Was ist neu

Waldrand

Monster-WG
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10.07.2019
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Waldrand

In Ordnung kürzte Mutter mit „iO“ ab, ohne Punkt nach i und O. An vielen Abenden trug Mutter iO in den Familienplaner ein. Ein Familienplaner aus fünf langen Spalten, ganz links – unter einer Zwiebel – Johannes, ihr Sohn, Mitte links – unter einem Kürbis – die Mutter. Die anderen Spalten blieben leer.
Mutter hatte eine merkwürdige Schrift. Ihre Form änderte sich tageweise. Manchmal sparte sie an Größe, als sei Kalenderpapier ein flaches, weißes Gold, sie schrieb millimeterfein. Dann wechselte die Schrift zu großen, bauschigen Formen und die Tagesgrenzen schnitten Haarlinien durch das iO. Im August füllte der Junge leere Tage aus; am Monatsende rief sie begeistert, wie gut die Therapie und die Medizin wirken, hüpfte durch die Wohnung, schrie und lud ihren Sohn zu irgendeiner Mutter-Sohn-Aktivität ein, die man halt so machte und meist ging es zu McDonalds, ins Spielzeuggeschäft oder in den Zoo am anderen Ende der Stadt.

Im September begann Mutter, Selbstgespräche zu führen. Sie stand auf dem Balkon, erste Etage, schaute abwechselnd zur Sonne, zum Waldrand und in den Gemeinschaftsgarten und redete. Eine Vogeltränke lag seit Monaten trocken; der Sommer dehnte sich weit in den September aus und Mutter fügte dem Spätsommer ein „Äußerst-Spät-Sommer“ hinzu, manchmal, wenn ihre Gespräche von dem handelten, was sie sah.

Mitte September fragte der Nachbar, ob alles in Ordnung sei. Ein dicker Mann. Er stand im Türrahmen, ein bisschen besorgt und verängstigt. Vielleicht fürchtete er Konsequenzen, warum auch immer. Aber der Junge führte ihn an den Familienplaner der zwanzig Schriften Mutters und sagte, alles in Ordnung, Mutter gehe es gut. Das beruhigte ihn: Die iOs in einer Spalte, aufgezogen als lange Kette von Monatsanfang zu Monatsende. Er freue sich, dass es ihnen gut gehe, sagte er. Der Junge lächelte. Es war wie in der ersten Klasse, die Lehrerin Frau Schmidt teilte einen Bogen Linienpapier aus und man schrieb ein i nach dem anderen, ein O nach dem anderen, jedes O las er als O, aber keines glich dem anderen.

Der Junge schrieb die nächsten Tage iO in den Kalender, denn Mutter stand auf dem Balkon und redete. Oder sie setzte sich an den Küchentisch und erzählte.
An einem Dienstagmorgen, in den letzten Tages des Sommers, saßen Mutter und Sohn am Küchentisch. Sein Tornister schulfertig gepackt; die Mutter schien zu einem Entschluss gekommen zu sein.
„Wir müssen uns schützen, Johannes.“
Sie rührte in einem Glas.
„Denn die Strahlen kommen aus dem Wald.“
Sie zog das Rührstäbchen aus dem Glas.
„Ich habe den Wald beobachtet. Die Sonne und die Vogeltränke. Die Strahlen kommen aus dem Wald. Ich habe sie gesehen. Die Strahlen.“
Der Junge hörte zu. Ein Schleimtropfen fiel vom Rührstäbchen ins Glas, verschwand in der dickflüssigen Masse. Ein Tropfen weniger.
Sie legte das Stäbchen beiseite, schob das Glas über den Küchentisch.
„Aber wir haben Hilfe, Johannes.
Trinke das hier.“
Ein großes Glas. Der Junge umschloss es von beiden Seiten. Innen rotierte eine orange Masse ganz langsam, zäh wie Eierkuchenteig oder eine süße Suppe aus Mehl.
„In Ordnung. Mama.“
Er hob das Glas an, sein schneller Atem beschlug die Innenseite des Glases, schloss die Augen und schluckte vorsichtig, das war Ei, rohes, schmieriges Ei. Es kroch in das Innere seines Körpers. Er wusste, nach dem Trinken kam eine Wirkung, entlud sich eine unbekannte Kraft, die ihn tanzen und wackeln ließ, manchmal zittern. Aber es half gegen die Strahlen. Er setzte das Glas ab. Der Atem schmeckte sauer.
„Schmeckt es?“
„Ja. Mama“, keuchte er.
Mutter lächelte.
„Es hilft gegen die Strahlen. Es hilft sehr gut.“
„Danke. Mama.“
„Ich nehme es auch.
Jetzt kannst du zur Schule gehen.“
Auf dem Weg zur Schule tänzelte er. Seine Schrift kippte. Die Tinte klebte wie blauer Sirup. Seine Lehrerin, Frau Schmidt fragte: Bist du vielleicht krank? Eine Allergie? Heuschnupfen? Aber der Junge sagte, nein, schlecht gegessen. Echt jetzt. Am Abend notierte niemand iO in den Kalender, Mutter wanderte im Wald und der Sohn schlief auf der Sofacouch.

Zum Oktoberbeginn beendete Mutter ihre Balkongespräche. Nicht, weil der Sommer geendet hätte, die neue Wärme zur Kürbisernte bildete eine ganz neue Jahreszeit, für die es noch keinen Namen gab. Nein, Mutter schwieg die Tage. Sie trug InOrdnung in den Planer ein. Ausgeschrieben InOrdnung, ohne Leerstelle, das war selten. Der Junge beobachtete sie: Sie trug das InOrdnung sehr langsam ein, als übe sie ein neues Wort in neuer Gestalt, so langsam wie beim Erlernen der vereinfachten Ausgangsschrift. Dann drehte sie sich zur Seite, sah plötzlich in die ruhigen Augen ihres Sohnes, der auf dem Sofa lümmelte, überrascht, fing sich und sagte:
„Ich habe eine Überraschung für dich, Johannes.
Morgen.
Du darfst dich freuen.“
Bei großer Freude ihrerseits lag immer ein kleiner Wasserfilm unter dem Lidschatten.

Am nächsten Tag fuhren sie in die Stadt. Der Bus kurvte, obwohl das Land flach und die Straße trocken lagen. Sie entfernten sich vom Wald. Fuhr der Bus, roch es nach verbranntem Diesel. Stand der Bus, nach Mutters Vanille-Parfüm.
Mutter sagte: „Es ist eine sehr große Überraschung für dich, Johannes. Wirklich.“ Und flüsterte:
"Tschuldige.
Nie wieder Ei. Und Cognac.
Das mit den Strahlen ist Quatsch.
Echt jetzt.
Kein Plan. Bin manchmal …
… seltsam, Johannes.
Verzeih‘ mir, ja?"
"Ja, Mama."
Dann staunte der Junge über den schnellen Bus. In der Mitte des Busses gab es ein Element aus Graugummi, das sich in den Kurven stauchte und streckte. Ein Mann versuchte, Gleichgewicht zu halten. Eine merkwürdige Kraft hatte der Mann, eine Fähigkeit, der Junge formulierte das Wort mit stummen Lippen, drückte die Schneidezähne auf die Unterlippe: Fähigkeit.
Das hatte er in der Schule gelernt.
"Freust du dich?"
"Ja, Mama."
„Alles in Ordnung?“
„Alles in Ordnung. Mama.“

Der Bus fuhr sie ins Stadtzentrum. Hier das Zentrum West, linkerhand ein Spielzeugfachgeschäft. Hoher Stahl in Rot. Türen, die eine komische Kraft zur Seite schob. Glas und bunt. Seine Hand in Mutters Hand. Ein Maschinenäffchen pustete Seifenblasen, arbeitete elektrisch gut, sie platzten an alter und neuer Kundschaft, manche Brille musste geputzt werden. Die Halle, ein riesiges Zelt aus rotem Stahl und Piratenholz! Bällchen und Katapult, Papagei und Raumfahrt! Und die Mama grinste, bis jeder ihrer Zähne im Spielwarenlicht gefunkelt hatte. Und der Junge schwieg, schwieg einfach, als breche ein Schweigen etwas, eine Flüssigkeit, die dünn gefriert, bis sie in tausend Teile bricht.
"Such' dir doch was aus.
Etwas Schönes.
Und Besonderes.
Ganz viel Spielzeug.
Alles für dich."
Sie lächelte.
"Alles für mich", sagte der Junge leise.
Regale, zu riesig für ihn. Eigentlich bunt und belichtet, sah er den Fall ihrer Schatten, sie schnitten sich und färbten den Boden matt. Kurzer Blick zur Mutter, Mutter lächelte, lächelte reglos. So musste er laufen, setzte seine Schritte zum Rand des Regals, dort, wo kein Schlagschatten den anderen überschnitt.
Vor einem Flugzeug-Shuttle blieb er stehen. Man konnte ein kleines, weißes Shuttle auf das riesige, blaue Flugzeug stecken. Ein Shuttle-Transport-Flugzeug. Es gab Flugzeuge für die Erde und Shuttles für das Weltall. Gab ja auch Flughäfen und Raumstationen. Erde und Himmel. Oben und unten. Durch das blau lackierte Flugzeug führten schmale Streifen in Weiß und Rot, schau wie stark ich bin, hier ist die NASA, ich führe dich ins All. Er konzentrierte sich auf das kleine Shuttle.
Das Shuttle zündete. Durchstieß die schmale Grenze von Erde und All, beschleunigte im Orbit, bremste ab, stand still über den Kontinenten und Ozeanen und entfaltete einen kleinen glitzernden Satelliten. Zündete ein zweites Mal, reiste zu Spiralen aus tausenden Sternen und entkam schwarzen Löchern, die Materie und Licht einsaugten.

