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Wenn der Drehstuhl dreimal dreht...

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09.12.2001
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Wenn der Drehstuhl dreimal dreht...

Mein Wunschdenken, den Alltag in der Gesellschaft von anderen Menschen erfolgreich zu bewältigen, wurde immer wieder durch die Erkenntnis gedämpft, daß ich zu wenig über Menschen weiß. Ich verstehe sie nicht, und sie verstehen mich nicht. Der Ursache für meine Probleme sollte ich auf den Grund gehen, denke ich mir, während ich so auf meinem Drehstuhl sitze und durch die Fensterfront meines Büros die Anwohner der Kölner Meyerstraße ihre Häuser betreten und verlassen sehe. Ich überlege. Nach mehreren Drehstuhlumdrehungen gelange ich zu dem Schluß, daß ich mich um das Wissen bemühen muß. Eingehende Selbsbetrachtung, oder noch besser, eingehende Betrachtung meiner Mitmenschen ist der Schlüssel zu gesellschaftlichem Erfolg. Und wo fängt man am besten an, wenn man nicht bei sich selbst anfangen möchte? Bei seinen Nachbarn.

Da gibt es den Wilfried. Wilfried ist um die Fünzig, trägt Schnäuzer und sein kariertes Hemd in die Hose gesteckt. Dazu eine Rentnerjacke und Herren-Slipper. Er findet die Frau gleichen Alters mit dem lila Trainingsanzug und dem Zwergpudel im zweiten Stock über meinem Büro voll gut. Deshalb kommt er jeden Tag einmal vorbei und ruft ihr von der Straße aus etwas zu, das ich nicht verstehen kann. Sie ruft dann aus dem Fenster etwas zurück, woraufhin er wieder abzieht. Wenn Sie nicht da ist, klebt er ihr einen Zettel an die Tür. Ihr Name steht in mikroskopisch kleiner Schrift auf dem zusammengefalteten rosa Zettel. Da ich die Privatsphäre meiner Nachbarn achte, und die Wahrheit meist so ernüchternd ist, habe ich mich dazu entschlossen, den Faden weiterzuspinnen.

Ich öffne also einen imaginären rosa Zettel und lese. „Liebe Helga. Es ist 15:05 und Du bist nicht da. Wo bist Du? Der Hund muss doch sonst immer erst später Gassi gehen. Ich komme dann später noch einmal vorbei. Wilfried.“ Währenddessen steht Helga im Schlafzimmer und bügelt. Sie weiß inzwischen, dass Wilfried montags immer gegen 15:00 vorbei kommt und schaltet dann den Fernseher und das Licht in den Zimmern zur Straße ab. Früher hat sie ihn einfach ignoriert, aber dann ist Wilfried sauer geworden und hat herumgeschrieen, bis sich die Nachbarn beschwerten. Sobald sich die Schritte auf der Strasse entfernt haben, schaltet sie den Fernseher wieder laut. Es läuft Bärbel Schäfer. Helga mag Bärbel, weil da auch die kleinen Leute zur Sprache kommen. Auch Helga würde gerne zu Bärbel gehen und von ihren Problemen erzählen, denn davon hat sie genug. Seit ihr Mann nicht mehr zum Abendessen kommt, hat sie ihre halbe Stelle als kaufmännische Angestellte in einer kleinen Versicherung soweit vernachlässigt, bis man ihr nahe legte, die Stelle einer jüngeren Nachfolgerin zu überlassen. Das war vor fünf Jahren. Sie deckt den Abendbrottisch trotzdem jeden Abend für zwei Personen. Denn ihr Mann wird wiederkommen, das weiß Helga sehr gut - und dann soll sein Teller auf dem Tisch stehen. In der Zwischenzeit geht sie Gassi mit dem Hund und sieht fern, oder sie holt sich die alten Urlaubsfotos heraus träumt von ihrem gemeinsamen Urlaub in Italien. Wilfried ruft von der Straße. Er hat Stimmen vom Fernseher gehört und will wissen wer da ist. Mühsam schlurft Helga zum Fenster. „Sei still. Mein Mann könnte dich hören.“

[Beitrag editiert von: Nikomana am 11.12.2001 um 22:33]

 

Naja, irgendwie bleibt der Leser enttäuscht zurück. Man erwartet, dass die begonnene Reflektion ein Ergebnis zeitigt. Statt dessen spinnt sich der Protagonist aus, was seine Nachbarn bewegen KÖNNTE. Unkluger Ansatz. Vielleicht hat er ja auch gar keinen Bock, sich mit der Realität anderer Menschen zu befassen/sie zu verstehen.

Dann schreib das! So hängen Protagonist und Leser gleichermaßen in der Luft. Finde ich.

[Beitrag editiert von: Alpha O'Droma am 12.12.2001 um 12:50]

 

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