Wasser
„Die Ältesten im Dorf haben beschlossen, dass wir morgen alle gehen. Wir sollen nur mitnehmen was wir brauchen und natürlich genügend zu Essen,“ sagte Vater. Sein Gesicht sah müde aus, wie ich es noch nie gesehen hatte. Wir waren alle still nach diesen Worten, nur das klappern von unserem Besteck in den Tellern war zu hören. Als das Essen zu ende war ergriff Mutter das Wort: „Ihr helft jetzt alle beim Abräumen. Dann geht ihr Kinder eure Rucksäcke packen. Ihr müsst Kleider mitnehmen, sowohl was ihr sonst noch braucht. Den Ruchsack müsst ihr aber selber tragen, darum lasst ihn nicht zu schwer werden. Ich werde in dieser Zeit unser Essen vorbereiten. Jeder von uns bekommt noch eine Flasche mit abgekochtem Wasser. Also beginnen wir.“
Als wir alles vorbereitet hatten gingen wir zu Bett. Ich konnte nicht schlafen und ich wusste, dass meine Elter auch nicht schlafen konnten. Meine jüngere Schwester war wahrscheinlich die Einzige die schlafen konnte. Es war schrecklich heiss. Alles schien Hitze auszustrahlen. Gedanken über das, was in den letzten Tagen geschehen war flossen durch meinen Kopf.
Alles begann, als kein Wasser mehr floss an der Hauptwasserstelle im Dorf, das war am Sonntagmorgen. Das geschieht mindestens einmal im Jahr, wenn nicht mehrmals, darum waren wir auch vorbereitet indem wir grosse Tonkrüge mit Wasser gefüllt in der Erde eingegraben hatten bis nur noch der hohe Hals herausragte. Sofort machte sich ein Mann auf den Weg in die kleine Stadt, die eine Tagesreise entfernt war, um herauszufinden, wie lange wir noch auf unser Wasser warten müssen. Er kam am nächsten Mittag zurück und verkündete, dass es einen Leitungsbruch gegeben hatte, der spätestens in zwei Wochen fertig geflickt sein sollte. Unsere Wasservorräte waren nur genügend für etwa drei Tage. So reagierten die Ältesten und befahlen das Reinigen des alten Brunnens, der sich einen Kilometer ausserhalb des Dorfes befand. Jetzt hiess es jeden Tag am Morgen und am Abend mit Eimern Wasser zu holen. Es war Ende Trockenzeit aber die Regenzeit hätte schon seit zwei Wochen beginnen sollen. Doch es war immer noch heiss, zudem wehte wenig Wind. Die Sonne brannte auf die Erde und wärmte sie so fest auf, dass sie während der Nacht nicht einmal richtig abkühlte.
Im Dorf war der Wasserbedarf gross. Vieh sowie Menschen hatten starken Durst. Da es Ende Trockenzeit war, war auch der Wasserspiegel niedrig. Schon nach zwei Tagen mussten ein paar Leute den Brunnen tiefer graben damit das durstige Dorf genügend Wasser erhielt.
Wir mussten das Wasser sparen und sorgfältig damit umgehen. Es war eigentlich gar nicht so schlimm. Ich sah wieder einmal wie viel Wasser ich verschwendete, wenn die Hauptwasserstelle uns versorgte. Zwei Tage bevor die Leitung geflickt sein sollte, war das Wasser im Brunnen fast aufgebraucht. Ausserdem war er schon so tief, dass weitergraben zu gefährlich sein würde.
Wir warteten ungeduldig auf den Sonntag. Dann sollte die Leitung spätestens geflickt sein. Der Sonntag kam. Es war heiss. Aber wie an den vergangenen Tagen kam kein Wasser. Als es dunkel wurde versammelte sich das ganze Dorf auf dem Dorfplatz. Was wollen wir jetzt tun? Wir beschlossen, wieder Jemanden in die kleine Stadt zu senden, der sich nach dem Wasserproblem erkundigt. Falls es noch länger dauern würde, bis das Problem gelöst ist, muss der Stadtrat informieret werden, dass unser Dorf in die Stadt kommt, bis das Wasser wieder läuft. Wir können nicht länger hier leben ohne Wasser!
So ging der gleiche Mann, der vor zwei Wochen unser Kurier war, wieder. Er kam heute, Montagabend, nach Hause und brachte uns diese schlechte Nachricht. Denn die Stadt hat auch kein Wasser und jeden Tag müssen Tanklastwagen von einer grossen Stadt Wasser bringen. Viele Leute in der kleinen Stadt haben sich entschlossen in die grosse Stadt zu gehen, bis die Regenzeit beginnt.
Ich will nicht gehen, doch wir müssen, denn der Brunnen hat fast kein Wasser mehr, dazu hat die Regenzeit noch nicht begonnen. Lieber zu früh gehen als zu spät. Den Weg werden wir natürlich zu Fuss mit unserm Vieh machen, denn Autos haben nur sehr wenige.
Ich langweilte mich, so stand ich auf und ging zum Fenster. Ich schaute hinaus in die Dunkelheit. Ein sanfter, frischer Wind wehte und ich hörte etwas in der Ferne, das wie ein paar Rasseln tönte und immer näher kam. Ich wusste, was es war und mit einem Lachen ging ich wieder zu Bett. Danach hatte ich einen so guten Schlaf wie schon lange nicht mehr.