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Waldspaziergang

Beitritt
18.01.2007
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Waldspaziergang

Wie eine Mauer zog sich der Nebel durch den Wald. Er konnte kaum einen Zentimeter weit sehen. Bedrückende Stille durchzog die kalte Luft. Sachte, ganz sachte, drückten seine nackten Füße das feuchte Herbstlaub in den Boden. Die Idylle des angebrochenen Tages flog förmlich an ihm vorbei.
Mit der quälenden Gewissheit über die Aussichtlosigkeit seines Unterfangens war er auf der Flucht.
Auf der Flucht vor Ihnen. Ihnen. Er wusste nicht mehr, wer Sie waren, nicht was sie getan hatten und warum. Nur, dass sie ihn länger gefangen gehalten hatten, als sein Verstand ertragen konnte.

Doch er konnte keine weiteren Gedanken daran verschwenden, warum und vor wem er auf der Flucht war, er musste weg von hier. Schnell, rennen, schnell weg von diesem Ort. Rennen. Er wollte rennen. Er musste rennen. Doch er konnte es nicht. Er konnte nicht rennen. Wenn er es tun würde, würden Sie ihn hören. Und dann hätten sie ihn, wüssten wohin sie zu laufen und zu schießen hatten, würden ihn gewaltsam mit sich schleppen, in Ketten, zurück an den Ort, ohne Aussicht auf eine zweite Gelegenheit zu flüchten, für immer würde er dort verharren müssen, könnte nicht mehr entkommen, niemals. Nie...

Also schlich er. Stundenlang. Stundenlang quälte er sich in Millimeterarbeit durch das Unterholz. Dutzende Minuten war er damit beschäftigt, seinen Fuß anzuheben, sein Gewicht aus zu balancieren und den Fuß langsam wieder ab zu setzen. Kaum einen Zentimeter bewegte er sich vorwärts. Jedes Mal, bei jeder Bewegung, mit jedem Atemzug, in jeder Sekunde, ohne Unterlass, mit einer grausam perversen Kontinuität musste er sich fragen, ob Sie ihn gehört haben könnten.
Eine viertel Stunde verharrte er lauschend auf einer Stelle, horchte nach dem Anflug eines Geräuschs, versuchte jede Schwingung in der Luft mit seinen Ohren einzufangen. Jahre schien er dort zu verharren. Kein Laut. Nichts. Absolute akustische Leere.

Doch er war nicht allein. Nie war er allein. Irgendwo lauerten Sie. Irgendwo. Er versuchte diesen Gedanken zu verdrängen und sich wieder darauf konzentrieren, sein Bein in die Luft zu heben um einen weiteren Schritt zu tun. Doch es gelang ihm nicht. Wieder schossen ihm die Erinnerungen an Sie und den Ort hervor. Die unklaren Silhouetten und sein lückenhaftes Gedächtnis ließen ihn erschaudern.
Trotz der Kälte ronnen ihm die Schweißperlen von der Stirn. Kein Geräusch. Wieder trat er vorsichtig nach vorne. Zu schnell. Kaum merklich rieben sich die vom Regen benetzten Blätter des Unterholzes gegen einander und erzeugten ein kaum hörbares Rascheln. Er zuckte zusammen, Panik kroch in ihm hoch.

Sie hatten ihn gehört. Taub vor Angst versuchte er zu rennen, weg, weit weg, rennen bis seine Lungen brannten, bis sie explodierten. Als er versuchte sich aus seiner Starre zu lösen, stolperte er über seine steifen Glieder, er fiel nach vorne, kroch eine Weile in der Erde umher, rappelte sich mühsam auf und rannte weiter. Weiter. Weiter. Dann, plötzlich hielt er Inne. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in die Luft. Er fühlte die Präsenz fester Materie vor sich. Kalt. Kalt und fest. Direkt vor ihm. Auf einen Schlag spannten sich all seine Muskeln an. Sie hatten ihn. Genau vor ihm stand Einer. Er hatte versagt. Er war wieder am Anfang, Sie würden ihn wieder zurück bringen, zurück an den Ort, den Ort der Qualen und Schmerzen die er acht Jahre lang ertragen musste. Acht Jahre umsonst, nur um wieder von vorn zu beginnen. Er rührte sich keinen Zentimeter. Ebenso wie die Gestalt vor ihm. Er würde ihn jetzt zurück bringen. Zurück. ZURÜCK!
In einem erneuten Anflug von Verzweiflung schoss ihm das Adrenalin durch den Körper.
Sein Herz schlug schnell, schneller als sonst, zu schnell, als dass es das hätte aushalten können, ein kurzer Stich in seiner Brust, dann, für den Bruchteil einer Sekunde, Nichts. Keine Geräusche, keine Herzschläge, keine Gefühle, keine Angst, Nichts. Nichts...

