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Von kalten Pfeifen und wärmenden Bikinis

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06.04.2008
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Von kalten Pfeifen und wärmenden Bikinis

Von kalten Pfeifen und wärmenden Bikinis (2008)


Der große, englische Garten war an diesem Abend voll von Gästen. Die warme Jahreszeit erlaubte, dass man zu dieser Uhrzeit noch lange draußen sitzen bleiben konnte. Sie waren alle sommerlich gekleidet: Frauen in adretten Kleidern, Männer in legeren Anzügen. Die Stimmung war leicht, die Atmosphäre gelöst. Angeregt unterhielten sie sich beim Buffet. Doch nicht etwa über den Zweiten Weltkrieg und seinen wirtschaftlichen Folgen, unter denen ganz Britannien immer noch litt. Auch nicht über die geplante Unabhängigkeit Indiens und dem damit beginnenden Untergang des Britischen Weltreiches. Stattdessen waren Bikinis aus Paris das Gesprächsthema.

Am Himmel war die Sonne schon am Untergehen, irgendwo in der Ferne trällerte noch ein Amselmännchen sein Lied. Er selbst saß etwas weiter abseits vom Trubel, unter der Gartenlaube. Mit einer aus Filz gefertigten, bräunlichen ascot cap auf dem Kopf sowie dem braunen Sportsakko aus Harris-Tweed und der dazugehörigen Hose hatte Ernest sich im Gegensatz zu den anderen Gästen nicht den wärmeren Temperaturen angepasst. Über seinem blau-weiß karierten Hemd trug er noch eine senffarbene Weste und war damit einer der wenigen Männer die einen Dreiteiler trugen. Eine olivgrüne Krawatte mit Enten-Motiv und ein Seideneinstecktuch in derselben Farbe vervollständigten das Bild eines Landadligen auf der Jagd. Die Arme vor der Brust verschränkt hatte sich Ernest mit ausgestreckten, übereinander gelegten Beinen im Korbsessel zurückgelehnt, während er die anderen Gäste aus der Distanz betrachtete. Ein Mann in einem weißen Sommeranzug stach auffallend aus der bunten Menge hervor. Man sah selbst von weitem, dass er es verstand, die umstehenden Leute zu unterhalten. Große Gesten und ein gewinnendes Grinsen machten ihn zum perfekten Gastgeber. Eine Gartenparty schien George genauso gut zu liegen wie eine Gerichtsverhandlung. Wenn man den Anwalt so sah, verwunderte es einen wenig, dass er erfolgreich war. Dass Catherine ihn geheiratet hatte. Ernest ließ seinen Blick suchend umherschweifen. Er hatte bei seiner Ankunft nur eine Weile mit ihr und ihrem Galan von einem Gatten gesprochen, bevor er sie seither aus den Augen verloren hatte. Sie hatte sich wohl um die Gäste zu kümmern. Um sich die Zeit zu vertreiben, hatte Ernest dann einige belanglose Gespräche mit anderen Gästen geführt. Etwas vom Buffet gegessen. Nicht viel und nichts Besonderes. Nun saß er hier bei Abenddämmerung unter der mit Efeu bewachsenen Gartenlaube und genoss abseits die Stille.

