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Was wäre, wenn Adam nicht genascht hätte

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24.11.2007
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Was wäre, wenn Adam nicht genascht hätte

was wäre, wenn Adam nicht genascht hätte


Adam lag im Schatten der weit ausladenden Eiche, die genau drei Tage älter war als er. Eva blinzelte hinüber zu dem Schläfer, der ausgesehen hatte wie sie selbst. Eva ärgerte sich, dass er jetzt nicht mehr so aussah. Sie war selbst schuld, dass er ihr etwas fremd geworden war. Sie hätte sich weigern können, aber jetzt war es zu spät.
Sie wußte nicht, dass sie nur zu warten brauchte. Eva wusste viel zu wenig. Wenn sie wirklich gewusst hätte, wäre sie zu dem Schluss gekommen, dass sie nichts weiß, weil ihr zum Wissen die Kenntnis, besser gesagt, die Erkenntnis fehlte.
Der Andere, der oft vorbeikam, war ein bemerkenswerter Typ. Er sah vollkommen anders aus, man konnte ihn nicht mit ihr selbst oder Adam vergleichen. Er trug einen bärtigen Kopf, hatte Hände und Füße, aber dazwischen war so gut wie nichts. Nicht dass da nichts war, es war nur so unbestimmt, wechselte die Form, wechselte Farbe und Geruch. Dieses „zwischen den Händen, Füßen und dem Kopf“ war erstaunlich. Sie betrachtete ihn, wie er gegen die tiefstehende Sonne auf sie zukam. Adam schnarchte im langen Baumschatten. Das letzte Spiel hatte ihn so angestrengt, dass er einfach liegen geblieben war und schlief, seit die Sonne direkt über ihren Köpfen hing.

„Wo wohnt der andere, der hier herumläuft und sich manchmal zu uns hockt?“, hatte sie Adam vor langer Zeit gefragt, als Adam noch ausgesehen hatte wie sie selbst und der andere nur gelegentlich gekommen war. Bei dieser Rückbesinnung erwachte ein unheimlicher Gedanke. Sie verglich die beiden, den anderen und Adam und ihr fiel auf, dass ihre Gleichheit recht unvollkommen war, denn Adam trug einen Bart wie der andere. Dass sie ihm das Haupthaar geschnitten hatte, machte auf Adams Bart besonders aufmerksam. Eva strich sich übers Kinn und fand ihre Vermutung bestätigt.
„Der andere ist der Chef. Er wünscht, Gott genannt zu werden. Du musst dir das merken“, hatte Adam auf ihre Frage geantwortet.
Er war weit entfernt und noch klein, warf einen langen Schatten vor sich her und stapfte gemächlich auf Eva zu. Sie blinzelte gegen die Sonne. Er hatte keine Eile. Seine Schritte berührten kaum den heißen Sand. Er zertrat nie eine Blume oder einen Käfer, was bei seiner Größe recht sonderbar war.
Sie schielte zu dem Schnarcher, der sich auf den Rücken gedreht hatte. „Ich hätte das Haar nicht so kurz schneiden sollen“, machte sie sich Vorwürfe.
Eva dachte laut. Zu leisen Gedanken war sie nicht fähig, genauso wenig wie Adam. Sie konnten nie Geheimnisse voreinander haben und es gab keine Geheimnisse, die sie haben konnten. Als Eva die Augen von Adam wandte, merkte sie, dass sie von großem Schatten umgeben war. Der Chef stand dicht vor ihr und schaute aus großer Höhe auf sie herab. Sie konnte kaum die Bewegung Seines Mundes sehen.
„Was hat Adam, dass sein Bauch so gebläht ist?“, fragte Er Eva.
Seine Stimme grollte wie eines der seltenen Unwetter, bei denen sie sich mit Adam in die Höhle zurückzog. Der Wind Seiner Stimme war heftig. Ihr langes Haar wehte von den Schultern und legte Evas flache Brüste frei.
„Sie ist mir gut gelungen“, grollte Er mit sich selbst, weil auch Er keine leisen Gedanken pflegte.
„Er hat heute Morgen Bohnen gegessen. Zwei Bohnensträucher hat er geleert und mir keine einzige Bohne gegeben.“
„Das ist die Strafe“, sagte der Chef.
Eva war’s fast zufrieden, aber da sie etwas sagen wollte, fragte sie: „Weshalb ist ein geblähter Bauch eine Strafe?“
„Ha, ha“, lachte Er. „Den geblähten Bauch habe ich mir als Strafe für neugierige Frauen ausgedacht.“
„Sind wir Frauen?“, wollte sie wissen.
Der Chef grollte etwas, das Eva als eine Bestätigung ihrer Vermutung interpretierte. Leise sagte sie: „Wir sind Frauen. – Das hört sich gut an.“ Etwas lauter sagte sie: „Ich mag gar keine Bohnen und so selig, wie Adam schläft, ist es bestimmt keine schlimme Strafe.“
„Wahrscheinlich hast du recht“, sinnierte Er. „Aber jetzt wecke den Schläfer endlich. Ich will weiter spielen.“

