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Wieder so ein Tag der Anderen

Ste

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02.11.2005
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Wieder so ein Tag der Anderen

Wieder so ein Tag, an dem alles zu glitzern und zu glänzen scheint. Nur ich bin wieder einmal der schwarze Fleck auf der Linse…

Seit er sich vor vierzehn Jahren in die Berge verzogen hat und sich seither nur noch zum Einkaufen im Dorf hat blicken lassen, sitzt er jeden Abend vor seinem selber gebauten Häuschen, blickt hinab in die scheinbar so grosse weite Welt, und übergibt seine Gedanken dem Wind. Nicht, dass er sich in der Zeit verliert, nein. Er will bewusst jede Minute zum Nachdenken nutzen. Nun schon vierzehn Jahre lang haftet an ihm das Gefühl, dass man ihn vertrieben hat. Niemand wollte ihm zuhören wenn er seine Erkenntnisse preisgeben wollte. Niemand interessierte sich für die entdeckten Zusammenhänge die er dem herrschenden Chaos der Menschheit unterjubeln wollte. Also kehrte er diesen Banausen den Rücken zu und verlagerte sein zu Hause in die Höhe, wo seine Gedanken einfacher über die Welt schweifen konnten.

Wie schon so oft sitze ich irgendwo im Nirgendwo, versuche meinen Gedanken Formen zu verleihen und starre blicklos in die Leere. Meine schlechte Laune lasse ich mir von keinen zwitschernden Vögeln vermiesen. Kein kitzelnder Sonnenstrahl ist imstande, Wärme in mir auszulösen. Kein Lächeln, das mir entgegengeworfen wird, zieht meine Mundwinkel nach oben.

Wieder so ein Tag, an dem ich das Leben tief in mir spüren will.

Ich stürze mich in meine Traumsucht und lasse mich von ihr dahinraffen. Je stärker ich auf andere Menschen – andere – wirke, desto schwächer scheine ich. Doch frage ich mich: Wo ist der Unterschied zwischen stark und schwach? Viele Schwächen zeichnen sich dadurch aus, die Stärke des jeweiligen Menschen zu sein. Wer zu stark scheint, wird von den Anderen – immer diese Anderen – als schwach eingeschätzt. Ihm wird eine Hülle vorgeworfen, hinter der er seine Schwächen zu verstecken versucht. Wie perfid muss die Welt sein?!

Langsam erwacht wieder die Wut in ihm. Weder die Dunkelheit die sich langsam auf die Erde niederlegt und mit der ganzen prächtigen Farbpalette in rot, orange und gelb gegen die, sich schwarzblau ankündigende Nacht kämpft, noch der allzu bekannte Geruch nach alterndem Holz das von seiner Hütte ausgeht, kann ihn besänftigen. Die Einsamkeit – eigentlich sein bester Freund – hat ihn gesellschaftsunfähig gemacht. Länger, als es braucht um für einen Monat Lebensmittel im Warenhaus in den Einkaufswagen zu schmeissen und an der Kasse mit dem Geld seiner verstorbenen Eltern zu bezahlen, hält er es nicht aus. Unter Menschen zu sein macht ihn einsamer, als wenn er allein ist.

Ich bin mir manchmal selber nicht mehr Herr genug. Ich schwimme mit dem Strom. Aber trotzdem. Manchmal halte ich mich an einem herabhängenden Ast fest, um in Ruhe beobachten zu können. Und ich vergesse nie. Zwischendurch lasse ich mich wieder fallen und das Spiel beginnt von neuem.
Ein Spiel ohne Regeln und Schiedsrichter. Ein Spiel, das man verliert, wenn man nicht mitspielt. Wie die Liebe.

In unserem Spiel, spielen wir mit den Anderen. Die Aussenseiter sitzen auf der Ersatzbank. Doch ein Spiel ohne Zeitlimit und Abgrenzung, lässt keine Einwechslungen zu. Einmal draussen, immer draussen. Sagen die Anderen.

