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Yourdina, Prinzessin des Himmels

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08.01.2004
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Yourdina, Prinzessin des Himmels

Yourdina, Prinzessin des Himmels

Das Licht schien an diesem Tag zu müde zu sein, um sich durch die Wolken zu kämpfen, die schon seit Tagen die Sonne verdeckten. Als dichter Teppich mit einem facettenreichen Grau spannte der Himmel sich über die leeren, wie vergessen wirkende Wege, hüllte die Schaukel auf dem Spielplatz in Einsamkeit ein. Doch plötzlich war es da, ganz winzige Strahlen spiegelten sich in den zarten Kristallen, die mit wundervollen weißen Röckchen auf die Erde hernieder fielen.

In der Kinderheilanstalt herrschte reges Treiben. Die Kinder saßen um einen Tisch herum und versuchen mit mehr oder weniger Erfolg zu malen oder kneten, Therapie für die Feinmotorik nannten die Schwestern dies. Manchen Kindern schien es Spaß zu machen, sie lächelten, wenn sie die unbekannte weiche Masse zwischen ihren Fingern zerdrückten, oder die Pinsel in einen Becher mit Wasser tauchten und dann die sich veränderten Farben betrachteten, zu ihnen sprachen die Schwestern und lächelten hin und wieder. Doch einige der Kinder saßen teilnahmslos auf ihren Stühlen, von denen sie nicht alleine herunter konnten, öffneten oder schlossen ihre Hände nicht, die Schwestern ließen sie gewähren.