Er wollte soeben die Augen schließen, als ein Junge auf ihn zukam. An der Hand führte er ein Kleinkind mit Segelohren mit sich, es trug ein marineblaues Matrosenjäckchen und hatte sich mit seinen feisten Fingern an ihn geklammert. Er selbst trug ein kurzärmeliges Hemd und einen dunkelblauen Pullunder. Seine Socken reichten fast bis an die kurze Hose hoch. Ungerührt beobachtete Ernest, wie sie sich ihm näherten und schließlich in respektvollem Abstand stehen blieben. „Guten Abend, Mr. Howard“, begrüßte ihn der ältere der beiden. Ernest schwieg eine Weile lang nachdenklich, doch dann erkannte er den Jungen wieder. Es war Robert, Catherines Sohn. „Guten Abend, Robert… Noch nicht im Bett?“, fragte Ernest, seine steife Haltung beibehaltend, und, während er mit dem älteren sprach, den jüngeren musterte, der anfing, an seinem Hemdkragen zu nagen, während er Ernests Blick unverwandt erwiderte. „Nein, Sir. Mama hat mir erlaubt, länger aufzubleiben, weil wir ja Gäste haben“, rechtfertigte Robert seine Anwesenheit und drückte die Hand des kleinen Jungen fester, sodass dieser fragend zu ihm aufblickte. Ernest sah den älteren Jungen forschend an, ehe er zunächst ein Brummen von sich gab, um dann ein „Verstehe“ zu murmeln. Mit einem Kopfnicken deutete er auf das Kleinkind im Matrosenjäckchen. „Du hast mir deinen Begleiter gar nicht vorgestellt.“ – „Oh“, entfuhr es Robert, „Verzeihung, Sir. Das ist Walter. Mein kleiner Bruder.“ – „… Ein reizender Junge“, bemerkte Ernest trocken. Walter, der begriff, dass von ihm die Rede war, lächelte gegen seinen Speichel triefenden Hemdkragen, doch da Ernest das Lächeln nicht zu erwidern schien, verschwand es bald wieder von seinem pausbackigen Gesicht. Robert nutzte die entstandene Schweigeminute, um im anderen Korbsessel Platz zu nehmen und Walter mit einiger Kraftanstrengung auf seinen Schoß zu setzen, während Ernest gedankenverloren ein ledernes Täschchen aus der Innentasche seines Jacketts zog und es, sich aufsetzend, auf den Tisch legte. Die beiden Jungen beobachteten interessiert, wie er eine Pfeife, einen Beutel Tabak und eine längliche Streichholzschachtel hervorzauberte und im Sessel vorgebeugt begann, den Pfeifenkopf mit aller Gemächlichkeit mit Tabak zu stopfen, nachdem er die Pfeife aufgedreht und einen kleinen Filter eingefügt hatte. Keiner sagte etwas, selbst Walter hatte aufgehört, an seinem Kragen zu beißen, um das langwierige Ritual – für ein Kleinkind ungewöhnlich konzentriert – zu verfolgen. Ernest legte einen kleinen Pfeifenstopfer auf den Tisch, ehe er die Pfeife in den Mund steckte und ein Streichholz anzündete. Er ließ es, nachdem er damit nebenbei die Kerze auf dem Tisch entzündet hatte, drei Mal langsam über den Tabak kreisen, indem er den Pfeifenkopf mit der anderen Hand festhielt und immer wieder behutsam und ruhig daran zog. Dann drückte er sachte mit dem Stopfer auf den angefachten Tabak. Diese beiden Vorgänge wiederholte er noch zwei Mal, bis der Tabak nur noch glimmte und leichter Rauch aufstieg. Schließlich ließ er alles bis auf den Tabakbeutel und den Pfeifenstopfer verschwinden und begab sich wieder in seine alte Pose zurück.

„Gehst du schon zur Schule, Robert?“, fragte Ernest nach einigen Zügen, indem er aus die beiden Jungen aus den Augenwinkeln beobachtete. „Ja, Sir. Seit drei Jahren“, antwortete der Junge wahrheitsgemäß und richtete sich etwas auf, während er Walter, der angefangen hatte zu zappeln, etwas mit Anstrengung festhielt. Dem kleinen Jungen gelang es letztendlich, sich aus dem Griff des älteren zu befreien, doch ehe Robert irgendetwas tun oder sagen konnte, hatte Walter bereits mühsam den Korbsessel heruntergeklettert. Sein älterer Bruder war kaum im Begriff vom Sessel zu springen und ihm am Weglaufen zu hindern, als jedoch offensichtlich wurde, dass er nur zu Ernest ging. Ernest blinzelte einmal, als der kleine Junge auf ihn zu tapste und das kurze Ärmchen ausstreckte, indem er „Haben will“ vor sich her brabbelte und ihm dabei Geifer über die Lippen troff. Als er daraufhin versuchte, Ernests ausgestreckte Beine hochzuklettern, begriff Ernest, dass er es auf die Pfeife in seiner Hand abgesehen hatte. Weiter paffend beobachtete er die vergeblichen Bemühungen des Kleinkindes an ihm hoch zu kraxeln und betrachtete es aus der Nähe nun eingehender. Es war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, aber Walter hatte dieselben blauen Augen wie Catherine. Ernest ließ seine Pfeife los und richtete sich auf, um Walter hochzuheben und auf seinen Schoß zu setzen. Der kleine Junge schien für einen Moment verwundert, lächelte dann aber breit und versuchte nun von seiner erhöhten Position aus nach der Pfeife zu greifen. „Nein“, sagte Ernest entschieden und hielt die Hände des Kleinen fest. Walter blickte ihn aus feuchten blauen Augen verständnislos an, sodass Ernest zum ersten Mal lächeln musste, die Pfeife aus dem Mund nahm und ihm einen Kuss auf den weichen, braunen Flaum auf seinem Kopf drückte. „Nicht weinen“, besänftigte er ihn, doch seine Worte waren längst unnötig geworden, da Walter Gefallen an seinem Einstecktuch gefunden hatte und sich damit tröstete.