Auch er war einst ein Anderer. Hatte einen gut bezahlten Job und drehte noch so jede kleine Münze um. Sein Vater war in armen Verhältnissen aufgewachsen und hatte ihm beigebracht, dass man niemandem sein letztes Hemd geben soll, wenn man selber keines mehr besitzt.

Zuerst komme ich, und dann der Rest.

In jungen Jahren hatte er sich dagegen gesträubt, zu studieren und dann die steile Karriereleiter zu besteigen. Er wollte frei sein, etwas von der Welt sehen, Menschen kennen lernen. Nicht tagtäglich dieselben Sachen sehen, hören und schmecken. Aber blosse Enttäuschung erfuhr er auf seinen Reisen und fand schnell wieder ins Elternhaus zurück.

Menschen sind nichts als Tiere. Rudeltiere, die ihre kranken und andersartigen Artgenossen zurücklassen. Eine Gruppe ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied.

Als wäre es gestern gewesen hört er noch die Stimme seines Vaters, der ihm kurz nach seiner Ankunft mit einem kurzen stechenden Blick und diesen Worte gezeigt hatte, dass er – sein Sohn – ein Taugenichts sei.

Hättest du auf mich gehört, wärst du nie fort gegangen. Wärst du nie enttäuscht worden. Wärst du glücklich.

Sein Vater sagte viel. Und was er sagte, hatte seine Gültigkeit. Fehler sind verboten in seiner Welt. Warum nur, musste er ausgerechnet sein Sohn sein?
Er hatte zugehört, ja. Aber nicht aufgenommen. Er wollte nicht. Sein Vater war niemand, der über seine Worte nachdachte. Ihnen in Form von Gedanken einen gewissen Tiefgang verleihen konnte. Seine Worte waren wie ein glühendes Eisen, das sich in die Haut brannte und Narben hinterliess.

Egal, wer was sagt, ob gelogen oder nicht, gesagtes spukt immer herum, ob in den Köpfen oder in der Luft. Frei von allen Gedanken gibt es nicht. Die Wenigsten interessiert es, ob man etwas zu sagen hätte, viele wollen nichts hören über Nachgedachtes. Das Einzige was für sie zählt sind belanglose Worte. Sie müssen sich nicht in Acht nehmen vor dem Falschen, denn sie sind gar nie gefährdet. Wer sich auf dünnes Eis wagt, muss sich selber retten. Auf festem Boden halten sie alle zusammen. Gemeinsam ist man stark. Glaube ich auch. Doch halten sie nur in Sicherheit zusammen. Riecht es nach Gefahr, sind sie verschwunden. Ist alles überwunden, sind sie wieder da, ohne Schimmer welch einschneidende Erlebnisse sie verpasst haben. Sie lassen es zu, sich voneinander zu entfernen, nur um sicher zu sein. Legen sie denn überhaupt keinen Wert auf die schlechten Seiten des Lebens?

Manchmal ist es notwendig, steile Hügel zu übersteigen, damit man sehen kann, was sich dahinter verbirgt. Es wäre einfacher, ihn zu umgehen, doch minimiert sich so die Freude, etwas geschafft zu haben, auf ein kleines Reststücklein. Egal. Ich habe mittlerweile gemerkt, dass ich meine Zukunft nicht dort finden werde, wo ich sie vermutet hätte.

Kompromisse wurden von seinem Vater verabscheut. Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht? Gerade Schritte auf gerader Strasse. Wessen Vergangenheit schwarz war, dessen Zukunft wird nicht heller werden. Wer sich nicht mit rund geschliffenen Kanten in die Meute der Gesellschaft einfügt, wird untergehen. Wird als schwächstes Glied ausgestossen und vereinsamt.

Ich lehne mich zurück und lausche mit geschlossenen Augen der schweigenden Stille. Ich kämpfe gegen die Lebensmüdigkeit an, die mich übermannt; noch ist nicht alles gesagt. Gehört habe ich schon manches.

