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Serie Winternachtleben

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30.06.2014
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Winternachtleben

Ihre Stiefel knirschten überlaut in der erfrorenen Landschaft, jungfräulicher Neuschnee, soweit ihr Auge reichte. Auf dem Hügel vor ihr sah sie schon das Gerippe der Kastanie und daneben kündete ein Buckel im Einerlei des Schnees von einer Bank. Wer den Sommer in Mariähilf nicht kannte, hätte sie übersehen. Sie allerdings wusste von ihr, dorthin zog es sie. Sie wollte ihre Heimat von oben betrachten, vielleicht um Mut zu fassen, vielleicht wollte sie das Bild auch nur ein letztes Mal sehen.
Am Baum angelangt durchdrang sie mit der behandschuhten Rechten den Schnee, bis sie auf die Härte der Sitzfläche stieß, und schob sich einen schmalen Platz frei. Sie spürte die Anwesenheit des Dorfs hinter sich, wusste, dass sie sich umdrehen wollte. Aber es war so schwer. Es fühlte sich an, als hätte die Ortschaft Augen, die sich in ihren Rücken bohrten. Seit sie aus dem Bus gestiegen war, hatte sie einen riesigen Umweg genommen, um sie immer im Rücken zu haben.
Um Zeit zu gewinnen, wischte sie akribisch den letzten Rest Schnee vom Holz und setzte sich. Links und rechts türmte er sich hoch und gab ihr mit seiner kalten Präsenz Sicherheit.
Ihre Augen waren wie zugeklebt. Sie versuchte, sich mit einem kleinen Kindertrick selber zu überlisten, legte die Hände über die Augen und sagte leise kuckuck da. Es funktionierte, das Dorf breitete sich unter ihr aus. Der Himmel spannte sich kaltblau, mit einem Stich ins Türkis darüber, zerrissen wirkende Wolken in zartem Lachsrosa durchzogen ihn. Ein typischer Winterabendhimmel, der eine eiskalte Nacht ankündigte. Die Häuser waren dick verschneit, Rauch stieg aus den Schornsteinen und viele Tannenbäume in den Vorgärten waren mit Lichterketten geschmückt, alles sah sehr gemütlich aus. Ein Postkartenidyll, ihr fuhr der Anblick aber giftig in den leeren Magen und sorgte für Übelkeit. Schnell streifte sie die Handschuhe von den Händen und grub die Nägel tief in die Haut des Unterarms und kratzte sich blutig. Leider war das Ergebnis sehr unbefriedigend für sie. Deshalb durchsuchte sie ihr Gepäck nach etwas Scharfkantigem. Rasierklingen hatte sie keine, wie auch, sie kam direkt vom Ort ohne Schneiden. Resigniert legte sie ihr verkratztes Handgelenk auf den Schnee. Das brannte. Wenigstens etwas.
Erneut ließ sie die Augen über das kleine Allgäuer Dorf schweifen. Überall klafften Wunden, sprangen sie Erinnerungen an. Ihre Augen glitten an den Rand des Ortes.
Der Festplatz. Alfons.

