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Vom Ersten bis zum ersten Mal
Vom Ersten bis zum ersten Mal
Als ich 17 war, wusste ich schon sehr viel über die Liebe. Ich hatte alle wichtigen Standardwerke zum Thema gelesen. Ich hatte mit Julia meine Familie verraten, um Romeo zu heiraten; ich hatte mich im blauen Frack in endlosen Briefen Lotte hingegeben; hatte mit Anna Ehebruch begangen und mit Sabina die Schwere eines Mannes gesucht, um die unerträgliche Leichtigkeit des Seins zu ertragen. Ich war eine Rose gebrochen, ehe der Wind sie entblättert.
Als ich 15 war, ließ ich mich von Sebastian, der sehr groß war und sehr blond, auf einer Party küssen. In meiner Klasse hatten alle Mädchen, also alle hübschen, ihren ersten Kuss entweder mit Sebastian oder mit Matthias gehabt. Ich mochte Matthias mit seinen schönen sanften Augen lieber, also entschied ich mich sicherheitshalber für Sebastian. Ich achtete darauf, dass wir an der offenen Dachbodenluke saßen, so dass jeder, der vorbeiging uns sah und so, dass niemand mehr dachte, ich sei langweilig und eine Streberin, weil ich noch nie einen mit Zunge geküsst hatte. Ich öffnete meinen Mund und stocherte vorsichtig. Seine Zunge schmeckte nach Kotze. Mein Herz raste, aber nur aus Lampenfieber. Ich war eine Runde weiter.
Als ich 16 war, hatte ich meinen ersten festen Freund. Ich stand an der Straßenbahnhaltestelle. Mir gegenüber beobachtete mich ein Junge aus meiner Schule. Ich kannte ihn, so wie alle Mädchen aus der zehnten Klasse die Jungs aus der Oberstufe kannten. Die Bahn in meine Richtung fuhr ein und noch bevor sie unsere Blicke trennen konnte, rannte er los. Er rannte auf die andere Seite, rannte zu mir, drückte mir sein Handy in die Hand, als ich die letzte Chance ergriff, um einzusteigen und als die Türen sich zuschoben, sagte er atemlos, er riefe mich heute Abend an. Zu Hause probte ich das ersehnte Telefonat im Selbstgespräch.
Am Abend rief er mich an. Ich ließ es zweimal klingeln, damit er nicht glaubte, ich hätte auf den Anruf gewartet. Es lief gut. Ich sehe die Sprechblasen über unseren Köpfen: „Du bist mir schon länger aufgefallen, ich hoffe, ich habe Dich heute nicht überrumpelt?“. „Naja schon irgendwie, aber hihi schon ok“. „Hast Du Lust, mit mir mal einen Kaffee trinken zu gehen?“. „Ja gern, warum nicht?“ „Gut, dann morgen nach der siebten Stunde Treffen vor der Sporthalle?“. „Alles klar“. „Ach ja, und mein Handy bräuchte ich dann auch wieder...“.
Wir gingen ein paar Wochen miteinander, dann machte er sein Abitur und zog zum Studieren nach München. Mir bleiben ein paar Bilder im Kopf. Wie wir uns hinter den Eichen in der Houdainerstraße versteckten und uns hektisch zum ersten Mal küssten, bevor mein Vater mich abholte. Das unfreiwillige Bewerbungsgespräch bei meinem Vater am darauffolgenden Tag: „Setzen Sie sich doch noch etwas zu uns ins Wohnzimmer...“; wie wir im Bett lagen und er wie ein Entdecker auf einer Forschungsreise meinen Brüsten Namen gab. Wie wir in Porz auf der Parkbank, saßen mit Blick auf das abgebrannte Spielzeugwarenhaus und ich ihm die Schlussmachworte in den Mund legte, für die er selbst zu feige war.
Als ich 17 war, schlief ich zum ersten Mal mit einem Mann.
Ich begann an der Uni Köln neben der Schule als Schülerstudentin Literaturwissenschaft zu studieren. Ein Zungenkuss auf dem Dachboden hatte nicht gereicht, um mir die Streberin auszutreiben. Man schickte mich zu Professor Horneber, der mich betreuen sollte.
