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- 21.03.2020
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- Anmerkungen zum Text
Der Text basiert lose auf dem Lied "Invincible" von Tool.
Unbesiegbar
Begleitet vom Bellen der Menge tritt der alte Krieger in den Kreis.
Um ihn herum schwellen die Rufe zu einem rhythmischen, monotonen Singen an. Die Luft ist mit der Ekstase der Zuschauer aufgeladen, mit ihrer Erwartung und ihrem Verlangen nach Blut. Als sich die Masse auf der anderen Seite des Kreises teilt, beginnen die Menschen zu toben. Eine in glänzende Rüstung gehüllte Gestalt erscheint zwischen den gereckten Fäusten und verzerrten Gesichtern und betritt den Kreis, als ob sie ihn beherrscht. Plötzlich hat niemand mehr Augen für den Alten – alle Blicke wenden sich der Kriegerin mit dem hellen Haar und der grimmigen Miene zu.
Alva, Tochter des Gunnar, Sohn des Leif, ist gekommen, um die Herausforderung anzunehmen. Ihr Name verbreitet sich durch die Gesänge der Zuschauer, bis ein rhythmisches Skandieren entsteht.
Alva!
Alva!
Alva!
Der Name dröhnt im Eisenhelm des alten Kriegers.
Einst haben sie seinen Namen gerufen.
Er springt aus dem Boot und rennt brüllend durch den Sand, Schwert und Schild erhoben, mit seinen Männern dicht hinter ihm. Die Anführer des Dorfes haben gewusst, dass er kommen würde und eine Verteidigungslinie aufgestellt, aber das macht keinen Unterschied. Er sieht ihre Angst, noch bevor das erste Blut den Sand verfärbt, bevor der erste unter ihnen fast zaghaft einen Angriff wagt. Sein Schild schlägt das herannahende Schwert zur Seite, er setzt die Klinge nach vorne und fühlt den Widerstand, fühlt wie Rüstung und Leder und Knochen nachgeben, macht das Schwert los, dreht sich um, wehrt einen Schlag ab, weicht dem nächsten aus, dann holt er aus und versenkt die Schneide im neuen Gegner. Er schreit seinen Rausch heraus. Von diesem Kampf wird er noch lange erzählen.
Die junge Kriegerin schreitet im Rhythmus ihres Namens in die Mitte des Kreises. Jemand reicht ihr ihren Speer. Sie reckt ihn in die Luft und wieder toben die Schaulustigen.
Ein Speer. Nicht einmal das entspricht der Sitte. Er hat sie herausgefordert, weil sie überheblich und arrogant ist, weil sie sich der Sitte des Stammes widersetzt, ohne Rücksicht auf die Tradition.
Sie ist eine Gefahr für den Stamm.
Nun nimmt auch der Alte seine Waffen entgegen. Sein alter, verbeulter Schild und das eingekerbte Kurzschwert fühlen sich schwer an in seinen Händen. Mit jedem Schritt zur Mitte des Kreises scheinen sie schwerer zu werden, scheint seine Rüstung stärker auf seine Schultern zu drücken, scheinen seine Stiefel mehr vom Boden angezogen zu werden. Er hat sie leichter in Erinnerung.
Er steht inmitten der Toten und hebt triumphierend sein blutverschmiertes Schwert. Jeder seiner Gegner hat sein Ende gefunden und er hat keine einzige Wunde davongetragen. Seine Männer versammeln sich um ihn, schlagen gegen ihre Schilde und rufen seinen Namen. Einige rufen Unbesiegbar! und andere stimmen ein. Vom Meer kommt das zweite Boot, Verstärkung, die nicht mehr gebraucht wird. Das Dorf steht ihnen zum Plündern offen.
Der Krieger tritt vor Alva und sieht ihre Augen kämpferisch blitzen unter ihrem Visier.
„Bist du bereit für dein Ende, alter Mann?“
„Ich bin Einherj, Sohn des Erik, Sohn des Thrall, und ich bin unbesiegbar.“
Die Wahrheit hat noch nie in seinem Weg gestanden.
Trommeln schlagen und er spürt, wie sie in seinen Knochen müde Erinnerungen von vergangenen Kämpfen wecken. Der Klang von Hörnern läutet das Gefecht ein, wie er es schon von so vielen Schlachten und Zweikämpfen kennt.
Mit einem letzten, stolzen Schrei stürzt er sich in den Kampf.