Festplatz
Der Sommerwind, der sich wegen des heißen Asphalts wie Föhnluft auf höchster Stufe anfühlte, umstrich ihre frisch rasierten Beine. Sie hatte damit erst dieses Jahr begonnen, das Fehlen der Haare machte die Haut empfindlicher, als lägen die Nerven offen. Sie genoss das Gefühl der Anwesenheit ihres sonst tauben Körpers. Die Finger ihrer Hand umschlossen die von Alfons. Zwischen ihnen hatte sich eine klebrige Schicht Schweiß gebildet. Es roch staubig, nach trockenem Heu und ein bisschen nach Aas, ein zu heißer Sommer, der selbst das grüne Allgäu zur mumifizierten Steppe machte.
„Ich glaub, ich lieb dich schon.“ Mit diesen Worten blieb sie stehen und zog ihn her, damit er ihr gegenüber stand. „Ich glaub, wir könnten heute Hand in Hand zum Festzelt gehn. Jetzt dürfens alle wissen. Weil … weil ich dich glaub schon lieb hab.“
Er schaute sie an wie von Donner gerührt, aber auch ein bisschen Weihnachten und Ostern an einem Tag mischte sich in die Mimik seines Gesichtes, das gerade erst die entstellende Phase der Pubertät hinter sich hatte.
„Bist du dir sicher?“
„Was meinst du? Ob ich mir sicher bin, mit dir drüben Händchen zu halten, oder dass ich dich liebe?“, fragte sie verschmitzt.
„Alles.“
„Ja und ja.“
Nervös flackerte sein Blick unter ihrem und er zog sie etwas tollpatschig in eine atemberaubende Umarmung, er hatte den rechten Umgang mit einem Mädchen noch nicht gelernt.
„Nicht so fest, du erdrückst mich, ich bin kein Heuballen …“, keuchte sie erstickt an seiner Brust.
„Tut mir leid, Schatz“, sagte er zerknirscht und ließ sie so schnell los, dass sie beinahe rückwärts umgefallen wäre.
„Ich könnte verrückt werden vor Glück. Ich lieb dich auch so arg.“
Die Hitze im Zelt war unerträglich. Alle hatten sich Bänke nach draußen geschafft, nur zum Bierholen ging man in die Hölle aus Bläsertusch und Schweißgeruch. Die offensichtliche Verbindung der beiden führte zu viel Gekicher an der Mädchenfront und einer nicht enden wollenden Salve von anerkennenden Ellenbogenstößen der Jungs. Er kaufte ihr ein Lebkuchenherz mit dem sinnigen Spruch „Du bist mein Schatz“.
Brigitte musste sich daraufhin erstmal ein Bier holen, seine stolz geschwellte Brust und die Liebesbezeugungen wurden ihr schlagartig lästig. Sie musste sich seine Klebrigkeit wegsaufen, da sie wie so oft nicht verstehen konnte, warum sie einen Jungen in einem Moment lieben und im nächsten derartig von ihm abgestoßen sein konnte. Kotzen hätte sie können, auf seine Arglosigkeit. Warum zum Teufel gab es immer einen Knick in ihrer Wahrnehmung?
Die Sonne färbte sich langsam rot, die Alten verabschiedeten sich nach und nach, die Kapelle des JMS packte ihre Instrumente ein und es kam Musik vom DJ Andy. Brigitte war besoffen und versuchte unauffällig Alfons zu entkommen. Erwischte er sie, bekam sie klebrige Bierküsse.
„Hör auf zu saufen, du bist peinlich.“
„Jeder, jeder darf es wissen, die Biggi und der Alfi sind ein Paar“, lallte er im Freudentaumel.
„Jetzt hör einfach auf damit, das ist mir echt lästig“, sagte sie und verschwand wieder in der schützenden Menge junger Erwachsener. Was hatte sie nur getrieben, ihm das zu erlauben?
Ärgerlich stellte sie sich erneut in die Schlange um sich weitere Pfandmarken zu besorgen.
Plötzlich hörte man ein ohrenbetäubendes Brummen von der Horde herannahender Mopeds. Die bösen Jungs aus Ratzenhofen trafen ein. Das bedeutete immer Ärger. Die Mariähilfer und die Ratzenhofener waren historisch verfeindet.
„Die Ratzen kommen“, raunte es durch die Menge. Sofort machte sich Anspannung breit, man spürte die Bereitschaft, alles, egal um was es sich handelte, mit den Fäusten zu lösen.
Biggi fand die Jungs ziemlich anziehend, nestelte sich in ihrem Haar und knetete sich die Dauerwelle wieder schön auf Volumen.
Die Kerle zogen in Reih und Glied breitschultrig Richtung Zelt. Die Jugendlichen stoben auseinander, jeder machte Platz, keiner wollte der Anlass für die erste blutige Nase sein. Sie stellten sich an den Ausschank, Bier wurde ihnen auch ohne Pfandmarken verkauft.
Sie witterte den großen Auftritt und schritt lasziv, sich eine Haarsträhne zwirbelnd, auf die Mitte der Tanzfläche. Dort stand sie erst still und spürte, wie sich die Aufmerksamkeit auf sie richtete, dann begann sie langsam nur die Hüfte zu bewegen, hob bedächtig einen Arm nach oben, ließ den Unterarm sachte in den Nacken fallen, schmiegte das Gesicht an den aufgerichteten Oberarm, beugte den Kopf im Zeitlupentempo nach hinten und präsentierte mit geschlossenen Augen ihre Kehle. Wartete eine effektvolle Stelle ab und wirbelte das Haar nach vorne, tanzte ein paar Takte wild, mähnewirbelnd und schnell, um dann wieder quälend langsam die Hüfte kreisen zu lassen.
Alle männlichen Fische hatten angebissen und verfolgten ihren Balztanz wie erstarrt.
Genau das war ihr Ding. Sie hatte den Kerlen die Show gestohlen und nun zappelten sie an ihrer unsichtbaren Angelschnur. Gelangweilt vom nächsten Lied schritt sie wie zufällig zu den Bad Boys und ließ sich zu Bier und Kippen einladen. Lächelte etwas abwesend und setzte ihren heißesten Schlafzimmerblick auf.
„Du bist ja ein scharfes Gerät, sag, dass du nicht aus Mariähilf kommst“, quatschte sie einer der Typen an. Noch bevor sie antworten konnte, wurde er von dem ältesten der Kerle weggestoßen.
„Verschwinde Heiner, das hier wird meine Braut.“
„Da hab ich aber auch noch ein Wörtchen mitzureden“, erwiderte sie aufbrausend.
„Ach komm, was willstn mit dem Heiner, er ist ein Vollhonk. Ei, was bist du für ein süßes Ding …“ Er führ ihr mit einem Finger über die Nase, dann Lippen und machte eine Andeutung Richtung ihrer Brüste.
In dem Moment bahnte sich Alfons einen Weg durch das Zelt.
„Biggi, komm raus, was willst du von den Typen!“
„Was ist denn das für ein lächerlicher Pappkamerad, willst du ein paar aufs Maul?“
„Das ist meine Freundin!“
„Sag, Tausendschönchen, ist der Bauerntrampel dein Freund?“
„Nein, ist er nicht. Der geht mir schon den ganzen Abend auf den Geist.“
„Was?“, stöhnte er eine Spur zu weinerlich, die Galle kam ihr schon wieder hoch, „warum sagst du das, Biggi?“
Sie wollte und musste ihm weh tun. „Nimm Dein lächerliches Herz und benimm dich einmal nicht wie ein Kleinkind.“ Sie riss sich den Süßkram von der Brust ließ es an der Schnur vor seinem Gesicht hin und her baumeln und letztlich vom Finger rutschen. „Verschwinde.“
Der Rocker nickte zwei seiner Kumpels zu und die schleppten den erschütterten Alfons aus dem Zelt.
„So, das Problem gelöst, Schönchen, wie wärs, du kommst mit uns, wir fahren ein Stück in die Pampa, knallen uns auf die Wiese, saufen und kiffen was? Hier ist es doch eh stinklangweilig.“ Er schaute ihr tief in die Augen und sah dabei so aufregend aus, wild, mit seiner wuscheligen Mähne, seiner löchrigen Jeansweste, die offen stand, sie sah seine dunklen Brusthaare, die sehnig definierten Muskeln und konnte nur nicken.
„Okay, Freunde, wir machen einen geplanten Rückzug, keine Schlägerei, wenn es sich vermeiden lässt, wir haben eine Lady dabei.“
Draußen gingen sie direkt auf Alfons zu.
„Biggi, bitte mach das nicht. Nicht mit denen.“
„Lass mich in Ruhe du Depp und heul nicht ins Hemd“, keifte sie aufbrausend, „ich bin nicht dein Eigentum, geh deine Kühe melken.“ Sie versuchte sein erschrockenes Gesicht und die hängenden Schultern zu ignorieren und ging entschlossen mit den Rockern vom Festplatz.