Yourdina saß auf der Fensterbank. Sie wirkte in sich versunken, ihr Blick in den Himmel gerichtet der Gegenwart weit entfernt.
Wie kam es nur, dass sie den Schnee hörte, der doch lautlos zur Erde fiel?
Sie vernahm das Kichern der zarten Flocken, wenn der Wind sie noch einmal hoch wirbelte, mit ihnen Bilder aus Gedankenfetzen zauberte, bevor sie sich mit einem silberhellen Klang, als ob der Flügel eines Schmetterlings ein Glockenspiel berührte, sanft auf die Erde legten.
Yourdina spürte ihre Freude beim Tanz aus den Wolken, wie das Kribbeln einer Ameisenarmee auf ihrer Haut, fühlte den Schlaf, den sie der Welt zum Geschenk machten.
Doch auch ihr eisiger Tod, der sich dunkel zu ihnen auf die Straße legte, fand seinen Weg zu ihr und machte sie traurig.
Durch die Gitterstäbe des Fensters, in Mauern, die sie von der Welt fernhielten, schickte sie ihre Gedanken hinaus, die wie Hände ihrer Seele, zart und behutsam über die Flocken strichen, sie glatt wie ein Tischtuch werden ließen.
Da entdeckte sie das unsichtbare Wesen, das umgeben von unschuldigem Weiß, mit hängenden Schultern da stand, nun seinen Kopf hob und direkt in ihre Augen sah. Wie die Wärme eines Sonnestrahls traf Yourdina dieser Blick und hinterließ ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Im tiefsten ihres Inneren suchte sie nach liebevollen Gedankenworten ihn zu erwidern, ahnte jedoch nicht, dass ihr Lächeln es längst erreicht hatte.
„Da seid Ihr ja Prinzessin, so lange hab ich nach Euch gesucht.“
Niemand außer Yourdina fühlte diese Worte, während sich das unsichtbare Wesen mit den Schneeflocken vereinte, zu ihr tanzte und sich wie ein Schal an die Fensterscheibe legte. Yourdina schmiegte sich an das kühle Glas und lauschte.
„Wo habt Ihr nur gesteckt?“
„Ach, ich wollte die Liebe sehen, die die Menschen so einmalig macht“, antworteten ihre großen Augen, die nun den Schimmer von Sehnsucht trugen.
„Habt Ihr sie gefunden?“
Das unsichtbare Wesen schien vor Neugierde zu glühen.
Yourdina atmete tief, schloss die Augen, ließ noch einmal jene zauberhaften Momente, von denen sie glaubte der Liebe nahe gewesen zu sein, Revue passieren.
„Ein bisschen, denke ich“, gestand sie schließlich.
„Ein bisschen?“
Das unsichtbare Wesen wirbelte vor dem Fenster auf, so dass die zarten Flocken, die es mit sich trug, wie eine Windhose über die Wege tanzten, es schien fast als würde es sich die Haare raufen. Wenn die Menschen sie angenommen hatten, dann wäre keine Rückkehr mehr möglich, sie würde ihre Fähigkeiten nicht verlieren, aber ihre Erinnerung, und fortan ständig von Zweifeln genagt sein.
„Shalina, warum regst du dich so auf?“
Yourdinas Gedanken ließen das Wesen inne halten.
„Ihr kennt meine Namen, Ihr kennt immer noch meinen Namen, dann haben wir Euch nicht verloren“, triumphierte es nun.
„Verloren, nein wie kommst du nur auf so etwas“, lächelte Yourdina nun, „ich war doch nur spazieren“, erklärte sie wortlos weiter.
Noch einmal vollführte Shalina einen Tanz, der Jubelschrei der Schneeflocken auslöste.
„Du kitzelst in ihren Bäuchen“, lächelten Yourdinas Augen.
„Warum hast du mich gesucht?“
„Aber Prinzessin, Ihr seit vor langer Zeit fort gegangen und Niemand wusste wohin.“
„Verzeiht, ich dachte nicht, dass es so lange dauern würde.“
Um Vergebung bittend senkte sie den Kopf, dachte noch einmal an den Morgen, als sie ihr Zuhause verließ. Freudige Erwartung kribbelte in ihrem Bauch, beflügelte sie. So viele Geschichten hatte sie von den Menschen gehört, die ihre Neugierde weckten. Nur für einen Augenblick wollte sie sich zu ihnen gesellen, doch man nahm sie mit in dieses Haus.
Für einen Moment herrschte Stille zwischen den Beiden, bis Shalina Eisblumenerinnerungen an die Fensterscheibe hauchte.
„Weißt du, damals als ich fort ging wollte ich die Liebe nicht nur sehen, sondern auch fühlen...“
„Prinzessin“, empörte sich Shalina, „dass war sehr dumm von Euch!“
„Ja, ich weiß, ich darf es nicht, deswegen habe ich auch niemanden etwas gesagt.“
„Aber... wie kommt es dann?“
„Sie halten mich für verrückt“, lächelte Yourdina sich in ihre Gedanken, während ihr Blick schüchtern zu den Schwestern, die mit den anderen Kindern am Tisch saßen wanderte.
„Verrückt?“
„Ja, und einige haben auch Angst vor mir und den anderen Kindern, deshalb halten sie uns von den Menschen da draußen fern.“ Erklärte sie und malte mit den Fingerspitzen die Eisblumen nach, zog nachdenklich eine Augenbraue hoch, von Weiten hörte sie einige Schneeflocken weinen, die gern länger geblieben wären.
“Ich erzählte ihnen von den Kissenschlachten, die die jungen Wolken zum Fest ihres ersten Regens veranstalten, doch sie schüttelten den Kopf, lächelten und nannten es Gewitter.“
„Prinzessin, möchtet Ihr nicht heimkommen?“
Die Frage kam zaghaft, denn Shalina wusste, dass nachdem Yourdina zwar nur Kontakt zu den Menschen hatte, die Entscheidung jedoch nicht mehr in ihren Händen lag.
Die kleine Prinzessin stand auf, ging langsam auf die anderen Kinder zu, doch niemand beachtete sie. Die Schwestern setzten die andern Kinder zurecht, zogen sie zurück, wenn sie sich auf ihren Stühlen drehten oder versuchen aufzustehen. Eins der Kinder stieß einen Becher um und das gräulich blau schimmernde Wasser floss über den Tisch, durchtränkte die auf ihm liegenden Blätter Papier, die Kinder lachten, die Schwester verdrehte leicht die Augen und stöhnte, bevor sich eine Zornesfalte auf ihrer Stirn bildete und sie versuchte das Wasser mit einem Tuch aufzunehmen.
„Nein“, schrie ein kleines Mädchen und grabschte mit ihren Händchen in die Luft, „Nein, nein...“
„Was hast du denn?“
Eine andere Schwester kam dazu, hob das kleine Mädchen aus dem Stühlchen und schaukelte es sanft hin und her, aber die Arme des Kindes zeigten immer noch in Richtung Tisch und versuchen verzweifelte zurück zu gelangen.
„Lassen Sie ihr das Wasser, es trägt ihre Sommererinnerungen“, mischte Yourdina sich ein.
„Jetzt nicht“, wand die Schwester sich an sie.
„Aber sehen Sie denn nicht...“
„Doch“, unterbrach die Schwester sie, „sie hat gemalt und nun ist der Becher umgestürzt und das Wasser zerstört ihr Bild.“
Und zu dem immer noch zappelnden Kind auf ihrem Arm sagte sie, „ Schscht, ganz ruhig wir machen wieder alles trocken, wir helfen dir.“
„Nein“, hauchte Yourdina enttäuscht, „dass tun Sie nicht, sie hatte ihre ganzen Sommerfarben in den Becher gefüllt, jene glitzernde Wärme, die helle Tage ihr geschenkt, und die sie nun durch dunkle begleiteten sollte, die haben Sie ihr genommen.“
Genauso unglücklich, wie dies kleine Mädchen, das nun tief in sich versunken stumm weinte, kamen diese Worte über die Lippen der Prinzessin.
„Sie kommen wieder, die Farben“, tröstend versuchte sie diese Gedanken in die Kleine zu streicheln, doch es gelang ihr nicht.
Yourdina sah Unsicherheit in den Augen der Schwester, aber sie fühlte auch so etwas wie Schmerz. Neigte den Kopf ein wenig zur Seite und betrachtete aufmerksam das Gesicht der erwachsenen Frau.
„Warum seht ihr nie richtig hin?“
Die Frage blieb unbeantwortet, die Schwester streichelte sanft über den Kopf des kleinen Mädchens, das immer noch schluchzte.
„Ihr habt doch Augen.“
Mit diesen Worten drehte die Prinzessin sich um und ging wieder zum Fenster, nachdenkliche Blicke folgten ihr.
„Hast du gesehen Shalina? Sie ist da, die Liebe, doch sie verstehen sie einfach nicht.“ Traurigkeit schrieb diese Worte während sie über Yourdinas Wangen lief.
„Ja, ich möchte heimkommen!“
Erleichtert schloss Shalina die Augen.
Mit lautem Klirren ließ sie, die Fensterscheibe zerspringen, ein Wirbel aus freudig kichernden Schneeflocken, drang ins Zimmer, hüllte die Prinzessin des Himmels sanft in eine Wolke, hob sie empor und trug sie heim.