Ein Mädchen rempelte ihn an, rief ‚Dummkopf‘ und rannte davon.
Plötzlich spürte er Tränen aufsteigen. Wischte sie weg. Er lief weiter, bog um eine Ecke, noch eine. Eine Mitarbeiterin fragte, alles okay? Du? Alles okay? Er nickte nur, das konnte er gut.
Wo denn die Mutter sei?
Und sonst alles okay?
Kann ich dir helfen?
Und geht es dir gut?
„Alles in Ordnung“, sagte der Junge. „Ich möchte das da bitte.“
„Das?“ Die Mitarbeiterin strich über die Augenbraue. Sie zögerte. Dann fasste sie in das Regal, bat um das Öffnen seiner Hand und legte die kleine flache Box auf die offene Handfläche.
„In Grün? Ist es jetzt besser? Wo ist denn deine Mutter?“ Sie wartete am Eingang. Die Verkäuferin führte ihn zur Mutter.
„Nur das?“ Mutter lächelte nicht: „Du darfst dir doch alles aussuchen!“
„Ja.“
Er sah sie nicht an.
Kinder riefen, Eltern mit riesigen Playmobil-Packungen in Himmelblau, Geschenkpapier knisterte von fetten Rollen. Sie standen an der Kasse. Die Mama zahlte, zehn Euro, zehn für Ligretto, das schnellste Kartenspiel der Welt. Am Abend notierte sie iO in den Kalender, schon wieder, iO, das letzte für die nächste Zeit.

Denn am 16. Oktober begann der Herbst. Sofort. Keine Widersprüche. Jetzt war Herbst. Eine lange Front vom Nordpol bis Italien, ein ganzer Längengrad fusseliger Nieselregen.
„Ich muss einkaufen!“, rief Mutter plötzlich, zog ihre Sommersandalen an und stapfte aus der Wohnung. „Ich versorge uns!“, rief sie im Treppenhaus schrill. „Ich versorge uns!“
Auf dem Küchentisch lag Mutters Tablettenbox. Er mochte das bunte Plexiglas. Eine Woche hat sieben Farben und ein Tag fünf Teile. Sonntag in Brombeere, Montag in Tanngrün. Heute war ein königsblauer Tag, ein Freitag. Hielt die Box gegen die Fenstersonne. Er schüttelte sie: Sonntag klapperten alle, vom Mittwoch die kleine rosafarbene, montags alle weißen. Der Blick vom Balkon: Der Gemeinschaftsgarten, Waldrand, Vogeltränke.
„Johannes!“, rief der Nachbar.
„Mutter ist einkaufen!“
Er ging in die Wohnung, glättete den Klettverschluss seiner Sportschuhe, zupfte an ihnen, zog sie an, öffnete die Haustür, schloss sie. Duckte sich unter dem Türspäher des Nachbarn. Trat auf die Seitenstraße der Siedlung. Stehst du am Straßenrand, kannst du in zwei Richtungen gehen, stehst du an der Kreuzung, in vier.
Siedlungsgrenze. Seine Eichen und Buchen über einer dichten Schicht aus krautigem Wuchs, Strauchschlingen und verflochtenen Himbeerranken. Waldrand. Waldgrenze. Der Junge zögerte. Dann betrat er den Wald.

Der Wald ruhte auf seinen Bäumen, seinen Kräutern, den Himbeerschlingen, dem Laub und der Streu. Die Augen des Jungen formten einen Weg. Ein Weg, der von der Kiesstrecke wegführte, zwischen den Baumstämmen kurvte. An sumpfigen Gräben. An neuer Lichtung, am Totholz und verletzten Fichten. Schattenfarben zwischen den Stämmen. Dunkel und still. Nur die Schritte knisterten, der junge, frische Körper winzig klein unter der Krone des Waldes.
Ich heiße Johannes, dachte er, ich kann das. Die Fäden von Schwarz, Blau und Finster webten ein enges Geflecht um den hellen Körper. Etwas presste an seinem Atem: Er atmete gegen etwas, das er nicht benennen konnte.
Er gelangte an einen Hain Fichten. An einer Fichte hat ein dichter, weißer Pilz ein Stück Rinde zersetzt. Das Innere des Stammes leuchtete orange und schmeckte süß. Der Sirup der Wundheilung. Er berührte die klebrige Masse, beobachtet den Dampf, schmeckte Fichtennadelstreu und roch Nadelwaldholz. Im Harz erkannte er zwei winzige glänzende Flächen. In ihnen schimmerte ein noch winzigerer Regenbogen, wie das Öltröpfchen in einer Pfütze. Erst wich seine Hand zurück. Dann merkte er: Ein schwarzer Punkt verband zwei Flügelchen.

Der Junge ging in die Hocke. Er wischte das Laub fort, legte die Erde frei. Er formte eine Kuhle, die Erde durchdrang Pilz und Mooswurzel. Mit einem Ast streifte er das tote Insekt aus dem Harz. Ist gut, flüstert er leise. Ist gut so. Dann brach er den Ast, legte den Ast in die Kuhle, wischte Erde über den Körper und sprach:
Ruhe.
Ruhe einfach hier, okay?
Er stand wieder auf, als ihn eine Hand berührte.
Kann ich dir helfen?, fragte die Verkäuferin. Kann ich dir helfen, kann ich dir helfen. Alles in Ordnung?
Der Junge antwortete, ja, alles in Ordnung.
Sie schüttelte mit ihrem Kopf. Haarsträhnen fielen ins Gesicht.
Ich führe dich aus dem Wald. Du bist verirrt. Folge mir.
Sie liefen einen anderen Weg. Er wirkte merkwürdig geradeaus, nie bogen sie in die eine oder andere Richtung. Obwohl er dachte, man müsste einen Bogen laufen, nein, die Verkäuferin wusste den Weg. Die Sträucher bogen sich vor ihnen zu einem freien Pfad. Die Haken und Dornen mancher Schlinge wurden stumpf und schmerzten nicht. Sie erreichten den Waldrand und das Mehrfamilienhaus.

In der Küche räumte Mutter große Einkaufstüten aus. Sie hatte sich abgekämpft, ihre Stirn glitzerte vor Schweiß, der Herbstwind hatte sie nicht kühlen können. Es waren Tüten voller Mehl, Eier und Schokolade: Vorbereitung, Johannes, Vorbereitung ist das A und O. Am Abend notierte niemand ein Wort in den Familienplaner. Mutter rauchte trotz Regen auf dem Balkon, ihr Sohn schlief. Die Vogeltränke füllte sich endlich mit Wasser.

 

Hallo @kiroly,

alles andere als einsteigerfreundlich, deine Geschichte, ich habe den Anfang ein paar Mal gelesen, bis ich dachte, los, das sollte man bestimmt gelesen haben, nicht abschrecken lassen von den ... Extravaganzen. Nicht negativ gemeint.

Das, was den Lenker umgerissen hat, war dann das Schlingern. Das Schlingern des Johannes, das zum Schlingern des Busses übergeht, das Gummiteil und der balancesuchende Passagier ... Das ist echt gut gemacht, und ich frage mich ein bisschen, wie das gemacht ist, das frage ich mich die ganze Geschichte über, weil das ist nicht das "normale" Schreiben, und deshalb fühlt es sich halt auch so sehr nach Schi-zo-phre-nie an - glaube ich. Oder wie chronisch betäubt eben. Das ließe sich jetzt möglicherweise aufschlüsseln, festmachen, wie du das umgesetzt hast, aber daran habe ich kein Interesse, ich staune einfach nur, wie du die Form so gebogen hast, dass sie zum Inhalt wird. Das ist echt einzigartig.

Dadurch, dass du so nah an Johannes' Innenleben bist, was dem "normalen" Leser in der Regel ja fremd ist, also diese Art des Erlebens, schaffst du natürlich auch Distanz bzw. machst es mir schwer, hier zu irgendwem Nähe aufzubauen. Das ist - für mein Empfinden - kein Trännenkullertext, kein Achwieschöntext, also nichts, was man eigentlich ja ganz gerne hat, diese direkten Emotionen, aber das muss ja auch nicht sein, hier geht es anders in die Tiefe.

Inhaltlich ergibt sich für mich aber ein Problem, am Ende, da blicke ich weniger durch, als ich es gerne täte. Ich verstehe nicht, was da passiert ist, habe aber den Eindruck, dass ich es sollte, ich habe die ein oder andere Theorie ... Aber ja. Mal schauen, ob ich noch dahinterkomme bzw. ob ich es einfach akzeptieren kann, dass ich nicht dahinterkomme.

Insgesamt ein sehr spannender Text, eben weil er so einen anderen Blickwinkel bietet, sehr besonders, sehr durchdacht - wirkt zumindest so -, hab ich sehr gerne gelesen.

Bas

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @kiroly,

diese besondere Innensicht deiner Protas ist eine große Stärke deiner Texte. Das hat manchmal etwas (positiv) Abseitiges, Versponnenes, hier passt es (soweit ich das beurteilen kann) zur Erkrankung. Anfangs ist für mich nicht klar, ob der Sohn oder die Mutter schizophren sind, im Verlauf stellt sich heraus, beide tragen das in sich. Du legst den Fokus auf den Jungen an der Schwelle zur Pubertät, du schreibst ja in deinem Infoblock, das würde im Alter von zehn Jahren beginnen. Also ist das für ihn alles neu, die farbigen Tablettenboxen, die Symptome, das veränderte Körpergefühl, die Schrift, die im Schneckentempo zerfließt. Und die Mutter, die sich bei ihm für die "Überraschung" entschuldigt, indem sie ihm einen Freikauf im Spielzeuggeschäft anbietet. Als könnten Produkte Schuldgefühle und Krankheiten heilen, wie du treffend schreibst. Vielleicht lassen das Bewusstsein der Übertragung und die Last der gewachsenen Verantwortung die Mutter fliehen?

