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Wie der Wal Jona an Land schleuderte

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27.06.2006
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Wie der Wal Jona an Land schleuderte

Sie lagen am See, die Sonne brannte erbarmungslos und der Lärmpegel war beeindruckend hoch. Kindergekreisch vermischte sich mit dem Gebell von spielenden Hunden und den Rufen von verzweifelten Müttern, deren Kinder sich zu weit vom Badestrand entfernt hatten. Anouk blinzelte und drehte ihren Kopf zur Seite. Jona hatten die Augen geschlossen. Seine braunen Locken standen wirr in alle Richtungen ab, und seine Haut hatte schon richtig Farbe bekommen. Beneidenswert, fand Anouk. Der erste richtig warme Tag, und der Kerl sah schon aus wie nach drei Wochen Italien Urlaub. Sie selbst war immer noch weiß wie ein ungetoastetes Toastbrot, wie ihre kleine Schwester ihr erst an diesem Morgen mit rührender Ehrlichkeit mitgeteilt hatte.
Jona lag dicht neben ihr, aber sie berührten einander nicht. Darauf achtete sie peinlich genau, sie zuckte schon zusammen wenn er ihr nur die Hand auf die Schulter legte. Was eigentlich völlig albern war, sie brauchte kein schlechtes Gewissen zu haben. Sie lag ja nur mit ihrem Kumpel am See.
Anouk sah wie sich sein Brustkorb ruhig hob und senkte, er war wohl wirklich eingeschlafen. Sie nahm den Geruch seiner Haut war, der typische Sommer- Eis- und- Sonnencreme-Geruch, nahm die Wärme war, die von ihm auszugehen schien. Und jetzt bemerkte sie auch, dass er sie unter halbgeschlossenen Lidern hervor beobachtete.
„Hey, du schläfst ja gar nicht!“ Anouk kratzte sich verlegen am Fußgelenk.
„Ne, mach ich auch nich.“ Er grinste sie an. Dieses dämliche Grinsen. Verfluchtes Grinsen. Sie musste lachen.
„Wollen wir noch mal ins Wasser? Ich komm mir schon vor wie n Brathähnchen!“ Anouk nickte. Jona sprang auf, packte sie am Handgelenk und zog sie mit sich. Lass los, dachte sie, lass los!
Und war tief enttäuscht, als er, angekommen am Wasser, wirklich losließ. Er lief in den See hinein, sodass das Wasser nach allen Seiten spritze. Als Anouk bis zum Bauch in dem noch kalten See stand, war er schon einmal untergetaucht und schüttelte sich grad wie ein nasser Hund. Winzige in der Sonne glänzende Tröpfchen flogen durch die Luft.
„Wettschwimmen?“ Anouk war einverstanden. Sie schwammen bis zur nächsten Boje, und obwohl Jona einen Vorsprung gehabt hatte, hatte Anouk ihn fast eingeholt. Schwimmen konnte sie. Außer Atem hielten sie sich an der Boje fest, wobei ihre Beine immer mal wieder aneinander stießen. Aber das ließ sich nun mal nicht vermeiden. Man musste schließlich irgendwie über Wasser bleiben, so eine Boje ist nicht gerade groß.
„Anouk?“
„Ja…?“
„Auf deinem Kopf sitzt ne fette Libelle.“
Er streckt die Hand aus und verscheuchte das Insekt.
„Ich find die sehn voll irre aus.“
Anouk nickte. „Ja, welche Farbe hatte die denn? Und wie groß war sie?“
„Blau, und mindestens sooo groß.“ Er breitete die Arme aus, und verschwand kurz unter Wasser, weil er vergaß weiter mit den Beinen zu strampeln.
„Spinner!“, sagte Anouk, als er prustend wieder hochkam, und musste lachen.
Über seine Witze musste sie sowieso immer lachen.
Sie machten sich auf den Rückweg.
Bei ihrem Liegeplatz angekommen wickelte Anouk sich in ihr Handtuch, rot mit einer grünen Ente vorne drauf. Und dann marschierten sie los, zum Eisverkäufer.
Jona kaufte für Anouk eine Kugel Himbeere und eine Kugel Stracciatella, und für sich selbst zwei mal Rhabarber-Vanille. Sie durfte auch mal probieren. Und wusste sofort, dass das jetzt für immer und ewig ihr Lieblingsgeschmack war. Rhabarber- Vanille. Mit Jona. Am Strand im Sommer, und das Wasser tropft von seinen nassen Haaren auf ihre Knie. Dann legten sie sich wieder auf ihre Handtücher.
Nach einiger Zeit schliefen sie ein, und wachten erst wieder auf, als ein Schatten auf ihre Gesichter fiel. Anouk blickte auf. Da stand er, Lars, und legte die Stirn in Falten.
„Hi, Schatz! Ich hoffe ich störe nicht…“ Er sah sie anklagend an. Große, braune Augen. Wie Jona. Aber dunklere, fast schwarze Haare. Eine dünne, schlaksige Gestalt, nicht so athletisch. Eigentlich war er ziemlich groß, fast so groß wie Jona, aber er ging immer leicht gebückt, zusammengesunken, sodass er viel kleiner aussah. Anouk schaffte es nicht mal, zu lächeln, oder ihn zur Begrüßung zu küssen.