Horneber war einer dieser Professoren der den Bachelorkoordinatoren, Studiengangsmanagern und Geschäftzimmerleitungen nachts den Schlaf raubte und ich war mir sicher, dass das Prüfungsbüro sein Bild an eine Dartscheibe geheftet hatte. Um seinem Ruf gerecht zu werden, nahm er mich direkt nach unserem ersten Gespräch völlig gedankenlos und pädagogisch zumindest fragwürdig mit in sein „Kolloquium“. Zu meinem Glück wusste ich nicht, dass er sich dort mit seinen Examenskandidaten und Doktoranden über zeitgenössische Literatur ausließ und über die Lage des Literaturbetriebs. Ich las einfach nur jede Woche das ausgewählte Buch und erzählte, was ich darüber dachte und dem gestand er – so vermutete ich - Frische und Unbefangenheit zu, was ihm gefiel und so ließ er mich machen.
Meine Betreuung blieb an seinem Habilitanden hängen, Dr. Martin Großschmidt. Er zeigte mir nach der erste Sitzung gelangweilt die Seminarbibliothek und den Handapparat mit den Kopiervorlagen. Als wir uns verabschiedeten, sah er mich zum ersten Mal an, musterte mich regelrecht. Zumindest meine Beine in dem kurzen Rock schienen ihn nicht zu langweilen, auch wenn die Missbilligung in seinem Blick in mir den Impuls auslöste, meinen Rock zurecht zu rücken. Er sagte mir, ich könne ihn jederzeit ansprechen, wenn ich etwas bräuchte und bemühte sich dabei, genau den gegenteiligen Eindruck zu erwecken.
Nach der zweiten Sitzung war es nicht besser. Es ärgerte ihn, dass ich mit meiner „unbefangenen“ Schüler-Eifrigkeit und meinen „frischen“ Wunderkind-Ansichten eine Einbuße an Wissenschaftlichkeit und Fachvokabular verursachte. Meine Anwesenheit raubte der ganzen Veranstaltung, die ja ohnehin nur aus Höflichkeit gegenüber Horneber besucht wurde, den letzten Ernst.
Ich sagte: „Der Bewusstseinsstrom über wenige Sekunden, der hier auf 150 Seiten ausgeschlachtet wird, hat mich mehr als verwirrt“.
Er sagte: „Die Zusammensetzung von BewusstseinsELEMENTEN lässt uns auf beeindruckende Art und Weise gerade die Verwirrungen des Protagonisten nachempfinden“.
Ich sagte: „Dass er die 39 Sekunden in 39 Kapiteln darstellt, finde ich sehr originell“.
Er sagte: „Aufgrund der Tatsache, dass so und so und so und so und so und so und so und so, dass genauso gehandhabt haben, kann man nicht gerade von Originalität sprechen“.
Ich sagte: „Um zu verstehen, dass das Buch die letzten 39 Sekunden eines Lebens darstellen sollte, musste ich erst den Buchdeckel lesen. Das ist doch überflüssig kryptisch!“
Er sagte: „In seiner Radikalität entwickelt der Roman eine Tiefe, wie wir sie sonst nur aus der hermetischen Lyrik kennen“.
Ich konnte es nicht ertragen, wenn mich jemand nicht mochte, also fing ich an ihn zu beobachten. Er hatte den Raum zusammen mit dem Professor betreten, das heißt, einen halben Schritt hinter ihm. Die anderen Mitdreißiger-Doktoranden besaßen die gleichen bedruckten T-Shirts und Jeans wie noch als Studenten. Sie trugen Chucks, die sie eng schnürten oder bunte Lederschuhe, die nicht zu erwachsen aussahen. Sie benutzten Rucksäcke, alte Lehrer-Leder-Umhängetaschen oder Werbegeschenke von der Süddeutschen Zeitung.
