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Unglückskind

Nio

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25.05.2008
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Unglückskind

In nächtlicher Stille huscht ein Schatten durch die Gassen der kleinen Stadt Bergwind. Die Kapuze ihres rabenschwarzen Umhangs tief ins Gesicht gezogen, eilt sie dem Ortsausgang entgegen.
Den blutverschmierten gewundenen Dolch verbirgt sie unter dem wallenden, schweren Stoff. Nur die kleinen roten Tropfen auf dem Kopfsteinpflaster verraten ihre Spur und verlieren sich auf dem verwitterten Holz der Brücke.
Als sie den nahen Wald erreicht hat, schlägt sie gelassen ihre Kopfbedeckung zurück und säubert den Dolch im weichen, feuchten Moos. Auftrag ausgeführt. Nun muss sie nur noch auf der kleinen Lichtung auf ihre Bezahlung warten.
Eilig, aber nicht zu schnell, macht sie sich auf den Weg dorthin, ohne die Schönheit des nächtlichen Waldes um sich herum auch nur eines Blickes zu würdigen. Alles, was sie jetzt interessiert, sind die klingenden Münzen, welche bald in ihre Tasche wandern werden.
Schon sieht sie im Mondlicht die Lichtung liegen. Vorsichtig nähert sie sich und verharrt einen Augenblick lang hinter einem Baum, um die Lage zu sondieren. Niemand ist zu sehen.
Langsamen Schrittes geht sie auf einen Baumstumpf zu und lässt sich darauf nieder. Die Arme auf die Knie gestützt könnte man meinen, sie sei in Gedanken versunken und bekäme nicht mit, was um sie herum geschieht. Doch dem war nicht so.

Eine Frau nähert sich der Lichtung, laut knacken Zweige unter ihren Füßen bei jedem Schritt. Bei Faeya bleibt sie stehen und streicht ihr Haar aus dem Gesicht.
Gut gekleidet ist sie und jung. Ihr rechtes Auge ist blutunterlaufen, zugeschwollen und über die blasse Wange darunter zieht sich eine Platzwunde bis zum Kinn.
" Hat er leiden müssen?" fragt sie mit seltsam klarer Stimme.
Faeya schüttelt den Kopf. Sie quält nicht, sie tötet, schnell lautlos und wirkungsvoll.
Ein Goldbeutel wechselt den Besitzer. Ohne die Taler zu zählen stopft sie ihn achtlos in die Tasche ihres Umhangs. Die Frau wird sich nicht wagen, sie zu betrügen, da ist sie sich sicher.
Knapp nickt sie jener zu und erhebt sich von dem Baumstumpf, verhüllt die langen schwarzen Haare wieder mit der Kapuze. Nach einem letzten, kurzen Blick auf ihr Gegenüber, wendet sie sich ab, um den heimlichen Treffpunkt zu verlassen.
Als sie die ersten Bäume erreicht hat, bleibt sie stehen und sieht noch einmal zurück. Der Mond bescheint ihr junges Gesicht, als sie mit einem fast ironischen Lächeln leise spricht: "Empfehlt mich weiter... "
Sodann verschwindet sie auf leisen Sohlen zwischen den Bäumen. Der Weg zu der heimischen Hütte ist nicht weit, gut verborgen liegt sie zwischen Bäumen in einem kleinen Tal.

Den Trampelpfad aus den Dichten des Waldes heraus entlang, nähert sie sich dem Häuschen. Still liegt es da im Dämmerlicht, hinter den Fenstern ist der matte Schein von Kerzen zu sehen.
Am Brunnen davor hält sie an und säubert ihre blutverschmutzten Hände und ihr Gesicht. Dann geht sie die wenigen Schritte bis zu der windschiefen Eingangstür und öffnet sie knarrend, betritt den großen Wohnraum.
Der Vater sitzt vor dem Kamin und schärft einen Dolch. Er sieht hoch und sie nickt ihm wortlos zu. Ein Grinsen lässt die tiefe Narbe auf seiner rechten Wange gefährlich hervortreten, fast sieht es aus, als würde sie seine Züge in zwei Hälften teilen. "Braves Mädchen." sagt er mit heiserer Stimme.
Ein Gemisch aus Schnapsdunst und Tabakgeruch liegt in der Luft, verschlägt ihr den Atem nach der milden Waldluft.
Gerade will sie sich der Tür zu ihrer Kammer zuwenden, da schallt aus der kleinen Küche die kreischende Stimme ihrer Mutter herüber: "Faeya, bist du das?"
Wer die Stimme hört, weiß wie sie aussieht: Strähniges, langes Haar, mit einer billigen Paste feuerrot gefärbt. Die schwammige, ehemals gute, Figur mit einem sackartigen Baumwollkleid verhüllt, in der Taille zusammengehalten von einem Fetzen Stoff, den sie selbst als Gürtel bezeichnet. Lange klimpernde Ohrringe hängen ihr bis auf die nackten Schultern, die von den Spießgesellen des Vaters immer so gierig gemustert werden.
"Ja, ich bin`s... " murmelt sie mehr zu sich selbst und dann lauter: "...und nein, ich hab keinen Hunger!" Im Vorbeigehen lässt sie den Lederbeutel mit dem Gold der Frau in den Schoß ihres Vaters gleiten und öffnet dann die Tür zu ihrem Reich.