Denn es gebe ja die Kräfte, hat die Mama gesagt.
gäbe?

Plopp, ein neues Tierchen, plopp. Plopp plopp.
Warum denke ich da nur an „Thi. Thi. Thi-mon“?

Tschuldige, oh tschuldige, oh tschuldige.
Hier wird es mir etwas zu fett. Klar, sie hat es wahrscheinlich anders gesagt und in seinem Kopf konfiguriert sich das zu einer Art Melodie, dennoch ...

Etwas sehr schönes und besonderes.
Bezieht sich auf das was im Satz davor, trotzdem groß? Offene Frage an die Runde.

Etwas sehr schönes und besonderes. Ein Produkt. Mama lächelte ihr großes Lächeln.
Du bist ja in der Jungenperspektive, da ist mir das Ein Produkt zu reflektiert.

Mama lächelte ihr großes Lächeln.
Auch sehr analytisch, Mama lächelt nicht nur, sie holt aus ihrem Lächel-Baukasten ihr großes Lächeln.

Er lief nach Lego-City, das kannte er
Ja, das Bekannte suchen, das gibt Sicherheit.

Man steckte den kleinen, weißen Shuttle auf das riesige, blaue Flugzeug
Absicht? das Shuttle.

alles ok? Du? Alles ok?
okay

Er nickte nur, das konnte er gut, und versteckte sich vor der Mitarbeiterin.
Nicken als trainierter Selbstschutz. Schön wie du diese Überforderung im Spielzeugladen zeigst.

Kinderstimmen waren hoch gestiegen. Häh, was‘n das, was‘n das in dünnen, leisen, lauten und hohen Tonlagen. Er hat leise wiederholt: Schizophrenie. Was‘n das, was‘n das.
Auch hier wieder der Sturm im Kopf, finde ich sehr gelungen geschildert.

„Du kannst das bestimmt.“ Jetzt erst ihr Lächeln.
Das Lächeln hast du dreimal drin, jedes Mal mit einer besonderen Bedeutung, hier aufmunternd, später das Fehlen als Ernüchterung. Mich führt das zum Ablesen von Stimmungen des Gegenübers aus körperlichen Reaktionen, wie es Autisten tun, weil sie es nicht erfühlen können.

Er aber hat am Wort gezogen. Aus den Bögen wurde eine Linie, ein gerader, ganz gerader Faden. Er hat den Faden vor sich gelegt. Er spannte ihn. Er kontrollierte ihn.
Da verstehe ich nicht, was passiert. Steht er vorne an der Tafel und fällt in sein Eigenleben? Inwieweit hilft es ihm, das Wort als geraden Strich auslaufen zu lassen? Wodurch kommt die Kontrolle?

Sonntag in brombeer, Montag in tanngrün.
MMn die Farben hier großschreiben?

Mutter und Sohn lebten am Stadtrand. Und am Waldrand. Und am Feldrand. Hoch stand der Futtermais.
Schön diese Kette.

Nachbar, du sollst schweigen. Deine Kräfte behalten. Die uns gefährden. Die mich gefährden.
Worte als Bedrohung, dieses „Mutter ist einkaufen!“ als Entschärfung. Gut.

Er denkt an den Tag zurück: Eine chronische Betäubung, mehr nicht.
Was geht da ab?

Es heißt: Das schizophrene Gehirn baut zwischen dem zehnten und zwanzigsten Lebensjahr ab. Areale der Planung und Kontrolle, minus 25%. Die Ventrikel, der schwarze Schmetterling der Tomographie, breitet sich aus. Das linkshemisphärische Arbeitsgedächtnis sei chronisch überlastet. Im Hippocampus, dem Seepferdchen der Tomographie, liegen die Neuronen desorganisiert vor.
Das pubertierende Gehirn malen die Illustratoren der Neuroanatomie blassrosa; das schizophrene und pubertierende Gehirn ketchuprot.
In einer kleinen Struktur, dem Striatum, feuert das Dopamin. Ein Mangel könne mit Parkison korreliert sein, ein Überschuss mit Schizophrenie.
Wahrscheinlichkeit einer Vererbung auf eigene Kinder, ungefähr 15%, je nach Autor.
Perspektive? Sagt sich das der Junge selbst? Wohl kaum, doch das merke ich erst nach einigen Zeilen und stehe vor einem Infoblock, den ich beim Lesen der Geschichte kaum verwursten kann, da ich von einem Prosatext in einen Sachtext geschmissen werde. Ist zwar nicht direkt Infodump, weil die Infos interessant und zum Verständnis wichtig sind, ich würde es mir nur anders präsentiert wünschen, klar abgegrenzt, z.B. alles kursiv oder die Perspektive klar machen.

Der flache Körper zeigte dem Jungen: Ich bin gesehen, ich werde gesehen.
Auch hier wieder das Ablesen der Körperreaktionen, stark.

„Ich werde Staudämme bauen. Dann können die Tiere fliehen“, dachte der Junge.
Schön kindlich, dieses Wegblenden, trotz oder gerade wegen des Ernstes der Lage.

Noch eine Anmerkung zum Titel: Ich finde ihn nicht ganz gelungen, denn er wird mMn der Befindlichkeit des Prota und dem Thema des Textes nicht gerecht. Das Thema sind ja nicht die Medikamente, sie sind nur eine hilfreiche Krücke, die Befindlichkeit des Prota wird nicht von ihnen bestimmt, sondern von seiner Krankheit, deren Manifestation die Medikamente beeinflussen.
Es geht ja um die Veränderungen durch das Erwachen der Krankheit und darum, was das bei Johannes und seiner Mutter auslöst.

Peace, linktofink

 

Hallo @Bas,

vielen Dank für deinen (schnellen) Kommentar! :-)

alles andere als einsteigerfreundlich, deine Geschichte, ich habe den Anfang ein paar Mal gelesen, bis ich dachte, los, das sollte man bestimmt gelesen haben, nicht abschrecken lassen von den ... Extravaganzen. Nicht negativ gemeint.

Ja, der Anfang ... anfangs hatte ich mit der Szene "Er mochte das bunte Plexiglas der Tablettenbox" begonnen, die Ei-Getränk-Szene blieb eine Rückblende. Dann dachte ich mir, das sei zu leserunfreundlich, komplizierter Inhalt plus Rückblenden und Erinnerungen, verschiedene Zeitebenen, eine einfachere Struktur wäre passender (Ist ja gut gelungen :-D) Also habe ich mit der Schulszene begonnen, das gefiel mir aber auch nicht. Da verschob ich ganze Blöcke wie beim Möbelrücken. Naja, und Möbelrücken klappt nur in Großhallen gut. Ausgehend von deinem Hinweis habe ich zwei, drei Sätze eingebaut, die auf eine Erkrankung hindeuten. Vielleicht wird so die Irrationalität mütterlich-schizophrenen Handelns akzentuiert. Auch fragte ich mich, ob ich "Kräfte" einfach durch "Strahlen" ersetze. Strahlen, das, glaube ich, hat etwas Schizophreneres im Alltagsgebrauch der Sprache als das sehr allgemeine "Kräfte".

Inhaltlich ergibt sich für mich aber ein Problem, am Ende, da blicke ich weniger durch, als ich es gerne täte. Ich verstehe nicht, was da passiert ist, habe aber den Eindruck, dass ich es sollte, ich habe die ein oder andere Theorie ... Aber ja. Mal schauen, ob ich noch dahinterkomme bzw. ob ich es einfach akzeptieren kann, dass ich nicht dahinterkomme.

Ich hatte die vage Idee eines Textes einer schizophrenen Wahrnehmung, die sich ins Märchenhafte biegt. Der Junge weiß ja gar nicht, was jetzt "echte Welt" ist und was nicht, was "Kräfte, Strahlen" bedeuten. Vielleicht war ich da zu ambitioniert, eine Schizophrenie, kindliche Wahrnehmung und Märchenhaftigkeit zu kombinieren. Märchen sind ja keine zweite "Normalrealität", in der eben Kobolde vorkommen. So wirklich durchdacht hatte ich das aber nicht. Zwischenzeitlich dachte ich da echt an Hänsel und Gretel, das Haus in der Mitte des Waldes.

Ich mochte die Lehrerin als eine Person, über die ein Ausweg aus der schwierigen Situation möglich ist. Aber auch, wie schwierig sich "kranke" und "gesunde" Wahrnehmung trennen lassen. Das waren Leitplanken, Ideen, die ich hier umsetzen wollte. Aber so super durchdacht, gebe ich zu, war das ganze nicht, auch wenn es so wirkt.

Vielen Dank @Bas, für deinen sehr hilfreichen Kommentar, ich werde nochmal darauf zurückkommen, merci und einen schönen Sonntag!

Lg, kiroly :-)

 

Hi @kiroly

merkwürdiger Text. Da mischt sich Großartiges mit Fragwürdigem, präzise, poetische Bilderflut mit (mMn() Mängeln, die das Gesamtbild ambivalent erscheinen lassen.

Ich geh mal durch den Text, um dir zu zeigen, was ich meine:

Vor ihr lag eine Tablettenbox. Eine Woche hat sieben Farben und jeder Tag fünf Teile.
starkes Bild
Die Buchstaben wirkten zäh und viskos. Die Tinte klebte, von unsichtbaren Schnecken verteilt.
und da wird's schwierig nachzuvollziehen. Die Geschichte wird aus der Perspektive des Jungen erzählt. Dieser Junge benutzt aber Worte, die ich eher dem Autor zuschreibe. Zäh nehme ich ihm ab, aber viskos?

Manchmal spürte er eine so plötzliche Müdigkeit, dass die Kinder kicherten.
schläft er dann ein?