„Ich sehe, du hast dich schon mit Walter angefreundet“, sagte auf einmal eine weibliche Stimme. Ernest blickte auf. Es war Catherine. Walter hob nun ebenfalls den Kopf und streckte, da er seine Mutter erkannte, sie freudig anlachend die Ärmchen nach ihr aus. Ernest ließ sich von Catherine das Kleinkind abnehmen und legte dann den linken Unterschenkel auf seinen rechten Oberschenkel, während Robert aufstand, um seiner Mutter Platz zu machen. Catherine setzte sich mit Walter auf dem Schoß in den frei gewordenen Sessel und schenkte Robert ein dankbares Lächeln, ehe sie Ernest wieder ihre Aufmerksamkeit widmete und darauf wartete, dass er etwas erwiderte. Ernest legte den Kopf schief und blickte an seiner Pfeife paffend in den inzwischen rosafarbenen Himmel. „Angefreundet?“, hakte er noch einmal nach und machte eine Pause. „Dabei habe ich ihn bis vor kurzem noch gar nicht gekannt.“ Catherine richtete ihren Blick auf den Kopf ihres jüngeren Sohnes, der wieder begonnen hatte, an seinem Hemdkragen zu knabbern, und strich ihm über die feinen Haare. „Er kam zur Welt, als du noch gedient hast.“ – „Wann?“ – „’44… An Heiligabend.“ Er schwieg eine Weile, atmete den Rauch aus. Das war nur ein Tag nach ihrem Gegenangriff als Reaktion auf die Ardennenoffensive gewesen. Ein bitterkalter Heiligabend. Amerikaner und Briten hatten Bier und Zigaretten miteinander geteilt. Als kleinen Trost. Eine Pfeife aber konnte man nicht teilen. „Wohl ein Geschenk Gottes“, meinte er nüchtern. Catherine versuchte zu lächeln, versuchte wohl über den Spazierstock hinwegzusehen, der an seinem Korbsessel lehnte und auf den er aufgrund einer Kriegsverletzung als Gehhilfe angewiesen war, versuchte seinem erzwungenen Kriegsdienst etwas Positives abzuverlangen, um auch ihm ein Kompliment oder ähnliches aussprechen zu können, und fragte: „Wie weit hast du es gebracht?“ – „Oberfeldwebel.“ – „Du hast nie davon erzählt.“ – „Es hat sich nie die Gelegenheit dazu geboten.“ Roberts Blick nahm einen beeindruckten Charakter an. Zunächst zögerte er, wollte das Gespräch der beiden Erwachsenen nicht unterbrechen, doch da mit einem Mal Stille eintrat, verkündete er mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck: „Ich will später auch dienen.“ Ernest hob seinen Blick und sah den Jungen so eindringlich an, dass dieser daraufhin beschämt den Blick senkte. „Bleib zu Hause wie dein Vater“, sagte er, den harschen Unterton mühsam unterdrückend, und zog hastig an seiner Pfeife. Catherine machte ein leicht besorgtes Gesicht und schlang ihren Arm um ihren älteren Sohn, um ihm mit sanfter Stimme zu erklären: „Krieg ist keine schöne Sache, Robert. Mr. Howard musste gegen seinen Willen gehen.“ – „Aber warum wollte Mr. Howard nicht? Papa hat mir erzählt, dass Soldaten tapfer dem Vaterland dienen. Er hat gesagt, sie sind Helden“, rechtfertigte Robert seinen Wunsch. Ernests Hand hatte sich zu einer Faust geballt, seine Stimme nun um ein ganzes Stück härter als vorhin, sodass Walter sich verängstigt an seine Mutter drängte. „Dann wollte dein Vater lieber ein Feigling als ein ‚Held’ sein. Er soll im Kugelhagel von Heldentaten erzählen, wenn er dann noch kann!“ Robert war zum Schluss zusammengezuckt und nun ganz in sich zusammengesunken. Der unerwartete Tadel Ernests hatte ihn sehr einschüchtert. Ernest wich Catherines Blick aus, starrte leise schnaubend geradeaus. George und er hatten beide den Kriegsdienst verweigert. George hatte man gänzlich davon befreit davon befreit, ihn nicht. George hatte als Anwalt Beziehungen zu den Richtern des Tribunals, er war Kriegsberichterstatter und damit ja ohnehin fast an der Front. Ernest schwieg. Keiner sagte etwas. „Ich denke, ich sollte jetzt gehen“, sagte er schließlich, indem er nach dem Tabakbeutel und dem Pfeifenstopfer griff, die noch auf dem Tisch lagen, und Anstalten machte, sie einzupacken, als Catherine ihn jedoch aufhielt. „Ernest. Bitte bleib doch noch eine Weile.“ Sie setzte Walter auf dem Boden ab, ehe sie sich aufrecht aufsetzte und ihn bittend anblickte. Ernest sah sie, inne haltend, lange an. Dann sank er wortlos zurück in den Korbsessel. „Geht doch schon einmal ins Haus“, wies Catherine daraufhin ihren älteren Sohn an. Der Junge nahm gehorsam seinen Bruder bei der Hand, drehte sich noch einmal zögerlich um und machte sich auf den Weg.