Gründe sind Nebensache. Nebensachen sind vergänglich. Was niemand sein sollte. Ich will nicht niemand sein...

Er hat sich aber seine Einsamkeit selber ausgesucht. Sie erschien ihm lockender als das ewige Alleinsein unter Anderen. Ist er deswegen trotzdem das schwächste Glied? Er hat sich dem ewigen Kampf um Besitz und Reichtum entzogen. Macht ihn das klein und wertlos? Obwohl es nicht so sein sollte, fühlt er sich danach. Seine Gedanken bestimmen sein Gemüt. Sein Gemüt sein Empfinden. Und empfinden will er nichts mehr.

Wieder so ein Tag, an dem mich das Leben und dasjenige der Anderen eingeholt hat.

 

Hallo Golio

Danke für Dein Feedback!

Es ist tatsächlich so, dass der Prot. dieser KG ein absoluter Looser scheint. Einer der sich in seinen Gedanken verliert und so die Zeit stehen lässt obwohl er über Vergangenes oder Zuküntiges sinniert. Er denkt frei nach Konfuzius: Einen Fehler begehen und ihn nicht korrigieren; erst das ist ein Fehler.
Er will sich schützen, überhaupt Fehler begehen zu müssen.

Dies waren meine Überlegungen, wieso ich die KG in diese Sparte gepflanzt habe...

Aber Du hast recht - etwas wenig Handlung. Aber sag mir: wie soll ich eine Handlung in diese Geschichte reinbringen? Würde dies nicht allzu künstlich wirken?

Merci & Tschüss
Ste

 

Mahlzeit,

nun ja, wenig Handlung. Natürlich kann man das Thema in eine Geschichte packen. Kein Problem. Man stelle sich einen Einsiedler vor, der in seinem zusammengezimmerten Häuschen in seinem Schrebergarten wohnt, Punkt zehn vor geht an das Tor, die Post holt, zehn Minuten lang die Menschen beobachtet und wieder rein geht. Er hat bestimmte Zeiten und zu diesen Zeiten bestimmte Handlungen die er vollzieht (Vögel verscheuchen, Schnecken totschlagen, die "anderen" Kinder vergraulen mit dem bösen Blick). Besucher ignoriert er durch schweigendes Sitzen auf der Bank. Am Ende kann man ihn einfach auf der Bank sterben lassen, ohne dass es die anderen drumherum merken.

Heiko

 

Hy Ste,

Mehr ein innerer Monolog als eine Geschichte, und mehr eine Sozialstudie als ein philosophischer Ansatz. Stilistisch gefällt es mir gut, Du bist nur viel zu knapp bemessen.

Teilweise ist mir Dein Text zu berichtend, kommt durch die Form die Du gewählt hast und liest sich sich sehr sachlich, wenig mitreißend. Positiv ist, dass man etwas über Deinen Ich-Erzähler erfährt und wie er sich selbst sieht (selbstmitleid) und das er sich selbst erkennt (weiß wo er seine Zukunft nicht finden wird). Ansonsten würde ich Dir empfehlen, eine Handlung auszudenken und die ganzen Gedanken, die jetzt in dem Text stecken dort miteinzuarbeiten. Die sind schon wichtig für den Text, nur so wirken sie nicht richtig.

Er denkt frei nach Konfuzius: Einen Fehler begehen und ihn nicht korrigieren; erst das ist ein Fehler.
Wenn Du das nicht erwähnt hättest, hätte ich es aus Deinem Text nicht herausgelesen. Und auch jetzt muss ich um diesen Gedanken zu finden schon einiges hineininterpretieren (dabei soll man ja nur herausinterpretieren ;) ).

Es wäre schon bei Philosophisches mal eine Geschichte zu lesen, die man klar dieser Rubrik zuordnen könnte und denkt "that's it!", anstatt das der Text genauso gut unter Alltag oder Gesellschaft stehen könnte. Vielleicht sogar dort angebrachter wäre, weil ich finde das Du Deinen Leitgedanken mit dem Text noch nicht genügend transportieren konntest.