Sie fuhren Richtung Siggen, zum Buchweiher. Dort legten sie sich ans Ufer. Gleich machte eine Flasche Tequila die Runde, etwas später folgte eine Tüte. Sie hatte noch nie gekifft, dementsprechend wurde ihr schnell schwindelig.
„Komm her, Schönchen, wie heißt Du eigentlich?“
„Biggi.“
„Ich bin der Wolf. Der böse“, sprachs und biss ihr dabei leicht in den Hals. Sie wand sich ein bisschen und kicherte. Er leckte ihr den Hals entlang und fuhr mit der Zunge in ihr Ohr. Das fühlte sich knistrig an, warm und feucht, sie bekam eine Gänsehaut und ihre Nippel stachen durch den zarten Stoff ihres Sommerkleids. Dann küsste er ihren Mund. Erst sachte, dann schnell fordernd und raumgreifend, ihr Mund war ganz ausgefüllt von seiner Zunge, er biss ihr in die Lippen, was weitere Schauer durch ihren Körper schickte, seine grobe Hand tastete sich wissend über ihren Bauch, öffnete zwei Knöpfe und fuhr Richtung Brust.
„Nein, hör auf, die können uns doch zuschauen.“
„Stört es hier jemand, dass wir fummeln?“
Gelächter und Verneinungen schlugen herüber.
„Siehst du, es stört nicht.“
„Aber …“
„Pscht, halt deinen hübschen Schnabel und genieße einfach die wunderbare Nacht und den Rausch, sei nicht so spießig.“
Sie schloss ihre Augen und gab sich ihm hin. Er knöpfte ihr Kleid ganz auf und widmete sich ihren Brüsten. Sie spürte innerlich das Blut hinabrauschen zwischen ihre Beine. Dort wurde es immer heißer und die Hitze verwandelte sich in Feuchte. Er fuhr ihr mit immer härter werdenden Berührungen die Flanken hinunter, seine Hände quetschten sich unter ihren Po und hoben sie ein Stück hoch, um ihr Hinterteil zu kneten.
„Was für ein geiler Arsch“, raunte er ihr ins Ohr, „was für geile Nippel, sag, dass ich dich jetzt ficken soll. Nein, jetzt tu nicht so, das ist eh nur Theater, du bis klitschnass. Du willst nichts sagen? Okay, dann bin ich jetzt der böse Wolf und übernehme die Verantwortung für die Schandtat am Rotkäppchen.“ Bei den Worten, die sie immer mehr erregten, spielte er mit der Hand zwischen ihren Beinen. Nun war ihr alles egal, sie gab sich ihrer Wollust hin. Das spürte er, öffnete seine Hose und drang in sie ein. Er war geübt in solchen Dingen. Sie hatte es bisher nur mit nervösen Anfängern zu tun und war sehr bald außer sich vor Lust. Die meiste Zeit hatte sie die Augen geschlossen, wenn sie sie mal kurz öffnete, sah sie die Gruppe junger Männer um sie herum zusehen. Das war einerseits peinlich, aber irgendwie erregte es sie noch mehr. Er war sehr ausdauernd, bald hallte ihr Stöhnen so laut über den See, dass er ihr den Mund zuhielt.
„Du bist ein kleines, verdorbenes Stück, ich habs es ja gewusst.“ Dann stieß er noch ein paarmal tief in sie hinein, presste brutal ihren Mund zu und ergoss sich zuckend in ihren Leib, brach auf ihr zusammen und hielt sie einen Moment umschlungen.
„Du bist noch nicht gekommen, hab ich recht?“
„Nein, aber das ist nicht schlimm…“
„Nein, ist es nicht, wir sind ja nicht alleine hier. Jörg, komm mal her, die Lady braucht noch einen Mann, Sie ist schon vorbereitet, schau dir die geilen Titten an!“
„Ich stehe eher auf einen geilen Arsch, dreh dich um und zeig ihn mir.“
Sie war hin und her gerissen zwischen Lust und Moral, aber die Jungs nahmen ihr die Entscheidung über gut und böse ab und vögelten sie einer nach dem anderen. Die Lust verebbte irgendwann, dann rutschte sie in einen paralysierten Zustand und ließ ohne Widerworte mit sich anstellen, was sie wollten.
Nachdem sich alle an ihr befriedigt hatten, lag sie auf der Wiese. Ihr Körper schmerzte, zwischen ihren Beinen liefen die Hinterlassenschaften hinaus. Sie fühlte sich schmutzig wie noch nie.
Dies war die Nacht, als sie sich das erste Mal schnitt. Später, als sie alleine war in der Badewanne, alleine mit der Aufgabe zwischen Böse und Gut zu unterscheiden. Sie versuchte sich einzureden, dass dies alles eine Vergewaltigung gewesen war. Aber tief in ihr drin spürte sie die Selbstlüge. Sie hatte das alles gewollt. Sie hatte sich schuldig gemacht. Versündigt.
Sie war kein gutes Mädchen mehr. Jesus würde ihr das nie verzeihen.

Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade. Der Herr ist mit dir.
Du bist gebenedeit unter den Weibern, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.

Abfällig leierte sie die alte Litanei. Es hatte begonnen zu schneien. Verächtlich schaute sie zur Dorfmitte. Dort erhob er sich, der Kirchturm.
„Fick dich selbst, Arschloch.“

 
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Ihre Stiefel knirschten überlaut in der erfrorenen Landschaft. Der hügelige Anstieg war bar jeder Spur, jungfräulicher Neuschnee, soweit ihr Auge reichte. An der Spitze der Anhöhe sah sie schon das Gerippe der Kastanie und daneben kündete ein Buckel im Einerlei des Schnees von einer Bank. Wer den Sommer in Mariähilf nicht kannte, hätte sie übersehen. Sie allerdings wusste von ihr, dorthin zog es sie. Sie wollte ihre Heimat von oben betrachten, vielleicht um Mut zu fassen, vielleicht wollte sie das Bild auch nur ein letztes Mal sehen.