Dunkelheit hüllt die Kammer ein, das Mondlicht ist zu schwach, sie durch das kleine Fenster zu beleuchten. Mit wenigen Schritten erreicht sie die Kiste, welche mit einem Stück Sackleinen bedeckt, als Tisch genutzt wird, und zündet eine Kerze an.
In dem nun aufkommenden spärlichen Lichtschein erkennt man die karge Einrichtung der Kammer. Ein Lager aus Heu und Stroh, bedeckt von mehreren Antilopenfellen und eine alte, halbverwitterte Truhe sind alles, was der kleine Raum zu bieten hat.
Den Lehmboden bedecken einige Wolfsfelle, welche im Schattenspiel der Kerze fast gespenstisch und seltsam lebendig wirken.
Langsam lässt sie den schweren Umhang von den Schultern gleiten und wirft ihn über das Fußende des Lagers, setzt sich daneben. Suchend fahren ihre Hände in dem Stroh des Lagers umher, bis sie das Messer findet, ein einfaches Jagdmesser, nichts Besonderes. Bedächtig zieht sie den Dolch aus der Tasche ihres Umhangs und betrachtet seinen Griff. Dann nimmt sie das Messer und schnitzt fein säuberlich neben die fünf Kerben darauf eine sechste.
Sechs mal verdientes Gold, sechs tote Körper, von ihrer Hand aus dem Leben gerissen. Ohne jegliche äußere Regung schiebt sie den Dolch in seine Lederhülle zurück und verstaut ihn zusammen mit dem Messer im Heu, streicht die Felle glatt und sitzt ein paar Minuten völlig bewegungslos da.

Nach einer Weile steht sie auf, geht auf den leisen Sohlen ihrer billigen Lederstiefel zur Tür und legt ihr Ohr dagegen. Das dünne Holz offenbahrt ihr gedämpft die murrende Stimme ihres Vaters. " ..... daß das Gör endlich eigene Taler nach Hause bringt! Oder soll ich sie etwa noch Jahr und Tag durchfüttern??" Sofort hält ihre Mutter nörgelnd dagegen. " Aber sie is doch erst Fünfzehn! Was, wenn sie erwischt wird?? Du weißt doch noch, wie`s vor 'nem Jahr war..... "
Zufrieden wendet sie sich ab. Die beiden streiten wieder. Das Gör ist sie selbst und was vor einem Jahr war..... Ein Schatten legt sich über ihr zartes Gesicht und verdunkelt für einen Moment ihre Augen. Schnell wischt sie die Erinnerung beiseite.
Solange ihre Eltern mit ihren fruchtlosen Debatten beschäftigt sind, wird keiner den Drang verspüren, nach ihr zu sehen.
Schnell schleicht sie zu ihrem `Tisch` und hebt die Kiste leise beiseite. Ein letzter lauernder Blick zur Tür und dann schlägt sie das Wolfsfell zurück, kniet sich auf den Boden. Mit beiden Händen greift sie nach dem Brett, welches das kostbare Loch im Boden verdeckt, legt es vorsichtig neben sich ohne ein Geräusch zu verursachen.
Ihre Geheimfach. Ein stilles Lächeln legt sich auf ihre Lippen, als sie die verborgenen Schätze darin betrachtet.
Behutsam greift sie in das Loch und nimmt eine Schriftrolle heraus, abgegriffen und schon unzählige Male auf- und wieder eingerollt.
Langsam gleiten ihre Finger nach unten und wickeln das Pergament zu seiner vollen Länge auf. Mit einer kleinen Bewegung wendet sie sich der Kerze auf der Kiste zu und ihre Lippen formen stumm die Worte, welche sie liest.
Einige Monde ist es schon her, dass sie diese Rolle geschenkt bekam, von einer Priesterin. Ihr Name war so schön und rein, wie ihr Äußeres: Sonnenlicht.
Es war nach ihrem ersten Auftrag gewesen....

...Ein dicker Kaufmann war ihr Opfer , welcher die Leute betrog, wo er nur konnte. Und seine Gattin litt ebenso unter ihm. Diese hatte dann für sein vorzeitiges Ableben gesorgt, ausgeführt von Faeyas zarter Hand. In der Zwischenzeit lebte die Dame in einem hochherrschaftlichen Haus recht gut von der ergaunerten Hinterlassenschaft ihres Mannes.
Innerlich aufgewühlt und mit klopfendem Herzen war sie durch die Gassen Bergwinds gegangen, hatte vor dem Tempel auf einer Bank sitzend, darüber nachgedacht, was sie soeben getan hatte. Da trat diese Priesterin neben sie und sprach freundliche Worte zu ihr, über Liebe und Einsicht und Verständnis. Mit alledem konnte sie nichts anfangen, hatte sie doch nie dergleichen erfahren. Am Ende des kurzen Gespräches hatte Sonnenlicht ihr die Rolle gegeben mit den Worten des Gottes, von dem Faeya an diesem Abend zum ersten Mal hörte...

Mit einem schnellen Lauschen zu ihrer Kammertür vergewissert sie sich, dass der Streit noch immer in vollem Gange ist und rollt das Pergament wieder zusammen, legt es zurück in ihre kleine Schatzkammer.
Ihr Blick bleibt an dem Bogen hängen, fein säuberlich in ein Tuch eingeschlagen. Ein Köcher mit Pfeilen daneben. Der kostbarste Teil in ihrem Geheimfach, wichtiger noch als die Schriftrolle der Priesterin.

...Vor ihrem geistigen Auge sieht sie sich auf der kleinen Wiese im Wald sitzen, Sonnenschein über ihr und ein lauer Wind zerzaust ihre schwarzen Locken. Ihre schmutzigen Kinderhände umklammern den Köcher, viel zu groß ist er für sie. Voller Stolz zieht sie Pfeil um Pfeil hervor und reicht sie ihrem Bruder. Er ist größer als sie und älter. Das Pfeileschießen üben muss er, das hat er ihr erklärt. Weil er ein großer Bogenschütze werden will, der beste auf der ganzen Welt. So sitzt sie Stunde um Stunde und sieht ihm bei seinen Erfolgen zu. Auch wenn er die große, aus einem Faßdeckel gebaute, Zielscheibe nicht immer trifft, ist er der Größte für sie. Und sie liebt ihn abgöttisch, weil er so sanft ist und gut und so ganz anders als all die anderen Menschen, die sie kennt. Ihre Eltern eingeschlossen.
Böse Stimmen von einigen der Kumpanen ihres Vaters munkelten, er sei gar nicht der Vater des Jungen. Doch, wenn er deswegen tobte, warf ihre Mutter ihre strähnigen Haare zurück und funkelte ihn wütend an. Schon kehrte dann Ruhe ein und der Vater verwarf das Thema wieder für eine Weile...

