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Weihnachtsrituale
Die Weihnachtszeit war für ihn immer die schlimmste Zeit im Jahr, dennoch war es jedes Jahr das selbe. er zündete Kerzen an, kaufte Dominosteine, die er eigentlich nicht einmal mochte und nahm sich zwischen den Feiertagen frei. Er wusste nicht, warum er das alles machte, warum er sich selbst so sehr quälte. Schon allein der Kerzenschein erweckte in ihm Übelkeit, hörte er gar noch Kinder singen stand er wieder einmal kurz davor, sich zu übergeben. Am heiligen Abend saß er dann unter seinem Weihnachtsbaum, öffnete die Geschenke, die er sich schenkte und aß den Kuchen, den ihm seine Mutter jedes Jahr schickte und dachte nach. um 17:30 klingelte sein Wecker, wie jedes Jahr. er machte sich auf und ging aus dem Haus. er erwiderte die Weihnachtsgrüße der Nachbarn und er ging die Straße runter. An der Kreuzung lag ein haufen matsch-schnee und Kinder bauten einen Schneemann vor einem Mehrfamilienhaus. er ging am Krämerladen vorbei, an der Post und auch der Kirche, aus der weihnachtlicher Gesang klang, schenkte er nur wenig Beachtung. Er schaute auf seine Taschenuhr, die er von seinem Großvater geerbt hat. Viertel vor sechs. Schnellen Schrittes betrat er den Friedhof. Die Wege waren freigeschaufelt, außer ihm war niemand sonst zu sehen. Er stapfte durch den kalten Schnee, unter den Kirschbäumen entlang, die im Frühjahr so herrlich blüten und kam schließlich an. "Frohe Weihnachten, mein Engel...". Er zündete eine Kerze an und biss sich auf die Unterlippe. Seit nun genau fünf Jahren ging er diesen Weg, immer am heiligen Abend, immer zur selben Zeit. "Ich habe dieses Jahr eine etwas kleinere Tanne gekauft." Er stand noch eine ganze Zeit vor dem Grab, ehe er sich wieder auf den Heimweg machte. Er hatte es geschafft, jetzt hatte er wieder ein Jahr lang Ruhe...