Da entwirfst du gleich zu Beginn ein wirklich eindrückliches Bild, Gretha, ist ein echt guter Einstieg, finde ich, und auch sehr schön geschrieben.
Ein paar Sachen allerdings hauen für mich da nicht ganz hin:
Der hügelige Anstieg war bar jeder Spur. Hehe, coole Formulierung irgendwie. Über die wird so mancher den Kopf schütteln, schätz ich mal, aber mir gefällt sie. (Auch wenn sie eigentlich unnötig ist, weil jungfräulicher Schnee dann eh dasselbe sagt.)
Der hügelige Anstieg ist es, der mich ein bisschen stört. Das ist einfach zu unpräzise, also topographisch unpräzise meine ich, ich weiß nicht recht, was ich mir da vorstellen soll. Was ist ein hügeliger Anstieg? Ein Weg, der bergauf, bergab geht? Oder der auf einen Hügel hinaufführt? Hm. Ich würde den Satz einfach raushauen, weil sich mir auch ohne ihn erschließt, was da gerade passiert:

Ihre Stiefel knirschten überlaut in der erfrorenen Landschaft, jungfräulicher Neuschnee, soweit ihr Auge reichte. An der Spitze der Anhöhe sah sie schon das Gerippe der Kastanie und daneben kündete ein Buckel im Einerlei des Schnees von einer Bank.

Da steht doch alles drin, findest du nicht?
Eine Frau geht offenbar einen tiefverschneiten Hügel hinauf.

an der Spitze ist allerdings auch nicht gut.
Für mein Gefühl ist an die falsche Präposition, weil du ja vermutlich auf der Spitze meinst. Was aber egal ist, weil ich beim höchsten Punkt einer Anhöhe oder eines Hügels ohnehin nicht an eine Spitze denke. Hm.
Was hältst du davon?

Ihre Stiefel knirschten überlaut in der erfrorenen Landschaft, jungfräulicher Neuschnee, soweit ihr Auge reichte. Auf der Anhöhe vor ihr sah sie schon das Gerippe der Kastanie und daneben kündete ein Buckel im Einerlei des Schnees von einer Bank.
(Oder: Oben auf der Anhöhe/dem Hügel sah sie schon …)

Am Baum angelangt durchdrang sie mit der behandschuhten Rechten den Schnee, bis sie auf die Härte der Sitzfläche stieß [Komma] und schob sich einen schmalen Platz frei.

Unschlüssig wischelte sie noch etwas Schnee vom Holz und setzte sich.
Kann man so natürlich sagen. Dumm nur, dass das Verb wischeln bei uns in Ö noch eine ganz andere Bedeutung hat. Außerdem ruckelts satzrhythmisch irgendwie, kommt mir vor.
Vielleicht besser: … wischte sie.

Die Augen waren wie zugeklebt. Sie versuchte, sich mit einem kleinen Kindertrick selber zu überlisten, legte die Hände über die Augen und sagte leise kuckuck da.
Da würde ich am Satzanfang ausnahmsweise das Personalpronomen ihre bevorzugen, erstens weil zwei Zeilen weiter oben auch von den Augen des Dorfes die Rede ist, und zweitens die Wiederholung des Artikels die vermieden wird. Liest sich einfach besser.

… das Dorf breitete sich unter ihr aus. Der Himmel spannte sich kaltblau, mit einem Stich ins Türkis darüber, zerrissen wirkende Wolken in zartem Lachsrosa durchzogen ihn.
darüber bezieht sich auf das Dorf, oder? Dann solltest du das Komma hinter kaltblau weglassen.

Die Häuser waren alle dick verschneit, Rauch stieg aus den Schornsteinen …
Geb ich jetzt einfach mal zu bedenken.

Schnell streifte sie die Handschuhe von den Händen und grub die Nägel tief in die Haut des Unterarms und kratzte sich blutig.
Irgendwie gefällt mir das nicht. Vielleicht, weil sie ja zwei Unterarme hat? Hm.
Vielleicht so: … eines Unterarms

sie kam direkt vom[n] dem Ort ohne Schneiden.

Ja, Gretha, den ganzen ersten Abschnitt finde ich wirklich toll - und sorry, dass ich da so in deinen Sätzen herumfuhrwerke, aber ich täte das nicht, wenn sie mir nicht grundsätzlich schon sehr gut gefielen. Ich hab dir einfach alles gesagt, worüber ich persönlich mir den Kopf zerbrechen würde, wären’s meine Sätze. Ist halt ein elender Kampf manchmal um die perfekte Formulierung und vieles natürlich Geschmackssache.

Ja, und auch die Festzeltszene dann fand ich toll beschrieben, also diese rauschhafte Atmosphäre, die durch Sommerhitze und Biersaufen entsteht, und diese provinzielle Sichtweise, wonach ein Zeltfest nur dann ein gelungenes Zeltfest ist, wenn es zu einer zünftigen Schlägerei kommt, Mann, diesen folkloristischen Irrsinn kenn ich noch aus meiner Jugend. (Und ausgesprochen witzig fand ich auch, dass die Rabauken aus dem Nachbardorf nicht mit schweren Motorädern daherkommen, sondern mit knatternden Mopeds, hehe, richtige Rocker halt.) Das alles bringst du wirklich gut rüber.

Nicht ganz leicht tat ich mir anfangs mit der Einschätzung des Pärchens. Wie sie da noch auf dem Weg zum Fest sind, dachte ich erst, zwei süße, unschuldige Teenager, erste Liebe und so, und tat mir dann entsprechend schwer, den rasanten Gefühlsumschwung von Brigitte nachzuvollziehen, also wie dieses vermeintlich verliebte Mädchen dem Alfons plötzlich quasi mit dem Arsch ins Gesicht fährt.
Ich hab echt lang gebraucht, bis ich das mit der Anfangsszene in Verbindung brachte, wo ja eindeutig von Brigittes Selbstverletzungen die Rede ist, auch davon, dass sie offenbar in einer Klinik war.
Also offenbar geht‘s da um eine Borderline-Kranke. Aber ich habe mich halt noch nie mit dem Krankheitsbild der Borderline-Störung befasst, ich hab null Ahnung, was da - abgesehen von den Selbstverletzungen - noch so abgeht in der Psyche der Betroffenen. Deshalb bin ich wohl so lange auf der Leitung gestanden. Und ich weiß jetzt natürlich auch nicht, inwiefern Brigittes weiteres Verhalten, dieses Posieren und sich Ranschmeißen an die Jungs, und dann schließlich das Akzeptieren des Gangbangs, also ob das sozusagen wirklichkeitsgetreu ist. Auf jeden Fall beschreibst du es sehr eindrücklich, in echt starken Bildern.