Ein riesiges Zelt aus rotem Stahl und Piratenholz! Bällchen und Katapult, Papagei und Raumfahrt! Such' dir doch was aus. Etwas sehr Schönes und Besonderes. Ein Produkt.
die Mutter benutzt das Wort "Produkt"?

Er mochte das bunte Plexiglas der Tablettenbox. Sonntag in brombeer, Montag in tanngrün. Das muss ein königsblauer Tag gewesen sein, ein Freitag.
tanngrün, okay, aber königsblau? Kennt er diese Bezeichnung? Und wenn ja, woher?

Nachbarskinder malten die Buchstaben von Verehrten auf das warme Blech, umrandet von einem Herzen.
finde ich ungelenk formuliert. Und warum muss das Blech warm sein?

Er denkt an den Tag zurück: Eine chronische Betäubung, mehr nicht.
woher kennt er den Begriff? Den Titel finde ich zwar aufgrund des Inhalts passend gewählt, chronisch könntest du aber überdenken. Ich will da gar nichts vorschlagen, dürfte aber gerne eine zweite magischere Ebene enthalten, die sich auch mit dem Wald verknüpfen lässt.

„Ich wohne hier schon sehr lange, Johannes. Im Mittelalter hat es nur einen riesigen Wald gegeben. Alle Wälder sind Reste des einen großen Ur-Waldes.“
Johannes hörte zu.
„Der Mensch hat die Wälder gerodet. An den Küsten brauchte man das Holz für Schiffe, im Inland das Land für Felder.
bisschen viel Info. Klar, Deutschland war fast durchgängig bewaldet. Unter den Ottonenkaisern begann das professionelle Roden. Sogar mit dem Versprechen verbunden, das Land, das man gerodet hatte, hinterher rechtmäßig zu besitzen. Wer in den Wald seines Geistes geht, kann sich dennoch weiterhin verirren und braucht tannengrüne Tabletten.

Das mal fürs Erste: lohnt sich an dem Text zu arbeiten!

Hier fressen die Borkenkäfer den Wald und die Trockenheit schwächt die Bäume obendrein.
Viele Grüße nahe des Waldes
Isegrims

 

Hey @kiroly,

noch mal als kurze Rückmeldung: Ich finde Kräfte mindestens genauso gut wie Strahlen. Vielleicht sogar besser. Aber das ist deine Entscheidung.

Und zum Ende: Ich kaufe grundsätzlich alles, was hier "anormal" ist. Und auch, was du bezüglich des Märchen sagst, finde ich gut, das funktioniert für mich, auch wenn ich da mehr den Rückzug in die Natur gesehen habe, weg von der Reizüberflutung der Stadt, von den bunten Playmoybilschachteln, ab in den Wald, und ja, dann steht da, wie das Einhorn auf der Lichtung, die Lehrerin, die Erlösung aus dem Hirnwirrwarr.
Was mir nicht behagt, ist, dass ich das Gefühl hatte, etwas verpasst zu haben. Ganz konkret: Wo ist die Mutter plötzlich? Da bin ich zurückgesprungen, habe geschaut, ob ich etwas überlesen habe, habe auch an ein Verbrechen gedacht: Hat er seiner Mutter im Wahn etwas angetan? Hat er ein Feuer gelegt - später, im Gespräch mit der Lehrerin, ist ja kurz von Feuer die Rede. Hat die Mutter sich selbst etwas angetan?
Womöglich ist sie wirklich nur einkaufen, fällt mir gerade ein. Vielleicht war das zu normal, als dass ich es in Erwägung gezogen habe.
Aber ja, da hat es mich ein wenig rausgehauen, und vielleicht ist das ja auch in Ordnung, es ist ja Johannes' Sicht, die ich miterlebe, und für ihn ergibt das ja auch alles nur begrenzt Sinn ... Schwierig. Aber interessant.

 

Lieber @Bas,
Lieber @linktofink,
Lieber @Isegrims,

vielen, vielen Dank für Eure Rückmeldungen. Ein paar Sachen habe ich schon umgesetzt. Ich werde nochmal gesondert eingehen! Aber, wie gesagt, danke fürs Lesen! :-)

 

Hallo @kiroly,
ich lese schon eine Weile deine Texte mit und mir gefällt das sehr, wie du schreibst. Deine Sprache ist eigenartig spröde und dabei sehr eindringlich, gerade, wenn es um Menschen in verzweifelten Situationen geht. Dieser Text hier interessiert mich besonders, weil ich mich an dem Thema auch schon mal im Rahmen eines Copywrites abgearbeitet habe. Du hast ihn jetzt gekürzt, wenn ich nicht irre und noch einmal umgestellt. Bei mir bleibt dennoch am Ende Verwirrung, weil ich nicht genau weiß, ob die Szene im Wald sich nur in seinem Kopf abspielt und ob der letzte Satz sich auf das Haus bezieht, in dem er mit seiner Mutter lebt. Da bleiben so ein paar lose Fäden und ich bin mir nicht sicher, ob mir das gefällt.


Auf dem Weg zur Schule tänzelte er. Seine Schrift kippte im Schreibunterricht. Die Tinte klebte, von unsichtbaren Schnecken verteilt.
Wie sich die Situation auf seine sensorischen Empfindungen, auf sein Schreiben auswirkt, hast du toll gezeigt. Die Schnecken sind fast ein bisschen drüber, das ist sehr viel auf einmal in drei Sätzen.

Mutter sagte: Es ist eine sehr große Überraschung für dich, Johannes. Wirklich. Und flüsterte anschließend:
Tschuldige.
Das "Tschuldige" dafür, dass ihr irgendwie bewusst ist, dass sie ein Problem für ihn ist?

In der Mitte des Busses gab es ein Element aus Graugummi, das sich in den Kurven stauchte und streckte. Ein Mann versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Eine merkwürdige Kraft hatte der Mann, eine Fähigkeit, der Junge formulierte das Wort leise: Fähigkeit. Das hat er neu gelernt.
"Graugummi", noch nie gehört, tolles Wort. Die Perspektive wabert auch so ein bisschen, oder? Viele vestibuläre Empfindungen im Text, die Schwerkraft scheint nicht ganz zuverlässig. Aber was heißt: "Das hat er neu gelernt" Denkt das der Junge noch? Sonst müsste es ja auch Vergangenheit sein.


Sie fuhren an das Stadtzentrum.
in das Stadtzentrum?

Mama grinste das breite Lächeln der guten Tat. Und der Junge schwieg, als breche ein Schweigen etwas, eine Flüssigkeit, die dünn gefriert, bis sie in tausend Teile bricht.
Hier verwirrt mich der zweite Satz. Logischer wäre "als breche ein Wort etwas"


Aber er blickte nur auf dieses kleine Shuttle. Der den blauen Himmel durchstoßen kann, Satelliten im Orbit entfaltet und zu Spiralen aus tausenden Sternen reist.
Eine Sehnsucht zu fliehen? Sich von der Mutter zu lösen, zu befreien?

Ein Mädchen rempelte ihn an, rief ‚Dummkopf‘ und rannte davon.
Er ging ein paar Schritte, plötzlich spürte er Tränen aufsteigen.
Aus der Traum. Hier ist seine Reaktion, die eines kleinen kränkbaren Jungen, ich finde die Balance gut zwischen sensiblem und verstörtem Kind. In dem Spielzeugladen zeigt sich auch so gut die Zwangslage, in der er sich befindet, das ist sehr berührend.

„Nur das?“ Mutter lächelte nicht: „Du darfst dir doch alles aussuchen!“
„Ja.“
Er sah sie nicht an.
Das liest sich für mich sehr holprig, weil ich erst lese "Mutter lächelte" und dann kommt "nicht". Unterscheidet er nur zwischen "lächeln" und "nicht lächeln"?

Mutter und Sohn lebten am Stadtrand. Und am Waldrand. Und am Feldrand.
Am Rand der Gesellschaft. Bisschen Holzhammer.

Stehst du am Straßenrand, kannst du in zwei Richtungen gehen, stehst du an der Kreuzung, in vier.
Schön!

Die Kühle des Waldes schloss schnell an seinen kleinen Körper, kapselte ihn ein.
Seltsame Formulierung, aber irgendwie mag ich auch diese Sprache, die so einen Tick daneben liegt. Perspektivisch auch irgendwie schräg.

Nur schnell sah er nach links, nach rechts.
So, wie er es im Straßenverkehr gelernt hat.

Die Frau stand sehr still; sie lächelte nicht.
Sie bat ihn in die Stube. Sie telefonierte kurz.
„Deine Mutter ist einkaufen.“
Die Lehrerin hat die Mutter auf dem Handy angerufen?

Und um den Wald legte der Bischof einen Wassergraben an. Damit die Tiere nicht fliehen. Er mochte die Tiere nur tot.
Würde eine Lehrerin sowas in so einer Situation erzählen? Ich weiß nicht. Spricht wieder mehr für eine innere Welt. Also, wie gesagt, ich gehe da verwirrt raus, aber da ist viel drin in deinem Text, was mir gut gefällt. Bin gespannt, wie er sich weiter entwickelt.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo @AWM!
Hallo @Chutney!

Vielen Dank für Eure Kommentare, ich werde nochmal darauf eingehen. Ein paar Änderungen habe ich schon umgesetzt, vielleicht ist jetzt klarer, warum dem Jungen so schummrig wird. Wollte schon schlafen gehen, jetzt tue ich es. Gute Nacht, allgemeine Wortkriegerschaft!

 

Guten Montag @linktofink!

Danke für deinen Kommentar! Dein Blick, vor allem auf sprachlich-grammatikalische Details und auf das Wesentliche eines Satzes ist immer scharf, das schätze ich sehr. Du hast, glaube ich, den Text sehr früh gelesen, den Infoblock habe ich inzwischen herausgestrichen. In einer ersten Version des Textes wurde dieser als Erinnerung erzählt; der Protagonist hat das zwanzigste Lebensjahr erreicht und eine Ärztin zeigte ihm eine MRT-Aufnahme seines Gehirns, erklärte schwarze Stelle und Besonderheiten der neuronalen Mechanismen schizophren Erkrankter. Daraus habe ich den Infoblock genommen und eingesetzt.

