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Wie damals in Frankreich
3. Juni 1915
Frankreich
„Aufwachen! Wir greifen an!“
Er schlug die Augen auf. Wie er feststellen musste, war der Granatbeschuss vom Vortag zu einem waren Gewittersturm angewachsen. Konsentriert versuchte er, die einzelnen Einschläge herauszuhören, doch es gelang ihm nicht. Ein Sandsack war über seinem Schlaflager gerissen und Sand rieselte ihm in die Augen. Er musste blinzeln.
Plötzlich krepierte der vermeintliche Blindgänger und riss das gesamte MG-Team mit sich. Er packte sein Gewehr und rannte aus dem Unterstand hinaus in den Kugelhagel. Eine weitere Granate zerfetzte eine Leiche neben ihm und warf ihn hart zu Boden. Halb taub durch den ohrenbetäubenden Knall schleppte er sich zum schützenden Graben. Trotz der Schmerzen war er bereit für den Ansturm.
Der Befehl zum Angriff ertönte. Die Tommys pflanzten ihre Bajonette auf und sprangen aus dem Graben. Auch er war dabei. Schnellen Schrittes lief er auf die feindlichen Linien zu. Er warf sich zu Boden, legte das Gewehr an und streckte den Landser vor ihm nieder. Mit einem Satz war er wieder auf den Beinen und gleich darauf im feindlichen Graben.
Diese verdammten Engländer, dachte er bei sich, als er zwei von ihnen mit dem Bajonett aufspießte. Auf einmal beschlich ihn Unruhe, ein seltsames Gefühl. Instinktiv warf er sich zu Boden sodass der Stich sein Ziel verfehlte. Aus dem Stiefel zog er sein Stilett und bohrte es dem Angreifer in die Schulter. Er riss einen Spaten einem gefallenen Kameraden aus der Hand und demonstrierte dem Angreifer die Härte von englischem Stahl
Langsam verließen ihn die Kräfte. Immer mehr Kameraden sprangen in den Graben und drängten die Deutschen weiter zurück. Er gönnte sich eine Sekunde der Ruhe, doch das war ein Fehler. Mit letzter Kraft bohrte ein Verletzter ihm sein Messer den Oberschenkel. Sekunden darauf wurde ihm schwarz vor Augen.
8. Dezember 1917
Deutschland
„Aufwachen! “ Ein Wachmann drosch mit seinem Schlagstock gegen die Gitterstäbe. Staub rieselte ihm in die Augen.
Wie damals in Frankreich, wie in seinen Träumen, die ihn seit dem 3. Juni nicht mehr losgelassen hatten. Heute würde er es wiederholen. Heute, ja.
Er steckte sein Rasierklingenmesser in die Pantoffeln. Der Essensruf schallte durch den Gang. Er packte die Luger, welche er tags zuvor vo einem Kumpel aus der Wäscherei erhalten hatte und rannte durch die sich gerade öffnende Zellentür. Mit einem gezielten Kopfschuss erledigte er den ersten Deutschen vor sich. Er sprang auf und lief in den bereits stockdunkeln Gefängnishof.
Wieder dieses Gefühl. Er feuerte drei, vier Schüsse in die Dunkelheit. Und wirklich, er konnte das Geräusch eines leblosen Körpers vernehmen, der auf die Erde aufschlug.
Doch irgendetwas war anders als damals. Etwas fehlte. Doch er wusste nicht was. Irgendetwas war nicht wie in Frankreich. Und das machte ihm Angst.
Auf einmal gab der Franzose hinter ihm ein leises Stöhnen von sich. Blitzschnell richtete er die Pistole auf ihn, doch es war zu spät.
Man konnte das Krachen einer Pistole hören, das leise Zischen, wenn eine Kugel die Luft durchschnitt und das dumpfe eindringen in das Herz des Engländers.
Wieder fiel er in das Dunkel, doch es war nicht wie in Frankreich, denn diesmal blieb er auch dort.