Er trug ein Hemd und es war gebügelt. Er trug immer Hemden und sie waren immer gebügelt. Am Philosophikum musste das auffallen. Er hatte eine schmale braune Aktentasche, die er lässig unter dem Arm trug. Im Gegensatz zu allen anderen brauchte er keine Brille. Er passte nicht in die Vorstellung meines Vaters von einem Geisteswissenschaftler. So wie sich die anderen ihm gegenüber verhielten – distanziert, aber doch um ein gutes Verhältnis bemüht - war man sich wohl sicher, dass er eines Tages den Horneber-Lehrstuhl übernehmen würde.
Ich wollte ihm zeigen, dass ich seine Komplizin war. Ich glaubte auch nicht, dass mir die Uni zu Füßen läge, weil ich Klassenbeste war. Ich hatte Ehrfurcht vor der Literatur. Die Literatur war für mich das, was übrigblieb, wenn man das Zähneputzen und auf-die-Toilette-gehen und 8-Stunden-Tage und neuen-Pass-beantragen und für-den-Führerschein-anmelden und die Tante-zum-Geburtstag-anrufen und all die Sachen, die so viel Zeit raubten, strich. Dann blieb die Essenz dessen übrig, was wichtig und aufregend ist. Krieg und Frieden und Kabale und Liebe, hundert Jahre Einsamkeit, auf der Suche nach der verlorenen Zeit.
War das nicht wahrer und bedeutender und schöner als die Realität? Die Realität war dieser Seminarraum, in dem die völlig intakten Fenster in der vorherigen Woche gegen neue völlig intakte Fenster ausgetauscht wurde, weil es für die Neu-Verglasung ein Budget gab, aber für die Neu-Bestuhlung scheinbar nicht, so dass wir auf kaputten Holzstühlen sitzend durch neue Fenster auf die in frischem Grau gestrichenen Philosophikumfassaden blickten. In der Realität drehte sich das Seminargespräch um einen hochgelobten, innovativen Text, der nichts in mir auslöste und während wir darüber sprachen, machte der eine Einkaufslisten in seinem Kopf und ich dachte darüber nach, wie ich mich möglichst geschickt hinsetzte, um keine Laufmasche auf dem splittrigen Holzstuhl zu bekommen und der nächste dachte darüber nach, dass seine Freundin schon seit acht Tagen nicht mit ihm schlafen wollte und wen interessierte das. Und Martin Großschmidt, dessen war ich mir sicher, wollte ein Stück Wahrheit in die Realität holen. Er wollte, dass unser Kolloquium wahr und bedeutend und schön war und ich würde ihm dabei helfen und ich würde seine Komplizin sein.
Den Text für die dritte Sitzung las ich mehrmals. Ich kannte alle Rezensionen, brachte alles über den Autor in Erfahrung, wusste, welche Autoren ihn beeinflusst hatten und mit welchen er befreundet war. Ich sprach langsamer und ruhiger, weil alle Menschen mit Ahnung so sprechen und auch Professor Horneber so sprach. Mein Nirvana-T-Shirt tauschte ich gegen die schwarze Seidenbluse ein, die ich das letzte Mal auf der Beerdigung meines Großvaters getragen hatte, ohne zu bedenken, dass seriöse Frauen tagsüber Pastelltöne tragen und dass einem Ralph-Lauren-Menschen wie ihm sicherlich nicht entging, dass der Trenchcoat, den ich passend zur Bluse übergeworfen hatte, von H&M und nicht von Burberry war. Ich wollte es ihm einfach machen, mich einzuordnen. Als ich draußen nach der Sitzung vorm Philosophikum, um das Klischee zu vervollständigen, noch Gauloises rauchte und versuchte, möglichst intellektuell auszusehen, lächelte er mich beim Herausgehen an und rief fröhlich „Bis nächste Woche!“.