Als Catherine ansetzte sich bedanken zu wollen, winkte Ernest ab und öffnete stattdessen mit zwei Fingern den Beutel, um etwas Tabak zu entnehmen und mit dem Pfeifenstopfer die Pfeife schweigend nachzustopfen, während sie ihm mit ähnlicher Faszination wie ihre Söhne dabei zuschaute. Als er schließlich fertig war, lehnte er sich wieder zurück und sah sie an. Sie lächelte matt. „Du musst Robert entschuldigen. Er hat nicht die Gräuel des Krieges erlebt.“ – „… Ich grolle nicht ihm.“ Sie sah ihn an, doch er erwiderte ihren Blick nicht, paffte nur an seiner Pfeife. „Er ist ein guter Junge“, sprach Ernest dann langsam, „gut erzogen… Aber der jüngere nagt ein bisschen zu viel an seinen Kleidern.“ – „Du wärest aber ein strenger Vater!“, sagte Catherine lachend, nachdem sie ob seines Kompliment mit schüchternen Stolz gelächelt hatte. Ernests Mundwinkel zuckte nur kurz nach oben, er lachte nicht. Ihr Lachen verklang schnell. Nach einer kurzen Pause fragte sie ihn: „Ist dir denn nicht warm in diesen Kleidern?“ Sie deutete dabei auf seinen dreiteiligen Anzug. Er sah langsam an sich selbst herunter. Dann schüttelte er den Kopf. Ihm war selten warm. Doch die Ärzte hatten keine Erklärung für dieses Phänomen finden können, er war im Grunde kerngesund. Er erwiderte ihren Blick gleichmütig.

