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Von der Unmöglichkeit, zu verstehen
Da war dieser Mann. Ich glaube, es war so was wie Liebe. Aber wer weiß schon genau, was Liebe ist und welcher Mann kann eine Frau mit einem solchen Kind lieben. Dieses Kind, das immerzu quengelt und schreit und es weint. Es weint und ich kann es nicht beruhigen. Ich weiß nicht, was es will, streckt seine Arme nach mir aus, aber ich will es nicht in den Arm nehmen. Es hört ja doch nicht auf zu jammern. Ich gebe ihm ja auch zu essen, und davon reichlich. Trotzdem bleibt es spindeldürr und verlangt andauernd nach mehr. Mehr, mehr, mehr. Es bekommt einfach nicht genug. Dieses Kind, ich hasse es. Egal, was ich tue, es hört nicht auf zu schreien. Deswegen habe ich es auch versteckt vor ihm. Er hätte es ja nicht verstanden. Es lief auch gut, am Anfang. Er war eine Zuflucht für mich. Kein Zetern wenn ich bei ihm war, kein weinen und kein schreien. Und das war schön. So ein Kind lässt sich aber nicht besonders lang verleugnen. Und weil sein Weinen irgendwann auch dann zu mir durchdrang, wenn ich bei ihm war, schloss ich Augen und Ohren, soweit man Ohren schließen kann. Das Weinen verschwand nicht. Er dafür schon. Er konnte all das nicht verstehen. Wie auch? Ich antwortete ihm ja nicht auf all die Fragen, die er mir stellte, ich konnte ja nicht. Er ging also, ohne von meinem Kind zu wissen. Kennen gelernt hat er es trotzdem, später. Widerwillig habe ich es ihm vorgestellt. Ich dachte, das würde etwas ändern. Er schien auch nicht geschockt, nahm es sogar in den Arm, bis es aufhörte zu weinen. Mich wollte er trotzdem nicht zurück. Es gibt zu viele Frauen ohne solche Kinder. Ich sollte nun wieder allein bleiben mit diesem Kind, das jetzt mehr weinte, als je zuvor. Ich konnte nicht. Wenn es all zu schlimm wurde, bat ich ihn, das Kind zu nehmen. Das tat er auch, nicht mit Freude, aber er tat es. Bald schrie das Kind sogar seinen Namen, weil niemand anders es beruhigen konnte. Ich schrie ihn an, als er es nicht mehr nehmen wollte. Ich wollte es doch auch nicht.
Am Ende waren wir wieder zu zweit. Das Kind schreit und jammert immer noch und ich versuche weiter, es von mir fernzuhalten, mit Händen und Füßen mich wehrend.