Nach der letzten Sitzung im Semester sprach er mich endlich an. Inzwischen hatten wir uns zu einem Tandem entwickelt und hitzige Diskussionen geführt, wie sie Professor Horneber, der immer noch ruhig und langsam sprach, seit den Siebzigern nicht mehr erlebt hatte. Die letzten Wochen hatte ich glücklich und einsam verbracht. Ich rief meine Freundinnen noch an, aber ihre Geschichten über Sebastian und Matthias langweilten mich. Ich wusste, sie verstanden nicht, was es bedeutet einen Komplizen zu haben, einen geheimen im Stillen. Und was sollte ich Ihnen denn auch schon erzählen? Es passierte ja nichts. Er und ich, wir begegneten uns nur in meiner Fantasie. Trafen uns zufällig, unterhielten uns stundenlang, bis er mir sanft die Strähne aus dem Gesicht strich. Und natürlich stellte ich mir vor, wie wir miteinander schliefen. Mit 17 denkt man schon an so was. Ich fing sogar an die Pille zu nehmen, wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Aber ich kam bei unserem Fantasie-Sex nie weiter als zu dem Punkt, der noch in Hollywood-Filmen gezeigt wurde und dann sah ich mich strahlend in seinen Armen liegen in weiße Laken eingewickelt.
Wir saßen im Seminarraum, nachdem der Rest gegangen war. Ich setzte mich auf einen der Tische und schlug die Beine übereinander. Ich folgte seinem Blick. Ich hatte mich für den kurzen Rock aus der ersten Sitzung entschieden und diesmal zupfte ich nichts zurecht. Es war meine letzte Chance. Ich wippte ihm meine Beine in der dünnen schwarzen Strumpfhose frech entgegen. Ich begann damals ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob mich jemand attraktiv fand. Ich wusste, dass ich hübsch oder zumindest nicht hässlich war. Aber nur einige wenige fanden mich außergewöhnlich und schön. Diese Menschen beschrieben meine Augen nicht als braun, sondern als schwarz und orientalisch. Das Muttermal auf meiner rechten Wange bezeichneten sie nicht als Leber-, sondern als Schönheitsfleck. Mein Haar fanden sie nicht spröde, sondern rassig. Ich schminkte mir die Augen mit schwarzem Kajalstift und trug die Haare immer offen, lockig. Ich gefiel ihm.
Er erzählte, dass er gebeten wurde für die Fakultätszeitschrift einen Artikel über das Schülerstudium zu schreiben und ob ich vielleicht Zeit hätte, mit ihm jetzt gleich daran zu arbeiten.
Ein offensichtlicher Vorwand, den ich nicht durchschaute. Ich war nur glücklich, denn ich hatte etwas Zeit gewonnen.
Wir liefen das Stück bis zum Café Wahlen. Es ist ein großräumiges Café, altmodisch. Die Kellnerinnen tragen diese reizenden kleinen Spitzenschürzen, die Stühle sind klein und unbequem, der Kuchen ist hervorragend und der Kaffee kommt aus dem Filter. Es war bezaubernd. Und es war einer jener Orte, die ein 35-jähriger Mann für eine Treffen mit einer 17-Jährigen aussuchte, weil er dort sicher keinen Bekannten treffen würde. Aber daran dachte ich nicht. Ich dachte an den Wiener Kreis und war glücklich und strahlte, weil wir uns stundenlang unterhielten und er mir sanft die Strähne aus dem Gesicht strich, als er ging.
Danach wusste ich nicht, was ich tun sollte. Also tat ich das, was alle Träumer in einer solchen Situation machen: Ich schrieb ihm einen Brief.
Der Brief war kein literarisches Meisterwerk. Damals sagte ich noch so Sachen wie „Ich möchte mir ein Kleid nähen in der Farbe Deiner Augen“. Aber ich schrieb ohne Zurückhaltung und Vorsicht, denn ich hatte noch keinen Grund zurückhaltend und vorsichtig zu sein. Ich schrieb, was ich dachte und was ich fühlte, weil ich die Codes noch nicht kannte, in denen man in Liebesbeziehungen kommunizierte. Ich schrieb, was mir die Nachmittage im Kolloquium bedeutetet hatten und dass ich nicht darauf verzichten wollte. Er antwortete und lud mich zu sich ein.