Sie hielt den Blickkontakt nicht lange, blickte auf ihre ineinander verschränkten Hände und schlug die Beine übereinander. „Ernest“, setzte sie dann mit gesenktem Blick zu sprechen an, löste die Finger aus ihrer Verschränkung und gestikulierte langsam mit ihren Händen. Es war eine unsichere, zögernde Bewegung und verlieh ihrer Rede nicht Nachdruck, sondern deutete eher Hilflosigkeit an. „Sag mir… warum kommt es mir – immer wenn ich mit dir rede – so vor, als ob du mir etwas vorwirfst?“ Ratlosigkeit und stilles Flehen schien sich in ihrem offenen, hübschen Gesicht widerzuspiegeln, indem sie ihn nun wieder direkt ansah. Ernest blieb zunächst stumm. Dann wandte er seinen Blick ab und sagte leise: „Vielleicht ist es dein Unterbewusstsein.“ Ihre weiterhin unzufriedene und fast schon verzweifelt wirkende Miene ließ vermuten, dass ihr die Antwort ungenügend war. Sie seufzte. „Es tut mir ja Leid, dass wir schon seit so langer Zeit so wenig Kontakt haben, dass ich mich so wenig dafür interessiert habe, wie es dir im Krieg ergangen ist, aber du hast dich doch auch nie gemeldet! Was habe ich denn bloß falsch gemacht? Du weißt doch selbst, dass ich dich wie einen Bruder liebe!“ Ernest schwieg, seinen Blick immer noch abgewandt. „Sicher“, erwiderte er tonlos, als auf einmal George gut gelaunt vor ihnen auftauchte. „Catherine, hier bist du! Komm, wir wollen mit den anderen anstoßen!“ – „Oh…“ Er hielt zwei Sektgläser in seinen Händen und reichte seiner Ehefrau eines davon. „Es ist etwas kühler geworden. Alle anderen Damen tragen schon Jäckchen. Hier hast du vorerst mein Jackett! Nicht, dass du dich erkältest!“ – „Sehr aufmerksam von dir. Danke.“ Dann bemerkte er erst Ernest. „Oh, hallo, Ernest! Möchtest du…” Doch Ernest hob schon abwehrend die Hand und unterbrach ihn in seiner Rede, nachdem er stillschweigend ihrer Unterhaltung lauschend den Tabakbeutel und den Pfeifenstopfer wieder in seinem Jackett verstaut hatte. Er griff nach seinem Spazierstock und stand mithilfe dessen, ein Ächzen mühsam unterdrückend, auf. Dann sah er George an. „Nein. Danke. Ich werde jetzt den Heimweg antreten. Vielen Dank für die Einladung“, sagte er und nickte Catherine noch einmal zu, indem er seinen Hut andeutungsweise vor ihr lüftete. Sie schwieg stattdessen und senkte, an ihrem Kleid herumnestelnd, ihren Blick. „Na gut, dann auf Wiedersehen“, sagte George. Ernest entfernte sich hinkend von ihnen, sein kaputtes Bein immer etwas hinter sich her ziehend. Er brauchte lange, bis er endlich am Ende des Gartens angelangt war. Keuchend blieb er dort stehen. Das Gehen machte ihm Mühe. Er hielt für einen weiteren Moment inne, als in seinem Rücken der Trinkspruch „Auf die Bikinis!“ ertönte. Aber er blickte nicht zurück.

 

Willkommen Philon,

ich stelle mir vor, ich sitze im Garten, es ist Sommer und ich lese einen englischen Roman aus dem 19ten Jahrhundert. Mich stört das nicht besonders, weil das für mich eine schöne Vorstellung ist.

Trotzdem kann man kritisieren, dass eine Kurzgeschichte einerseits in der Nachkriegszeit (und zwar nach dem 2ten Weltkrieg) spielt, andererseits die Sprache des vorrigen Jahrhundert benutzt. Etwas seltsam ist das schon.

Die Handlung an sich fand ich gut, wenn dir auch bestimmt gesagt werden wird, dass man alles auch kürzer hätte halten können. Z.B. die Szene, als Ernest alleine mit den zwei Jungs ist.

Der Charakter von Ernest ist in seiner englischen Trockenheit überzeugend. Sehr gut dargestellt in Kleinigkeiten: Die Szenen z.B., in denen er seine Pfeife stopft, haben mich fasziniert – echt plastisch dargestellt!

Die Liebesgeschichte empfinde ich jetzt als nicht so ausschlaggebend, zumindest war die Gegenüberstellung Soldat – Nesthocker spannender! Sowie die von Pfeife und Bikini!;)
Gelungener Schluss! > hätte ich fast vergessen.


Also ich habs gern gelesen, weil ich einen solchen narrativen Stil mag! Sehr entspannend! Der Konflikt der Geschichte gibt auch was her. Trotzdem stilistisch sehr romanesk und eher weniger für eine Kurzgeschichte geeignet.

Es gibt außerdem noch Kleinigkeiten, die zu bügeln sind. Ein paar davon, die ich jetzt wieder gefunden habe (du oder andere werden den Rest finden:)):

"Am Himmel war die Sonne schon am Untergehen, irgendwo in der Ferne trällerte noch ein Amselmännchen sein Lied".
Woher weißt der Erzähler, dass das ein Männchen ist?

„und war damit einer der einzigen Männer die einen Dreiteiler trugen“.
der wenigen

„der anfing, an seinem Hemdkragen zu nagen, indem er Ernests Blick unverwandt erwiderte“.
während

Gruß
Kasimir

 

Hallo Kasimir,

vielen Dank für das Feedback und die Kritik. Mir ist noch nie besonders aufgefallen, dass ich so altmodisch schreibe, kannst du mir deshalb bitte anhand einiger Beispiele zeigen, woran das ersichtlich wird? Also "ob seines Kompliment" springt mir selbst auch ins Auge, aber sonst bemerke ich vor lauter Gewohnheit nichts.