Eine Träne tropft auf das Tuch um den Bogen. Es ist nicht die erste und wird auch nicht die letzte sein. Längst sind ihre Kindertage vergangen und ihr Bruder ist tot.
Schnell wischt sie sich die Träne von der Wange, was würde ihr Vater sagen, wenn er sie weinen sehen würde!
Mit einer beinahe zärtlichen Bewegung wickelt sie den Bogen aus dem Tuch, hält ihn in Händen und sieht darauf nieder. Er hat sicher keinen großen Wert bei der Händlerschaft, doch für sie ist er unersetzbar.
Sanft lässt sie ihn über ihre Schulter gleiten und greift nach dem Köcher. Dann faltet sie das Tuch sorgfältig und langsam zusammen, um es in das Loch zurück zu legen.
Sie liebt dieses kleine Ritual, schon unzählige Male auf die gleiche Art zelebriert.
Sachte deckt sie das Geheimfach wieder zu und legt das Fell an seinen Platz. Den Tisch darüber, fertig.
Vorsichtig hängt sie den Köcher mit den Pfeilen über ihre andere Schulter und legt ihren Umhang um. Ein kleines Lächeln umspielt ihre Lippen, keiner würde sehen, welch kostbare Schätze sie bei sich trägt, vor allem ihre Eltern nicht.
Sie löscht die Kerze und tritt dann aus ihrer Kammer heraus.
Vater und Mutter, beide schweigend mit verbissenem Gesichtsausdruck auf dem alten Sofa vereint, sehen ihr entgegen.
"Ich geh nochmal weg." Sagt sie kurz und bündig, wendet sich der Ausgangstür zu. Hinter sich hört sie eine gebrummelte Zustimmung ihres Vaters. Ohne sich noch einmal umzusehen, schließt sie die Tür hinter sich und bleibt einen Augenblick lang still mit dem Rücken an die Tür gelehnt stehen.
Tief zieht tief die milde Nachtluft in ihre Lungen. Das billige Kraut, welches ihr Vater zu rauchen pflegt, verschlägt ihr mit seinem Gestank immer wieder auf`s Neue den Atem.
Langsam setzen sich ihre Füße in Bewegung, Schritt um Schritt. Die Wiese ist ihr Ziel, auf der sie sich ihrem Bruder nahe fühlen kann.
Wieder hat sie keinen Blick für ihre Umgebung, zu lange lebt sie schon hier im Wald. Ein Uhu sendet seine Botschaft durch die nächtliche Stille, zwischen den Ästen eines Baumes sieht sie seine Augen leuchten.
Während sie sich ihrem Ziel gemütlich nähert, wandern ihre Gedanken zu dem Mann, dem sie am Abend sein jämmerliches Leben nahm. Eine Erlösung war es, zumindest für seine Anverwandten. Nun liegt er in dem Gestrüpp hinter der Taverne, den gebrochenen Blick seiner aufgerissenen Augen erschrocken ins Nichts gerichtet. Wann man ihn wohl finden würde? Seine Habseligkeiten würden Auskunft über seine Herkunft geben. Nichts hat sie ihm entwendet, seinen Goldbeutel nicht und auch nicht die juwelenbesetzte Waffe. Stehlen wäre unter ihrer Würde.

Als sie die Wiese erreicht, bleibt sie an deren Rand einen Augenblick stehen, lächelt. Der kleine See, an den sie grenzt, glitzert im Mondlicht. Wie schön es doch hier ist und wie friedlich.
Langsam nähert sie sich dem See, setzt sich an seinem Ufer nieder. Ihr Umhang breitet sich wie ein Fächer um sie herum aus.
Sachte tastet sie nach Bogen und Köcher, als hätte sie Angst, sie könnten auf Einmal verschwunden sein.
Das leise Gurgeln des Wassers dringt an ihr Ohr und lässt sie lächeln. Wieviele Stunden sie hier schon verbracht hat.
Nie war ihr Leben einfach gewesen oder besonders schön. Besonders vielleicht, aber nicht schön. Ein Leben im Wald, ein Leben in Armut, ein Leben in Angst vor den Stadtwachen und ein Leben in dem der Tod schon immer eine bedeutende Rolle spielte.
Ihr Vater war stolz darauf, ein Mörder zu sein, ein Geächteter schon in der dritten Generation! Und all seine ebensolchen Vorfahren waren doch tatsächlich eines natürlichen Todes gestorben. Nicht durch die Hand des Gesetzes, oh nein!
Sie alle hatten in der Abgeschiedenheit des Waldes ihr Dasein gefristet, in Gesellschaft solcher Frauenzimmer, wie ihre Mutter eines war. Aufgegabelt in irgendeiner Spelunke und in ihrer einfältigen Art umgarnt mit klingender Münze.
Stolz war ihr Vater auf seinen erstgeborenen Sohn gewesen, der ohne Zweifel die Familientradition hatte fortführen sollen, was auch sonst? Doch es war anders gekommen.
Zart streicht ihre Hand über das niedrige Schilf am Ufer des Sees, während sie ihren Gedanken nachhängt.