Adam gähnte entsetzlich, als er von Eva gerüttelt wurde. Er schaute aus mürrischen kleinen Augen, bis er Gott bemerkte, der gütig auf ihn herabblickte.
„Ihr seid es, Herr?“, fragte Adam, so wie er es schon belauscht hatte, wenn einer der vier Wächter mit dem Chef sprach.
„Ich will weiter spielen“, sagte Er.
Adam lächelte verschmitzt und flüsterte: „Was wäre, wenn wir nicht da wären, Herr?“
Der dichte Bart konnte den Unwillen über diese Frage nicht verbergen. Der Wind Seiner Antwort war gewaltig: „Das ist zwar keine schlechte Frage, aber eine unzulässige Frage. Alle Fragen die mit „Was wäre, wenn“ beginnen, sind unzulässig. Ich habe festgelegt, was war, lege fest, was ist und was sein wird.“
„Aber stellt Euch vor, ich hätte nicht das Schachspiel erfunden. - Trotzdem nervt das Schachspiel, wenn immer ein Besserwisser hinter einem steht.“
Gott erzürnte sich über diese Rede, die vielleicht nur ein Gedanke war, aber so laut gedacht, dass Eva erschreckt zu Adam schaute.
„Ich würde dich nicht Besserwisser nennen, wenn du fünf Züge vorausdenken könntest, - aber ich kann 10 Millionen Züge voraus berechnen. Manche deiner Züge erschrecken durch ihre Banalität.“
„Weshalb immer nur bei mir?“, fragte Adam beleidigt.
„Weil du ohne meine Hilfe gar keine Chance hättest.“
Adam quengelte: „Ich war zuerst da. Du hast Eva erst viel später gemacht.“
„Die Nachfolgemodelle sind meist besser.“
Adam drehte sich um und ging weg. Gott und Eva blickten ihm hinterher. Gott lächelte nachsichtig, Eva war entsetzt, denn sie wollte keinen Streit.
„Ich könnte ein Schachspiel mit Dir machen“, schlug Eva vor.
Nach einem kleinen Fingerschnipp stand das aufgebaute Brett vor Eva im Sand. Er ließ sich nieder.
„Du fängst an“, sagte Er.
Sie erwiderte missmutig: „Weiß beginnt und schwarz gewinnt.“
„Aberglaube“, widersprach Er und lächelte vielsagend.
Beim Schachspiel zeigte sich die laute Denkweise seit Anfang als nachteilig. Gott hatte allerdings den Vorteil, dass die Vorwegnahme von 10 Millionen Zügen eine Situation schuf, die den Spielpartner in den Zustand ungläubigen Staunens versetzte, denn die errechneten Spielzüge liefen in rasender Geschwindigkeit ab.
„Wieso bist du so anders?“, fragte Eva. Sie setzte die Dame auf ein Feld, das zwar im Plan Seiner Überlegungen war, aber so absurd war, dass ... sie „Schach“ sagte, als sie die Figur freigab.
„Du sollst mich nicht ablenken. – Weshalb meinst du, ich sei anders? Ich will damit nicht sagen, dass ich in gewisser Weise nicht anders bin, aber dass du dies erkennst, irritiert mich dennoch. – Schließlich seid ihr meine Ebenbilder.“
„Mir ist aufgefallen, dass deine Hände, deine Füße und dein Kopf so frei sind.“
„Wie meinst du das?“
„Das da“, und sie deutete mit dem Finger, „verändert seine Form, seine Farbe und seinen Geruch.“
Gott schaute an sich herab und betrachtete die Stelle, auf die Evas Finger zeigte.
„Ach so!“, sagte Er erleichtert. „Das ist mein Gewand. Ich wechsle es jeden Sonntag. Ohne mein Gewand habe ich kalt.“
Er ließ sich durch das Gespräch mit Eva weiter ablenken und erschrak, als Er zwischen zwei laut gedachten Gedanken „Schach und Matt“ hörte.

