem Buch. „Ist es das Buch? He... Ein Buch mit leeren Seiten. Ein Buch ohne Sinn und Verstand...“ Er gähnte. Er war müde. „Aber weißt du... Vielleicht ist es ja das gerade... Ohne Sinn... Und ohne Verstand...“ Trimpton lehnte sich zurück und schloß die Augen. Es war kurz nach Mitternacht. Bald darauf war er eingeschlafen. Rodney blickte zu dem Buch. Sein Instinkt sagte ihm, daß dieses komische Etwas gefährlich war...

Monate später betrat Trimpton den kleinen Laden.
„Carl!“ rief Harold. „Also das nenne ich schon eine kleine Ewigkeit!“
„Hallo Harold.“ sagte Trimpton lächelnd. „Wie geht es Ihnen?“
„Ach... ich kann nicht klagen. Wie immer. Der Müll auf den Straßen, wenig Kundschaft...“ Harold zeigte auf eine Packung. „Wäre das nicht etwas für Rodney?“
„Nein.“ Trimpton lächelte und winkte ab.
„Wie? Ich dachte....“
„Haben Sie schon einmal ein Buch gelesen, Harold?“
„Was? Ein Buch?“
„So ein richtiges. Mit Wörtern... Inhalt.“
„Carl! Sie machen mir Angst. Über Bücher zu reden ist gefährlich!“
Trimpton nickte. „Ich weiß.“
„Also was ist jetzt. Das Übliche? Und was besonderes für Rodney?“
„Nein.“
„Nein?“
„Nein, Harold.“
„Aber was ist denn passiert?“
„Ich habe Ihren Rat befolgt.“ sagte Trimpton und zeigte zum Fenster. „Es ist der dritte von links.“
Harold nickte. „Die mögen keine Katzen, oder?“
„Nein, tun sie nicht.“
„Und was ist mit Rodney?“
Trimpton schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, was mit den anderen ist.“
„Oh... Sie meinen...“
„Ja. Und ehrlich gesagt, es interessiert mich auch nicht mehr.“
„Wenn Sie das so sagen.“ Harold lächelte. „Ich nehme an, Sie waren heute das letzte Mal hier bei mir, oder?“
„Ja.“ Trimpton reichte Harold die Hand. „Verstehen Sie es?“
Harold schüttelte Trimpton die Hand. „Ehrlich gesagt...“ Er zuckte mit den Schultern. „Nein, ich verstehe es nicht.“
„Schon gut.“ sagte Trimpton. „Ich ja auch nicht. Letzten Endes geht es nur darum, etwas zu haben, was einem Sinn gibt, oder?“
„Carl?“
„Nichts.“ Trimpton winkte ab. „Ein Rat für die Zukunft. Lesen Sie keine Bücher. Besonders die nicht ohne... ohne Sinn und ohne... Verstand. Es erspart Ihnen einen unangenehmen Besuch.“
„Ich lese keine Bücher, Carl.“
„Um so besser, Harold!“ Trimpton sah ihn traurig an. „Um so besser!“
„Und Rodney? Er fehlt Ihnen nicht?“
„Ich weiß es nicht... Doch... schon.... Nur...“ Trimpton sah aus dem Fenster. „Die akzeptieren keine Katzen, Harold.“
Harold sagte nichts. Er konnte nur mit dem Kopf schütteln. Seit Jahren hatte er Carl bedrängt, einer der drei großen Kirchen beizutreten. Hatte ihn empfohlen, seine kleine Kirche aufzugeben. Und jetzt, wo Trimpton es getan hatte... „Das finde ich traurig!“
„Und ich etwa nicht?“

ENDE

copyright by Poncher (SV)

09.11.2001

 

Poncher schreibt eine Geschichte über Kirche(n) und Glauben!
Ich fasse es nicht!
Die Geschichte ist wie immer gut geschrieben, die Konverationen hervorragend und das Thema macht einen nachdenklich.
Genau das Thema!
Wie soll ich sagen?
Das ganze ist etwas für meinen Geschmack zu sehr undurchsichtig.
Ein bischen mehr Aufklärung seitens des Autors, würde das lesen und Verstehen sehr erleichtern.
Aber wie ich unseren Doctore kenne war das Absicht!

 

Gute Literatur erkennt man daran, dass sie Gefühle auslöst. Das schafft diese Geschichte. Sielässt mich mit dem befremdlichen Gefühl der Unsicherheit zurück. Nachdenklich. Im Prinzip unterschreibe ich Hennas posting. Was ist geschehen? Die Sache mit dem Kater (nicht mehr ganz so glänzendes Fell - wollte ich erst als WW kritisieren) und dem Dom (perfekt) klang nach einer Zeitschleife. Oder ist unser Protagonist einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Oder beides? Auch ich hätte mir noch einen kleinen hint gewünscht. So viele Andeutungen. Ist das leere Buch die Bibel eines vergesslichen Gottes, dessen Kirche die Inhaltlosigkeit predigt? Wer war der Mann im grauen Mantel?

Alles atmosphärisch überzeugend gezeichnet. Die Stimmung wunderbar vermittelt. Die Interpretation meiner Meinung nach ein wenig zu sehr dem Leser überlassen, was den einen oder anderen hilflos oder überfordert zurücklassen wird. Andererseits mag ich offene stories...

Gute Arbeit, Ponch, aber dieser thread wird Dir mehr Fragen als Antworten bescheren. Hoffe, das war so intendiert.

 

Wow...die ist gut, muß ich mir erst ausdrucken und genauer lesen. Wie genau das Urteil ausfällt, weiß ich noch nicht, aber schon mal Kompliment für die Art und Weise mir der Du den Leser bei der Stange hällst, ihn langsam, aber regelmäßig fütterst und ihn definitiv zum Nachdenken bringst/zwingst...

San

 

Hi Poncher,

jetzt hab ich die Geschichte schon zum drittenmal gelesen, weil sie mir irgendwie nicht aus dem Kopf geht.
Sie hat mich berührt, mich nachdenklich gestimmt, die Stimmung hat mich eingefangen.

Emotional kann ich auch nachempfinden, was hier passiert ist, aber ich weiß rational nicht, wie das passiert ist, ich kann es einfach nicht packen. Ein ungelöstes Rätsel, das an mir nagt.
Verzweifelt wäre übertrieben für meinen Zustand, aber irgendwie würde ich doch gern genauer wissen, was es mit dem Buch auf sich hat. Warum hatte die Katze Angst vor dem Buch?

Poncher, eine unbefriedigte Frau, kannst du dir das bei deinem Ruf erlauben? :D :D :D

Bitte nur einen kleinen Denkanstoß, das würde mir genügen.

Gruß.....Ingrid

 

Itschi, ich glaube, wenn ich die Geschichte richtig verstanden hab, das man das nicht in zwei Sätzen erklären kann.
Also ich könnt's glaub ich überhaupt nicht erklären, wie ich es verstanden habe.(das würd wahrscheinlich einen roman abgeben)

der kater scheut vor dem buch, weil sein instikt ihm sagt, daß das buch gefährlich ist.
oder ponch?

saugute geschichte, hab dem bisher gesagten nichts hinzuzufügen.

gruß, pandora

[Beitrag editiert von: Pandora am 20.12.2001 um 03:00]

 

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