©Angela Redeker

 

Hallo Angela Redeker,

ich weiß nicht so ganz, was ich zu der Geschichte schreiben soll. Auf jeden Fall ist sie schön. Der Einstieg gestaltet sich ein bisschen mühsam, aber dann bin ich gut in den Text gerutscht - vielleicht gehst du da nochmal drüber?
Ein wenig fehlt mir die Beschreibung des persönlichen Hintergrundes deiner Prinzessin. Sie ist aus dem Himmel weggelaufen, weil sie die Liebe "fühlen" will und nicht nur "sehen" - das wäre eine Stelle, wo du unterfüttern kannst. Was mir auch nicht ganz einleuchtet, ist, dass der Engel befürchtet, die Prinzessin "verloren" zu haben. Ich glaube, dass du dir dabei etwas gedacht hast, das nicht in der Geschichte auftaucht.

Die Sprache und die Bilder gefallen mir aber sehr gut.

gruß
vita
:bounce:

 

Hey Angela,

sehr schöne Geschichte. Hat mit wirklich gut gefallen, besonders den ersten Absatz fand ich gelungen (den Rest natürlich auch)! :)

aber die Arme des Kinder zeigten immer noch in Richtung Tisch und versuchen verzweifelte zurück zu gelangen.

Ich glaube du meintest des Kindes, oder? :)

Mehr kann ich auch gar nicht dazu sagen, ich fand deine Geschichte einfach gut!

Mfg Odin

 

Hey, ich finde deinen Schreibstil total schöN:)!! Die Geschichte hab ich auch sehr gerne gelesen. Nur bei den Punkten, welche Vita schon erwähnt hat, muss ich mich anschließen, das würde die Geschichte noch etwas mehr abrunden. Aber wie schon gesagt, sie ist auch so sehr schön:), gerade diese Phatansie, die damit herüberkommt...!! :)

Lg

Thomas

 

Liebe Vita,
komme erst heute dazu dir zu antworten.
Zunächst einmal vielen DANK fürs Lesen und Kommentieren, es freut mich sehr, dass mein dir mein Werk gefällt.

Nun zu deinen Punkten:
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Der Einstieg gestaltet sich ein bisschen mühsam, aber dann bin ich gut in den Text gerutscht - vielleicht gehst du da nochmal drüber?
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Was genau meinst du damit?
Meine Tochter hat dies Werk gelesen und keine Probleme gehabt.

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Ein wenig fehlt mir die Beschreibung des persönlichen Hintergrundes deiner Prinzessin. Sie ist aus dem Himmel weggelaufen, weil sie die Liebe "fühlen" will und nicht nur "sehen" - das wäre eine Stelle, wo du unterfüttern kannst.
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Danke für den Tipp werde mir dies noch mal ansehen.