Denn es gebe ja die Kräfte, hat die Mama gesagt.
gäbe?

Lang lebe der Konjunktiv II ! Danke ja, Irrealis.

Plopp, ein neues Tierchen, plopp. Plopp plopp.
Warum denke ich da nur an „Thi. Thi. Thi-mon“?

Inzwischen auch abgeschwächt, ebenso folgender Punkt:

Tschuldige, oh tschuldige, oh tschuldige.
Hier wird es mir etwas zu fett. Klar, sie hat es wahrscheinlich anders gesagt und in seinem Kopf konfiguriert sich das zu einer Art Melodie, dennoch ...

Etwas sehr schönes und besonderes. Ein Produkt. Mama lächelte ihr großes Lächeln.
Du bist ja in der Jungenperspektive, da ist mir das Ein Produkt zu reflektiert.

Zwar habe ich das Produkt inzwischen gestrichen, aber hier sprichst du die Schwierigkeit des Textes mMn an: Perspektive. @Isegrims setzt da - berechtigt - während @AWM ja mit einer rein personalen Perspektive weniger streng. Mit einigen Kennzeichnungen der wörtlichen Rede habe ich versucht, dem entgegenzuwirken.

Das Lächeln hast du dreimal drin, jedes Mal mit einer besonderen Bedeutung, hier aufmunternd, später das Fehlen als Ernüchterung. Mich führt das zum Ablesen von Stimmungen des Gegenübers aus körperlichen Reaktionen, wie es Autisten tun, weil sie es nicht erfühlen können.
[/QUOTE]

Das habe ich gar nicht beabsichtigt, aber schön, wenn ein solcher Eindruck entstanden ist :-)

Er aber hat am Wort gezogen. Aus den Bögen wurde eine Linie, ein gerader, ganz gerader Faden. Er hat den Faden vor sich gelegt. Er spannte ihn. Er kontrollierte ihn.
Da verstehe ich nicht, was passiert. Steht er vorne an der Tafel und fällt in sein Eigenleben? Inwieweit hilft es ihm, das Wort als geraden Strich auslaufen zu lassen? Wodurch kommt die Kontrolle?

(Vorwort: Aus der Stelle entstand die ganze Geschichte.) Die Idee lag, hier Kontrolle zu suggerieren, die der Junge nicht hat: Sein Alltag ist von unkontrollierbaren Wellen schizophrener Episoden der Mutter geprägt, die Schizophrenie destabilisiert seine Umwelt. Die einzige Möglichkeit, Kontrolle über die Erkrankung zu erlangen, liegt im Vorgang des Auseinanderziehens des Wortes. Er kann die Schizophrenie nie kontrollieren, nur das Wort, das kontrolliert er. In seiner Vorstellung wird aus dem schwierigen Wort "Schizophrenie" ein simpler Faden, eine sehr einfache Struktur, die er eben spannen und kontrollieren kann.

Sonntag in brombeer, Montag in tanngrün.
MMn die Farben hier großschreiben?

Das habe ich geändert; die Farben werden in substantivischer Funktion gebraucht.

Er denkt an den Tag zurück: Eine chronische Betäubung, mehr nicht.
Was geht da ab?

Nichts mehr! :-) Habe ich gestrichen. Auch den Infoblock.

Noch eine Anmerkung zum Titel: Ich finde ihn nicht ganz gelungen, denn er wird mMn der Befindlichkeit des Prota und dem Thema des Textes nicht gerecht. Das Thema sind ja nicht die Medikamente, sie sind nur eine hilfreiche Krücke, die Befindlichkeit des Prota wird nicht von ihnen bestimmt, sondern von seiner Krankheit, deren Manifestation die Medikamente beeinflussen.
Es geht ja um die Veränderungen durch das Erwachen der Krankheit und darum, was das bei Johannes und seiner Mutter auslöst.

Auch hier habe ich den Titel umgeändert. Ich bin aber nicht ganz zufrieden, ich hätte gerne die Schnittmenge von "Psyche/Schizophrenie" und "Märchen/Wald", andererseits liegt Märchenwald näher. Rand, Ränder des Märchenwalds, Randgebiet, Rand und Wald ... Vielen Dank für den Hinweis!

Habe einen guten Start in die Woche! :-)
kiroly

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @kiroly

Denn es gäbe ja die Strahlen, hat die Mama gesagt.
Du hast im Text Präsens, Perfekt, Präteritum, Plusquamperfekt wild durcheinandergemischt. Ziemliches Zeitendurcheinander, ich weiss nicht, was davon beabsichtigt ist, aber ich würde da nochmal drüber, mir zumindest hat es die Lektüre erschwert. Weshalb hier also nicht einfach: "...sagte die Mama."?
Aber wir haben Hilfe, Johannes. Trinke das hier. Das hilft.
"Das hilft" kann weg.
Innen wirbelte eine orange Masse ganz langsam, zäh wie Eierkuchenteig oder eine süße Suppe aus Mehl.
Wirbeln ist gemäss Duden per definitionem eine schnelle Bewegung.
Das rohe, saure Ei kroch in das Innere seines warmen Körpers.
Besteht den Check für Adjektive (Gegenteil einsetzen und schauen, ob sich daraus eine sinnvolle Aussage ergibt) nicht. Vielleicht: "heissen"? Dann könnte ich nachvollziehen, dass das jemand denkt/für erwähnenswert hält.
Auf dem Weg zur Schule tänzelte er. Seine Schrift kippte im Schreibunterricht.
Bin gestolpert. Eine bessere Leserführung wäre: "Auf dem Weg zur Schule tänzelte er. Im Schreibunterricht kippte seine Schrift."
Die Tinte klebte, von unsichtbaren Schnecken verteilt. Manchmal spürte er eine so plötzliche Müdigkeit, dass die Kinder kicherten.
Das hat mich irritiert, weil es Phasen impliziert, in denen er sich wieder weniger müde fühlt. Aber es wird ja nur ein Morgen / ein Tag beschrieben. Ich würde so etwas schreiben wie: "Gegen Ende der Stunde ..."
Aber der Junge
Ist das Absicht, dass du hier aus der Perspektive fällst? (Ansonsten einfach: "Er" oder "Johannes"). Wenn ja, dann muss ich sagen, dass das meinen Lesegenuss nicht gesteigert, mich eher irritiert hat.
Echt jetzt.
Vielleicht ein Ausrufezeichen oder ein Fragezeichen?
Dann staunte der Junge über den schnellen Bus.
Wieder dieser Sprung in die Aussensicht.
Mama grinste das breite Lächeln der guten Tat.
Die Szene muss nicht interpretiert werden: streichen!
Und der Junge schwieg, als breche ein Schweigen etwas, eine Flüssigkeit, die dünn gefriert, bis sie in tausend Teile bricht.
Da kann ich mir kein Bild machen. Was genau löst das Schweigen aus? Gefrieren oder Brechen? Was ist die Flüssigkeit? Klingt super, der Satz, aber funktioniert inhaltlich bei mir überhaupt nicht.
"Such' dir doch was aus."
Kann weg.
Ein Mädchen rempelte ihn an, rief ‚Dummkopf‘ und rannte davon.
Er ging ein paar Schritte, plötzlich spürte er Tränen aufsteigen. Wischte sie weg. Eine Mitarbeiterin fragte, alles okay? Du? Alles okay? Er nickte nur, das konnte er gut, und versteckte sich vor der Mitarbeiterin. Eine neue Träne kam, er wischte sie wieder weg.
Eine neue Mitarbeiterin. Die Strahlen schickten sie, ganz sicher.
Hm. Ich war überrascht. Weshalb ist nicht das Mädchen, das ihn anrempelt, von den Stahlen geschickt? Stahlen = negativ, Mädchen = negativ. Die Verkäuferin hingegen ist doch sehr nett.
Kinder hatten gerufen, Eltern mit riesigen Playmobil-Packungen in Himmelblau, Geschenkpapier knisterte von fetten Rollen und da hatten sie an der Kasse gestanden, und Mama hat gezahlt, zehn Euro, zehn für Ligretto, das schnellste Kartenspiel der Welt.
Hier wechselst du plötzlich ins PQP, um danach ins Perfekt überzugehen.
Einmal hatte die Lehrerin einen Riegel Kreide aus der grünen Schachtel gezogen. Sie hat die Kreide angesetzt, über die linke Schulter zu den Kindern, den Kindern der Klasse 3a geblickt: „Nennt mir Krankheiten!“
Auch hier bin ich nicht sicher, ob es PQP braucht.
Kinderstimmen waren hochgestiegen. Häh, was‘n das, was‘n das in dünnen, leisen, lauten und hohen Tonlagen. Er hat leise wiederholt: Schizophrenie. Was‘n das, was‘n das.
Und wenn, dann konsequent beibehalten.
Er kontrollierte ihn.
Die Szene braucht nicht interpretiert zu werden: streichen. Ich denke, dass man beim Schreiben generell aufpassen muss, kein Interpreationsvokabular in den Text einfliessen zu lassen. Da würde ich auch in Bezug auf die ganzen "Randzonen" aufpassen.
Mutter und Sohn lebten am Stadtrand. Und am Waldrand. Und am Feldrand. Hoch stand der Futtermais. Die Erntemaschinen der Bauernschaft arbeiteten sehr, sehr gut.
Fände ich einen tollen Einstieg in den Text. Und weil es hier am Anfang stehen würde, hätten die Begriffe "Waldrand" und "Feldrand" den interpretativen Anstrich nicht, den sie jetzt haben. Würde aber dennoch wirken, denke ich.
An Namen erinnert er sich nicht.
Warum Präsens?
Nachbar, du sollst schweigen. Deine Strahlen behalten. Die uns gefährden. Die mich gefährden.
Woher kommen die Strahlen? Aus dem Wald oder vom Nachbarn? Ich finde das wichtig, wie ich weiter unten ausführen werde.
Qualm sah er vor der Sonne, einen Qualm, den er über ganze Sommer legt.
Wer? Der Nachbar?
Neue Fichten wichen dem lichtem Buchenwald, sie standen gerade und schützten das Moos vor Tageslicht. Vor den Strahlen und Nässe. Waldstrahlen und nur zwei Waldgeister.
Jetzt auch noch Waldgeister, das ist mir zu viel, das wird mir zu schwammig.
Er wandte sich ab, dann vor.
sich vorwenden?
Ein schmaler Kringel Rauch zieht zum Himmel hoch.
Bewusstes Präsens?
Ein Blick, der aus der Ferne fängt. Er spürt, ihm wird heiß.
Bewusstes Präsens?
Die Frau ging zum Törchen. Jetzt sahen sie sich an. Die Frau stand sehr still; sie lächelte nicht. „Johannes?“, fragte die Lehrerin:
„Ist etwas passiert?“
Mir hätte es besser gefallen, wenn es die Verkäuferin gewesen wäre. Siehe Ausführungen unten.
Vor dem Haus hielt ein Fahrzeug der städtischen Polizei.
Finde ich schade, diesen Satz. Weshalb, wird hoffentlich bald deutlich.

