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Verixung der Zeit
Das Schwarze Loch
oder
Die Verixung der Zeit
(Zur Abwechslung eine versuchte Stilflucht in die abartige Nettigkeit des Expressionismus)
Zwei Melonen, rund und saftig – Zucker, weißen prall und mächtig und doch so hautfarben aus dem noch weißeren Blusengrund. Licht, so magisch angezogen, verhellt das schon helle Schulterrund. Der dunkle Spalt zieht es gierig an, das Licht, er zieht und zieht daran. Doch der Spalt bleibt dunkel.
Die Bar vermannt in dichten Reihen. Der Herr der Nacht, Gott Alkohol genannt, steht fleißig stramm. Er lässt sich durch Nichts ersetzen, wenn Männer „Männer“ sind und bloß „Einen“ trinken. Die Flaschen, die Gläser salutieren. Die Zigaretten ziehen tief am Mund, die Luft hält sich kurz an, länger als noch gesund, und belungt dann den Raum mit Rauch, der sich verschwebend ringelt, manchmal im Zug der Schwingtür auseinander zittert und sich dann im trüben Licht der Bar verliert.
Das Weiß der Bluse engt auf einem Traum von einem Körper. Jede Faser spannt. Augen fantasieren: die Fasern sollen am Prall von Fleisch zerreißen! Doch ein Gewebe aus ururaltem und schon ewig lang bewährtem Stoff, als Baumwolle bekannt, zwickt an den gewissen Stellen – Danae zerrt einmal da und einmal dort – doch es hält, sich allen Wünschen widersetzend, stand und reißt nicht.
Der Spalt fleht um die Blicke. Die Gedanken dahinter verlochen in seinem tiefen Schwarz der Berg-an-Berg-Gewalten. Man kann erkennen: Danae ist sich über jeden kleinen Millimeter ihrer ganzen Macht bewusst. Sie buust sich auf, es wackelt das Gebluse. Jeder Verstand verrutscht. Sogar die Barhocker vernervösen und wetzen alle Hintern geil und wund. Danae zuckt nur mit der Hüfte, inhaliert das Giergeblicke, grinst in sich hinein, lässt die Luft in Serien aus ihren Gläsern und die Geldbörse nichts Böses denken und kassiert eiskalt die nächste Runde.
Ein Schluck schluckt gleich ein halbes Glas. Ein zweiter hofft sich in den Himmel, macht es dem ersten gleich. Ein Dritter hat alle Hoffnungen verloren und knallt nach seinem letzten Brustgeschiagel mit seinem harten Kopf beinhart auf den noch viel, viel härteren Tresen. Es kracht. Ein Blick von Allen nur und er ist vergessen. Ein Vierter will es wissen, rutscht voll Mut und vorgedachtem Redefluss von seinem Hocker und verunsichert mit weichen Knien, die schon viel zu lange eine Sinnlosigkeit von Nacht verhockten, die dicht an dicht gedrängte Umgebung.
Er schleicht sich von Hinten an seinen Traum heran, stößt mit steifem Unterleib an ihrem süßen Stockerlhintern an. Danae fährt herum. Ihre Pupillen blitzen. Sie sagt nicht ein einziges Wort, schaut ihn nur an. Da bleibt dem Mut sein Glück im Halse stecken: „Hey du, …. a Bier no, …. bitte!“ Ein braver Schritt zurück. „Okay, gleich. Der Tisch dort noch, …. du bist der Nächste.“ Doch bevor er wieder seinen Hocker sucht, stiehlt er sich noch schnell eine Ahnung für sein morgendliches Wixen. Diesen letzten Blick jedoch ließ der Herr der Nacht zu Danaes Glück an ihrem Schwarzen Loch vorbei verixen.
© Copyright by Lothar Krist (02.10.2004 von 03.25 bis 06.15 Uhr im Smaragd; Mann o Mann, was waren diese paar Zeilen doch für eine schwere Geburt?! Ich bin froh, dass ich mich heute unter einer Vielfalt von Stilen quer verdichten kann. Diese Expressionisten waren halt Könige in ihrem Metier. Sie hatten es wahrlich nicht leicht. Aber sie hatten es.)