Ich will nicht niemand sein....
we're nobodies, we want to be somebodies... kleiner Hinweis: Drei Punkte am Ende des Satzes ist die Rechtschreibregel.

Ich mag Deinen Titel übrigens sehr.

miau!
Thorn

 

Hello Golio, Morphin & Thorn
Danke erst mal für die sehr konstruktive Kritik!
@ Golio

Vor allem passt die Erzählform, die Ste gewählt hat, ja sehr gut, denn für solche Loser, die zuviel nachdenken, spielt sich das Leben ja hauptsächlich innen ab. Sie fühlen sich wie Philosophen und Leute, die mitten im Leben stehen, gelten für sie als oberflächlich. Deshalb: Mit etwas Fantasie kann man ein Meisterwerk in diese KG hineinlesen.
hehe, ich könnte mich nun wochenlang in diesem Kommentar suhlen, wenn genau das mein Gedankengang gewesen wäre. Eigentlich finde ich ihn sehr interessant; aber meine Überlegung war es (leider) nicht.

@Morphin

Am Ende kann man ihn einfach auf der Bank sterben lassen, ohne dass es die anderen drumherum merken.
Müssen denn immer alle Looser am Schluss einer KG sterben? :D
Was die Handlung betrifft, hast du/habt ihr wohl recht. Aber alle Varianten die ich ausprobiert habe, wirkten einfach zu gekünstelt für mich, weshalb ich sie ganz weggelassen habe. Aber nun, new try!

@Thorn

Ansonsten würde ich Dir empfehlen, eine Handlung auszudenken und die ganzen Gedanken, die jetzt in dem Text stecken dort miteinzuarbeiten. Die sind schon wichtig für den Text, nur so wirken sie nicht richtig.
Werde es versuchen!
Was genau fehlt dir denn, dass du diese KG in dieser Rubrik richtig am Platz finden würdest?! Philosophische Ansätze, die aus den Gedanken des Protagonisten heraus entstehen oder Ausformuliertes?

Ich mag Deinen Titel übrigens sehr.
:rotfl: YEAH! was für ein Kompliment für meine erste gepostete KG !


Nun dann, meine Schreiblaune ist geweckt!
Auf bald!
La Ste

 

Experiment

so, ich habe nun etwas Neues ausprobiert und hoffe, dass die Geschichte zu den Gedanken passt und umgekehrt. Ist irgendwie völliges Neuland für mich und wäre darum froh für konstruktive Kritik. :thumbsup:

Tschaui
Ste

 

Hy Ste!

Ich habe jetzt Deine Überarbeitung gelesen und finde die Geschichte hat dadurch gewonnen und wirkt greifbarer. Es sind nicht nur Gedanken, die im Raum stehen, sondern man lernt auch den Hintergrund der Person kennen, dem sie gehören.

Stilistisch finde ich besonders den Einstieg flüssig. Hab da noch ein paar fehlende Kommas bemerkt und ähnliches, das schicke ich Dir dann per PM!

Spannend ist der Text weiterhin nicht... dafür passiert zu wenig. In dem Fall hast Du Dir ein leises Thema und eine leise Methode der Verarbeitung ausgewählt. Ich für meinen Teil mag es ganz gerne, wenn nicht immer eine Interaktion von Personen und viel Handlung stattfindet (kann mich also zum Beispiel auch mit Monologen anfreunden - ist Dein Text nicht mehr). Im Allgemeinen ist das aber gewünscht, weil es Spannung aufbaut; filmhaft ist.

"Hatte einen gut bezahlten Job, war enorm geizig und drehte noch so jede kleine Münze um. "

An dieser Stelle ist das "war enorm geizig" überflüssig. "drehte noch so jede kleine Münze um" sagt genau das, ohne direkt die Holzhammermethode zu verwenden.

miau!
thorn

 

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