...Der Tag an dem ihr Bruder starb hat ihr Leben verändert. Nie, niemals wird es wieder sein wie es vorher war. Ein trüber Wintertag, kalt, windig und ungemütlich. Am Morgen hatte ein Bote an die klapperige Holztür geklopft, eingehüllt in einen dicken schwarzen Umhang. Ein Pergament hatte er abgegeben, eilig und froh, gleich wieder gehen zu können.
Die Familie saß am Kamin zusammen, um wenigstens für ein paar Stunden der Kälte zu entfliehen.
" Ein Auftrag!" tönte der Vater und reichte das Papyr wortlos an ihren Bruder weiter. Der nahm es entgegen. Keine Regung war seinem Antlitz anzumerken, als er die wenigen Zeilen las. Er nickte knapp und erhob sich, ging hinaus, das Schreiben noch in der Hand.
Man sah ihm nicht an, was er dachte, aber sie wusste es. Sie war seine einzige Vertraute.
Schweigend folgte sie ihm, schloss leise die Tür hinter sich und stand still neben ihm. Ihre Hand suchte seine und die Worte kamen zuversichtlicher über ihre Lippen, als sie sich fühlte: " Es wird alles gut gehen!" Er nickte und sah sie nicht an, als er ihre zarten, kalten Finger sanft drückte. So standen sie lange vor der Hütte und sahen den wirbelnden Schneeflocken zu...

Nie wird sie vergessen, dass sie sich nicht von ihrem Bruder verabschieden konnte. Unwichtige Dinge zu besorgen, hatte ihre Mutter sie fort geschickt am Nachmittag. Als sie abends zurück kam, war er fort.

...Stimmengewirr vor der Tür, laut und herrisch. Vom Schnee gedämpfte Schritte und das leise Gewieher von Pferden. Ein dumpfer Aufprall und dann ein polterndes Klopfen an der Holztür. " Als Warnung für Euch, Bastarde! Damit Ihr wißt, wie wir mit Euresgleichen verfahren!" Die Stimme des Mannes klang hart, dann entfernte sie sich, so wie die Geräusche der Pferdehufe im Schnee.....Stille......
Mit großen, erschrockenen Augen sah sie zur Tür hin, unfähig sich zu rühren, zitternd. Ihre Finger waren kalt auf einmal, obwohl im Kamin ein Feuer brannte. "Nu sieh schon nach, was los is!" durchbrach die schrille Stimme ihrer Mutter die Stille. Langsam, quälend langsam erhob sich ihr Vater aus dem Sessel in dem er saß, machte einige Schritte zur Tür hin, blieb stehen. Grau sein Gesicht im Schein der Flammen. Seine kräftige Hand griff die Fackel neben der Eingangstür, auch sie zitterte. Ein Blick zurück in die entsetzt geweiteten Augen ihrer Mutter und er öffnete die Tür....Blut, soviel Blut in dem unschuldig weiß glitzernden Schnee. Unter dem reglosen Körper ihres Bruders sickerte es hervor, langsam aber stetig. Es sah fast aus, als wäre in seiner Tasche eine Flasche mit rotem Wein kaputt gegangen. Seine Augen geschlossen, die Arme und Beine unnatürlich verdreht lag er da neben den Stufen.
Ihre Knie wurden weich und nie wird sie die Kälte vergessen, die sich in ihr ausbreitete in jenem Augenblick des Schocks.
Die Zeit schien still zu stehen, während sie alle drei nur da standen und auf den leblosen Körper starrten. "Wir müßen ihn....hinein bringen." durchbrach schließlich die Stimme ihres Vaters das Schweigen, brüchig klang sie und ohne Kraft. Wortlos drückte er ihr die Fackel in die Hand, an der sie sich sogleich festklammerte. Mit seinen kräftigen Händen packte er ihren Bruder unter den Schultern und zerrte ihn hoch, zog ihn die wenigen Stufen hinauf ins Haus.
Sowohl ihre Mutter als auch sie selbst standen starr und sahen auf die blutige Spur, die den Weg kennzeichnete.
"Komm...", sagte ihre Mutter, tonlos und matt, ganz im Gegensatz zu sonst...

Ihre schlanken, blassen Finger umklammern den Bogen unter ihrem Umhang, haltsuchend und verzweifelt. So einsam fühlt sie sich, hier in der Nacht alleine an dem See. Ihr leiser Seufzer geht unter in dem sanften Geplätscher des Wassers. Eine Eule schickt ihren Ruf in die Stille, auf einem Baum in der Nähe hat sie Platz genommen und beobachtet Faeya aus großen, gelben Augen.
Nie hat sie angezweifelt, was sie tut, was ihr Vater tut und ihr Großvater schon tat. Als Beruf sieht sie es, nicht als Berufung. Irgendwie muss sie ihr Gold verdienen, das hat der Vater ihr früh beigebracht. Und sie hat es eingesehen, wie es auch ihr Bruder eingesehen hatte.
So lernte sie schon als kleines Mädchen das lautlose Töten, kleine Tiere des Waldes waren ihre Opfer, an denen sie übte. Gezielte Stiche, Hiebe, Schnitte mit scharfer Klinge. Lautlos und schnell.
Dass sie nach diesen Übungsstunden nichts mehr essen wollte, das hat keinen interessiert. Still übergab sie sich ein jedes Mal in die Büsche, doch auch das ging vorbei. Gewöhnungssache, alles Gewöhnungssache, und nicht weiter darüber nachdenken.
Heute ist sie eine Meisterin des Todes, was sonst sollte sie auch machen? Familientradition ist wichtig! Man muss sie weiter führen, von Generation zu Generation. Längst hat sie verdrängt, was sie tief in sich drinnen wollte, wünschte, herbei sehnte.
Wieder streicheln ihre Finger den Bogen, während sie starr auf das dunkel glitzernde Wasser sieht.
Stunde um Stunde hat sie nun hier gesessen, reglos in den See geblickt. Am Horizont, weit weit weg, sieht man ganz sachte die Morgenröte aufsteigen, zart taucht sie den Himmel in warme Farben.
Klamm sind ihr Kleider und ihre Finger. Tau glitzert im Moos um sie herum. Ein neuer Tag erwacht. Sie erhebt sich langsam, klopft Gras von ihrem Umhang, streicht den Rock glatt. Zeit, heim zu gehen. Die Eule beobachtet mit trägem Blick Faeyas Tun und folgt jeder ihrer Bewegungen, ein Auge geschlossen und bereit, den Tag an Ort und Stelle zu verschlafen.
Ein tastender Griff an den Bogen und sie schlendert los. Zieht es sie nach Hause, geht sie gerne dort hin? Nie hat sie darüber nachgedacht, auch heute nicht. Mechanisch gehen ihre Füße den Weg zurück.