Und auch den Schluss fand ich echt heftig:

Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade. Der Herr ist mit dir.
Du bist gebenedeit unter den Weibern, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.

Abfällig leierte sie die alte Litanei. Es hatte begonnen zu schneien. Verächtlich schaute sie zur Dorfmitte. Dort erhob er sich, der Kirchturm.
„Fick dich selber, Arschloch.“


Also das macht mich wirklich neugierig, wie die (Leidens)Geschichte der Brigitte weitergeht.
Bis jetzt ist es ein sehr starker Text, finde ich.
Hast du gut gemacht, Gretha.

offshore


Halt, zwei Kleinigkeiten noch:

Die Mariähilfer und die Ratzenhofener waren historisch verfeindet.
„Die Ratten kommen“, raunte es durch die Menge
„Die Ratzen kommen“ gefiele mir noch besser. (Und oisisaus wird mir vermutlich zustimmen. :D)

Biggi fand die Jungs ziemlich anziehend, nestelte sich in ihrem Haar und knetete die Dauerwelle wieder schön auf Volumen.
Frisurentechnologisch gesehen bin ich mit meinem 3mm-Kurzhaarschnitt nicht gerade der Richtige, mich dazu zu äußern, aber kann man das echt so sagen: eine Dauerwelle kneten?
Also sprachtechnologisch gesehen gefällt mir der Ausdruck hier überhaupt nicht. Äh … sie strubbelte sich? Sie wuschelte sich? Hm. Keine Ahnung.
(Auf das Reflexivpronomen hinter nesteln könnte ich übrigens verzichten.).

 
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Hallo Gretha,

hat mir sehr gefallen, deine Geschichte. Authentisch, etwas spitzige Klischees wohldosiert eingebracht und das Ganze kombiniert mit einem guten Hauch Tragik. Wirklich gut gemacht.

Auch finde ich viele deiner Bilder sehr gut, wenn auch das eine oder andere etwas gar ziseliert gezeichnet sein mag, so hatte ich doch den Eindruck einer recht runden Sprache und würde da gar nicht groß was reduzieren. Aber da bin ich jetzt vielleicht nicht ganz so repräsentativ, bei meinem Hang zur "Plaudersprache".


Schnell streifte sie die Handschuhe von den Händen und grub die Nägel tief in die Haut des Unterarms und kratzte sich blutig.
Irgendwie gefällt mir das nicht. Vielleicht, weil sie ja zwei Unterarme hat? Hm.
Vielleicht so: … eines Unterarms
Nee, hier mag ich offshore widersprechen: Wenn, dann klingts flüssiger so: ".... ihres Unterarms", weil an beiden gleichzeitig kann sie sich eh nicht kratzen, gell?


Ein paar Kleinigkeiten noch, über die ich gestolpert bin:

Rasierklingen hatte sie keine, wie auch, sie kam direkt vom von dem Ort ohne Schneiden.

... und einer nicht enden wollenden Salve von anerkennenden Ellenbogenstößen der Jungs.

... warum sie einen Jungen in einem Moment lieben und im nächsten derartig von ihm abgestoßen sein konnte.

„Die Ratten kommen“, raunte es durch die Menge.
Hier muss ich ernst offshore Recht geben: es kann nur heißen "Die Ratzen" kommen ;)
Den Gefallen musst du mir schon tun!

Biggi fand die Jungs ziemlich anziehend, nestelte sich in ihrem Haar und knetete die Dauerwelle wieder schön auf Volumen.
Ich kenn' das nur ohne "sich": sie nestelte in ihrem Haar. Und um beim "Kneten" Volumen zu kriegen, da bräucht's dann schon noch ein Stück Hefe dazu, gell? Nein, ehrlich, das trifft's nicht ganz. Mir fällt aber gerade auch nichts Sinnvolles ein. Offshores "Wuscheln" scheint mir vielleicht erwägenswert, oder so.

Lächelte etwas abwesend und setzte ihren besten Schlafzimmerblick auf.
Hier drängte sich mir der mE treffendere Begriff "heißesten Schlafzimmerblick" auf. ... Nur mal nebenbei bemerkt ;)

Einzig der Titel deiner Geschichte vermag mich nicht so recht zu überzeugen. ME greift er nur den Rahmen zur eigentlichen Geschichte auf und ist daher irgendwie zu weit weg vom Kern. Ich hoffe du verstehst, was ich meine. Dennoch: wirklich gerne gelesen.

oisisaus

 

Danke, ihr zwei Lieben.
Ich antworte Euch noch morgen ausführlich, ich habe heute so viel gearbeitet, dass ich nur noch die stabile Seitenlage mit der Fernbedienung in der Rechten schaffe.

Ganz kurz zum Thema "kneten". Ich führe es jetzt einfach auf den Umstand zurück, dass ihr zwei liebreizende, aber sehr kurzhaarige Männer seid. Denn Dauerwellen und auch Naturwellen werden geknetet. Das ist der legitime Fachausdruck für das Haaretrocknen mit dem Diffusor, über Kopf und mit knetender Handbewegung.

Kleiner Ausflug in die Mädchen-Haar-Welt:
https://www.youtube.com/watch?v=hlQ_TcCNToQ
Bis morgen, ausführlich,
Gretha

 
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Lieber ernst offshore

Ja, Gretha, den ganzen ersten Abschnitt finde ich wirklich toll - und sorry, dass ich da so in deinen Sätzen herumfuhrwerke, aber ich täte das nicht, wenn sie mir nicht grundsätzlich schon sehr gut gefielen.

Erst mal herzlichsten Dank fürs herumfuhrwerken. Ganz ehrlich, ich habe am zweiten, dritten und vierten Satz so viel herumgemacht, dass ich vor lauter Anhöhen/Hügeln/Anstiegen/Buckeln gar nichts mehr gesehen haben, als allerletztes die einfachste Lösung. Leider ist das bei mir immer so, ab einem gewissen Stadium ist mein Gehirn wie vernagelt. Ich bin sehr dankbar für Deine ordnende Hand.