Das Leben war wunderbar eingerichtet. Adam und Eva hatten genug zu essen. Es genügte, dass sie durch die herrlich duftenden Haine schlenderten. Früchte lockten sie mit leuchtenden Farben. Düfte wehten so köstlich, dass sie nichts anderes riechen wollten. Milde Luft fächelte sie, dass Schlafen ein unbeschreibliches Vergnügen war. Adam und Eva saßen abends beisammen und dachten ihre lauten Gedanken. Schöne Gedanken dachten sie, über Blumen, Vögel, Bäume.

„Esst nichts von dem Apfelbaum“, sagte Gott.
Ihre Augen folgten dem göttlichen Zeigefinger, der auf einen Baum mit rotbackigen Früchten wies.
„Gott, weshalb?“, wollte Eva wissen.
„Weil ich es sage.“
Beide nickten, denn es gab kein besseres Argument als Sein Wort. Damit hatte dieser Baum fast aufgehört zu existieren. Die Früchte leuchteten dennoch wunderschön. Eva polierte einige der Äpfel, die in Reichweite ihrer Hände hingen. Sie schnupperte an den Früchten, die einen köstlichen Duft verströmten. Eva wollte sicher gehen, dass von den Früchten keine Gefahr ausgehen konnte, und zog daran, ob sie auch fest an den Ästen hängen.
„Er hat es gut geordnet“, sagte sie Adam abends, als sie in großem Bogen um den Baum herumgingen.
„Ich habe gesehen, dass du an den Früchten gerochen hast.“
„Es könnte ja sein, dass mir nachts ein Apfel auf den Mund fällt. Dann würde ich ihn vielleicht essen, wenn ich nicht wüsste, wie er riecht.“
„Er hat es gut geordnet“, wiederholte er Evas Worte.
Gelegentlich bückten sie sich nach Beeren und von Bäumen gefallenen Früchten.
„Die Äpfel hängen fest am Baum. Es ist noch keiner zu Boden gefallen“, fing Eva doch noch einmal an.
„Ja, sie hängen fest.“