Damals fand ich seine Wohnung einfach nur schön. Ich hatte keinen Vergleich, ich kannte nur Reihenhäuser in Zündorf. Für mich war es die Wohnung, so wie er der Mann war. Singular. Vielleicht war es das, was ihn so an mir reizte. Natürlich war es das. Kein Vergleich. Alles zum ersten Mal gespielt, immer High Score. Jetzt sehe ich in der Wohnung den Junggesellen. Im Wohnzimmer stand ein neues dunkelbraunes Ledersofa gegenüber von einem alten Klavier, obwohl er überhaupt nicht spielte. Der Esstisch mit der Glasplatte war eine Verlegenheitslösung, für die er sich auch ein bisschen schämte. An den Wänden hing eine Serie von eingerahmten schwarz-weiß Fotografien, die eine Mauer aus Holzpfählen an einem einsamen Strand zeigte. „Existenzialistisch“, dachte ich damals; „Ikea“, weiß ich heute.
In seinem Arbeitszimmer standen die alten Gesamtausgaben in einer antiken Vitrine. Die zahlreicheren Taschenbücher in schwarzen Billy-Regalen daneben. Ein schwerer dunkelroter Vorhang, der zwangsläufig die Assoziation „Liebeshöhle“ hervorrief, trennte das Schlafzimmer vom Arbeitszimmer ab.
Er führte mich ins Wohnzimmer.
Wir standen am Fenster und blickten nach draußen. Er stand hinter mir. Ich rauchte, weil sie das in französischen Filmen auch taten und ich rauche heute noch manchmal, damit banale Szenen wenigstens ästhetisch aussehen. Ich drückte die Zigarette aus. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was er mir sagte, ich war zu sehr beschäftigt mit Atmen. Er griff meine Schulter, drehte mich um und küsste mich vorsichtig. Ich hatte mir diesen Augenblick so oft und so intensiv vorgestellt, aber ich glaubte nie daran, dass er eintreten würde. Als sich unsere Lippen lösten, lief ich zum Türrahmen. Ich musste Zeit gewinnen und mich festhalten. Er lehnte an der gegenüberliegenden Seite und blickte mich an.
Für das, was dann geschah, gibt es Adjektive. Seine Lippen küssten mich leidenschaftlich. Seine Hände berührten mich wollüstig. Er drängte mich begierig in seine Liebeshöhle. Sein Penis war hart, meine Vagina war feucht. Aber das alles verdeutlicht nicht, welchen Ereignis-Charakter das alles für mich hatte. Es geschah etwas und es geschah mir.
Ich flüsterte ihm noch zu, dass ich mit der Pille verhüte, aber ich bin mir sicher, er wusste, dass ich noch nie mit einem Mann geschlafen hatte. Er drang in mich ein, so viel wusste ich schon, dann kam der Hollywood-Cut und ich musste selber sehen, wo ich blieb. Er sah so aus, als würde es ihm gefallen, aber ich war verunsichert, weil er sich anhörte wie ein Tier und ich mir so eng und so sauber vorkam. Während der Rein-Raus-Geschichte war ich schlicht überwältigt von der Tatsache, dass ich jetzt Sex hatte und dass ich Sex mit ihm hatte und Sex in der Liebeshöhle hatte. Und nach meiner Definition war es richtiger Sex, weil er kam. Und er kam auf mir. Natürlich, er war ja kein Idiot. Wer vertraut denn auf die Beteuerung einer 17-jährigen Jungfrau. Sein Sperma floss in meinen Bauchnabel und ich hielt ihn mit meinen Händen auf, damit er nicht auch auf die weiße Bettwäsche tropfte. Er gab mir eine Stück Küchenrolle, die er neben dem Bett aufbewahrte.
Ich war trotzdem überwältigt. Kein Vergleich. Erstes Spiel. High Score.
Heute traf ich ihn vorm Supermarkt. Der Duft der Basilikumpflanze in meiner Hand stieg mir aufdringlich in die Nase. Ich sah die Küchenrollen unter seinem Arm und ärgerte mich über mein 17-jähriges Herzklopfen. Wie lächelten uns mit seitlich geneigten Köpfen an.
Unsere Komplizenschaft war lange vorbei. Nur seine Hemden waren immer noch gebügelt. In meinem Blick suchte er das Singular. Aber ich empfand nur Nachsicht. Mit uns beiden. Er wünschte mir alles Gute und strich mir sanft die Strähne aus dem Gesicht, als er ging.