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Wohin gehen Träume, wenn sie Vergangenheit sind?

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11.10.2002
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Wohin gehen Träume, wenn sie Vergangenheit sind?

Wohin gehen Träume, wenn sie Vergangenheit sind? Wohin geht der Traum eines kleinen Jungen von einer Lokomotive?
Nun, in einer engen, dunklen Gasse, wo die Ratten aus jedem Kellerfenster gucken und Katzen in Mülltonnen nach Essensresten suchen, gibt es ein kleines Fundbüro. Sein Schaufenster ist verstaubt und dreckig. Die Farbe mit der groß „Träume, Wünsche, schöne Lüge“ auf die Glasscheibe gepinselt wurde, blättert langsam ab und hat den Blau-Ton längst verloren.
Öffnet man die Tür und lugt vorsichtig hinein, hört man zuerst das Klingeln vieler, kleiner Glöckchen! Es riecht nach Tabak und Staub und so eine Mischung aus Erinnerung und Träumen, natürlich! Erst bei einem zweiten Blickt fällt einem der alte Mann im Sessel in der dunkelsten Ecke auf, der eine Zigarre raucht und meistens in Gedanken versunken vor sich hin starrt. Neben ihm Stapeln sich unordentlich staubige, dicke Bücher. Sonst stehen in dem Raum noch eine Theke mit einem zerfledderten Buch und dahinter ein kleiner Schrank, der wohl das unauffälligste in dem Raum, aber das wichtigste ist!
Auf meine Frage, nach einem abgegebenen Weihnachtsmann-Traum reagiert der Alte mit einem brummen, erhebt sich stöhnend, stützt sich auf seinen Stock und schlurft zur Theke, er schlägt das Buch auf, fischt in der Tasche der braunen Strickjacke nach seiner Brille und sucht: „Nachtträume, Tagträume, Zukunfstträume, Träume von Personen, Träume von Dingen, Urlaubsträume, tiefgehende Träume, wehmütige Träume, Hoffnugsträume, häufige Träume, Berufsträume, Wunschträume, Kinderträume,....Ja, da könnte es sein.“ Er blättert in die Mitte des Buches und murmelt weiter vor sich hin: „traurige Träume, lustige Träume, ehrliche Träume, Kindertränenträume, Liebesträume, Notlügen, Kinderlügen, Schullügen, Hausaufgabenlügen, aha......hier ist es... Weihnachtsmannlügen.... Wann haben sie es denn verloren?“ „Ich weiß nicht, mit sieben oder acht, vor ungefähr vierzig Jahren!“ „Eine kurze Zeit, eine kurze Zeit! Folgen sie mir bitte!“
Er öffnet den Schrank, ich bleibe überrascht stehen. Der Schrank, er ist eine Tür. Eine Tür, die zu einer riesigen Halle führt in der tausende und abertausende Regale stehen. Auch hier ist es sehr staubig und ich muss niesen. Der Staub wirbelt auf, ich sehe viele kleine Staubkörner in das Licht wirbeln, das durch die großen Fenster an der Decke scheint.
„Pst! Sie schlafen!“ Der Alte deutet auf das Regal voller Einmachgläsern. Erst als ich näher rangehe erkenne ich die kleinen Lichter in den Gläsern. Sie liegen am Boden und werden mal kleiner, mal größer. Ich staune: „Sind sie das?“
„Hier entlang“, der Alte gibt mir keine Antwort und führt mich in eine der hintersten Ecken. „Hier irgendwo müsste es sein.“ Er schaut traurig auf die vielen Gläser: „Ich war schon lange nicht mehr in dieser Abteilung! Kaum jemand glaubt noch an den Weihnachtsmann. Das ist traurig! Was passiert, wenn wir eines Tages an nichts mehr glauben? Was passiert dann? Können sie mir das sagen? Es ist traurig, sehr traurig!“ Der Redeschwall scheint ihn erschöpft zu haben, er lehnt sich auf seinen Stock und geht dann langsam an dem Regal entlang.
„Ich weiß nicht!“ der Mann scheint keine Antwort hören zu wollen. Er sieht mich lange an, dann nickt er: „Sie sehen mir nach einem gelben aus! In so etwas habe ich mich noch nie getäuscht!“
Er greift nach einem Glas. „Könne sie ihn mir beschreiben?“
Ich lächle: „ Auf dem Heimweg von der Kirche hab ich immer in den Himmel gestarrt um seinen Schlitten mit den Renntieren zu sehen und ich habe Schneeflocken gefangen. Zuhause angekommen schickte mich mein Vater jedes Mal ins Kinderzimmer, oh, wie aufgeregt ich war! Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen, es war als hüpfte mein Herz. Bis das Glöckchen klingelte, konnte ich es meistens kaum aushalten und schlich mich oft schon nach unten um einen Blick auf den Weihnachtsmann zu erhaschen. Aber ich habe ihn nie gesehen, ich hätte wissen müssen, dass er sich nicht zeigt. Ich war sehr ungehorsam, aber gerade das hat doch zu Weihnachten gehört, nicht war? Oh, ich glaube es beginnt zu schneien, sehen sie! Am Fenster! Ich muss schnell raus! Vielleicht sehe ich die Renntiere! Vielleicht kann ich einen Blick auf ihn erhaschen!“
Der alte Mann kichert vor sich hin, als der Fremde aus dem Lager läuft, er springt und hüpft und freut sich, wie ein kleines Kind! Diese Momente liebt der Fundbüroinhaber. Er nimmt das Glas mit dem nun wachen Traum und stellt ihn in ein anderes Regal. „Erledigt- Abgeholt“ steht darüber. Der Alte reibt sich die Hände, kehrt in seinen Sessel zurück und zündet sich zufrieden eine neue Zigarre an.

 
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Tja, ich will die Geschichte meinem Vater zu Weihnachten schenken...

 
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