Sie führten viele solcher unterhaltsamen Gespräche. Wenn sie Gott auf ihren Spaziergängen begleitete, war es noch interessanter. Er konnte zu jedem Baum, zu jeder Blume, zu jedem Käfer sagen, wie Er sie gemacht hatte. Das war wahnsinnig interessant. Trotzdem gähnte Er immer häufiger.
„Herr, was ist, dass Ihr Euch mit uns langweilt?“, wollte Adam wissen.
„Ich habe mein Werk erfüllt. Es bleibt nichts mehr zu tun.“
Adam empfand Müßiggang nicht als Langeweile, weshalb er die Qual des Herrn nicht verstehen konnte.
„Könntet Ihr so darüber sprechen, dass ich es auch verstehe?“
„Du kannst es nicht verstehen.“
„Versucht es einfach, Herr.“
Gott blieb stehen, schaute hinab zu Adam und begann: „Versuche dir vorzustellen, was es bedeutet, eine Welt mit Meeren, Flüssen und Winden zu erschaffen. Dann das ganze Getier, Vögel, Käfer, Löwen, die Pflanzen, Sträucher, Bäume, Gräser zu machen, - und es war noch wesentlich mehr zu tun. Du sitzt da, überlegst, probierst mit den Händen, bis du zufrieden bist. Du sagst dir: Jetzt ist alles wohl geordnet. Aber du bist dennoch nicht zufrieden, weil das große Werk fehlt.“
Adam fragte neugierig: „Und was ist das große Werk?“
Gott schnaufte kräftig durch. „Ihr beide, du und Eva, seid das große Werk. – Was bleibt noch zu tun?“
Adam konnte diese Überlegung zwar nicht nachvollziehen, aber er nickte mitfühlend. Sie gingen lange Zeit gedankenlos weiter, bis der Herr die Ruhe unterbrach: „Schach ist ein schönes Spiel“, begann er, „aber es dauert mir zu lange, wenn ich warten muss.“

Adam und Eva durchdachten die Worte des Herrn und überlegten sich ein Spiel zu dritt. Adam versuchte ein Schachbrett mit sechs Seiten, aber das gefiel Eva nicht. Schließlich war es Evas Verspieltheit zu verdanken, dass sie ihr Spiel erfanden. Eva hatte Herbstblätter arrangiert, Buche, Eiche, Ahorn und Blätter eines namenlosen Baums. Adam entwickelte die Idee weiter und besprach sich mit Gott, der Seine Hilfe zusagte und zwei Tage später mit den Karten des ersten Skatspiels kam. Damit war die Langeweile besiegt. Korrekterweise muss man sagen: „Wäre die Langeweile besiegt gewesen, wenn.“

Die Skatabende waren herrlich und auf dem Schachbrett lag eine dicke Staubschicht. Eva blickte selten zu dem Baum hinüber, der streng genommen gar nicht da war. Neugierig war sie dennoch. Ihr war aufgefallen, dass in diesem Baum nie Vögel zwitscherten.
„Herr, ich mag die Vögel, die Ihr gemacht habt.“
Er war stolz auf Sein Werk und zeigte dies: „Die ersten Versuche waren ziemlich misslungen. Die Vögel wollten einfach nicht fliegen. Bei den Insekten hat das mit dem Fliegen gut geklappt. Erst als ich sie kleiner gemacht habe, konnten auch die Vögel fliegen.“
„Die Strauße sind wohl die ersten Versuche?“
Er nickte bestätigend.
„Hast du bei uns Frauen auch Versuche gemacht?“
„Habe ich dir nicht gesagt, dass ich euch nach mir gemacht habe?“
„Und wieso gibt es im Apfelbaum keine Vögel?“
„Wegen der Schlange!“ Eigentlich wollte Er das Geheimnis für sich behalten. „Weshalb verwirrst du mich immer?“, schimpfte Er.
„Bin ich nicht so, wie Du mich gemacht hast?“
Er stöhnte. Adam griff ein und schlug vor, ein neues Spiel zu machen.
Gott spielte einen Grand Hand, der von Adam mit Kontra gereizt worden war. Er strahlte, als Eva die Punkte zusammenrechnete. Sie zeigte Gott den Zählerstand und Er nickte zufrieden.