„Nein, natürlich störst du nicht, ich war nur grad überrascht ich hab ja noch gar nicht mit dir gerechnet! Aber ich freu mich!“ Das war eine Lüge. Eine dicke, fette Lüge. Kommt man fürs Lügen in die Hölle? Egal, da konnte es auch nicht viel heißer sein als an diesem verfluchten Strand. Sie wollte sich freuen. Ihr Freund, der fast 400 Kilometer weit weg wohnte, kam sie besuchen. Unangekündigt. Überraschung. Sie waren morgen ein Jahr zusammen. Sie freute sich nicht.
Jona hatte sich aufgesetzt und reichte Lars die Hand, wobei er die Augen zusammenkniff, weil die Sonne so blendete.
„Hi, ich bin Jona.“
Er war total locker, ungezwungen. Anouk wäre auch so gern locker gewesen. Und Lars war einfach nur eingeschnappt. Nicht mal sauer, eingeschnappt wie ein trotziges kleines Kind. Er beachtete Jonas Hand gar nicht.
Jona zuckte mit den Schultern, stand auf und sagte „Ich geh mal kurz pinkeln.“
Nein, dachte Anouk, bleib hier. Lass mich nicht alleine. Sie sah ihm nach. Lars hockte sich auf das jetzt frei gewordene Handtuch. Er sah so verdammt falsch aus, hier. Die große schwarze Reisetasche, seine Turnschuhe, seine Haut, fast noch bleicher als ihre. All das tat fast weh, so falsch sah es aus.
„Wie war die Fahrt?“
Was sollte sie sonst fragen. Er hob nur die Augenbrauen. „Alles klar, keine Verspätungen oder so. Aber du scheinst dich ja auch ohne mich prächtig zu amüsieren.“
„Man, Lars, ich lieg hier nur mit einem Kumpel am Strand in der Sonne. Das ist doch kein Verbrechen oder?“
„Du hast mir nie von dem erzählt.“
„Muss ich dir alle meine Freunde einzeln vorstellen?“
„Nein, natürlich nicht, aber ich lieg auch nicht mit andern Mädchen ganz allein am Strand.“
„Könntest du aber.“ Das war keine Lüge. Das war ihr ernst, es wäre ihr egal. Sie war schon lange nicht mehr eifersüchtig auf irgendeine seiner Freundinnen gewesen.
„Und als allein würde ich das nicht bezeichnen. Hier sind noch zig andere Leute.“
„Nouki, du weißt genau wie ich das meine!“
Nouki! Wie dämlich! In ihrem Magen verkrampfte sich etwas ganz gewaltig.
„Ja, tut mir leid. Nächstes Mal frag ich dich vorher ob das ok für dich ist.“
Sie zog die Augenbrauen zusammen und starrte auf den See hinaus. Lars hockte sich hinter sie und fing an ihre Schultern zu massieren. „Na, das war ja kein gelungener Start, was.“ Seine Hände gruben sich wie Klauen in ihre Haut.
„Du tust mir weh.“
Er hielt inne. „Sorry, das wollt ich nicht.“
Lars krabbelte auf allen vieren wieder neben sie. Wie albern, wie ein Baby. Er legte die eine Hand auf ihr Knie. Eine weiße Hand, mit langen, dünnen Fingern. Sie ertrug die Berührung fast nicht.
Jetzt begann er, sie zu kraulen. Das widerte Anouk an.
Sie hätte heulen können. Warum machte sie nicht Schluss. Sie liebte ihn nicht. Manchmal hasste sie ihn sogar richtig. Und sich selbst, weil sie immer noch mit ihm zusammen war.
„Nouki? Können wir zu dir nach Hause? Ich schlepp meine Sachen schon den ganzen Tag mit mir rum.“
Sie nickte, und begann ihre Badesachen einzupacken. Als Jona wiederkam, sagte sie, dass sie jetzt nach Hause gehen würden.
„Schade! Dann bin ich ja jetzt ganz allein.“
Er lachte. Er lachte fast immer.
„Komm doch mit!“
Anouk, du bist ne blöde Kuh. Anouk, dass ist gemein. Anouk, du willst deinem Freund nur wehtun.
Stimmt. Und nicht nur das. Sie wollte auch nicht mit Lars alleine sein. Sondern soviel Zeit wie möglich mit Jona verbringen.
Jona sagte, er wolle nicht stören, Lars und sie hätten sich ja sicher viel zu erzählen. Lars nahm demonstrativ ihre Hand.
Schweigend gingen sie den kurzen Weg zu ihr nach Hause. Lars räumte sein Gepäck weg, und dann setzten sie sich vor den Fernseher. Auf einmal hielt er ihr ein Geschenk hin. „Hier, das wollt ich dir eigentlich erst morgen geben. Aber auf den Tag kommt es ja jetzt auch nicht mehr an.“ Er sah stolz aus.
Anouk hatte keine Lust, es auszupacken. Trotzdem fing sie langsam an, die Schleife aufzuziehen.
Es war ein kleines Schmuckkästchen, und eine Kette lag darin. Mit einem Herz- Anhänger. Fast musste sie lachen. Klischee erfüllt. Wunderbar.
„Danke! Die ist wunderschön!“ Sie strahlte ihn an.
„Wie du, Schatz!“ Sie strahlte weiter. Der Typ, der da neben ihr saß, war doch echt daneben. Gleich sagt er das, was er immer sagt, wenn er so guckt.
„Mein Nouki! Ich liebe dich!“
Ich weiß, dachte sie, ich weiß…

