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Woher die Schönheit kommt

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29.06.2005
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Woher die Schönheit kommt

Eines Tages fragte ich mich, wo all die Schönheit in der Welt herkomme. Ich packte meinen Seesack, verabschiedete mich ohne große Erklärungen von meiner Frau und zog in die Welt hinaus. Weil mir jedoch in all den Ländern, die ich daraufhin bereiste, kein Mensch befriedigende Antworten gab, beschloss ich schließlich, in den Tiefen des Ozeans zu forschen. Frühmorgens fuhr ich mit aufs Meer hinaus, auf einem kleinen Fischkutter aus Rijeka. Die Männer warfen die Netze aus und begannen Fische zu fangen. Ich aber winkte und sprang mit einem Satz ins Meer. Augenblicklich versank ich, denn ich hatte mir Blei in die Beinkleider eingenäht. Am Grunde empfing mich eine junge Meeresfrau. Sie hatte blasse grüne Augen und goldenes Haar und schwebte vor mir im schillernden Wasser. „Du hast eine Frage“, sagte sie mit wohlklingender Stimme. „Sprich.“
Nun, ich lief rot an und rang um Worte. Ihr wundersamer Körper, der halb Mensch, halb Fisch war, war so nackt und schön, wie die Versuchung selbst. Sie aber kümmerte sich nicht darum und als ich endlich die Stimme wiederfand, klang sie äußerst verlegen. „Ich ersuche euch um Rat, schöne Meeresfrau. Ich möchte wissen, woher all die Schönheit in der Welt kommt.“
„Alle Schönheit kommt aus dem Meer“, gab sie schlicht zurück.
Ich überlegte eine Weile, doch ihre Antwort war rätselhaft.
„Folge mir und du wirst sehen“, sagte sie.
Mit einem Schlag ihrer schillernden Schwanzflosse schwamm sie los. Ihr langes Haar schwemmte hinter ihr auf, wie ein goldener Fächer und so gut ich konnte eilte ich ihr über den Meeresgrund nach.

Zum Glück blieb die Meeresfrau nach kurzer Zeit stehen. Sie wies auf eine riesige Pflanze. Ein Blütenkelch klaffte auf, wie ein mächtiger Trompetentrichter.
„Dies ist die Blume der Schöpfung. In ihrem Herzen verbirgt sich der älteste Ort der Menschheit.“
Staunend folgte ich ihr in die Pflanze, wo schummriges Licht herrschte. Der Weg führte abwärts. Bunte Fischschwärme begegneten uns. Leise Stimmen schwollen an, dann waren wir am Ziel.

In einer weitläufigen Halle standen junge Meerfrauen an korallenen Werkbänken und montierten kleine Kostbarkeiten. Meermänner trugen schimmernde Körbe und Kisten umher. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich bergeweise Muscheln, die von flinken Händen mit Perlen bestückt wurden.
„Das ist der Geburtsort aller Meerestiere“, sagte meine Begleiterin. „Komm mit, ich zeige dir etwas!“ Sie bahnte uns einen Weg und wies mir zwischen ausladenden Blütenblättern den Weg in die Nebenhalle. Wieder sah ich viele Arbeiter. Dann entdeckte ich am Rande der Halle riesige Käfige mit algenbewachsenen Gitterstäben. Darin schwammen durchsichtige Fische, wie ich sie nie zuvor gesehen hatte. Lachse und Thunfische waren dabei, aber alle waren ohne Haut und durchscheinend wie Glas. Jetzt sah ich, wie ein kräftiger Wassermann eine Gittertür öffnete und einen riesenhaften Fisch herauszog. Er trug seinen Fang zu einem Tisch, wo ihn nackte Wassermädchen in Empfang nahmen und mit einer öligen Paste einrieben. Dann wälzten sie das Tier in einer Wanne umher, als wäre es ein Stück Backfisch. Als sie fertig waren und ihn hochhoben, kicherten sie, denn der Fisch trug nun ein wundervoll schillerndes Schuppenkleid. Die Mädchen ließen den Thunfisch los - denn jetzt sah ich, dass es tatsächlich ein Thunfisch war - und er schwamm in kraftvollen Stößen zu einer Öffnung in der fleischigen Blütenwand. Dort hielt er kurz inne und starrte mit großen Augen zurück, dann verschwand er blitzschnell darin.
„Führt das Loch ins Meer?“, fragte ich.
„In alle Ozeane der Welt“, sagte sie ernst.
„Das ist äußerst beeindruckend!“, sagte ich. „Dennoch ist es nicht das, was ich meine.“ Ich zögerte. „Bei all der Schönheit, die ihr hier unten schafft, ist eure Werkstatt doch nicht meine Antwort.“
Sie sah mich nachdenklich an.
„Wenn das so ist, dann suchst du am falschen Ort. Vielleicht ist es überhaupt falsch, dass du suchst. Kehre dorthin zurück, wo deine Reise begann, das ist mein Rat.“
Nachdenklich nahm ich ihre Worte auf. Ich musste wohl einsehen, dass sie mir nicht helfen konnte.
„Vielen Dank“, sagte ich und machte mich auf den Rückweg.