Irgendwann später erwachte in Adam so etwas wie Neugierde. Er tappte neben Gott durch den Sand. Sie gingen zu einem der Tore, wo die große Gestalt Wache hielt.
„Was ist denn hinter dem Tor?“, fragte Adam.
„Nichts.“
„Dann könnte der doch mitspielen. Wenn einer pro Spiel aussetzt, ist das entspannender.“
Der Engel hörte das Gespräch und fragte: „Herr, was spielt Ihr? Manchmal ist es hier ziemlich langweilig. Niemand will hier rein. - Bisher hat es niemand versucht.“
„Weil draußen niemand ist.“
„Dann könnte ich doch gelegentlich kommen?“
Er kam nicht gelegentlich, sondern saß jeden Abend um das große Seerosenblatt, auf das sie ihre Spielkarten legten.
„Ja, so ist es besser“, bestätigten alle.
Sie fingen erst mit dem Spiel an, wenn Gabriel vor dem Seerosenblatt platz genommen hatte.
Das hätte wunderbar so weitergehen können, wenn nicht ... .

Bei einem Skatspiel, als sie aussetzte, schlich Eva zum Tor und schaute hinaus. Es war dunkel, da draußen, aber sie hörte viele Geräusche.
„Es gefällt mir, hier draußen“, flüsterte sie den Gedanken.
Sie durchschritt das große Tor, sah große und kleine Tiere, die sie alle neugierig betrachteten.
„Ich muss Adam davon erzählen“, flüsterte sie. Dann schlich sie zu den Spielern zurück. Ihre Abwesenheit war unbemerkt geblieben. Adam schlich auch irgendwann durchs Tor. Auch ihm gefiel die Welt vor der Mauer. Es machte Spaß, heimlich hinauszugehen.

Es hätte so weiter gehen können, wenn nicht eines Tags die Schlange von ihrem Baum gekrochen wäre. Sie legte sich ans Seerosenblatt und züngelte, dass sie auch mitspielen wolle.
„Zeig mir deine Hände, du blödes Tier“, giftete Adam, dem das glatte Ringeltier nicht gefiel.
„Ich spiele mit dem Kopf, während du mit den Händen spielst. Aber du bist ein Dummkopf, denn ich könnte dir zeigen, was du mit deinen Händen alles spielen kannst.“
„Sei still, Schlange“, herrschte sie Gott an.
Eva spürte großes Mitleid mit der Schlange. „Kann sie etwas dafür, dass sie keine Hände hat?“, dachte sie laut.
Alle betrachteten sie ungehalten. Nur die Schlange zischte freundlich.
„Wir könnten morgen Schach spielen. Da genügt dein Kopf.“
„Danke schöne Eva“, zischte sie und ringelte sich davon. Sie verschwand in ihrem Baum, in dem noch nie ein Vogel gezwitschert hatte.
Am nächsten Tag lag sie um das Schachbrett geringelt. Eva staubte die Figuren ab. Nebenbei erklärte sie die Regeln.
„Ich habe euch oft genug zugeschaut“, lispelte die Schlange. „Ich kenne die Regeln. Sollen wir gleich um etwas spielen?“
„Ich besitze nichts“, sagte Eva.
„Das Blumenkränzchen in deinem Haar. Es ist wunderschön.“
„Und was besitzt du?“
Die Schlange wand sich verlegen. „Du weist doch, dass ich keine Hände habe. Ich bin wirklich arm. Außer meinen Äpfeln habe ich gar nichts.“
Das war bestimmt der kritischste Augenblick in Evas bisherigem Leben. Sie hätte ablehnen können, hätte das Spiel verweigern können und hätte die Schlange unglücklich gemacht. Eva machte die erste humanitäre Tat schlechthin. Sie sagte nicht nein und versuchte die Situation dadurch zu retten, dass sie unterliegen wollte. Sie gewann den Apfel. Es war nichts zu machen. Sie hätte ihr Kränzchen gerne geopfert, aber es endete, wie es enden musste. Ein leuchtend roter Apfel, gleichsam die Siegertrophäe, lag vor ihr. Sie erschrak und bedeckte ihn mit Sand.