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Was mir auch nicht ganz einleuchtet, ist, dass der Engel befürchtet, die Prinzessin "verloren" zu haben. Ich glaube, dass du dir dabei etwas gedacht hast, das nicht in der Geschichte auftaucht.
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Nun die Furcht sie verloren zu haben liegt daran, dass sie Kontakt zu den Menschen hatte, er fragt sie auch mal wie es kommt, dass sie sich trotzdem an ihn erinnert, die Erklärung gibt sie ihm.
Ich werde mir diese Stelle jedoch auch noch mal ansehen und eventuell etwas deutlicher erklären.

lieben Gruß
Angela

 

Hallo Odin,
auch dir ganz lieben DANK für deinen netten Kommentar, es freut mich sehr,dass mein Werk dir gefällt.

Den aufgezeigten Fehler habe ich korrigiert, vielen DANK für den Hinweis, hattest natürlich Recht;-)

liebe Grüße
Angela

 

Lieber Tommy,
ganz lieben DANK für deinen Kommentar. Freut mich sehr, dass meine Art zu schreiben dich anspricht und dir mein Werk gefällt.
Wie ich Vita schon geantwortet habe, werde ich mir die besagten Stellen noch mal ansehen und nacharbeiten.

liebe Grüße
Angela

 

Hallo Vita und Tommy,
habe ein wenig an der Geschichte gearbeitet und einiges hinzugefügt.
Hoffe, dass es nun so verständlicher ist.

lieben Gruß
Angela

 

Hey Angela,

ja, es ist jetzt besser, finde ich.
Übrigens reicht ein einziger Post, um allen zu antworten. So wirkt der Thread bald unübersichtlich und der aufgeklärte Forennutzer möchte auf die Editierfunktion hinweisen. Und dann denke ich nicht nach dem nach Hause kommen "huch, Angela hat 4 neue Kritiken".

lieben gruß
vita
:bounce:

 

Hallo Angela,

eine schöne, in sich runde Geschichte, in einem klasse Stil erzählt. Deine Art, mit Worten Bilder zu malen gefällt mir sehr gut.
Die Moral kommt nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daher, was mir auch sehr gut gefällt, die etwas melancholische Stimmung ist sorgsam aufgebaut und in sich logisch.

Hat mir wirklich gut gefallen.

Liebe Grüße,

Ronja

 

Hallo Angela,
deine Geschichte hat mich verzaubert. :) Ich konnte mir deine Geschöpfe gut vorstellen. Es hat mich aber auch rein plotmäßig an die kleine Meerjungfrau erinnert. Aber dein Märchen finde ich schöner.
LG
Goldene Dame

 

Hallo Felsenkatze,
vielen DANK fürs Lesen und Kommentieren, freut mich sehr, dass mein Werk dir gefällt und ich bedanke mich für das Kompliment.

Hallo Goldene Dame,
ganz lieben DANK fürs Lesen und deine lieben mir sehr wichtigen Worte. Freue mich wirklich sehr, dass du mein Märchen schöner findest:-))

liebe Grüße
Angela

 

Hallo Angela,
deine kleine Geschichte fand ich ebenfalls sehr schön.
Deine Art zu schreiben, wie du kleine Dinge, zum Beispiel Schneeflocken, so genau beschreibst, mag ich sehr.
Die idee zeugt von einer fantasie, die ich sehr schätze... und obwohl man einiges erfährt, bleibt die geschichte weiterhin geheimnisvoll.
gerade das macht die besonderheit aus, darum nochmal ein großes Lob von mir!
Lg,
Lily

 

Liebe Lily
ich danke dir von ganzen Herzen für diesen zauberhaften Kommentar.
Es freut mcih sehr,dass du das Besondere an meinem Werk erkannt hast.

vielen DANK für dein Lob.

lieben Gruß
Angela

 

Hoi:),
die Geschichte hat mich auch beim zweiten Mal immer noch verzaubert! Du hast auf jedenfall noch abgerundet und ich hab keine weiteren Fehler gefunden!! VOn mir gibs ein :thumbsup:.

Schönen Abend

Thomas

 

Lieber Thomas,
es freut mich sehr, dass es mir gelungen ist die Geschichte zu verbessern und dich zu noch mal zu verzaubern.
vielen DANK für Damen hoch;-)

lieben Gruß und einen schönen Sonntag
Angela

 

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