Dann brach er zusammen. Tot lag er auf dem Waldboden.

 

Moin Stefan B. Eiisbaer,

erstmal willkomen auf kg.de (bin zwar selbst noch nicht lange dabei, aber ich übernehm die Begrüßung einfach mal).

deine Geschichte spricht mich nicht so ganz an.
Eigentlich ist das ein guter (wenn auch schon oft gewählter) Ansatz, ihn in einem nebligen Wald fliehen zu lassen.
Für mich ist da nur nicht so viel philosophisch dran, oder ich erkenn das einfach nicht.
Es ergeben sich nämlich ein paar Fragen bei mir:
Vor wem oder was flieht er?
Warum wurde er gefangen gehalten?
Warum stirbt er am Ende?
Warum läuft er so langsam? Müssten "sie" ihn dann nicht bald eingeholt haben?

Du wiederholst dich recht oft, z.B. indem du einfach den vorangegangenen Satz ein wenig umdrehst, aber das selbe sagst.

Er fühlte die Präsenz fester Materie vor sich.
find ich irgendwie seltsam, einen Menschen als "Materie" zu bezeichnen. Könntest vielleicht schreiben, dass er jemanden atmen hört oder sowas in der art.

Wenn du die Geschichte allerdings überarbeitest, kann da wohl was Gutes draus werden. ;)

Gruß
Marximus

 

Marximus schrieb:
Moin Stefan B. Eiisbaer,

erstmal willkomen auf kg.de (bin zwar selbst noch nicht lange dabei, aber ich übernehm die Begrüßung einfach mal).

Danke, darfst mich ruhig Stefan nennen ;)
Marximus schrieb:
Für mich ist da nur nicht so viel philosophisch dran, oder ich erkenn das einfach nicht.
Letzteres.
Marximus schrieb:
Es ergeben sich nämlich ein paar Fragen bei mir:
Vor wem oder was flieht er?
Ich erlaube mir, dir keine Antwort auf die Frage zu geben und sie dem Leser zu überlassen.
Marximus schrieb:
Warum wurde er gefangen gehalten?
Besser: Wie oder durch was wurde er gefangen gehalten?
Marximus schrieb:
Warum stirbt er am Ende?
Warum nicht? Ich finde die Geschichte hat keinen positiven Ausgang verdient. Wobei "positiv" natürlich auch ein eher subjektiver Begriff ist. Der Tod kann ebenso erlösend sein.
Marximus schrieb:
Warum läuft er so langsam? Müssten "sie" ihn dann nicht bald eingeholt haben?
Der dichte Nebel sorgt dafür, dass sie ihn nicht sehen und umgekehrt. Einziges Orientierungsmittel ist das Gehör. Also schleicht er, damit sie nicht hören, wo er sich befindet.
Marximus schrieb:
Du wiederholst dich recht oft, z.B. indem du einfach den vorangegangenen Satz ein wenig umdrehst, aber das selbe sagst.
Zum Beispiel? Ansonsten dienen eventuelle Wiederholungen als stilistisches Mittel.
Marximus schrieb:
find ich irgendwie seltsam, einen Menschen als "Materie" zu bezeichnen. Könntest vielleicht schreiben, dass er jemanden atmen hört oder sowas in der art.
Muss ja kein Mensch sein. Baum, Findling, LKW, Zoowärter, wer weiß...
Marximus schrieb:
Wenn du die Geschichte allerdings überarbeitest, kann da wohl was Gutes draus werden. ;)

Gruß
Marximus

Ok, danke.

 

Moin Stefan ;) ,

Ich erlaube mir, dir keine Antwort auf die Frage zu geben und sie dem Leser zu überlassen.

Mir kam da nur in den Sinn, dass das Gefühle sein könnten, vor denen er flieht, oder vielleicht sogar er selbst. Das wär für mich dann natürlich wieder philosophisch ;).
Aber wenn das gemeint war kommt das nicht so gut raus, finde ich.

Schnell, rennen, schnell weg von diesem Ort. Rennen. Er wollte rennen. Er musste rennen. Doch er konnte es nicht. Er konnte nicht rennen.
Da wären z.B. Wiederholungen von Rennen und Schnell. Das finde ich in begrenztem Maße ja auch als gutes Stilmittel, aber an dieser Stelle wirkt das ein wenig überladen.