Tage später saß ich zuhause bei einer Pfeife auf der Veranda und konnte das Grübeln nicht lassen. Ich dachte voller Bedauern über meine Reise nach und drehte und wendete die Worte der Meeresfrau, ohne, dass sie je einen Sinn bekamen. Hier war der Ort, an dem meine Suche begonnen hatte. Hier auf der Veranda. Niedergeschlagen ging ich ins Haus. Meine Frau stellte gerade ihren überaus köstlichen Schmorbraten her.
„Was ist?“, fragte sie, als ich zum dritten Mal an der Küchentür vorbeischlich.
„Liebste“ sagte ich, „ich muss dich etwas fragen. Es hat mit meiner letzten Reise zu tun. Seit einiger Zeit treibt mich diese Frage um. Woher die Schönheit in der Welt kommt. Aber niemand kann mir helfen. Nicht einmal die Meermenschen am Grunde des Ozeans.“
„Mein guter Mann“, sagte sie. „Du bist wirklich komisch. Du reist um die ganze Welt, triffst die weisesten Menschen und tauchst sogar auf den Grund des Ozeans, nur um eine Frage zu stellen, deren Antwort sogar ich weiß.“ Sie griff nach meiner Hand und lächelte. „Die Schönheit ist hier. In diesem Raum. In diesem wundervollen Moment! Es ist erstaunlich, was du alles nicht weißt.“ Dann stellte sie den herrlich duftenden Braten auf den Tisch und drückte mich auf die Bank. Und mit einem Mal sah ich sie, die Schönheit. Sie kam direkt aus ihr heraus und verbreitete sich im ganzen Raum.
Als ich aß, wusste ich, dass ich die Antwort gefunden hatte.

 

Hallo Karlsson.

Ich habe deine Geschichte gern gelesen, doch sind mir einige negative Punkte aufgefallen.

Absätze! Bau bitte welche ein, denn so ein Textblock ist abschreckend und wird nicht viele Leser finden.

Show, don’t tell. Sag mir nicht was geschieht, zeig es mir (und allen anderen).

Sie und zeigte auf eine riesige Pflanze und sagte: „Wir sind da.“
Drei Buchstaben zu viel.

Staunend folgte ich ihr in die Pflanze, wo schwammiges Licht herrschte.
Schwammiges Licht kann ich mir nicht wirklich vorstellen.

Zur Handlung. Ein Mann sucht "Die Quelle der Schönheit" überall in der Welt nur nicht bei seiner Frau (war wohl keine Liebeshochzeit :D) und findet sie doch bei ihr. Nicht gerade aufregend, aber dann doch nett.

Die Unterwasserwelt war toll, das ist etwas von dem man nicht so oft ließt.
Alles in allem nicht schlecht, aber noch ausbaufähig.

Bis dann
Vico Juhnow

 

Hallo Juhnow, danke für dein Feedback. Freut mich, dass du die Geschichte gern gelesen hast, wenn die Idee auch nicht "aufregend" sondern nur "nett" ist.
Aber sag mal, auf welche Textstellen beziehst du eigentlich "Show, don't tell"?

Schwammiges Licht ist übrigens dasselbe wie schummriges Licht. Ich glaube das schon mehrmals irgendwo gelesen zu haben. Vielleicht irre ich mich auch. Wenn man es sich nicht vorstellen kann, ändere ich es natürlich. Mal sehen, was andere dazu meinen.
Viele Grüße, Karlsson

 

Hi.

Show, don’t tell ist immer ein guter Rat. :)
Sich an den zu halten ist allerdings schwer.

Ich meinte damit, das du die Geschichte mit vielen Aussagesätzen runterratterst. So kannst du viel Handlung in wenigen Sätzen unterbringen, schaffst aber auch eine Distanz zwischen Protagonist und Leser. Motive und Gefühle sind so nicht erfahrbar.