Hast du vielleicht ein paar kleine Tipps für mich, wie ich weniger romanesk und dafür "Kurzgeschichten"-hafter schreiben könnte?

Woher weißt der Erzähler, dass das ein Männchen ist?
Na ja, zu meiner Verteidigung muss ich da sagen, dass bei Singvögeln in der Regel nur die Männchen singen.

Gruß,
Philon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo philon,
tipps kann ich dir nicht geben, zum einen weil ich selbst kein ‚moderner schreiber’ bin, zum anderen weil sich jeder etwas anderes unter „modern“ vorstellt. Aber ich kann dir sagen, was ich unter romanesk verstehe und es liegt dann an dir zu entscheiden ob und wie du das änderst.

Einerseits liegt es an der gehobenen, überwiegend unalltägliche Sprache, die du benutzt:

"
Mit einem Kopfnicken deutete er
sodass dieser fragend zu ihm aufblickte.
um etwas Tabak zu entnehmen
Dann drückte er sachte mit dem Stopfer auf den angefachten Tabak.
ehe sie Ernest wieder ihre Aufmerksamkeit widmete
"

Das schreibt man nur, man sagt es (meistens) nicht. Da gibt es die gesprochenen Varianten: zeigte, hoch sah, (he)raus zu nehmen, angezündeten, anschaute...

Das Zweite ist die Fülle der Infomationen und Details, mit denen viele deiner Sätze gespickt sind:

Robert nutzte die entstandene Schweigeminute, um im anderen Korbsessel Platz zu nehmen und Walter mit einiger Kraftanstrengung auf seinen Schoß zu setzen, während Ernest gedankenverloren ein ledernes Täschchen aus der Innentasche seines Jacketts zog und es, sich aufsetzend, auf den Tisch legte.

Die beiden Jungen beobachteten interessiert, wie er eine Pfeife, einen Beutel Tabak und eine längliche Streichholzschachtel hervorzauberte und im Sessel vorgebeugt begann, den Pfeifenkopf mit aller Gemächlichkeit mit Tabak zu stopfen, nachdem er die Pfeife aufgedreht und einen kleinen Filter eingefügt hatte.

Catherine setzte sich mit Walter auf dem Schoß in den frei gewordenen Sessel und schenkte Robert ein dankbares Lächeln, ehe sie Ernest wieder ihre Aufmerksamkeit widmete und darauf wartete, dass er etwas erwiderte.

(Wobei die Pfeifenszene mir so sehr gefällt, gerade wegen ihrer Detailiertheit!)

Gegenbeispiel zum ersten Satz – ohne dass es jetzt um den literarischen Wert geht - nur um die verschiedene Wirkung zu zeigen:

"Sie schwiegen. Robert setzte sich ihm gegenüber in den Korbsessel und nahm Walter auf seinen Schoß. Beide Jungen sahen interessiert zu, wie Ernest seinen Tabak auspackte und anfing, seine Pfeife zu stopfen".

Wie sich genau Robert setzt, wie schwer es ihm fällt, den Bruder hochzuheben, wie genau Ernest seine vorbereitungen trifft – ist für die Handlung nicht wichtig und kommt nur in Romanen in dieser Ausgiebigkeit vor. Kurzgeschichten sind da knapper, ökonomischer und mehr andeutend.

Wie man das letztendlich gestaltet, ist eine Frage des Stils (jedes einzelnen). Was dir eher liegt, kann ich also nicht wissen und dir da nur den Rat geben, hier „rumzuschmökern“ und zu vergleichen, zu klauen oder es einfach anders als die anderen zu tun.:D Auf jeden Fall viel Spaß!:)

Gruß
Kasimir

 

Hallo Kasimir,

dankeschön für die vielen anschaulichen Beispiele! Sie waren sehr hilfreich und jetzt ist mir auf jeden Fall einiges über meinen eigenen Stil klarer und bewusster geworden.
Ich mag die gehobene Sprache, aber bei der nächsten Kurzgeschichte werde ich 'mal etwas anderes ausprobieren und versuchen, mich kürzer zu fassen ;)

Gruß,
Philon

 

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