Nicht ganz leicht tat ich mir anfangs mit der Einschätzung des Pärchens.

Ja, das Pärchen ... Das ist tatsächlich ein bisschen schwierig, ich mache mir darüber seit gestern Gedanken. Tatsächlich hat auch mein erster Testleser, der ebenfalls nicht gerade dusselig ist, nicht geblickt, um was es geht. Danach habe ich den Bruch, den ich bewusst gesetzt habe, versucht zu verdeutlichen. Ich habe nun ein bisschen Angst, es noch deutlicher hervorzuheben, dass sie an Borderline erkrankt ist. Denn sonst sehe ich schon den nächsten um die Ecke biegen, der "KLISCHEE! KLISCHEE!" brüllt.

Ich finde es ganz, ganz schwierig in einer Kurzgeschichte, etwas zu verdeutlichen, etwas zu zeigen, ohne es zu benennen, ohne Klischees verwenden zu müssen, aber dennoch so zu zeichnen, das klar wird, um was es mir geht.
Irgendwann lerne ich vielleicht noch den schmalen Grat zwischen Erklärbär und hervorgerufenem Unverständnis zu meistern. Vielleicht auch nicht.:heul:

Also das macht mich wirklich neugierig, wie die (Leidens)Geschichte der Brigitte weitergeht

Mich auch. Bisher befinde ich mich noch in der Phase der Kopfgeburt.

Bis jetzt ist es ein sehr starker Text, finde ich.Hast du gut gemacht, Gretha.

Du kannst gar nicht ermessen, was mir das bedeutet, danke.

Liebst, Gretha

Zu Dir, Oisisaus, komm ich später noch.

 
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Zu Dir, Oisisaus, komm ich später noch.

Huuch! Nicht hauen! Ich hab's doch nicht bös' gemeint!

;)

 
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Liebe Gretha,

mir gefällt bei deinem Text die Dichte der Atmosphäre und die Nachvollziehbarkeit der Situation und der Charaktere. Das ist dir gut gelungen. Deine Art zu schreiben zieht mich in die Handlung hinein.

Auch den inneren Konflikt, die innere Zerrissenheit der Brigitte, bringst du sehr gut rüber.

Dies war die Nacht, als sie sich das erste Mal schnitt. Später, als sie alleine war in der Badewanne, alleine mit der Aufgabe zwischen Böse und Gut zu unterscheiden. Sie versuchte sich einzureden, dass dies alles eine Vergewaltigung gewesen war. Aber tief in ihr drin spürte sie die Selbstlüge. Sie hatte das alles gewollt. Sie hatte sich schuldig gemacht. Versündigt.
Sie war kein gutes Mädchen mehr. Jesus würde ihr das nie verzeihen.

Am Ende nimmst du den Rahmen deiner Geschichte wieder auf. Brigitte kommt zurück von einem Ort ‚ohne Schneiden’. Vielleicht hat sie eine Therapie gemacht? Aber es scheint nichts geholfen zu haben, sie sucht wieder nach einer Möglichkeit, sich selbst Schmerz zuzufügen.

Und immer noch scheint sie in ihrer religiösen Befangenheit zu sein, obwohl sie nun die Litanei abfällig runterleiert.

Was ist passiert? Wie geht es weiter? Wie entwickelt sich Biggi?

Ich bin gespannt auf deine Serie. Du hast mich sehr neugierig gemacht.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Huuch! Nicht hauen! Ich hab's doch nicht bös' gemeint!

An sich ne ulkige Idee, lieber oisisaus, aber ich bin mir ziemlich sicher, die Chance, dass ich eines Tages anfange Männer zu hauen, ist relativ gering einzuschätzen. Aber ich sage niemals "nie".
Quatsch bei Seite, warum sollte ich Dich hauen wollen, ich freue mich, dass Du Dich mit meiner Geschichte auseinander gesetzt hast. Die Gefundenen Fehler habe ich schon korrigiert.
Auch habe ich Dir den Ratzen-Gefallen gemacht, obwohl mir "Ratten" besser gefallen hat, ich bin aber ein großzügiger Mensch.

Einzig der Titel deiner Geschichte vermag mich nicht so recht zu überzeugen. ME greift er nur den Rahmen zur eigentlichen Geschichte auf und ist daher irgendwie zu weit weg vom Kern.

Ich bin mit dem Titel auch nicht so ganz zufrieden. Ich habe die Geschichte, die ja eine Serie ist, bisher noch nicht fertig geschrieben. Zwar gedanklich entworfen, aber noch nicht fertig gestellt. Deshalb musste ich mich an den Rahmen halten, denn da weiß ich, wo es anfängt und endet. Vielleicht ändere ich ihn noch, wenn ich die Geschichte ganz und gar kenne.
Ich bin eine Schreiberin, die sich immer viel Freiheit nimmt, bis auf den groben Rahmen gebe ich mir keine Vorgaben. Da eine Geschichte bei mir immer passiert, während des Schreibvorgangs.
Deshalb ist es vielleicht auch nur eine Vorab-Bezeichnung.
Schön, dass sie Dir gefallen hat, das freut mich wirklich.

Liebste Grüße von Gretha

 

Hallo Gretha,

deine Sprache mag ich wieder mal sehr. Du benutzt frische unverbrauchte Bilder, schreibst sehr sinnlich. Die verschneite Bank, die Kälte, das scheinbar idyllische Dorf, man ist beim Lesen mitten drin. Und wie du mich aus der Kälte in den heißen Sommer katapultierst und wieder zurück, hat mir auch gut gefallen.

Die Finger ihrer Hand umschlossen die von Alfons. Zwischen ihnen hatte sich eine klebrige Schicht Schweiß gebildet.

Sowas z.B. toll!

So wie ich es verstanden habe, gibt es in Biggis Zerissenheit zwei Ebenen. Das eine ist die zwischen der strengen Moral des Dorfes ("Mariähilf" genialer Name :D) und ihren sexuellen Sehnsüchten.