An der Hütte angelangt, hört sie von drinnen schon gedämpft das sägende Schnarchen ihres Vaters. Das Knarren der Eingangstür vermag nicht, ihn zu wecken. Im Sessel eingeschlafen, ist sein Kopf nach hinten gekippt und zwischen seinen gelben Zähnen hervor quellen grunzende Laute. In der Hand seines herabhängenden Armes hält er eine halbleere Schnapsflasche. Beißender Dunst liegt in der Luft, daß es ihr fast den Atem verschlägt.
Eilig und ohne ihren Vater noch eines Blickes zu würdigen erreicht sie mit wenigen Schritten ihre Kammer, schließt leise die Tür hinter sich.
Sorgsam verstaut sie den geliebten Bogen in der Bodenluke und legt sich dann auf ihrem unbequemen Bett zur Ruhe.

Lautes Hämmern an der Tür lässt sie hoch fahren. Wie lange hat sie geschlafen? Sie weiß es nicht. Benommen sieht sie sich um, der kleine Raum in Halbdunkel gehüllt, Abend. "Ja?" ruft sie leise. Es antwortet die knurrende Stimme ihres Vaters: "Komm schon! Aufstehen! Arbeit is!"
Sie nickt und schwingt die Beine von ihrem Lager, stellt die nackten Füße auf den Boden. Was für ein Leben.
Sie seufzt leise und steht auf, öffnet die Tür und tritt in den Wohnraum. Niemand ist verwundert, dass sie jetzt erst aufsteht. Mit einer fahrigen Handbewegung zeigt ihre Mutter auf den spärlich gedeckten Tisch. "Iß was!"
Sie setzt sich auf einen der klobigen Holzstühle und greift nach einer Scheibe Brot, sieht ihren Vater an, der jetzt ebenfalls umständlich Platz nimmt. Er räuspert sich und spuckt eine gelbliche Mischung aus Tabak und Schnaps auf den Boden. Keinen stört es, keiner sagt etwas dazu.
"Hier, nimm." Ein schmuddeliges Stück Pergament wandert in ihre zarten Finger. Während sie lustlos an dem trockenen Brot kaut, gleiten ihre Augen zuerst unbeteiligt über die engen Buchstaben, weiten sich gegen Ende immer mehr. Fragend sieht sie ihren Vater an, dann ihre Mutter.
Diese wendet sich unter leisem Murmeln ab und wischt hektisch mit dem Ärmel ihrer Baumwoll - Klamotte auf einem staubigen Tisch herum.
Schweigen breitet sich aus, zieht sich in die Länge. Nur das nervöse Trommeln von Vaters Fingern auf dem Tisch ist zu hören, laut, viel zu laut in der Stille.
"Das kann ich nicht!" Polternd geht ihr Stuhl zu Boden, als sie ihn entschlossen zurück schiebt. Schon auf dem Weg zur Tür, dreht sie sich noch einmal um und schüttelt den Kopf, heftig und nahezu verzweifelt. "Nein, das kann ich nicht!"

Draußen, vor der Tür, bleibt sie stehen, holt tief Luft. Vor ihren Augen sieht sie immer noch die Worte auf dem Pergament, schüttelt den Kopf.
Gerade will sie sich von der Hütte entfernen, da knarrt leise die Tür hinter ihr. Die abgearbeitete Hand ihrer Mutter legt sich auf ihre Schulter. "Faeya..."
- "Nein, nein!" Sie fährt herum und sieht die Mutter an, als hätte sie eine schlimme Krankheit. "Hast du es gelesen? Hast du das gesehen?? Nein, das mach ich nicht!"
Der Vater erscheint nun ebenfalls in der Tür, knurrend herrscht er sie an: "Arbeit is Arbeit, oder was? Viele Talerchen stecken in dem Auftrag...." Seinen glänzenden Augen sieht man an, daß er die Goldlinge im Geiste schon in Fässer voll Schnaps und in stinkenden Tabak umsetzt. Sie selbst wird nur die Drecksarbeit machen, wie immer.
Unwille regt sich in ihr, zum ersten Mal in ihrem jungen Leben. Wie schlecht das alles ist und wie falsch! Wie schlecht doch ihre Eltern sind, skrupellos und bis ins letzte Knopfloch verdorben. Vor nichts schrecken sie zurück, keine Grenze, kein Halt.
"Nu mach schon hin! Hol den Dolch und troll dich, aber flott!" Vaters Stimme hat sich bedrohlich erhoben, duldet keinen Widerspruch und kein Zaudern. Einen Schritt macht er auf sie zu, will sie am Arm packen. "Ich töte keine Kinder! Nein, ganz sicher nicht! Nicht für alles Gold der Welt!" Tränen schießen ihr in die Augen, hinterlassen eine zarte Spur auf ihren Wangen. Dann dreht sie sich um und rennt barfüßig in den Wald, schnell, immer schneller. Ob der Vater hinter ihr her kommt, ist ihr egal, er wird sowieso nicht Schritt halten können.

Was bewegt einen Menschen dazu, den Auftrag zu erteilen, einen anderen zu töten? Einen Fremden, einen vermeintlichen Freund, einen Feind, ein Kind?