Ein spannender Text. Ich fände es konsequenter und stimmiger, wenn du in die Perspektive von Johannes einzutauchst. Bist ja nahe dran, du müsstest bloss "der Junge" durch "er" ersetzen und dann gäbe es gar nicht mehr so viel.

Die psychische Verunsicherung, dieses Leben und Aufwachsen im Grenzgebiet, das ist sehr gut beschrieben, finde ich. Dein Talent für besondere Geschichten, vor allem für die Beschreibung besonderer Zustände und Perspektiven kommt da voll zur Geltung und ich bin sehr gerne in diese verschobene Welt eingetaucht. Einzelne Szenen fand ich sehr gut gemacht, wie zum Beispiel, dass Johannes sich das Ligretto aussucht, ein Spiel, das man gemeinsam spielt und nicht alleine wie Lego. Die Szene sagt sehr viel aus, zielt auf den Kern der Beziehung zwischen Mutter und Sohn.

Ich habe mich aber am Ende doch gefragt, wohin die Geschichte denn eigentlich führt. Sie ist offensichtlich nicht als blosse Momentaufnahme gedacht, denn am Ende gibt es diese (imaginierte?) Reise in den Wald. Für mich ist diese aber zu vage, zu schwammig ausgearbeitet. (Auf einmal ist auch noch von Waldgeistern die Rede, das hat mich irritiert.) Aber das ist nicht mein hauptsächlicher Punkt. Also: Johannes ist der Krankheit seiner Mutter ausgeliefert, er versucht sie zu kontrollieren, aber alles, was er schafft, ist, das Wort in die Länge zu ziehen. Das ist das Grundproblem, so wie ich die Geschichte gelesen habe. Dann der Wald. Hiervon geht gemäss der Mutter die Bedrohung aus, hier kommen die Strahlen her. (Ich fände es für den Fokus der Geschichte wichtig und konsequent, wenn das Motiv beibehalten wäre und nicht auf einmal auch noch der Nachbar für die Strahlen verantwortlich gemacht würde.)
Für Johannes muss der Wald so etwas wie der Ort des Irrationalen sein, der Ort der Bedrohung (auch wenn er nicht glauben sollte, was die Mutter sagt). Wenn er also in den Wald geht, dann erwarte ich, dass sich etwas verändert, dass er etwas lernt oder erfährt. Dass sich das Irrationale/die Krankheit nicht kontrollieren lässt, dass man aber dennoch seinen Umgang damit finden kann. Loslassen. Annehmen. So etwas. Inhaltlich bin ich da ganz offen.
Und da fände ich eben die Verkäuferin als Figur im Wald spannend, weil sie eine relativ unbelastete, aber freundliche Figur ist (Sie fragt ja auch genau wie die Frau im Wald, ob es Johannes gut geht). Die Lehrerin steht für mich aber für Rationalität, Pragmatismus ("Echt jetzt?"). Die Lehrerin habe ich als unempfänglich für Johannes Sorgen empfunden. Also, da ist mitten im Wald, dem Ort des Irrationalen, diese Lehrerin, die für das Rationale steht. Ich habe das nicht stimmig lesen können. So wie du die Zeichen (Wald, Lehrerin) setzt, macht die Begegnung am Ende für mich nicht so richtig Sinn. Gar keinen Sinn macht in meinen Augen der letzte Satz. Ich lese den ganzen Abschnitt als inneren Prozess, als Entwicklung, da geschieht etwas in Johannes, er lernt vielleicht etwas oder zumindest erfährt er etwas über sich, über den Wald, über die Mutter. Darauf läuft doch die Geschichte hinaus und nicht auf das rein äussere Ereignis des Aufkreuzens der Polizei! Weil zudem nicht klar wird, weshalb die Polizei kommt, beginnt der Leser an diesem letzten Satz zu grübeln. Hat sich die Mutter etwas angetan? Wird sie eingewiesen? Damit fokussiert sich die ganze Energie der Rezipienten auf diesen letzten Satz, was ich unheimlich schade finde, denn das eigentlich Spannende geschieht im Wald.

Also, bis zum Aufbruch in den Wald sehr gerne gelesen, danach für mich zu verwirrend und unfokussiert.

Auch hier habe ich den Titel umgeändert. Ich bin aber nicht ganz zufrieden, ich hätte gerne die Schnittmenge von "Psyche/Schizophrenie" und "Märchen/Wald", andererseits liegt Märchenwald näher. Rand, Ränder des Märchenwalds, Randgebiet, Rand und Wald
Märchenwald gefällt mir nicht so sehr. Der Wald wird ja als bedrohlich eingeführt. Dass der Text am Ende, als Johannes sich dem Wald stellt und ihn begeht, märchenhafte Züge annimmt, rechtfertigt es m.E. nicht, ihn "Märchenwald" zu nennen. Ich persönlich fände es reizvoll, das gewissermassen geographisch zu lösen, und den Wald zu einem Grenzwald zu machen. Dann wäre der Ort das Hier, und jenseits der Grenze wäre das Dort und der Wald wäre dazwischen, derjenige Ort, worauf sich die Ängste der Mutter beziehen, wo sie sich gewissermassen auch selbst befindet, und wo das Herz der Geschichte schlägt.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hm, kann es sein, lieber @Peeperkorn, dass das Zeitenwirrwarr Stilmittel ist?, was natürlich nur @kiroly beantworten kann?

Ich bin nun kein Mediziner (selbst wenn ich in einem Krankenhaus gearbeitet hab, da aber überwiegend in angewandter Mathematik und als mehr oder weniger freigestellter Mitarbeitervertreter), aber wenn ich lese:

„An Schizophrenie erkrankte Menschen haben ein anderes Zeitgefühl als gesunde. Die Wahrnehmung einer Zeitdauer schwankt bei schizophrenen Menschen stärker als bei nicht erkrankten Personen. Patienten mit Schizophrenie sind ebenfalls weniger präzise bei der Beurteilung zeitlicher Abfolgen. Dies ergab eine Metastudie von Psychologen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). …“ (Übersichtsstudie: Unregelmäßige Zeitwahrnehmung bei Schizophrenie: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org), wäre es ein Ansatz,

und wenn ich dann lese, dass in den Niederlanden die Frage aufgeworfen wird, ob es „Schizophrenie“ überhaupt gebe (vgl. Psychiatrie: »Schizophrenie gibt es nicht«), wie man ja auch das Bestreben hatte, Trauer, die über 14 Tage hinausläuft, für krankhaft zu erklären, Zweifel ich am Krankheitenkatalog und wo abweichendes Verhalten anfängt oder aufhört -

und da sind wir mittendrin, wenn das schon angesprochene

Denn es gäbe ja die Strahlen, hat die Mama gesagt
ursprünglich in indirekter Rede „denn es gebe ja die Strahlen“ ersetzt. Mit dem Konj. II aber spricht nicht so sehr das Kind, als sein Autor (und natürlich der Leser), denn ich gehe davon aus, dass die Mutter sagt: „Es gibt die Strahlen“, ohne zu zweifeln, Zweifel, die erst der Leser und in der Folge der Autor, aber keineswegs das Kind anbringt.

Ganz anders hier

Sie fuhren an das Stadtzentrum ... Und der Junge schwieg, als breche ein Schweigen etwas, eine Flüssigkeit, die dünn gefriert, bis sie in tausend Teile bricht.
Da ist die unwirkliche „als-ob“ Situation angesprochen, die nach dem Konj. irrealis verlangend ruft

und nochmals ein als-ob

Sein Blick wurde leer, als brauche es Sekunden, um Worte zu verstehen.
(besser „brauchte“, den brauchen braucht eigentlich keine Umlautung, obwohl „bräuchte“ schöner klingt, geb ich zu)

Wie dem auch wird, nicht ungern gelesen vom

Friedel

 

Hallo @AWM!

Ich glaube, dich habe ich noch nie unter einen meiner Texte gelesen, also folgt noch der Tusch des ersten Dank :
Tusch! :-)
Danke für Deinen Kommentar und deine Hinweise.