Aber da gibt es noch etwas dahinter.

Sie genoss das Gefühl der Anwesenheit ihres sonst tauben Körpers.
Die Lust verebbte irgendwann, dann rutschte sie in einen paralysierten Zustand und ließ ohne Widerworte mit sich anstellen, was sie wollten.

dazu das Schneiden, das, was schon als Borderline - Störung benannt wurde.

Wenn sie einfach nur sehr spießig aufgewachsen wäre, hätte sie vermutlich nicht diese Störungen in ihrer Körperwahrnehmung, wäre nicht so autoaggressiv, oder?

Dort erhob er sich, der Kirchturm.
„Fick dich selbst, Arschloch.“

Hass auf die Unterdrückung durch die kirchliche Moral oder gar Mißbrauch durch den Pastor?

Sie war hin und her gerissen zwischen Lust und Moral

moralische Bedenken erscheinen mir an diesem Punkt irgendwie seltsam. Vielleicht ist es auch der Ausdruck "Moral", der mich irritiert. Entsetzen über sich selbst, Angst, Ekel (die Angst fehlt mir hier überhaupt, aber vielleicht liegt es an den Drogen oder an ihrer Störung, dass sie die nicht fühlt?) Oder sie sieht plötzlich Maria vor sich, die sie traurig anblickt, oder so was?

Und vielleicht wäre es auch gut den paralysierten Zustand noch genauer zu zeigen.

Richtig gut finde ich den Anfang, wie ihr vorsichtiges Gefühl für den Jungen in Verachtung umschlägt. Die Szene mit den Rockern hat zunächst was von einer sexuellen Phantasie für mich, deshalb fast etwas irreal, bis ihre Gefühle umschlagen.

Rasierklingen hatte sie keine, wie auch, sie kam direkt vom Ort ohne Schneiden.

Das habe ich erst kapiert, als Ernst Offshore das erklärt hat.

Insgesamt eine spannende Geschichte, die mir jetzt schon einige Tage im Kopf herum gegangen ist.

Liebe Grüße von Chutney :)

 

Hallo Gretha

was für eine gewaltige Geschichte ! Bilderreichtum und eine durchdachte Handlung, die zwar drastisch ist, aber in jedem Augenblick nachvollziehbar...dicht und ruhig erzählt...
Anfangs dachte ich, dass ich nicht verstehe, warum deine Prot mit den Jungs aus dem anderen Dorf mitgeht, aber dann fand ich es folgerichtig, nur die Wut auf das Dorf am Ende (und am Anfang), darüber muss ich noch nachdenken...
Mit das beste, was ich hier in letzter Zeit gelesen habe ...

Ein paar Anmerkungen dennoch:

Am Baum angelangt durchdrang sie mit der behandschuhten Rechten den Schnee,
klingt etwas gestelzt und das Komma nach angelangt fehlt, oder?

Ein typischer Winterabendhimmel, der eine eiskalte Nacht ankündigte. Die Häuser waren dick verschneit, Rauch stieg aus den Schornsteinen und viele Tannenbäume in den Vorgärten waren mit Lichterketten geschmückt, alles sah sehr gemütlich aus. Ein Postkartenidyll,
mit den Tannenbäumen und dem restlichen Interieur erschaffs tdu das Idyll, aber ist es wirklich?

Überall klafften Wunden, sprangen sie Erinnerungen an.
du erzählst leider nur eine dieser Erinnerungen und so wird das Feindbild Dorf nicht komplett sichtbar...

„Ich könnte verrückt werden vor Glück. Ich lieb dich auch so arg.“
Nicht ganz konsequent, entweder so eine Art Mundart oder gar nicht... also besser vielleicht anders rum: ich lieb dich auch so arg und werd verrückt vor Glück...

„Sag, Tausendschönchen, ist der Bauerntrampel dein Freund?“
Tausendschönchen klingt gut, aber wer sagt das?

seine grobe Hand tastete sich wissend über ihren Bauch
"wissend" würde ich streichen

„was für geile Nippel, sag, dass ich dich jetzt ficken soll. Nein, jetzt tu nicht so, das ist eh nur Theater, du bis klitschnass. Du willst nichts sagen? Okay, dann bin ich jetzt der böse Wolf und übernehme die Verantwortung für die Schandtat am Rotkäppchen.“ Bei den Worten, die sie immer mehr erregten,
hat sie so viel Erfahrung, dass sie solche Worte immer erregen?

„Fick dich selbst, Arschloch.“
Na ja: prägnant, aber doch etwas unverbunden mit den vorhergehenden Sätzen, etwas blasphemischeres vielleicht?

ich fahr nicht mehr in das Allgäu und trau keinem Postkartenidyll mehr :)
viele Grüß
Isegrims

 

Hallo barnhelm.

mir gefällt bei deinem Text die Dichte der Atmosphäre und die Nachvollziehbarkeit der Situation und der Charaktere. Das ist dir gut gelungen. Deine Art zu schreiben zieht mich in die Handlung hinein

Das freut mich natürlich ungemein, dass es für Dich geklappt hat mit der Geschichte.

Ich bin auch gespannt, wie es weiter geht, lassen wir uns zusammen überraschen, ja?
Dankeschön, für Deine nette Worte.
Grüßle, Gretha

Hallo Chutney,
es freut mich immer sehr, wie fleißig Du meine Geschichten ließt. Ich muss unbedingt mal schauen, ob es etwas neues von Dir zu lesen gibt.

Wenn sie einfach nur sehr spießig aufgewachsen wäre, hätte sie vermutlich nicht diese Störungen in ihrer Körperwahrnehmung, wäre nicht so autoaggressiv, oder?

Ja, vermutlich. Auch der Hochrisikosex gehört ja mit in die Selbstverletzung. Und das abrupte umspringen von Überhöhung zur Entwertung des Liebespartners ist ein untrügliches Zeichen, für diese Erkrankung. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob mir das richtig gelungen ist, das darzustellen.

