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Verhasste Venus

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15.09.2001
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Verhasste Venus

Berühr mich und ich weiß wer du bist.
Ryan steht schon seit einer unendlich langen Viertelstunde hier, wie verabredet. Sein Herz schlägt so heftig, dass er schwer atmet, seine Hände zittern, der Blick ist unruhig. Bis er an einem Jungen hängen bleibt, in 20 Metern Entfernung, der mit wiegendem Gang auf ihn zukommt.
Ihn auch ansieht.

Eine Woche ist es her, dass er Sebastian hinter einem Club zum ersten Mal sah. Ryan war herausgekommen weil der Rauch zu sehr in den Augen brannte, Sebastian um nicht auf die Tanzfläche zu kotzen. Es war nicht romantisch, der Hinterhof von einem grellen Scheinwerfer bestrahlt, Regen goss in Strömen, Sebastian war leichenblass und Ryan zu betrunken. Die Begegnung dauerte drei Minuten.
- Hey wasn mit dir? Brauchst du Hilfe?
- Scheiße, von dir bestimmt nicht. Du bist ja noch bedrogter als ich
Beide lachten, beide sahen sich Sekunden zu lange an.
Wie es dazu kam war Ryan hinterher nicht mehr wirklich klar, doch jetzt war er verabredet mit diesem Jungen, den er kaum gesehen hatte. Kleine Hände, ein weiches Gesicht. Dieser unglaubliche Gang.
Und es regnet heute wieder.
Sebastian bleibt vor ihm stehen und grinst ihn breit an.
- Hab ich dich also doch nicht nur geträumt, verkündet er statt einer
Begrüßung,
- Also, wohin?

Sie sitzen auf dem Bürgersteig vorm McDonalds, völlig durchnässt, trinken Kaffee, der mittlerweile als Hauptbestandteil Regenwasser hat, und reden. Versuchen es.
- Jetzt hätte es eh keinen Sinn mehr, sich da reinzudrängen. Nass sind wir eh,
sagt Sebastian mit einem verächtlichen Blick auf den überfüllten McDonalds.
Ryan schweigt und starrt in seinen Becher, der bald auseinander fällt.
- Woher kommen deine Eltern? , fragt Sebastian unvermittelt.
- Häh?
- Naja, du siehst nicht wirklich europäisch aus.
- Ach so. Philippinen.
Wieder Schweigen. Diesmal betreten.
Sebastian atmet durch:
- Das ... versteh mich nicht falsch ... ich ... ich mag wie du aussiehst.
Ryan sieht ihm in die Augen. Sebastians Gesicht ist eine perfekt geschnittene, milchweiße Fläche mit großen blauen Augen und einem kleinen rosa Mund. Dieser bewegt sich erneut:
- Gib mir deine Hand. Wenn du mich anfasst, kann ich dir sagen wer du bist
- Häh?
- ‚Häh’ nicht die ganze Zeit, gib her, lacht Sebastian und nimmt sich die Hand,
die soviel maskuliner und größer ist als seine. Während sie durch seine gleitet, sagt er:
- Du magst Comics und Fernsehen. Und du isst kein Fleisch. Du triffst dich eigentlich nicht mit Fremden. Du liebst den Sommer und hast deine Mutter lieber als deinen Vater. In solche dämlichen Clubs gehst du auch nicht oft. Und du hast einen wahnsinnig guten Klamottengeschmack. Außerdem würdest du jetzt gerne mit mir ins Bett gehen.
Ryan, jetzt nicht mehr unsicher, lächelt: - Ich kann meine Mutter nicht ausstehen.
- Komm, wir gehen hier weg.

Ryans Wohnung ist klein und kalt, die Heizung fällt dauernd aus. Er gibt Sebastian trockene Sachen von sich, sie werden ihm passen, er ist fast so klein wie Ryan, auch wenn er kein Asiate ist. Es ist nichts verklemmtes an der Art, wie Sebastian im Nebenzimmer verschwindet und sich dort umzieht. Als er wiederkommt, drückt er Ryan gegen die Wand und küsst ihn. Sanft hält Sebastian Ryans Hände fest, lässt nicht zu, ebenfalls berührt zu werden.

Morgen. Grauen.
Zwei Menschen liegen ineinander verschlungen in einem Bett, der eine nackt, der andere vollständig bekleidet. Letzterer löst sich lautlos aus der Umarmung, bewegt sich ebenso still aus dem Bett.
Die Person geht ins nebenan gelegene Badezimmer, sieht sich in einem großen Spiegel selbst zu wie sie sich die fremden Sachen auszieht. Fährt sich durch die Haare, die einst so lang waren. Die Brüste sind durch Stoff abgeschnürt und plattgedrückt.
Der Blick wandert am Körper des Spiegelbildes weiter abwärts, die Hüften sind breit, aber nicht zu verräterisch. Die Scham ist bloß und seltsam verletzlich, so schrecklich weiblich. Es gibt kein schönes Wort dafür. Venushügel. Wie pathetisch. In den blauen Augen stehen die Tränen.
Wieder bekleidet, tritt die Person aus der Tür. Bevor sie diese leise zuzieht, sieht sie ein letztes Mal zurück.
Ryan schläft selig, liegt nackt in zerwühlten Laken, die dunkle Haut wie mit Goldstaub besprüht.

 

Hi!

Ich finde die Geschichte gut. Mir gefällt, wie sich die "Beziehung" zwischen den beiden entwickelt. Nur bei einer Sache musst Du mir auf die Sprünge helfen: Ryan weiß (bzw denkt) dass Sebastian ein Junge ist, findet aber die Hände, das Gesicht und den unglaublichen Gang toll, die ja weibliche Aspekte sind. Ich sehe da einen Widerspruch.

tschau
Markus

 

heya!

erstmal danke.

und zu deiner frage: mmh ich hab jetzt darüber nachgedacht. ich hab das nur bisher nie so gesehen, weil ich zB selbst mehr diese androgyne sache gut finde. vielleicht hab ich das zu sehr auf ryan übertragen ... ;)

 

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