Hallo @kiroly, dein Text gefällt mir gut. Der liest sich fein entrückt und schafft Unwohlsein. Mit der Perspektive habe ich im Gegensatz zu Isegrims kein Problem (außer an einer Stelle). Für mich ist das von vorneherein keine personale. Das gibt dir die Möglichkeit für allerlei Ungewöhnliches und ich finde nicht, dass du dich dabei als Autor in den Vordergrund drängst. Andererseits: Natürlich wäre es interessant, das rein personal zu schreiben. Es wäre allerdings auch unglaublich schwer, die Perspektive eines psychisch kranken Kindes glaubhaft zu vermitteln.

Freut mich, dass dir der Text gefällt. Tatsächlich war der Text anfangs anders konstruiert: Als Erinnerung in Ich-Perspektive, auch, um das Glaubwürdigkeitsproblem einer kindlichen Wahrnehmung zu umgehen.

Du hast zwei Stellen im Text, an denen du das Perfekt nutzt. Das macht für mich so keinen Sinn. Hier wäre das eine abgeschlossene Handlung, dass die Mama das mit den Kräften erzählt hat. Dann schreibst du aber er hörte aufmerksam zu, was eine Gleichzeitigkeit nötig macht. Würde also schreiben: sagte die Mama.

Inzwischen habe ich die Stellen ausgebessert, vielen Dank für den Hinweis, ebenso die folgenden Stellen:

Er trank. Das rohe, saure Ei kroch in das Innere seines warmen Körpers. Ihm wurde wärmer und schummrig
würde hier "warmen" streichen. Sind sonst arg viele Adjektive in dem kurzen Satz. Finde das auch überflüssig, weil das Innere eines Körpers immer warm ist, sofern er lebt.
Die Stadt lag eine Stunde entfernt. Der Bus kurvte oft, obwohl das Land flach und trocken lag.

Die weiteren Änderungen habe ich übernommen.

Vielen Dank @AWM!

 

Hallo @Peeperkorn!
Hallo @Friedrichard!

Ich lasse kurz einen großen Dank dar, werde nochmal darauf eingehen. Eure Kommentare sind außergewöhnlich hilfreich, vor allem Deiner, Pepperkorn, weil er an der richtigen Ebene ansetzt, er hat mir schon jetzt sehr, sehr geholfen. Danke :-)

Lg kiroly

 

Guten Morgen @Isegrims!

Vielen Dank für Deinen Kommentar! Kurz fühlte ich mich an das Fach Kunst in der Schule erinnert: In der Unterrichtseinheit Zeichnen dachte ich, dass das Verschmieren von Bäumen, von Seen, ein ganz hübscher perspektivischer Effekt sei (nicht nur ich dachte das, zu meiner Entschuldigung). Die Lehrerin wies uns harsch zurück, nein, das ist kein Zeichnen, das ist Wischerei, punkt.

Einige Stellen habe ich auf deinen Kommentar hin abgeändert, zum einen das "viskos", zum anderen das mehrfach kritisierte "Produkt", auch die chronische Betäubung. Die Waldszene werde ich ebenfalls neu bearbeiten, umstrukturieren.

Der Text war anfangs als eine Erinnerung geschrieben. Deinen Kommentar nehme ich als Anlass, solche Entscheidungen - welche Perspektive im Besonderen - im Vorfeld zu klären. Erst die Statik, dann die Girlande.

Er mochte das bunte Plexiglas der Tablettenbox. Sonntag in brombeer, Montag in tanngrün. Das muss ein königsblauer Tag gewesen sein, ein Freitag.
tanngrün, okay, aber königsblau? Kennt er diese Bezeichnung? Und wenn ja, woher?

Alberne Antwort: Vom FC Schalke 04. Interessant, ich hätte es eher umgekehrt gesehen, eher tanngrün als die unbekannte Antwort, königsblau als die allseits bekannte. Bin aber auch im "Schalke-Einfluss-Gebiet" aufgewachsen, da ist Königsblau kinderweit bekannt. Ich lasse die Farbbezeichnungen trotzdem stehen. Mit dem Königsblau wollte ich die Bedeutung des Tages unterstreichen.

Vielen Dank @Isegrims!

 

Hallo @Chutney!

Ich glaube, dich habe ich noch nicht unter einer meiner Texte gesehen, deshalb ein Erstdanke und so :-) :-)

Vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich nehme als Quintessenz mit, die Waldszene zu bearbeiten, neu zu gestalten. Hier laufen ja die Fäden zusammen und das ist mir in der Geschichte nicht gelungen. Auch, weil ich selber unsicher war, wie das wohl enden soll :-( Oder besser: Wo das hinführen soll.

Hallo @kiroly,
ich lese schon eine Weile deine Texte mit und mir gefällt das sehr, wie du schreibst. Deine Sprache ist eigenartig spröde und dabei sehr eindringlich, gerade, wenn es um Menschen in verzweifelten Situationen geht. Dieser Text hier interessiert mich besonders, weil ich mich an dem Thema auch schon mal im Rahmen eines Copywrites abgearbeitet habe. Du hast ihn jetzt gekürzt, wenn ich nicht irre und noch einmal umgestellt. Bei mir bleibt dennoch am Ende Verwirrung, weil ich nicht genau weiß, ob die Szene im Wald sich nur in seinem Kopf abspielt und ob der letzte Satz sich auf das Haus bezieht, in dem er mit seiner Mutter lebt. Da bleiben so ein paar lose Fäden und ich bin mir nicht sicher, ob mir das gefällt.

Freut mich. Die Szene im Wald sollte eigentlich nicht im Kopf spielen. Aber das wurde ganz anders gelesen. Ja, Leserin und Leser durch den Text führen ... diese Szene arbeite ich nochmal um.

Auf dem Weg zur Schule tänzelte er. Seine Schrift kippte im Schreibunterricht. Die Tinte klebte, von unsichtbaren Schnecken verteilt.
Wie sich die Situation auf seine sensorischen Empfindungen, auf sein Schreiben auswirkt, hast du toll gezeigt. Die Schnecken sind fast ein bisschen drüber, das ist sehr viel auf einmal in drei Sätzen.

Hm hm, die Schnecken ... ich mochte die Schnecke als Symbol des Rückzugs, des Rückweichens in einer schwierigen Situation, ich ziehe mich in mein Haus zurück und bleibe da jetzt auch (mit meinen Schneckengedanken). Ich lasse es mal stehen, aber ja: Wir sind bei "fast bisschen drüber" nicht weit voneinander entfernt, und die Schnecken stehen zwischen uns.

Mutter sagte: Es ist eine sehr große Überraschung für dich, Johannes. Wirklich. Und flüsterte anschließend:
Tschuldige.
Das "Tschuldige" dafür, dass ihr irgendwie bewusst ist, dass sie ein Problem für ihn ist?

Auf den Vorschlag habe ich das verstärkt.

In der Mitte des Busses gab es ein Element aus Graugummi, das sich in den Kurven stauchte und streckte. Ein Mann versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Eine merkwürdige Kraft hatte der Mann, eine Fähigkeit, der Junge formulierte das Wort leise: Fähigkeit. Das hat er neu gelernt.
"Graugummi", noch nie gehört, tolles Wort. Die Perspektive wabert auch so ein bisschen, oder? Viele vestibuläre Empfindungen im Text, die Schwerkraft scheint nicht ganz zuverlässig. Aber was heißt: "Das hat er neu gelernt" Denkt das der Junge noch? Sonst müsste es ja auch Vergangenheit sein.

Auch hier habe ich versucht, die Szene deutlicher zu machen. Die vielen Tempora, das bunte Allerlei der Zeiten, empfand ich zwar als Spiegelung des Mentalen stimmig - dort taucht eine Erinnerung, hier mal etwas, dann wieder Gegenwart -, jedoch verwirrt das ungemein. Ist ja auch die "Aorta" einer Geschichte, die Zeitperspektive, daran orientiert sich der Strom, die Leserin, der Leser.

Mama grinste das breite Lächeln der guten Tat. Und der Junge schwieg, als breche ein Schweigen etwas, eine Flüssigkeit, die dünn gefriert, bis sie in tausend Teile bricht.

Den Satz lasse ich so stehen, da er für mich eine Instabilität im Verhältnis zwischen Mutter-Sohn ausdrückt. Die Verhältnisse ändern sich, die "Aggregatzustände", alles ist sehr brüchig, sehr unsicher durch die wiederkehrenden Wellen schizophrener Zustände.

Aber er blickte nur auf dieses kleine Shuttle. Der den blauen Himmel durchstoßen kann, Satelliten im Orbit entfaltet und zu Spiralen aus tausenden Sternen reist.
Eine Sehnsucht zu fliehen? Sich von der Mutter zu lösen, zu befreien?

Ja, so habe ich mir das gedacht. Wegreisen, fliehen, wegträumen.

„Nur das?“ Mutter lächelte nicht: „Du darfst dir doch alles aussuchen!“
„Ja.“
Er sah sie nicht an.
Das liest sich für mich sehr holprig, weil ich erst lese "Mutter lächelte" und dann kommt "nicht". Unterscheidet er nur zwischen "lächeln" und "nicht lächeln"?

Auch das ändere ich. Stimmt, schon holprig.

Mutter und Sohn lebten am Stadtrand. Und am Waldrand. Und am Feldrand.
Am Rand der Gesellschaft. Bisschen Holzhammer.

Solche Stellen finde ich interessant, da ich das überhaupt nicht zum Ausdruck bringen wollte - ich hatte die Vorstellung einer hübschen Mittelstandssiedlung. Aber klar, so kann man das natürlich auch lesen.

Zu deinen Hinweisen bezüglich des Waldes: Ja, das schreibe ich um. Da hat mir Pepperkorn eine sehr gute Leitlinie gegeben.