Ziellos geht sie durch den Wald, verzweifelt, alleine. Wenn sie nicht tut, was der Vater befohlen hat, braucht sie gar nicht wieder heim zu gehen, nie wieder. Sollte sie doch zurück kehren, wird er sie schlagen, mit dem Knüppel, den er extra zu diesem Zweck mit nach Hause gebracht hat.
Wer wird es nun tun? Er selbst, einer seiner Saufkumpanen, mit dem er dann die Taler teilt? Wird er den Auftrag ablehnen, wenn sie ihn nicht erledigt? Hat sie gerade dieses Kind, das sie nicht kennt, gerettet durch ihre Weigerung? Oder hat es nur eine Galgenfrist bekommen?
Den Namen hat sie sich gemerkt, festgebrannt ist er in ihrem Kopf, als hätte sie ihn schon tausend Mal gehört. Dabei hat sie ihn nur einmal gelesen, ein einiges Mal.
Ohne auf den Weg zu achten geht sie weiter und weiter, dunkel wird es, Nacht. Schatten zwischen den Bäumen, heute nimmt sie sie wahr, geht schneller. Folgt ihr jemand? Umdrehen wird sie sich nicht, bloß keine Schwäche zeigen. Nur, schneller gehen kann ja nicht schaden.
Was hat dieses Kind verbrochen, dass man es los werden will? Ist es böse? Böse geboren? Böse geworden? Oder ist es unschuldig, will man es nur bei Seite schaffen? Wegen Gold vielleicht? So viele Morde geschehen aus Habgier. Wenn man die ergaunerte Barschaft dann ergattert oder gar geerbt hat, dann bezahlt man gern eine lächerliche Summe an den gedungenen Mörder.
Das Haus, sie kennt es nicht . Und doch haben ihre Füße sie hierher getragen, einfach so, von selbst. Licht hinter den Fenstern, Schatten, die sich bewegen. Ein kleiner Junge, der weint, leise, kaum hörbar.
Zwischen Büschen verborgen, sieht sie hinüber, lange, so lange bis sie spürt, dass ihre Füße klamm werden und ihre Hände, von der Kälte der Nacht. Dort drinnen sollte sie jetzt sein, nicht hier draußen. Jemand hat das Todesurteil des Jungen unterschrieben, heute. Und doch lebt er, denn sie wird es nicht tun, kann es nicht tun und will es nicht.
Suchend spähen ihre Augen immer wieder in die Dunkelheit, lauscht sie auf Geräusche in ihrer Umgebung. Ob jemand anderes kommen wird? Ihr Vater vielleicht, träge und unbeweglich, wie er ist? Wäre es nicht so furchtbar, dann müsste sie jetzt kichern bei dem Gedanken...

Stunden später graut der Morgen, ein trüber Morgen, passend zu ihrer Stimmung. Nichts ist geschehen. Der kleine Junge schläft, lebt, wird bald seinen nächsten Tag erleben, für ihn ein Tag wie jeder andere. Nicht für sie.
Etwas muss sich ändern, sie weiß es, wusste es schon lange vor dieser Nacht. Und doch kommt es ihr so unendlich schwer vor, den ersten, entscheidenden Schritt zu tun. Weg von allem, was sie kennt, was sie liebte, was ihr Leben war. Bis heute.
Aber, es muss sein, eine Grenze wurde überschritten.
So strafft sie ihre Gestalt und schüttelt den morgendlichen Tau von sich ab, macht sich auf den Heimweg, entschlossen und irgendwie auch erleichtert.

Als sie die Hütte, ihr Zuhause, erreicht, ist es früher Morgen. Sie rechnet nicht damit, dass jemand wach sein wird. Wie immer wird ihre Mutter im Schlafzimmer zu finden sein, ihr Vater eingeschlafen in seinem muffigen Sessel, schnarchend und unappetitliche Gerüche absondernd.
Vorsichtig öffnet sie die eichene Eingangstür, zum ersten Mal fällt ihr das laute Knarren derselben auf. Leise hinter sich geschlossen, bleibt sie an die Tür gelehnt stehen, sieht sich um. Das Haus ist leer, keine Menschenseele zu sehen. Beunruhigt fliegen ihre Augen durch den verwaisten Wohnraum, suchend. Das Feuer im Kamin ist nieder gebrannt, klamme Kälte füllt das Zimmer aus. "Mutter?" leise ihre Stimme, fragend und unsicher. Keine Antwort.
Auf Zehenspitzen schleicht sie zu der Tür zur Schlafkammer der Eltern hin, legt das Ohr dagegen, lauscht mit angehaltenem Atem. Nichts, kein Schnarchen, kein Grunzen, Stille.
Sie drückt die Klinke herunter, späht durch den vorsichtig geöffneten Schlitz. Die Betten leer, ungemacht und zerwühlt. "Vater??!" Laut ruft sie nun, getrieben von Sorge und einem Anflug von Angst. Wieder ist die Antwort Stille.
Ratlos geht sie zu dem Tisch, welcher mitten in dem schäbigen Wohnraum steht, windschief und wackelig. Seit Jahren schon redet ihr Vater davon, dass er ihn reparieren muss, ebenso wie den Stuhl, auf dem sie nun sitzt.
Grübelnd legt sie ihre Stirn in Falten. Was mag geschehen sein? Haben sie sich auf gemacht, den kleinen Jungen ins Jenseits zu befördern? Hat die Wache sie abgeholt? Oder sind sie nur Besorgungen machen gegangen?
Was nun?

Lange sitzt sie da, Minuten, Stunden? Jegliches Zeitgefühl ist ihr abhanden gekommen, Müdigkeit erfüllt sie. Je länger sie wartet, um so weiter rückt das, was sie tun wollte in den Hintergrund, was bleibt ist die Sorge. Unentschlossen sieht sie sich immer wieder in dem Raum um, einen Hinweis zu finden, was los sein mag.
Wann kam sie das letzte Mal nach Hause und keiner war da? War es vor Monaten? Oder vor Jahren? Sie weiß es nicht mehr.
Wollte sie nicht ihre Habseligkeiten holen? Ihre Augen wandern zu der geschlossenen Tür ihrer Kammer, bohren sich in das morsche Holz. Es muss sein, sie weiß es. Doch wie wird es dann weiter gehen?
Außer morden kann sie nichts, das ist es, was sie von Kindesbeinen an lernte. Gold hat sie auch keines, alles was sie für ihre Aufträge bekam, hat sie ihrem Vater gegeben, immer. Ist vielleicht etwas davon übrig? Wenn ja, wo?