Warum nicht? Ich finde die Geschichte hat keinen positiven Ausgang verdient. Wobei "positiv" natürlich auch ein eher subjektiver Begriff ist. Der Tod kann ebenso erlösend sein.
geb ich dir vollkommen Recht, aber für mich wird nicht ganz klar, warum genau er jetzt sterben muss, denn an einem Adrenalinstoß sterben meines Wissens nicht so viele Menschen.

Auf der Flucht vor Ihnen. Ihnen.
Auch wieder wiederholtes Wort. Klar, dass du da das Mysteriöse mit herausheben willst, aber nur ein Pronomen alleine im Satz gefällt mir nicht so.

Gruß
Marximus

 

Marximus schrieb:
Moin Stefan ;) ,
Moin :)
Marximus schrieb:
Mir kam da nur in den Sinn, dass das Gefühle sein könnten, vor denen er flieht, oder vielleicht sogar er selbst. Das wär für mich dann natürlich wieder philosophisch ;).
Aber wenn das gemeint war kommt das nicht so gut raus, finde ich.
Das mit den Gefühlen hast du gut erkannt, so war's von mir eigentlich auch gedacht. Wie gesagt überlasse ich dem Leser, wie er das Ganze deutet.
Marximus schrieb:
Da wären z.B. Wiederholungen von Rennen und Schnell. Das finde ich in begrenztem Maße ja auch als gutes Stilmittel, aber an dieser Stelle wirkt das ein wenig überladen.
Hm, ok, akzeptiert. Ich empfand das jetzt nicht so extrem, aber werde es überdenken.
Marximus schrieb:
geb ich dir vollkommen Recht, aber für mich wird nicht ganz klar, warum genau er jetzt sterben muss, denn an einem Adrenalinstoß sterben meines Wissens nicht so viele Menschen.
Kommt aber tatsächlich vor. Eine Überdosis Adrenalin kann zum Herzinfarkt und anschließendem Tod führen. Dass sowas nicht sinderlich alltäglich ist, ist mir bewusst, aber ein bisschen Dramatik schadet ja nun nicht.
Marximus schrieb:
Gruß
Marximus

Nun, ich danke dir, dass du dir die Zeit genommen ahst, auf meine Geschichte einzugehen.

MfG, Stefan

 

Hallo Stefan,


mich wundert es, dass dein Text „Waldspaziergang“ heißt, unter einem Spaziergang stelle ich mir etwas anderes vor. Kann natürlich ironisch gemeint sein, die These wird im Text nicht bestärkt.

Zitat von Marximus

Mir kam da nur in den Sinn, dass das Gefühle sein könnten, vor denen er flieht, oder vielleicht sogar er selbst. Das wär für mich dann natürlich wieder philosophisch ;).
Aber wenn das gemeint war kommt das nicht so gut raus, finde ich.

Zitat Stefan:

Das mit den Gefühlen hast du gut erkannt, so war's von mir eigentlich auch gedacht. Wie gesagt überlasse ich dem Leser, wie er das Ganze deutet.


- Wenn es um Gefühle geht, ist es nicht zwangsläufig philosophisch. Es besteht viel mehr die Gefahr, dass es um psychologische Phänomene geht (Angst usw.). Leider ist das oft so in der Rubrik. (Das mit dem Tod finde ich unbegründet, in diesem Text wird nicht deutlich, warum die Situation den Adrenalintod provoziert).
Bis auf die Überstrapazierung der Dramatisierung durch Wiederholung (Stichwort „rennen“) – halte ich deinen Text für recht gut geschrieben, aber es fehlt mir ein deutlicher philosophischer Bezug. Auch das es um Gefühle geht, muss deutlicher werden, zumindest wenn du etwas konkret mitzuteilen hast, den Text nicht der beliebigen Interpretation des Lesers überlassen willst (es könnten durchaus Monster oder Maschinen hinter ihm her sein).-

„In einem erneuten Anflug von Verzweiflung schoss ihm das Adrenalin durch den Körper“

- Das ist schon lange, wegen der Flucht hoch konzentriert. Klingt so, als ob es eben geschähe.


„Nichts. Nichts...“

- „Nichts. Nichts ...“

„Auf der Flucht vor Ihnen. Ihnen.“

- Ist meiner Ansicht nach okay.


L G,

Woltochinon

 

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