Hass auf die Unterdrückung durch die kirchliche Moral oder gar Mißbrauch durch den Pastor
Das wäre sicherlich eine logische Konsequenz. Da sexueller Missbrauch bei über 70% der Fälle dazugehört. Ich will aber gerne einen anderen Hintergrund entwerfen, klar wäre es so einfacher, ich will es mir aber gerne etwas komplizierter und weniger plakativ machen. Deshalb habe ich auch noch nicht weiter geschrieben, weils schwer wird.:hmm:

Ich freue mich immer von Dir zu lesen, Chutney!
Bis bald, Grüßle und danke.
Gretha

 

Ich liebe Geschichten, in denen Dinge auf den ersten Blick ohne erkennbaren Grund geschehen. Und diese ist so eine. Obwohl auch da schon die ganze Geschichte hindurch genügend Hinweise eingestreut werden. Und ich meine hier nicht die „fehlenden“ Rasierklingen im Winter, sondern den Satz: Sie genoss das Gefühl der Anwesenheit ihres sonst tauben Körpers. Schon im Sommer also, noch vor dem Gruppenfick, war die Prot gefühlslos, und die Szene hinterher, als sie sich in der Badewanne zum ersten Mal schnitt, nur eine Fortsetzung oder ein erster Hohepunkt des schon Vorhandenen.

Jedenfalls wird man dadurch gleich neugierig. Allerdings, und das ist jetzt ein Minus, ist es natürlich ein Leichtes, Bordeline-Persönlichkeiten zum Protagonisten zu machen, denn als Leser kann man sich auf Allerlei gefasst machen, schließlich gibt es da kaum Logik im herkömmlichen Sinn und/oder „gesunden“ Menschenverstand. Will sagen: Du kannst Beliebiges hinschreiben, und egal, was da noch kommen mag, man wird als Leser das hinnehmen, d.h. als real akzeptieren müssen.

Andererseits schätze ich es als schwierig ein, sich in so eine Persönlichkeit einzufühlen. Die Szene jedenfalls, als die Prot sagt, sie glaube ihn zu lieben, und gleich im nächsten Augenblick schon anders fühlt, ist dir gut gelungen. Und die Szene auf dem Fest, als sie ihn stehen lässt und alleine tanzt, ist nur konsequent - dass er sich angesichts seines vermeintlichen Glücks besäuft und ihr damit einen Grund für ihre Abweisung liefert, hätte es nicht gebraucht.

Als sie mit denen aus dem Nachbardorf ging, hätte das zu meiner Zeit ganz sicher eine Schlägerei provoziert, denn Jungs lassen „ihre“ Mädchen, d.h. die aus dem eigenen Dorf, nicht freiwillig ziehen, egal wie stark die anderen auch wären. Und es gab Mädchen, die das durch ihr Benehmen ganz bewusst herbeiführten, allein um zu sehen, wie ernst jemand um sie kämpfte - manchmal denke ich, das ist wie bei manchen Tieren, wo nur der Gewinner eines solchen Kampfes das/die Weibchen bekommt. :D

Manchmal braucht du zu viele Wörter – Beispiel: Das spürte er, öffnete seine Hose und drang in sie ein. Er war geübt in solchen Dingen. Sie hatte es bisher nur mit nervösen Anfängern zu tun und war sehr bald außer sich vor Lust. Die meiste Zeit hatte sie die Augen geschlossen, wenn sie sie mal kurz öffnete, sah sie die Gruppe junger Männer um sie herum zusehen.

Die fett gekennzeichneten Wörter sind mMn entbehrlich. Und der Satz, der mit „Sie hatte …“ beginnt, ist ein wenig ungelenk formuliert. Ich weiß zwar, was du sagen willst, aber der Gegensatz kommt nicht klar heraus.

Im Großen und Ganzen ein guter Anfang einer Geschichte, die sicher für manche Überraschung gut sein wird.

 

Hallo Dion.

Ich liebe Geschichten, in denen Dinge auf den ersten Blick ohne erkennbaren Grund geschehen. Und diese ist so eine.

Das freut mich sehr. Ich finde gerade das verdammt schwierig. Wie viele Hinweise streut man zu welchem Zeitpunkt ein, um verständlich zu machen, um was es geht, ohne klischeehaft zu werden, oder verzichtet man komplett auf sie, auf die Gefahr hin, dass dann Handlungsweisen nicht mehr plausibel sind. Ich empfinde das als schier unlösbares Problem, ehrlich gesagt. Und ich glaube, dass mir das sehr oft noch überhaupt nicht gelingt. :heul:
Deshalb freut es mich, dass es für Dich doch irgendwie funktioniert hat.

Allerdings, und das ist jetzt ein Minus, ist es natürlich ein Leichtes, Bordeline-Persönlichkeiten zum Protagonisten zu machen, denn als Leser kann man sich auf Allerlei gefasst machen, schließlich gibt es da kaum Logik im herkömmlichen Sinn und/oder „gesunden“ Menschenverstand. Will sagen: Du kannst Beliebiges hinschreiben, und egal, was da noch kommen mag, man wird als Leser das hinnehmen, d.h. als real akzeptieren müssen.

Na ja, ganz so beliebig mache ich das nicht. Ich habe mich schon ausführlich mit der Krankheit befasst und man hat ja auch die Symptome, an die man sich halten kann. Aber dennoch bleibt es eine Sicht von außen, einfühlen ist von außen natürlich immer spekulativ.

Als sie mit denen aus dem Nachbardorf ging, hätte das zu meiner Zeit ganz sicher eine Schlägerei provoziert, denn Jungs lassen „ihre“ Mädchen, d.h. die aus dem eigenen Dorf, nicht freiwillig ziehen, egal wie stark die anderen auch wären. Und es gab Mädchen, die das durch ihr Benehmen ganz bewusst herbeiführten, allein um zu sehen, wie ernst jemand um sie kämpfte - manchmal denke ich, das ist wie bei manchen Tieren, wo nur der Gewinner eines solchen Kampfes das/die Weibchen bekommt.

Verdammt, das ist ein Einwurf mit Hand und Fuß, vielleicht muss ich das echt noch umschreiben.

Ich danke Dir vielmals für Deine Gedanken, Dion.
Liebste Grüße, Gretha

 

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