Liebe @Chutney! Vielen, vielen Dank :-) Ich wünsche dir einen guten Start in die Woche und ja, bis zum nächsten Mal!

kiroly

 

Hallo @Peeperkorn,

es hat zwar etwas gedauert, aber jetzt - eine neue Version. Im Grunde ein anderer Text. Deinen Kommentar empfand ich als sehr, sehr hilfreich, nochmals ein Danke dafür. Das erste "sehr" beziehe ich auf Deine Art, die Geschichte zu lesen: Auf der Ebene hinter der Sprache, auf der Ebene der Figuren. Deinen Vorschlag, die Verkäuferin in der Waldszene einzubauen, habe ich umgesetzt, auch der Titel basiert auf deiner Idee, Grenzwald habe ich aber nicht übernommen, ich lasse es mal bei Waldrand. Ebenfalls habe ich, hoffe ich, die Szenen inhaltlich gestrafft, es wird nicht gesprungen, fast in der jeder Szene nur die Mutter und der Sohn. Auch die - ich nenne es mal - "Valenz" der Figuren ist vereinfacht, sprich kein "negatives" Mädchen und "negative" Verkäuferin, die plötzlich "positiv" kippt.

Das zweite "sehr" beziehe ich auf formale Kriterien. Zwar habe mich entschieden, doch mit der Außensicht, sprich mit "der Junge" zu arbeiten. Mal schauen, ob es funktioniert. Aber das allgemeine Zeitenchaos habe ich abgeändert. Vielleicht ist der Text jetzt zu glatt geworden, mal schauen, ob er noch funktioniert. Man muss eben lernen.

Deine Vorschläge habe ich weitestgehend übernommen.

Dein Kommentar war außergewöhnlich lang und präzise, mein Antwortkommentar ist es quantitativ nicht - aber lass mich dir sagen, dass ich ihn sehr ernst genommen habe, und auch wenn die Geschichte jetzt fast zwei Wochen her ist, du dich an viele Details wahrscheinlich nicht erinnern kannst, ich habe ihn - jetzt wiederhole ich mich - sehr, sehr ernst genommen. Merci!

lg
kiroly

 

Hallo, @kiroly,

der Text ist vermutlich weit entfernt von der Erstausgabe, weshalb ich ihn mehr oder minder barrierefrei verschlungen habe. Sehr angenehm zu lesen, mehr noch, laut zu lesen (ich fand ihn rhythmisch ganz famos), und das, obwohl er im positiven Sinne eigenartig und schwer zu fassen ist (AWM schreibt ja sehr passend "fein entrückt" dazu).

Ich habe die Geschichte nicht weiter befragt, ich habe mich in ihr treiben lassen und glaube nicht, dass sie zu sehr erklärt werden kann oder will. Oder muss. Ich habe aus diesem Grund auch nur ein paar Winzigkeiten anzumerken:

in den letzten Tagen

Ich habe es gesehen. Die Strahlen.

"Es" oder "sie" gesehen (die Strahlen)?

Ein Tropfen weniger.

Das habe ich nicht verstanden. Was will es bedeuten?

„Aber wir haben Hilfe, Johannes.
Trinke das hier.“

Verwirrendes Schriftbild, warum nicht in eine Zeile?
Beim Weiterlesen habe ich natürlich gemerkt / akzeptiert, dass das Absicht ist, aber die Absicht erschließt sich mir nicht. Formale Spielerei? Ähnlich auch wie das "Danke. Mama." Lässt mich stutzen, und dann später stutze ich, wenn du ein Komma verwendest. Hat mir als Effekt ehrlich gesagt sogar gefallen, ich musste nur erst verstehen, dass es ein Effekt sein soll.

Er hob das Glas an, sein schneller Atem beschlug die Innenseite des Glases, er schloss die Augen und schluckte vorsichtig

Das hatte er in der Schule gelernt.

Er konzentrierte sich auf das kleine Shuttle.

Sehr anregende Lektüre, viele Assoziationen, spannende Bilder, klare Sprache, schöne Einfälle.

Vielen Dank,
bvw

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber @kiroly ,

diese Version ist sprachlich sehr komplex. Sehr raffinierte Einfälle; sie hat einen anderen Drive. Die glüht noch richtig. So fühlt sich das beim Lesen an :D. Die sollte jetzt abkühlen. Ich sehe dich über der Tastatur brüten; mit Johannes Gedanken gehen und da Worte suchen/finden, unerbittlich kürzen, kein Teilchen, was nicht auf dieser einen Frequenz/Welle/Stimmung liegt. Dieses Radikale überträgt sich. Der Text macht mich richtig unruhig. Wie gesagt, ich würde ihn nun liegen lassen, da mit ruhiger Hand und etwas Abstand nochmal reinarbeiten, vielleicht nochmal die Versionen vergleichen; Entscheidungen für oder wider die verschiedenen Lösungen finden, die du dir zu dieser Story überlegt hast. Aber später, nicht jetzt :p

Ich versuche es mal über einzelne Abschnitte:

In Ordnung kürzte Mutter mit „iO“ ab, ohne Punkt nach i und O. An vielen Abenden trug Mutter iO in den Familienplaner ein.

In diesem ersten fällt mir das häufige 'Mutter' auf. Das hat etwas Suggestives. Später ist es auch 'die Mama', da weicht es von der hier bezeigten Strenge ab. Dieser Erzähler ist nicht einfach ein personaler Erzähler sein, der Johannes folgt. Er wertet. Ganz subtil. Etwa durch die Auswahl der Aspekte, die er zur Charakterisierung vorschiebt. Die Nervosität, seltsame Entrücktheit der Mutter. Hier ist es etwas Besonderes, weil der Erzähler zugleich die Entrücktheit der Figuren vor allem von Johannes aufgreift, aus dieser (anschwellend) verzerrten Wahrnehmung beschreibt, in Szenen zeigt, fast vorführt. Warum denke ich, dass er nicht Johannes ist? Weil er eine Distanz hat. Ich suche mal Textstellen:

"Manchmal sparte sie an Größe, als sei Kalenderpapier ein flaches, weißes Gold, sie schrieb millimeterfein"

"... hüpfte durch die Wohnung, schrie und lud ihren Sohn zu irgendeiner Mutter-Sohn-Aktivität"

"Auf dem Weg zur Schule tänzelte er. Seine Schrift kippte. Die Tinte klebte wie blauer Sirup. Seine Lehrerin, Frau Schmidt fragte: Bist du vielleicht krank? Eine Allergie? Heuschnupfen? Aber der Junge sagte, nein, schlecht gegessen. Echt jetzt. Am Abend notierte niemand iO in den Kalender, Mutter wanderte im Wald und der Sohn schlief auf der Sofacouch."

--> der Erzähler hat keinen Zugriff auf die (vielleicht nicht existenten) Gefühle von Johannes. Johannes ist wie ein Vakuum. Tränen fließen aus seinen Augen, aber ob da Trauer ist, beantwortet der Erzähler nicht.

Trotzdem nennt der Erzähler die Mutter in Form direkter Ansprache, ohne Artikel "Mutter". Er intoniert Johannes oder er ist Johannes. Abschließend könnte ich das nicht beantworten. Trotzdem habe ich durch so Stellen wie die fett markierte das Gefühl, dass der Erzähler über die Gedankenwelt von Johannes erhaben ist. Er ist ihm einen Schritt voraus, als wäre er sein älterer Bruder, sein älteres Ich oder eben die ominöse Instanz des Autors, der Johannes in einer Weise erzählt, die klar macht, dass sie an seinen Fäden hängt wie eine Marionette.

Waldrand

Das ist es für mich noch nicht. Aber ja, ich würde da jetzt erstmal nicht wieder ran. Der Titel liegt für mich irgendwo in dieser orangen Substanz, in deren Bedeutung. Lass es erstmal ruhen ...

Äußerst-Spät-Sommer

sehr schön

Mitte September fragte der Nachbar, ob alles in Ordnung sei.

passt natürlich nicht in den übrigen Rhythmus, aber hier hätte ich es sehr sehr witzig gefunden, wenn:

"Mitte September fragte der Nachbar, ob alles i. O. sei."

... oder iO ;)

jedes O las er als O, aber keines glich dem anderen.

fand ich auch sehr sehr schön.

Sein Tornister schulfertig verpackt

verpackt oder gepackt?

entlud sich eine unbekannte Kraft, die ihn tanzen und wackeln ließen

en

Ich habe eine Überraschung für dich, Johannes.

Spannung, finde das funktioniert

Die Mama zahlte

Hier 'die Mama'. War mir nur aufgefallen.

Die Augen des Jungen formten einen Weg, den er mit seinen Schritten bewies

das ist aus der Logik des Jungen. Also Logik geht, Gefühle nicht. Ein weiteres Puzzleteil. Das ist verworren.

Tüten voller Mehl

mag diese psycholinguistischen Spielchen. Die Tüten sind voller Mehl, weil du die Mehltüte nicht nennst. Trotzdem fällt das nicht auf dich als Autor zurück. Niemand würde schreiben: das hast du unpräzise geschrieben. Manche vielleicht: das ist doch unfreiwillig komisch. Ich: freiwillig komisch

Am Abend notierte niemand ein Wort in den Familienplaner. Mutter rauchte trotz Regen auf dem Balkon, ihr Sohn schlief. Die Vogeltränke füllte sich endlich mit Wasser.

okay, hier ist etwas wieder ins Reine gekommen. Die Verkäuferin, die Quelle. Das passt nicht mehr in den Kommentar. Aber sobald ich das abgeschickt habe, begebe ich mich wieder auf Tauchgang, suche nach Hinweisen :)

Also was schreibe ich da jetzt abschließend? Ich finde, solche heißen, versengenden Texte müssen geschrieben werden. Du verbrennst dir die Finger als Autor und wir uns als Leser. Wenn das Ding abgekühlt ist, würde ich dem einen Schliff verpassen. Und dann bleibt das so, bis jemand (du, ich, die anderen) das für gut gereiften Wein befindet.

Liebe Grüße!

 

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