Ich habe mal gelesen das Schreiben Telephatie sei mit der es dem Autor möglich ist Bilder aus seinem Kopf über den Text in den des Lesers zu bekommen. Das gelingt dir mit dieser Geschichte nicht. Dabei könnte die Erzählung dadurch noch viel gewinnen.

Von schwammigem Licht hatte ich noch nie gehört, aber was solls.

Grüße zurück
Vico

 

Gut, du hast recht. Ich bin mir nur unschlüssig, ob ich die Geschichte überhaupt noch lebendiger ausgestalten will. Es ist auch eine Frage des Stils. Märchen sind oft ziemlich nüchtern geschrieben. Aber deine Kritik verstehe ich jetzt und denke darüber nach ;-)
Gruß, Karlsson

 
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Moi Karlsson,

obwohl die Geschichte mir einen Hauch zu romantisch war, habe ich sie dennoch sehr gern gelesen. Ich finde, daß der Tonfall sehr gut zur Erzählung paßt, und für ein Märchen auch ungewöhnlich viele Details beschrieben werden, sehr liebevoll ausgeführt.

Ich sehe es nicht so, daß show don't tell grundsätzlich vorzuziehen ist. Du hast völlig recht, dies ist ein Märchen, leicht als solches erkennbar, und damit ist diese Erzählweise die älterere Variante. Es wäre also ein heftiger Stilbruch, die Formen zu mixen, und ich sehe keinen Gewinn für das, was Du ausdrücken möchtest. Über die Details hast Du ja schon einen Weg gefunden, den modernen Leser anzusprechen.

Zudem heißt es auch eher, wo es paßt, sei eine ausgewogene Mischung aus show und tell die beste Lösung - die Dynamik aus beidem mache die Wirkung einer guten Geschichte aus. Wobei ich durchaus auch gerne reines tell lese, manchmal zieht mich das scheinbar Unpersönlich-Distanzierte mehr an.

Das alte Ende fand ich viel schöner, übrigens. Hier ist das so ein fast religiös-devoter, und sehr erklärender Abschluß. Das mit dem "Braten essen" war so wunderbar sinnlich und alltäglich, und ein so schöner Bruch mit der phantastischen Unterwasserwelt ... schade. Willst Du nicht nochmal ändern?

Über diesen Text habe ich übrigens einen sehr anrührenden, und dennoch hart-realistischen Text über Stalingrad gefunden - Hut ab. Schon von daher bin ich froh, daß ich in diesen geschaut hatte. :) (Wenn ich mehr Zeit habe, komme ich da auch nochmal vorbei).

Herzlichst,
Katla

 
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Hallo Karlsson,


Mir hat die Story gefallen. Der Stil gefällt mir, vor allem der Anfang kam bei mir irgendwie sehr gut an. Hab dann gleich weiterlesen wollen.

„Du hast eine Frage“, sagte sie mit wohlklingender Stimme. „Sprich.“

das kommt sehr cool märchenhaft rüber

Die Mädchen ließen den Thunfisch los - denn jetzt sah ich, dass es tatsächlich ein Tunfisch war -

einer von den T(h)unfischen stimmt nicht :)

Die Unterwasserwelt fand ich auch toll. Nur das Ende.. naja, schlecht fand ich sie nicht, und schon irendwie passend, wo es ein Märchen ist, aber im Gesamtkontext fand ich sie einfach nicht so cool wie der Rest, weil da nicht wirklich was Neues/Aufregendes passiert: Das alte Ende kenne ich jetzt leider nicht, aber vielleicht durchaus eine Überlegung wert.

mfg,

JuJu

 

Hallo JuJu und Katla, freut mich, dass euch die Geschichte gefallen hat. Ich gebe zu, dass die Meeresbraut etwas cool wirkt an der von JuJu genannten Stelle. Muss ich mal drüber nachdenken.
Ich habe jetzt extra für dich, JuJu, den alten Schluss reingestellt. Sogut ich ihn nachahmen konnte, nachdem ich ihn leider schon gelöscht hatte. Wäre toll, wenn du ihn nochmal lesen und beäugen könntest. Ich fand nämlich den neuen besser und bin jetzt leicht verunsichert.
Freut mich, dass dir noch mehr Geschichten von mir gefallen, Katla. Ich werd bald auch mal was von dir lesen :-)
Gruß Karlsson

 

Hallo Karlsson,


also ich muss sagen, ich mag das mit dem Braten. Schlechter ist dieses Ende sicher nicht.

Mit sehr cool märchenhaft meinte ich nicht obercool, im Sinne von übertrieben, sondern einfach nur cool, im Sinne von, es gefällt mir. :)

mfg,

JuJu

 

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