 

Hallo Fräulein Smilla,

hat mir ausnehmend gut gefallen diese typische Geschichte jenseits der typischen Schmachtklischees. Könnte fast noch länger sein und würde sogar den Kitsch vertragen, nachdem sich Anouk von Lars trennt und mit Jona zusammenkommt.
Aber das ist ja ohnehin nur noch eine Frage der Zeit und es kann sich jeder selbst vorstellen. ;)
Details:

vermischte sich mit dem Bellen von spielenden Hunden
Gebell (schließlich gibt es schon ein Substantiv, da braucht man den Infinitiv nicht dazu zu machen)
wie ihre kleine Schwester ihr erst an diesem morgen mit rührender Ehrlichkeit mitgeteilt hatte.
Morgen
Ja, tut mir Leid
nach der Reform der Reform der Reform wieder klein: leid

Lieben Gruß, sim

 

Hi Sim!

Freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat! Hab ich heute morgen gleich nachm Aufstehen geschrieben xD Ist nach langer Zeit das erste Mal das ich wieder was schreibe ^^ Also freuts mich wie gesagt wirklich sehr das die Geschichte ganz gut geworden is ^^

Die Fehler hab ich berichtigt:thumbsup:

Danke fürs Lesen und die Kritik!

Smilla

 

hallo Smilla,

mir hat die Geschichte auch sehr gut gefallen - gerade weil der Plot sehr normal/alltäglich ist, eine Sache, die jeder/jedem irgendwann mal passieren kann.

Auch wie du den Sommer einfängst durch Beschreibungen, die gerade das richtige Mass haben, hat mich sehr angesprochen.

Einziger kleiner Kritikpunkt bzw. mehr ein Informationsdefizit: Hat Anouk Lars eigentlich jemals gemocht, und wenn, warum nun nicht mehr? Ist Jona der einzige Grund? Sein Verhalten, seine Worte, die Anouk anwidern, hatte er die nicht auch schon früher? Das finde ich, müsste die Geschichte wenigstens in einem Satz andeuten.

Und als ich gerade nochmal kurz reingucke:

Lars packte sein Gepäck weg

packte das Gepäck ... geht das noch anders?

Beste Grüße vom Platoniker

 

Hallo Fräulein Smilla,

gern schließe ich meinen Vorkritikern an - auch mir hat Deine Geschichte gut gefallen. Die Personen sind realistisch gezeichnet, die Dialoge stimmen, die Sitaution wird lebendig - sehr gut! Allerdings eine Stelle: es ging mir wie Platoniker: wie war die Beziehung früher, wie hat sie sich so entwickelt? Warum schafft Anouk den Schlussstrich nicht? Hierzu würde ich mir ein bisschen was wünschen, es muss nicht viel sein, aber ein oder zwei Sätze. Davon abgesehen wirklich gut!

schöne Grüße
Anne

 

Hi!

Erstmal vielen Dank fürs Lesen und für die Kritik ^^

Und mit den Infos zur Beziehung früher, da fällt mir im moment leider absolut nichts was mir gefällt ein, um die noch mit einzubauen.
Ich hatte mit das so gedacht, dass es eigentlich keinen speziellen Grund für Anouks Widerwillen gibt, sondern dass sie sich einfach nur langweilt. Vllt schon von vorneherein nicht wirklich überzeugt von der Beziehung gewesen ist, sondern das alles mehr von Lars ausging. Und dann kommt natürlich das Interesse an Jona noch hinzu...^^

Für Tipps und Ideen wär ich sehr dankbar :D

Lg

Smilla

 

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