Nachts schlichen Eva und Adam durch das große Tor und verzehrten, hinter der Heimlichkeit der hohen Mauer, den Apfel. Eva teilte die Frucht gerecht. Sie lagen nebeneinander im Sand, betrachteten die Sterne und zerkauten den herrlichen Geschmack. Ihr Fehlen war nicht unbemerkt geblieben. Gott kicherte in sich hinein.
„Endlich gibt es wieder etwas zu tun“, sagte Er zu Gabriel.
„Soll ich ans Tor gehen, damit sie nicht mehr hereinkommen?“
„Das ist nicht nötig.“
„Wollt Ihr diesen Ungehorsam nicht bestrafen, Herr?“
„Eigentlich ist es Eva, die meine Strafe verdient. Ihr Körper soll sie immer an den Frevel erinnern. Sie soll Brüste wie Äpfel bekommen. Sie soll an das Spiel um ihr Kränzchen erinnert werden und von der Strafe des dicken Bauchs weiß sie bereits.“
„Herr, das ist wohlgetan. – Aber wir können nur noch Schach spielen.“
„Gabriel, keine Angst. Es gibt bald viel zu tun.“

Eva dachte diesmal ganz leise: „Was wäre, wenn Adam nicht genascht hätte?“
Die Antwort lag auf der Hand. Sie hätte den Apfel alleine gegessen. Adam würde immer noch Skat spielen. Während sie auf dem Rücken lag und sinnierte, spürte sie das Wachsen ihrer Brüste, die sich wie reife Äpfel erhoben. „Der Herr bestraft mich“, dachte sie, aber als Adam eine Hand auf diese Äpfel legte, merkte sie, dass die Strafe eher angenehm war. Gott betrachtete, wie Eva mit ihrer Bestrafung zurechtkam, und war’s zufrieden. Sie sprachen manchen Abend über die Ereignisse. Nach vielen glücklichen Monaten bemerkte Eva die Zunahme ihres Bauchumfangs. Gott betrachtete sie aufmerksam. Eva fragte: „Ist das jetzt die Strafe für neugierige Frauen?“
„Du denkst an Adams, von Bohnen geblähten Bauch?“
Eva nickte traurig.
„Denke an die Tiere. – Ist dir nie aufgefallen, dass Löwen und Hirsche einen dicken Bauch bekommen?“
Sie schauten sich lange in die Augen. Es war wie eine neue Idee, die in Evas Kopf wuchs. Schließlich lächelte sie breit und glücklich.
Sie sagte: „Herr, das habt Ihr gut gefügt.“

Adam und Eva erzählten die ganze Geschichte ihren Nachkommen. Viele lauschten mit Freude, während andere mit ihrem Schicksal haderten, dass sie nach der Ursache ihres Elends suchten. Manche Sucher erkannten das Kartenspiel als den Grund allen Übels und seither verbieten sie es ihren Nachkommen. Andere verbieten den Genuss von Äpfeln. Andere wiederum entsagen dem Genuss von Bohnen. Es gibt sogar welche, die glauben, dass Eva die Ursache ihres Übels sei. Zu ihrer Erleichterung und zur Bestrafung der großen Stammutter, quälen sie Evas Nachfolgerinnen.
Durch eine vermeintliche Antwort auf die unzulässige Frage: „Was wäre geschehen, wenn Adam nicht genascht hätte“, erhoffen die Sucher Zufriedenheit und übersehen, dass nichts ohne Gott geschieht, denn er hat festgelegt was war, und legt fest was ist und was sein wird.

 

Wer von euch bei das Ausschreibung des LERATO-Verlags vom letzten Jahr mitgemacht hat, weiß dass "Was wäre wenn ..." eben nichts war.
Vielleicht könnt ihr an einigen Stellen schmunzeln oder findet die Geschichte lesenswert.

 

Hallo hajohe,

ich war mal so frei und habe deinen Titel korrigiert, deiner eigenen fußnote nach war es ja ein Vertipper.

 

Hallo Weltenläufer

Vielen Dank.
Ich war zwar nicht verzweifelt, aber so ist es besser.

 

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