Sie steht auf, geht durch den Wohnraum, öffnet Schubladen, kramt in Fächern und Schatullen. Nichts, keine Münze, nirgends. Kann es sein, dass der Vater alles ausgegeben hat? Manche waren wirklich großzügig.... So viele Taler, wo mögen sie sein? Ihr Blick streift die Schlafkammertür ihrer Eltern, bleibt daran hängen. Natürlich!
Langsam schleicht sie in den muffigen Raum, der aufdringliche Duft des billigen Parfums ihrer Mutter liegt in der Luft. Mit schlechtem Gewissen sieht sie sich um, taxiert Regale und Truhen. Wahllos schiebt sie Kleider beiseite und stöbert zwischen stinkenden Stiefeln und ausgetretenen Lederschuhen. Nichts, wieder nichts. Das einzige, was sie findet, ist ein Beutelchen mit Kleingold.
Das Bett, der letzte Ort, an dem sie noch nicht nachgesehen hat. Entschlossen zerrt sie das Bettzeug beiseite, wirft es hastig auf den Boden, hebt die Unterlage zur Seite...Da, ein Säckchen im Heu! Sie hebt es hoch, es ist schwer und Münzen klingen darin aneinander.
Die Tür öffnet sich, Schritte kommen polternd näher. "Was machst du da???" Die Stimme des Vaters, sie erstarrt.
Lügen war noch nie ihre Stärke, also versucht sie es gar nicht erst. Das Säckchen mit dem Gold in der Hand steht sie wie angewurzelt neben dem durchstöberten Bett, atmet tief ein. "Ich suche mein Gold..." Ihre Stimme will gar nicht selbstbewusst klingen, eher leise und zitternd hört sie sich an.
Ihre Mutter erscheint nun ebenfalls in der Tür, der Weg nach draußen endgültig versperrt. "Faeya!" kreischt sie, "Das is' unser Bett!"
"Und es ist mein Gold." Nun doch etwas lauter. Ihre Finger umklammern den groben Leinenstoff des Beutels, wild entschlossen, nicht los zu lassen.
Sie braucht dieses Gold, sie braucht ihre Schätze aus ihrer Kammer. Dann kann sie gehen, wird sie gehen. Wohin? Egal, nur weg.
Herausfordernd sieht sie die Eltern an, schweigend. Ihr Vater ist rot im Gesicht, die Augen klein zusammen gekniffen steht er da, die Hände zu Fäusten geballt. "Leg die Taler hin! Sofort!" Gefährlich leise seine Stimme, keinen Widerspruch duldend. Was jetzt kommen wird weiß sie. "Hol den Knüppel, Weib!" Die Mutter trollt sich, wie immer. Niemals würde sie ihm widersprechen. Grimmig betrachtet er Faeya, schnauzt: "Nich' arbeiten wollen, aber Gold abkassieren, was?" Sie presst die Lippen fest aufeinander, sagt nichts dazu, was auch? "Den Knüppel!!" Er schaut sich nicht einmal um, seine Stimme füllt das ganze kleine Häuschen aus.
Böse funkeln die Augen ihres Vaters, als er auf sie zu kommt. Ein schneller Blick zur Tür, jetzt könnte sie.... Zu spät. Ihre Mutter erscheint, den gewünschten Prügel in der Hand. "Da is' er..." Der Vater reißt ihr im Vorwärtsstürmen den Knüppel aus der Hand, hebt ihn drohend. "Dich werd' ich lehren, deine Eltern zu beklauen!"
Angstvoll fliegen ihre Augen durch den Raum, einen Ausweg suchend. Der Bruchteil einer Sekunde ist es, der alles Weitere entscheidet.
Die Tür versperrt, der Vater wutentbrannt mit dem Prügel in der Hand auf sie zu stürzend. Sie denkt nicht, sie handelt, blitzschnell und spontan. Der Dolch in ihrem Stiefel verborgen, ohne zu zögern reißt sie ihn heraus, hält ihn ihrem Vater entgegen, abwehrend, verzweifelt. "Du weißt, dass ich es kann..." Leise ihre Stimme und doch so eindringlich.
Bewegungslose Anspannung breitet sich aus. Ihr Vater bremst, sieht den Dolch an, in ihrer Hand, der Hand seiner Tochter. Noch immer hält er den Knüppel hoch über dem Kopf, bereit, drauf zu schlagen.
Ein spitzer Schrei erklingt von der Tür her: "Faeya! Nicht!"
Ihre Mutter ist kreidebleich im Gesicht, ihre Augen unnatürlich geweitet. "Das wirst du nich' tun!"
Sie sieht hinüber, hat ihren Vater immer noch im Blick. "Ich würde es tun! Für Gold, für mein Gold! Das ist es, was ich gelernt hab."
Eine Stecknadel könnte man fallen hören in der nun folgenden Stille. Jeder sieht jeden an, lauernd, wer den ersten Schritt tun würde. Vaters schwerer Atem füllt den Raum. Aufgeregt ist er, das spürt sie. Der Knüppel in seiner Hand zittert, genau wie der Dolch in ihrer. Sie sehen sich an, ebenbürtige Gegner, jeder auf seine Art unschlagbar. "Geh!" zischt er ihr zu und lässt langsam den Arm sinken. "Geh, geh schnell und nimm das verdammte Gold mit. Lass dich nie wieder hier blicken!"
Sie schluckt, trocken ist ihr Mund, als müsste sie verdursten. Ein Blick zu ihrer Mutter, diese senkt die Augen. Weint sie? Man sieht es nicht.
Langsam steckt sie den Dolch weg, greift das Säckchen mit dem Gold. Ohne sich um zu sehen, geht sie hinüber in ihre Kammer, holt ihre Schätze aus dem Versteck. Die Bodenluke verschließt sie sorgsam und kehrt in den Wohnraum zurück, sieht ihre Eltern an, ein letztes Mal? "Lebt wohl..." Keine Antwort bekommt sie, beide stehen und starren sie an, schweigend, mitten im Raum.
Sie wendet sich der Tür zu, tritt hinaus und schließt sie hinter sich. Dann bleibt sie stehen, atmet tief die Waldluft ein.
War es schwer? War es leicht? War es nötig oder nicht? Musste es so kommen, eines Tages?

 

Hallo Nio,

" Hat er leiden müssen?" fragt sie mit seltsam klarer Stimme.
Ja, formal bisschen falsch gestaltet die wörtliche Rede:
„Hat er leiden müssen?“, fragt sie …
Das wurde mit der Rechtschreibreform wohl geändert.
Zusätzliche Anmerkung: Das unbenannte der Gestalt, das dann im „sie“ mündet stört ein wenig. Außerdem: Wer ist Faeya? Das ist doch die Gestalt, oder? Dann nenn sie doch von Anfang an schon so, warum ein Geheimnis draus machen, wenn’s im 2. Absatz schon klar wird?

sie tötet, schnell lautlos und wirkungsvoll.
schnell, lautlos und …

Ohne die Taler zu zählen stopft
, stopft

als sie mit einem fast ironischen Lächeln
Wie sieht das aus? Auf wen wirkt es fast ironisch? Passt „fast ironisch“ sprachlich wirklich zu diesem Fantasy-Setting mit Gold und Talern und Dolchen?

in der Taille zusammengehalten von einem Fetzen Stoff, den sie selbst als Gürtel bezeichnet.
Dass sie den Stofffetzen als Gürtel bezeichnet, weiß man aber nicht vom Klang ihrer Stimme her. Nach so einem Anfang dann auch wirklich nur „Optisches“. Die Spießgesellen des Vaters sind dann auch schon zu viel.

In dem nun aufkommenden spärlichen Lichtschein erkennt man die karge Einrichtung der Kammer.
Wer ist denn „man“? Sie erkennt das, niemand sonst.

offenbahrt
Ohne „h“

Einige Monde ist es schon her, dass sie diese Rolle geschenkt bekam, von einer Priesterin. Ihr Name war so schön und rein, wie ihr Äußeres: Sonnenlicht.
Es war nach ihrem ersten Auftrag gewesen....
Nur kurz, das hier ist ja eine Kurzgeschichte in „Sonstige“, dein Aufbau ähnelt aber eher einem Fantasy-Roman, das bedächtige, viel Umgebung, viele Details. Ich glaub auch bei Fantasy-Kurzgeschichten darf das nicht zu kurz kommen, weil in dem Genre wohl die Konvention herrscht: So viele Umgebungsdetails, so viel Stimmung wie irgendmöglich, aber auch dort sollten sich bei einer Kurzgeschichte die Prioritäten in Richtung „Handlung“ verschieben. Es ist schon schön gemacht und alles, aber zu einer Kurzgeschichte nach klassischer Definition gehört eigentlich ein direkter Einstieg.

Innerlich aufgewühlt und mit klopfendem Herzen war sie durch die Gassen Bergwinds gegangen, hatte vor dem Tempel auf einer Bank sitzend, darüber nachgedacht, was sie soeben getan hatte.
Nun zeig doch mal, wie sie wen umbringt. Geh mal dahin, wo es weh tut. Das ist jetzt der zweite Mord, der „übersprungen“ wird.

Da trat diese Priesterin neben sie und sprach freundliche Worte zu ihr, über Liebe und Einsicht und Verständnis.
Nee, also so was will ich dann sehen. Spannend „sehen“ – was sgt sie? Also du kannst nicht episch die Inneneinrichtung ihres Zimmers beschreiben und dann über die Höhepunkte der Geschichte, wie dieses Gespräch, im Handstreich hinweggehen.

ist er der Größte für sie.
Stilebene.

Tief zieht tief die milde Nachtluft in ihre Lungen.
-tief +sie

Aufs

Wieder hat sie keinen Blick für ihre Umgebung, zu lange lebt sie schon hier im Wald. Ein Uhu sendet seine Botschaft durch die nächtliche Stille, zwischen den Ästen eines Baumes sieht sie seine Augen leuchten.
Die Geschichte muss auch mal anfangen. Also ich sag’s deutlich: Mir ist das zu behäbig. Es ist nicht schlecht, es ist durchaus ein Talent fürs Erzählen da, allerdings: Die Geschichte muss auch mal anfangen. Es gibt bei Unterhaltungs-Kurzgeschichten keinen handlungsarmen Prolog. Das hier ist vom Aufbau her ein geruhsamer Fantasy-Roman, irgendwie eine Entwicklungsgeschichte mit rein.

Müßen
Müssen jo

Ja, konventionell erzählt, unglücklicher Aufbau für eine Kurzgeschichte, hier in „Sonstige“ definitiv falsch, deine Leserschaft findest du eher in Fantasy. Ich hab’s ab der Hälfte nur noch überflogen, ehrlich gesagt. Weil das schon arg konventionell alles ist und sich äußerst langsam eine vorhersehbare Geschichte abspielt, wie ich bis dahin fand.
Aber: Sicher geschrieben, die Atmosphäre gut hinbekommen, die Figur plastisch hinbekommen. Also schlecht war das nicht, wenn’s auch für eine Kurzgeschichte einfach beim Aufbau hakt. Eine Kurzgeschichte ist vom Aufbau her kein „kurzer Roman“, sondern sie folgt anderen Regeln.

Viel Glück trotzdem weiterhin, vielleicht kriegst du in Fantasy Kommentare von Leuten, die mehr Ahnung von dem Genre haben als ich
Quinn

 

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